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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juli 2015 - VfGBbg 45/15 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 47 Abs. 1
- OWiG, § 79 Abs. 3
- StPO, § 356a
Schlagworte: - Subsidiarität
- Anhörungsrüge
- Rücknahme
- Anfechtung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juli 2015 - VfGBbg 45/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 45/15




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

Rechtsanwalt S.,

Beschwerdeführer,

wegen            Urteil des Amtsgerichts Senftenberg vom 15. Mai 2014 (50a Owi 1640 Js-OWi 36295/13 (919/13)) und Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgericht vom 27. November 2014 ((2 Z) 53 Ss-OWi 525/14 (258/14)).

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 17. Juli 2015

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

Gründe:

 

A.

 

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Verurteilung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit.

 

I.

 

Das Amtsgericht Senftenberg verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 15. Mai 2014 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h (Tattag: 27. Juli 2013) zu einer Geldbuße von 85,00 € (50a Owi 1640 Js-OWi 36295/13 (919/13)). Einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde verwarf das Brandenburgische Oberlandesgericht am 27. November 2014 als unbegründet, da ein Zulassungsgrund nicht vorliege. Von einer weiteren Begründung sah es ab ((2 Z) 53 Ss-OWi 525/14 (258/14)).

 

Der Beschwerdeführer erhob am 5. Januar 2015 Verfassungsbeschwerde (VfGBbg 2/15), die er aufgrund eines gerichtlichen Hinweises am 17. Februar 2015 zurücknahm.

 

Bereits am 26. Januar 2015 hatte der Beschwerdeführer Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts erhoben, die dieses mit Beschluss vom 5. März 2015 wegen Verfristung als unzulässig verwarf.

 

II.

 

Der Beschwerdeführer hat am 11. Mai 2015 erneut Verfassungsbeschwerde erhoben. Er macht geltend, die auf Hinweis des Verfassungsgerichts erfolgte Rücknahme der Verfassungsbeschwerde sei unnötig gewesen. Er fechte die Rücknahme an. Die vom Verfassungsgericht erforderte Anhörungsrüge sei offensichtlich aussichtslos gewesen. Das Oberlandesgericht sei im Beschluss vom 5. März 2015 nicht auf die gerügte, offen zu Tage getretene Willkür eingegangen. Es sei auch nicht zu erwarten gewesen, dass auf die Anhörungsrüge ein geänderter Beschluss hätte ergehen können. In anderer Sache habe das Oberlandesgericht die Auffassung vertreten, auf eine Anhörungsrüge sei keine Abänderung der Entscheidung möglich. Insofern sei ihm auch Wiedereinsetzung zu gewähren. In der Sache ergebe sich die Verfassungswidrigkeit aus seiner Verfassungsbeschwerde vom 5. Januar 2015. Ihm sei kein rechtliches Gehör gewährt worden und die Entscheidung des Oberlandesgerichts sei willkürlich. Die beim Amtsgericht Senftenberg tätige Person könne nicht gesetzliche Richterin sein, denn ihr fehle als „DDR-Juristin“ die für einen Richter erforderliche Qualifikation. Das Amtsgericht habe sich mit den von ihm aufgeworfenen Fragen der Unwirksamkeit der  verwirrenden Allgemeinverfügung und der Hinweispflicht auf eine permanente Messstelle nicht befasst. Es verstoße gegen Denkgesetze, eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf einen fehlenden Standstreifen zu beziehen, wenn ein solcher nach den Autobahnausführungsvorschriften tatsächlich vorhanden sei. Der Beschluss des Oberlandesgerichts sei wegen Verstoßes gegen den Begründungszwang willkürlich. Das Oberlandesgericht habe die Zulässigkeit und Begründetheit der Rechtsbeschwerde zur Rechtsfortbildung des Rechts missachtet.

 

B.

 

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Bran-denburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

1. Der Vortrag des Beschwerdeführers genügt schon deshalb nicht den gesetzlichen Begründungserfordernissen aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg, weil sich im Hinblick auf den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 5. März 2015 nicht erkennen lässt, dass die zweimonatige Beschwerdefrist (§ 47 Abs. 1 VerfGGBbg) gewahrt wäre. Die Begründungsanforderungen erfordern die substantiierte Darlegung der Fristwahrung, sofern diese nicht ohne weiteres aus den Unterlagen ersichtlich ist (Beschluss vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 19/04 -, www.verfassungsgericht.bran-denburg.de; zum Bundesrecht etwa BVerfGK 14, 468, 469 m. w. Nachw.). Das ist hier nicht der Fall. Der am 11. Mai 2015 eingegangenen Beschwerdeschrift lässt sich nicht entnehmen, wann der zunächst nicht einmal vorgelegte Beschluss vom 5. März 2015 zugegangen ist. Auch die schließlich hergereichte Beschlusskopie weist keinen Eingangsstempel auf, der Rückschlüsse auf den Tag des Zugangs erlauben könnte.

 

2. Der Verfassungsbeschwerde steht zudem der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Dieser verlangt vom Beschwerdeführer, vor Anrufung des Verfassungsgerichts über eine bloße Rechtswegerschöpfung hinaus alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende zu unternehmen, um eine etwaige Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beheben (Beschlüsse vom 25. Februar 2011 - VfGBbg 15/10 (8/10 EA) -; vom 27. Mai 2011 - VfGBbg 20/10 -; vom 6. Juli 2012 - VfGBbg 63/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Dazu gehört es auch, ein Rechtsmittel oder sonstigen Rechtsbehelf in gehöriger Weise einzulegen (vgl. BVerfGE 91, 93, 107), mithin die dafür bestehenden gesetzlichen Fristen zu wahren, prozessualen Rüge- und Darlegungslasten zu genügen und sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des jeweiligen Verfahrensrechts Rechnung zu tragen. Genügt die Prozessführung vor den Fachgerichten diesen Anforderungen nicht, so ist die nachfolgend erhobene Verfassungsbeschwerde unzulässig (vgl. Beschlüsse vom 27. Mai 2011 - VfGBbg 20/10 -; vom 6. Juli 2012 - VfGBbg 63/11 -, www.verfassungsgericht.bran-denburg.de;  vgl. auch BVerfGE 74, 102, 113f; 96, 345, 372). Das ist hier der Fall. Der Beschwerdeführer hat die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. November 2014 schon nicht fristgerecht erhoben.

 

3. Anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf die Anfechtungserklärung bezüglich der Rücknahme der Verfassungsbeschwerde in der Sache VfGBbg 2/15. Die Rücknahme unterliegt als Prozesserklärung nicht der Anfechtung (vgl. zum Verwaltungsprozessrecht: Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 27. EL Oktober 2014, § 92 Rn. 22). Die Ansicht des Beschwerdeführers, der in der Anlage zur Eingangsverfügung vom 6. Januar 2015 erteilte Hinweis des Verfassungsgerichts auf die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde wegen des (zunächst) nicht durchgeführten Anhörungsrügeverfahrens sei unrichtig gewesen, weil die Anhörungsrüge als offensichtlich aussichtslos entbehrlich gewesen sei, geht fehl. Der zur Begründung herangezogene Beschluss des Oberlandesgerichts vom 5. März 2015 gibt für diese Ansicht ebenso wenig etwas her, wie der weiter angeführte Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zur Anhörungsrüge in der Sache (2B) 53 Ss-OWi 435/14 (225/14). Während der Beschluss vom 5. März 2015 auf die Versäumung der Rügefrist gestützt ist, betrifft die vom Beschwerdeführer zitierte Passage zur fehlenden Abänderungsmöglichkeit aus dem Beschluss im Verfahren (2B) 53 Ss-OWi 435/14 (225/14) offensichtlich nicht die Anhörungsrüge, sondern die von der dortigen Beschwerdeführerin parallel erhobene Gegenvorstellung. Im Übrigen bleibt es dabei, dass die Anhörungsrüge in den Fällen, in denen der Beschwerdeführer – wie hier – einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs rügt, Teil des vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde zu erschöpfenden Rechtswegs ist (Beschluss vom 19. September 2014 - VfGBbg 18/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel Schmidt