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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juni 2011 - VfGBbg 52/10 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg; § 45 Abs. 2
Schlagworte: - Erschöpfung des Rechtswegs
- rechtliches Gehör
- Gehörsrüge
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juni 2011 - VfGBbg 52/10 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 52/10




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

       M.

 

 

 

 

Beschwerdeführer zu 1),

 

 

       K.

 

 

 

 

Beschwerdeführer zu 2),

 

 

wegen der Beschlüsse des Amtsgerichts Potsdam vom 3. Mai 2010 (Az.: 43 F 170/10) und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 2. September 2010 (Az.: 15 UF 74/10)

 

 

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Lammer, Möller, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

 

am 17. Juni 2011

 

 

b e s c h l o s s e n :

 

 

         Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

G r ü n d e :

 

A.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen Entscheidungen des Amtsgerichts Potsdam und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, die im Rahmen von Streitigkeiten über das Sorgerecht der Kindesmutter und des Beschwerdeführers zu 1) für deren gemeinsamen minderjährigen Sohn, den Beschwerdeführer zu 2), ergangen sind.

 

I.

Die Eltern sind und waren nicht miteinander verheiratet. Der Beschwerdeführer zu 2) lebt bei der Kindesmutter, die alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge ist.

 

Im vor dem Amtsgerichts Potsdam geführten Ausgangsverfahren (43 F 73/08) beantragte der Beschwerdeführer zu 1) gemäß § 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) den Entzug der elterlichen Sorge und Übertragung auf den Beschwerdeführer zu 1), hilfsweise die Begründung der Mitsorge und die Übertragung der Gesundheitssorge im Wege der einstweiligen Anordnung. Die Anträge wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 31. März 2008 zurück. Eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Beschwerdeführer zu 1) komme mangels der hierfür erforderlichen Zustimmung der Kindesmutter nicht in Betracht. Die Übertragung der Sorge könne auch nicht auf § 1666 BGB gestützt werden, da keine Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bestehen würden. Das Brandenburgische Oberlandesgericht verwarf mit Beschluss vom 20. Mai 2008 (15 UF 55/08) die dagegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers zu 1) mit der Begründung, dass dem Vater eines nichtehelichen Kindes kein eigenes Beschwerderecht zustehe. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Rechtsbeschwerde verwarf der Bundesgerichtshof als unzulässig mit Beschluss vom 26. November 2008 (XII ZB 103/08).

 

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3. Dezember 2009 in der Sache Zaunegger (Individualbeschwerde Nr. 22028/04) beantragte der Beschwerdeführer zu 1) am 30. März 2010 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht (15 UFH 1/10) die Wiederaufnahme des betreffenden Verfahrens im Sinne einer Restitution gem. § 580 Nr. 8 Zivilprozessordnung (ZPO). Das Brandenburgische Oberlandesgericht leitete den Antrag an das nach seiner Auffassung zuständige Amtsgericht Potsdam weiter (dortiges Az. 43 F 186/10), daneben stellte der Beschwerdeführer zu 1) beim Amtsgericht Potsdam einen weiteren Wiederaufnahmeantrag (43 F 170/10).

 

Das Amtsgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 3. Mai 2010 die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 43 F 170/10 verbunden und die Anträge als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Brandenburgische Oberlandesgericht mit streitgegenständlichem Beschluss vom 2. September 2010 zurück, dabei könne dahinstehen, ob die Begründung des Amtsgerichts zutreffend sei. Dem Beschwerdeführer zu 1) fehle es wegen der zwischenzeitlich vom Bundsverfassungsgericht getroffenen Entscheidung (21. Juli 2010 - 1 BvR 420/09 -) am Rechtsschutzbedürfnis für das Wiederaufnahmeverfahren.

 

Über die Anhörungsrüge und Gegenvorstellung, mit der der Beschwerdeführer zu 1) u. a. geltend machte, dass das Oberlandesgericht eine Überraschungsentscheidung getroffen habe, war zum Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde noch nicht entschieden worden.

 

 

II.

Der Beschwerdeführer zu 1) hat am 4. November 2010 im eigenen Namen und im Namen des Beschwerdeführers zu 2) Verfassungsbeschwerde gegen die den Wiederaufnahmenantrag zurückweisenden Beschlüsse des Amtsgerichts Potsdam vom 3. Mai 2010 und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 2. September 2010 erhoben. Er rügt eine Verletzung der Grundrechte auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 10 der Verfassung des Landes Brandenburg – LV -), der Gleichheit (Art. 12 Abs. 1, 2 und 3 LV), der Eltern- und Kindrechte (Art. 27 Abs. 1, 2, 4 und 5 LV) sowie des Rechts auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren (Art. 52 Abs. 3 und 4 LV). Daneben macht er die Verletzung von Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention geltend.

 

Er ist der Auffassung, dass ihm nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die damit einhergehenden Grundrechte der Landesverfassung verweigert worden seien. Er rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Brandenburgische Oberlandesgericht, weil es eine Überraschungsentscheidung getroffen habe.

 

 

III.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 3. Januar 2011, dem Beschwerdeführer zu 1) zugestellt am 18. Januar 2011, zurückgewiesen.  Der Beschwerdeführer zu 1) hat in seinem und im Namen des Beschwerdeführers zu 2) am 18. März 2011 zu den im Restitutionsverfahren ergangenen Entscheidungen des Amts- und Oberlandesgerichts erneut eine Verfassungsbeschwerde erhoben (Az.: VfGBbg 10/11).

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

I. Der Beschwerdeführer zu 1) hat den nach § 45 Abs. 2 VerfGGBbg vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde zu beschreitenden Rechtsweg nicht erschöpft. Er hat zwar von der Möglichkeit, gegen den angegriffenen Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts Anhörungsrüge zu erheben, Gebrauch gemacht, er hat jedoch dessen Entscheidung darüber nicht abgewartet. Damit hat er dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht genügt. Ein Beschwerdeführer ist nämlich verpflichtet, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alle nach Lage der Dinge ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu ergreifen, insbesondere den fachgerichtlichen Rechtsweg auszuschöpfen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 21. Januar 2011 – VfGBbg 63/10 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Es gehört zur Erschöpfung des Rechtswegs im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg, dass ein Beschwerdeführer die Entscheidung über die von ihm in zulässiger Weise erhobene Anhörungsrüge abwartet, bevor er Verfassungsbeschwerde erhebt.

 

Die fehlende Erschöpfung des Rechtswegs im Hinblick auf die Anhörungsrüge hat nicht nur zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde in Bezug auf die behauptete Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 2. Alt. LV) unzulässig ist. Vielmehr ist die Verfassungsbeschwerde dann – jedenfalls bei einem wie vorliegend einheitlichen Streitgegenstand des fachgerichtlichen Verfahrens – insgesamt, also auch hinsichtlich etwaiger weiterer Verstöße gegen Rechte der Beschwerdeführer aus der Landesverfassung, unzulässig. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass die zur Fortsetzung des fachgerichtlichen Prozesses führende Anhörungsrüge auch bezogen auf diese Verstöße die fachgerichtliche Abhilfe bewirkt hätte (vgl. Beschluss vom 21. Januar 2011 – VfGBbg 63/10 -, a. a. O.). Da die Zulässigkeitsvoraussetzung der Rechtswegerschöpfung schon bei Erhebung der Verfassungsbeschwerde vorliegen muss und nicht nachgeholt werden kann (Beschluss vom 21. Januar 2010 - VfGBbg 49/09 -, NJW 2010, 1947) bleibt die Verfassungsbeschwerde auch nach Ergehen der Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts über die Anhörungsrüge am 3. Januar 2011 unzulässig.

 

 

II. Da die  Verfassungsbeschwerde bereits aus den o. g. Gründen unzulässig ist, kann dahinstehen, ob die für den minderjährigen Beschwerdeführer zu 2) erhobene Verfassungsbeschwerde auch unter dem Gesichtspunkt mangelnder Prozessfähigkeit unzulässig ist. Aus den gleichen Gründen kam die Bestellung eines Ergänzungspflegers für den Beschwerdeführer zu 2) nicht in Betracht, weil ein Interessenkonflikt zwischen der sorgeberechtigten Mutter, der grundsätzlich die Vertretung des Beschwerdeführers zu 2) und damit auch die Vertretung im verfassungsgerichtlichen Verfahren zukommt, und dem Beschwerdeführer zu 2) bereits im Hinblick auf die Erfolglosigkeit der eingelegten Beschwerde nicht zu erwarten stand (Beschluss vom 25. Februar 2011 - VfGBbg 46/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

 

 

 

C.

 

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Postier Dr. Becker
   
Dielitz Möller
   
Dr. Lammer Partikel
   
Nitsche Schmidt