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VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juni 2010 - VfGBbg 6/10 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1
- StVollzG, § 118 Abs. 3
Schlagworte: - Strafvollzug
- Computernutzung
- Rechtswegerschöpfung
- Ausführungsantrag
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 17. Juni 2010 - VfGBbg 6/10 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 6/10 EA



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren sowie in dem Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

G.,

Beschwerdeführer und Antragsteller,

wegen der Beschlüsse des Landgerichts Cottbus vom 12. August 2008 (Az.: 21 StVK 813/07), vom 30. Dezember 2008 (Az.: 21 StVK 712/08), vom 5. November 2009 (Az.: 21 StVK 842/08) sowie vom 26. November 2009 (Az.: 21 StVK 388/09 und 21 StVK 671/09)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Prof. Dawin, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Partikel und Schmidt

am 19. August 2010

b e s c h l o s s e n :

1. Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

G r ü n d e :

A.

I. Der Beschwerdeführer verbüßt - voraussichtlich bis September 2010 - eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt ... . Auf seine Anträge genehmigte der Anstaltsleiter ihm, das „Computerkabinett“ der Anstalt zur Anfertigung privater Schriftstücke zu benutzen. Nachdem es aufgrund von Manipulationen zu Störungen im Computersystem gekommen und ein vom Beschwerdeführer verfasstes Schmähgedicht entdeckt worden war, widerrief der Anstaltsleiter die Genehmigung am 27. September 2007. Auf Antrag des Beschwerdeführers hob das Landgericht Cottbus mit Beschluss vom 12. August 2008 (Az.: 21 StVK 813/07) den Widerruf auf und gab der Justizvollzugsanstalt auf, den Beschwerdeführer hinsichtlich der Benutzung des „Computerkabinetts“ unter Beachtung der Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer neu zu bescheiden. Am 16. Oktober 2008 erhob der Beschwerdeführer Untätigkeitsklage. Darauf widerrief der Leiter der Justizvollzugsanstalt die Genehmigung für die Nutzung des „Computerkabinetts“ mit Bescheid vom 29. November 2008. Die Kosten der – erledigten - Untätigkeitsklage wurden mit Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 30. Dezember 2008 der Staatskasse auferlegt (Az.: 21 StVK 712/08). Den gegen den erneuten Widerruf gerichteten Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung wies das Landgericht Cottbus mit Beschluss vom 5. November 2009 (Az.: 21 StVK 842/08), dem Beschwerdeführer nach eigenen Angaben zugestellt am 19. November 2009, zurück. Mit Beschlüssen vom 26. November 2009 wies das Landgericht Cottbus ebenfalls die zur Sicherung seiner Rechte im Hauptsacheverfahren 21 StVK 842/08 gestellten Anträge des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück (Az.: 21 StVK 388/09 und 21 StVK 671/09).

II. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner am 30. Januar 2010 beim Verfassungsgericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen des Landgerichts Cottbus vom 12. August 2008 (Az.: 21 StVK 813/07), vom 30. Dezember 2008 (Az.: 21 StVK 712/08), vom 5. November 2009 (Az.: 21 StVK 842/08) sowie vom 26. November 2009 (Az.: 21 StVK 388/09 und 21 StVK 671/09) und beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Wegen der ihm auferlegten Arbeits- und Einkaufssperre habe er die Verfassungsbeschwerde nicht fristgemäß erheben können. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Rechte auf rechtliches Gehör sowie auf ein willkürfreies und faires Verfahren. Er macht weiter geltend, es sei ihm nicht möglich gewesen, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde den fachgerichtlichen Rechtsweg auszuschöpfen. Die Justizvollzugsanstalt habe ihn nicht zur Einlegung von Rechtsbeschwerden ausgeführt, obwohl er dem allgemeinen Vollzugsdienst entsprechende Anträge bezogen auf sämtliche ihm im Zeitraum von August 2008 bis November 2009 zugestellte Beschlüsse des Landgerichts Cottbus übergeben habe. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei erforderlich, um weitere Nachteile für die Verteidigung seiner Rechte abzuwehren.

III. Die Justizvollzugsanstalt ... hat Gelegenheit erhalten, zu dem die Ausführungsanträge betreffenden Vorbringen des Beschwerdeführers Stellung zu nehmen.

B.

Die Anträge haben keinen Erfolg.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist insgesamt unzulässig.

1. Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 5. November 2009 (Az.: 21 StVK 842/08) gerichtet ist, genügt sie nicht dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg). Danach ist eine Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nur zulässig, wenn zuvor der fachgerichtliche Rechtsweg ausgeschöpft wurde. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Beschwerdeführer hat versäumt, gegen die angegriffene Entscheidung Rechtsbeschwerde gemäß § 116 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) zu erheben. Dieses Rechtsmittel ist unter anderem zulässig, wenn – wie hier - die Verletzung elementarer Verfahrensgrundsätze gerügt wird (vgl. Schuler, in: Schwind/Böhm/Jehle, Strafvollzugsgesetz, 4. Aufl., Rn. 7 zu § 116).

a.) Vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung ist nicht im Hinblick auf den Vortrag des Beschwerdeführers abzusehen, die Justizvollzugsanstalt habe ihm die Möglichkeit abgeschnitten, Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 5. November 2009 (Az.: 21 StVK 842/08) zu erheben. Diese Rechtsbeschwerde konnte er gemäß § 118 Abs. 3 StVollzG nur in einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Gerichts erheben. Weder aus der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt noch aus den Angaben des Beschwerdeführers oder den von ihm beigebrachten Dokumenten ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ihm die Erhebung der Rechtsbeschwerde tatsächlich unmöglich gemacht worden sein könnte. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers erschöpft sich in der allgemeinen Behauptung, er habe Ausführungsanträge bezogen auf sämtliche ihm im Zeitraum von August 2008 bis November 2009 zugestellte Beschlüsse des Landgerichts Cottbus gestellt. Nähere Angaben dazu, wann und bei welchem Vollzugsmitarbeiter etwaige Anträge gestellt wurden, fehlen völlig. Der Beschwerdeführer hat seinen Vortrag auch nicht in erheblicher Weise ergänzt, nachdem der Leiter der Justizvollzugsanstalt in seiner Stellungnahme vom 27. April 2010 ausdrücklich erklärt hat, der Beschwerdeführer habe bezogen auf den Beschluss vom 5. November 2009 keinen Antrag gestellt. Der darauf allein geäußerte Vorwurf des Beschwerdeführers, seine Anträge seien unterschlagen worden, lässt einen realen Hintergrund nicht im Ansatz erkennen. Besteht somit kein Anlass zu der Annahme, die fristwahrende Erhebung der Rechtsbeschwerde sei dem Beschwerdeführer unmöglich gemacht worden, bedarf es nicht der weiteren Prüfung, ob er seine Rechte zunächst durch Beantragung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Fachgericht zu wahren gehabt hätte (vgl. dazu im Bundesrecht Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. September 2005 – 2 BvR 172/04 u.a. -, NJW 2005, 3629).

b.) Für eine Entscheidung vor Erschöpfung des Rechtswegs, wie sie nach § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg möglich ist, besteht keine Veranlassung. Sie kommt nur in Betracht, sofern eine Grundrechtsverletzung im Raum steht, die auch nur zeitweise hinzunehmen ganz und gar unerträglich wäre (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg in ständiger Rechtsprechung seit Beschluss vom 16. November 2000 - VfgBbg 49/00 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 198, 204). Es ist nicht ersichtlich, dass diese Schwelle hier erreicht sein könnte. Insbesondere wird dem Beschwerdeführer durch die versagte Nutzung des „Computerkabinetts“ die Rechtsverteidigung gegen die gerügten Haftbedingungen nicht unzumutbar erschwert. Dagegen sprechen schon Anzahl und Umfang der vom Beschwerdeführer an die Fachgerichte und das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gerichteten Schreiben. Die vorliegende Sachlage ist auch nicht mit derjenigen vergleichbar, die der vom Beschwerdeführer herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 17. Juni 1999 – 2 BvR 1454/98 -, NStZ 1999, 532) zugrunde lag. Während der dortige Beschwerdeführer zur inhaltlichen Begründung eines Wiederaufnahmeantrags auf die seinem Gewahrsam entzogenen Akten angewiesen war, steht vorliegend - nur - der versagte Zugang zum „Schreibgerät Computer“ im Streit.

2. Soweit die Verfassungsbeschwerde sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts Cottbus vom 12. August 2008 (Az.: StVK 813/07), vom 30. Dezember 2008 (Az.: 21 StVK 712/08) und vom 26. November 2009 (Az.: 21 StVK 388/09 und 21 StVK 671/09) wendet, ist sie schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

a.) Die Entscheidung vom 12. August 2008 (Az.: 21 StVK 813/07) belastet den Beschwerdeführer nicht, da sie die streitgegenständliche Versagung der privaten Computernutzung vom 27. September 2007 aufhebt.

b.) Entsprechendes gilt bezogen auf den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 30. Dezember 2008 (Az.: 21 StVK 712/08). Auch diese Entscheidung des Landgerichts Cottbus belastet den Beschwerdeführer nicht, sondern beschwert allein die Staatskasse mit den Kosten der - erledigten - Untätigkeitsklage.

c.) Schließlich fehlt dem Beschwerdeführer das Rechtsschutzbedürfnis auch insoweit, als er sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts Cottbus vom 26. November 2009 (Az.: 21 StVK 388/09 und 21 StVK 671/09) richtet, mit denen die Anträge des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wurden. Die im Verfassungsbeschwerdeverfahren allein zu erreichende Aufhebung der Entscheidungen ist nicht geeignet, die prozessuale Situation zu seinen Gunsten zu verändern. Nach der Entscheidung über das Hauptsacheverfahren 21 StVK 842/08 bestand für das Landgericht Cottbus kein Raum mehr für eine mit den einstweiligen Rechtsschutzverfahren erstrebte vorläufige Regelung nach § 114 Abs. 2 StVollzG.

Auf die Frage der Rechtzeitigkeit der Verfassungsbeschwerde und die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt es danach nicht mehr an.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen. Eine einstweilige Anordnung kommt nicht in Betracht, wenn das Begehren in der Hauptsache erfolglos ist.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
 

Postier Prof. Dawin
      
Dielitz Dr. Fuchsloch
    
Partikel Schmidt