VerfGBbg, Beschluss vom 16. September 2011 - VfGBbg 3/11 EA -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde EA |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 | |
Schlagworte: | - Rechtswegerschöpfung - Verwaltungsvorschriften - Bundesrecht - Prüfungskompetenz |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 16. September 2011 - VfGBbg 3/11 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 3/11 EA
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
H.
Beschwerdeführer,
wegen Erlass von Gerichtskosten
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel, Möller und Schmidt
am 16. September 2011
b e s c h l o s s e n :
1. Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Beitreibung von Forderungen der Landesjustizkasse bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht sowie gegen die Ablehnung des Erlasses der Forderungen durch den Präsidenten des Landgerichts Frankfurt (Oder).
Gegen den Beschwerdeführer, der wegen einer starken, fortschreitenden Sehbehinderung schwerbehindert ist und eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezieht, bestehen aus verschiedenen Gerichtsverfahren titulierte Forderungen der Landesjustizkasse in Höhe von insgesamt 615,86 EURO. Am 15. März 2005 erklärte die Landesjustizkasse einen Verzicht auf die zwangsweise Beitreibung der bis dahin aufgelaufenen Gerichtskosten und wies gleichzeitig darauf hin, dass die Forderung bei Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse ohne weitere Aufforderung zu begleichen sei. Als dem Beschwerdeführer im Jahr 2010 weitere Kosten in Höhe von 125 EURO auferlegt wurden, beantragte er deren Erlass. Dies lehnte der Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder) unter dem 24. November 2010 ab. Diese Entscheidung ist dem Beschwerdeführer nach seinen Angaben am 19. Juli 2011 zugegangen. Zur Begründung heißt es dort, dass eine Forderung nur bei besonderer Härte erlassen werden könne, und zwar nur dann, wenn weder eine Stundung noch eine Ratenzahlung zu gewähren sei. Eine besondere Härte liege nicht vor, der Beschwerdeführer habe weder Stundung noch Ratenzahlung beantragt. Am 2. März 2011 beauftragte die Landesjustizkasse die Gerichtsvollzieherin mit der Beitreibung der Gesamtforderung. Die Mobiliarvollstreckung blieb erfolglos, der Beschwerdeführer wurde zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen.
Am 3. Juli 2011 hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben und am 11. Juli 2011 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er sieht sich in seinen Grundrechten aus Art. 52 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 (Willkürverbot), Art. 52 Abs. 3 (Anspruch auf rechtliches Gehör), Art. 52 Abs. 4 (Anspruch auf ein faires Verfahren), Art. 12 Abs. 2 (Benachteiligungsverbot Schwerbehinderter), Art. 15 Abs. 1 (Unverletzlichkeit der Wohnung) und Art. 7 Abs. 2 (Würde des Menschen) der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) verletzt. Die Entscheidung der Landesjustizkasse, den Beitreibungsverzicht aus dem Jahr 2005 zurückzunehmen, sei willkürlich. Die titulierten Forderungen seien ihm zu erlassen. Sie seien jeweils in Zusammenhang mit Anträgen auf Prozesskostenhilfe, also aus Notsituationen heraus, entstanden. Der Erlass liege im öffentlichen Interesse, weil er nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht mehr, wie bisher, als Schiedsmann und ehrenamtlicher Richter tätig sein könne. Im Hinblick auf die ihm gegenüber dem Amt M. aus seiner Tätigkeit als Schiedsmann bzw. gegenüber der Justizkasse als ehrenamtlicher Richter zustehenden Gegenforderungen sei ein Erlass auch billig. Die drohende Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hätte für ihn persönlich erhebliche, nicht mehr wiedergutzumachende Nachteile, weil er dann Sondertarife nicht mehr in Anspruch nehmen könne und preiswerte Einkäufe über das Internet, auf die er infolge seiner Behinderung und seines Wohnorts angewiesen sei, nicht mehr möglich seien. Aufgrund seiner Schwerbehinderung seien die Ehrenämter die einzige ihm mögliche Teilhabe an der Gesellschaft. Müsse er nach Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung aus den Ehrenämtern ausscheiden, käme eine Wiederwahl – allenfalls theoretisch – nach Ablauf der nächsten Wahlperiode, also nach 5 Jahren in Betracht; bis dahin müsse er aber mit einer erheblichen weiteren Verschlechterung seines Augenlichts rechnen. Die Verwaltungsvorschriften über den Umgang mit Prozesskostenhilfe seien zu ändern, um Stundungen und Erlasse menschenwürdig umzusetzen. Der Gesetzgeber müsse beauflagt werden, bei geringen Streitwerten die Gebühren nicht mehr nach dem Streitwert, sondern nach dem Einkommen der Parteien zu berechnen.
Die Akte des Amtsgerichts Strausberg - DR II 481/11 (Gerichtsvollzieherin Xenia Kuhlke) - war beigezogen.
B.
I. Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist unzulässig.
1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. November 2010 wendet, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil er entgegen § 45 Abs. 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) den Rechtsweg nicht erschöpft hat. Der Beschwerdeführer hat vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alle ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung ohne Inanspruchnahme des Verfassungsgerichtes zu erreichen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 21. Januar 2011 – VfGBbg 63/10 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Der Beschwerdeführer hat zwar gegen den Bescheid vom 24. November 2010 das Brandenburgische Oberlandesgericht angerufen. Dieses hat – jedenfalls zum Zeitpunkt des Eingangs der Verfassungsbeschwerde - allerdings noch keine Entscheidung getroffen, der Rechtsweg war bei Einleitung des Verfahrens also noch nicht erschöpft. Selbst wenn eine Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts im Laufe des Verfassungsbeschwerdeverfahrens erginge, könnte dies die Unzulässigkeit dieser Verfassungsbeschwerde nicht mehr heilen. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg muss der fachgerichtliche Rechtsweg vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde abgeschlossen sein. Dies schließt es auch aus, das Verfassungsbeschwerdeverfahren bis zu einer Entscheidung des Fachgerichts ruhen zu lassen (vgl. Beschluss vom 21. Januar 2010 - VfGBbg 49/09 –, NJW 2010, 1947).
2. Soweit sich der Beschwerdeführer pauschal gegen Verwaltungsvorschriften zum Umgang mit Prozesskostenhilfe sowie der Stundung und dem Erlass von Gerichtskosten wendet, fehlt es an einer ausreichenden, den Anforderungen der §§ 20 Abs. 1 Satz 1, 46 VerfGGBbg genügenden Begründung der Verfassungsbeschwerde. Es wird schon nicht ersichtlich, welche Vorschriften der Beschwerdeführer in Bezug nimmt. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass er durch Verwaltungsvorschriften selbst, unmittelbar und gegenwärtig in eigenen Grundrechten verletzt würde. Verwaltungsvorschriften sind von interner Natur, unmittelbare rechtliche Wirkung entfalten erst konkrete Entscheidungen, die durch die zuständige Behörde auf Grund der entsprechenden beanstandeten Vorschriften getroffen werden und dann anfechtbar sein können.
3. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde schließlich auch, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Vorschriften zur Erhebung von Gerichtsgebühren wendet. Diese sind Bestandteil des Bundesrechts und unterliegen deshalb nicht der Prüfungskompetenz des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg, das gem. § 45 Abs. 1 VerfGGBbg nur bei behaupteten Grundrechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt des Landes Brandenburg angerufen werden kann.
II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war zurückzuweisen, weil dem Beschwerdeführer bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Eine einstweilige Anordnung gem. § 30 VerfGGBbg kann nur dann ergehen, wenn die Dringlichkeit der Angelegenheit gerade eine Entscheidung des Verfassungsgerichts gebietet. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Antragsteller, wie hier in Gestalt des § 765 a ZPO, Rechtsschutz durch die Fachgerichtsbarkeit in Anspruch nehmen kann.
C.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Postier | Dr. Becker |
Dielitz | Dr. Lammer |
Partikel | Möller |
Nitsche | Schmidt |