VerfGBbg, Beschluss vom 16. März 2006 - VfGBbg 25/04 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1 | |
Schlagworte: | - Gemeindegebietsreform - kommunale Selbstverwaltung - Verhältnismäßigkeit |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 16. März 2006 - VfGBbg 25/04 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 25/04
IM NAMEN DES VOLKES |
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In dem kommunalen
Verfassungsbeschwerdeverfahren
Gemeinde Groß Breese, Beschwerdeführerin, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Q.
hat das Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg am 16. März 2006 b e s c h l o s s e n : Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Die Beschwerdeführerin, eine dem Amt Bad Wilsnack/Weisen angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Eingliederung in die weiterhin amtsangehörige Gemeinde Breese. I. 1. Die Beschwerdeführerin, eine Gemeinde im äußeren Entwicklungsraum des Landes Brandenburg, gehörte zum nach dem sogenannten Modell 1 gebildeten Amt Bad Wilsnack/Weisen mit Sitz der Amtsverwaltung in Bad Wilsnack. Das im Landkreis Prignitz gelegene Amt wird umgeben von den amtsfreien Städten Perleberg und Wittenberge sowie der amtsfreien Gemeinde Plattenburg. Im Süden grenzt das Amt an das Bundesland Sachsen-Anhalt. Das Amt war 1992 zunächst aus neun Gemeinden gebildet worden. Durch die Eingliederungen der Gemeinde Bentwisch in die Stadt Wittenberge und der Gemeinde Grube in die Stadt Bad Wilsnack sowie den Zusammenschluß der Gemeinden Legde und Quitzöbel in den Jahren 1997 bis 2002 reduzierte sich die Zahl der amtsangehörigen Gemeinden auf sechs. Das Amt bestand fortan aus den Gemeinden Bad Wilsnack, Breese, Legde-Quitzöbel, Rühstädt, Weisen und Groß Breese. Bei einer über dem Landesdurchschnitt (161 km²) liegenden Fläche von ca. 188 km² und 7.260 Einwohnern (Stichtag 31. Dezember 2001) wies das Amt eine unter dem Landesdurchschnitt liegende Bevölkerungsdichte von ca. 38 Einwohnern pro km² (Landesdurchschnitt 87 Einwohner pro km², äußerer Entwicklungsraum 49 Einwohner pro km²) auf. In Bad Wilsnack lebten ca. 3.040 Einwohner, in Breese ca. 1.400, in Legde und in Quitzöbel - vor ihrem Zusammenschluß - ca. 450 bzw. ca. 300, in Rühstädt ca. 600, in Weisen ca. 1.160 und in der Beschwerdeführerin ca. 300. Die rückläufige Bevölkerungsentwicklung im Amt wurde durch Zuzüge aus Wittenberge ausgeglichen. Bereits im April 2001 beschloß die Gemeindevertretung der Beschwerdeführerin, die Eigenständigkeit als amtsangehörige Gemeinde erhalten zu wollen. 2. Ende April/Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Anhörungsunterlagen für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Prignitz versandt. Zwei Drittel der Einwohner der Beschwerdeführerin sprachen sich im Rahmen einer brieflichen Befragung gegen die geplante Neugliederung und für den Erhalt der Eigenständigkeit der Beschwerdeführerin aus. 3. Im September/Oktober desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. § 25 des Entwurfes zum Fünften Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark (5. GemGebRefGBbg) sah die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Breese vor. Der Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am 23. Oktober 2002 vorab eine Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. Zur Anhörung der Beschwerdeführerin vor dem Innenausschuß am 11. Dezember 2002 wurde deren ehrenamtlicher Bürgermeister geladen, der den Termin nicht wahrnahm. Die Beschwerdeführerin erhielt Gelegenheit, nachträglich schriftlich noch bis zum 02. Januar 2003 Stellung zu nehmen. Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. Nunmehr § 24 des 5. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl I S. 85), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. § 48 Satz 1 des 5. GemGebRefGBbg), lautet: § 24 Die Gemeinde Groß Breese wird in die Gemeinde Breese eingegliedert. II. Die Beschwerdeführerin hat am 05. Mai 2004 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, die Neugliederungsmaßnahme sei verfassungswidrig, weil sie alle Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft erfülle, die üblicherweise in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Gemeinde fallen. Die Vorschriften des 5. GemGebRefGBbg würden dem Wunsch nach Erhalt einer intakten Ortsfeuerwehr nicht gerecht. Die Sachverhaltsdarstellung des Gesetzgebers sei nicht korrekt, daher seien falsche Schlüsse gezogen worden. Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:
III. Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg sowie die Gemeinde Breese hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. B. Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. I. Die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin ist gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend. Ebenso wird die Beschwerdeführerin im kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren weiter durch das Amt vertreten. II. Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt. 1. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Breese bleibt im Einklang mit der Landesverfassung. a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe selbst festlegen kann. Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u. a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; Bundesverfassungsgericht - BVerfG - , BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]). Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u. a. Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N., vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –,[Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573, 574, und vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., sowie Beschlüsse vom 22. April 2004 – VfGBbg 182/03 –und vom 15. September 2005 - VfGBbg 113/03 -). b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Breese Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen: aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt. (1) Die örtlichen Verhältnisse und wesentlichen Strukturdaten der Beschwerdeführerin, der Nachbargemeinden wie auch des Amtes sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. sog. Neugliederungssachverhalt in LT-Drucksache 3/5020, S. 434 ff.). Er hat berücksichtigt, daß die dörflich geprägte Beschwerdeführerin eine Fläche von 17,29 km² und eine Bevölkerungsdichte von 18 Einwohnern je km² aufweist, während sich die durch Wohnsiedlungscharakter bestimmte Gemeinde Breese nur über 6,3 km² erstreckt, jedoch eine Bevölkerungsdichte von ca. 50 Einwohner je km² aufweist. Nicht unberücksichtigt ließ der Gesetzgeber, daß große Teile des Gebietes der Beschwerdeführerin im Landschaftsschutzgebiet „Brandenburgische Elbtalaue“ und im Biosphärenreservat „Flusslandschaft Elbe-Brandenburg“ liegen. Im Westen grenzt die Beschwerdeführerin an die Gemeinde Breese und im Osten an die Gemeinde Bad Wilsnack. Im Norden und Südwesten ist sie von den amtsfreien Städten Perleberg und Wittenberge umgeben. Über die Landesstraße L 11 ist die Beschwerdeführerin mit Bad Wilsnack und über Breese auch mit Wittenberge verbunden, wobei der Siedlungszusammenhang zwischen der Beschwerdeführerin und der Gemeinde Breese an der L 11 nur etwa 800 Meter unterbrochen ist. Daß dagegen eine direkte siedlungsmäßige Verflechtung der Beschwerdeführerin mit Bad Wilsnack nicht besteht, hat der Gesetzgeber gesehen. Durch eine Buslinie des ÖPNV ist die Beschwerdeführerin mit den anderen amtsangehörigen Gemeinden und weiteren Gemeinden verbunden. Erfaßt hat der Gesetzgeber auch, daß die Beschwerdeführerin über eine Ortsfeuerwehr und eine Gaststätte verfügt. Letztere wird auch von den Einwohnern aus Breese besucht. In Breese hat er darüber hinaus eine Grundschule, ein Gewerbegebiet, eine Sparkassenfiliale, einen Arzt, einen Zahnarzt, einen Frisör und einen Bäcker festgestellt, die wiederum auch von den Einwohnern der Beschwerdeführerin aufgesucht werden. Kindertagesstätten werden von den Einwohnern der Beschwerdeführerin darüber hinaus auch in Bad Wilsnack und Wittenberge aufgesucht. Daß der Regionalplan I Prignitz-Oberhavelland für die Beschwerdeführerin keine Funktion, die Gemeinde Breese dagegen als Ort mit besonderer Wohnfunktion ausweist, hat der Gesetzgeber ebenso berücksichtigt wie den Umstand, daß beide Gemeinden dem Nahbereich des Mittelzentrums Wittenberge zugehören. So nutzen die Einwohner der Beschwerdeführerin die dortigen kulturellen Einrichtungen und die weiterführenden Schulen. Obwohl die Beschwerdeführerin über keine eigene Industrieansiedlung verfügt, gehören Teilflächen ihrer Gemarkung zum Gewerbegebiet Holzpark Wittenberge. Hauptwirtschaftszweig in der Beschwerdeführerin ist die Land- und Forstwirtschaft. Dabei stellte der Gesetzgeber auch fest, daß 70 Berufs-Auspendlern nur 15 Einpendler in die Beschwerdeführerin entgegenstehen. Bei der Betrachtung der Finanzsituation hat der Gesetzgeber festgestellt, daß die Beschwerdeführerin zwar - ebenso wie auch die anderen Gemeinden des Amtes - über einen ausgeglichenen Haushalt verfügt, jedoch eine steuerschwache Gemeinde ist, deren Steuereinnahmen und Investitionskraft unter dem Landesdurchschnitt liegen. (2) Diese Sachverhaltsermittlung begegnet keinen verfassungsrelevanten Bedenken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt hat. Wie verbunden die Gemeinden im Detail jetzt sind, ist bei der Prognoseentscheidung zur Gemeindegebietsneugliederung von untergeordneter Bedeutung. Ins Gewicht fällt vielmehr nur, ob er die für die Durchführung des gewählten Leitbildes bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten wird und es möglich ist, daß die Neugliederung bei Zugrundelegung des behaupteten abweichenden Sachverhalts anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“; VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, EA S. 25; StGH BW, NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen sind weder von der Beschwerdeführerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere die Einwände, daß die Einwohnerzahlen und die Bevölkerungsdichte nicht steigen könnten, wenn statt neuen Baulandes nur Lückenbebauung durch das Land genehmigt werde und daß neben einer Gaststätte auch ein Gemeindezentrum für Veranstaltungen zur Verfügung stehe, beinhalten neben abweichenden Wertungen zwar auch Sachverhaltskorrekturen bzw. -ergänzungen. Diese treten jedoch nicht in Widerspruch zu den die gesetzgeberische Entscheidung tragenden Sachverhaltselementen oder sind für die Frage der dauerhaften Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin relevant. bb) Der Gesetzgeber gliedert aus Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV die Beschwerdeführerin neu. Die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Breese überwindet die bisherige Kleingliedrigkeit der Kommunen und erstrebt eine Stärkung ihrer Verwaltungskraft. Nachvollziehbar beruft sich der Gesetzgeber darauf, daß Ämter als örtliche Verwaltungseinheit im äußeren Entwicklungsraum weiter bestehen sollen, soweit nicht nach dem Leitbild eine amtsfreie Gemeinde gebildet werden kann. Das Amt soll nicht weniger als 5.000 und amtsangehörige Gemeinden sollen regelmäßig nicht weniger als 500 Einwohner haben. Auch sollten Ämter - vom Ausnahmefall eines Ämterzusammenschlusses abgesehen - aus mindestens drei und nicht mehr als sechs Gemeinden bestehen (LT-Drucksache 3/5020, S. 438, S. 41 ff. Leitbild I. 2. b) aa), bb) und cc). Eine diesem Leitbild teilweise widersprechende Ausgangssituation hat der Gesetzgeber vorgefunden. (1) Daß eine Stärkung der Verwaltungskraft, die Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltungen, ein Grund des öffentlichen Wohls ist, der eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermag, hat das Landesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, insbesondere zu dem Unterfall der Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland (Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., und - VfGBbg 97/03 -) sowie zum vorausgegangenen Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (vgl. Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - und Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 -). Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der Leitbildbestimmungen. (2) Soweit der Gesetzgeber seine Abwägungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführerin die Mindesteinwohnerzahl von 500 Einwohnern deutlich unterschreitet und die Einwohnerzahl seit 1992 auch nicht gestiegen ist (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 438 und ebd. sein Leitbild unter I. 2. b) cc), S. 24), ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. Die Landesverfassung steht der Einschätzung, daß sich aus einer geringen Einwohnerzahl der Gemeinde typisierend Rückschlüsse auf die (verminderte) Leistungsfähigkeit der Gemeinde ergeben, nicht entgegen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Der Gesetzgeber war nicht gehalten, die bisherige Leistungskraft der Beschwerdeführerin als alleiniges und zwingendes Indiz für ihre künftige Leistungsfähigkeit zu werten. Der Rückgriff auf die Einwohnerzahl als Indiz für die Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist auch bei amtsangehörigen Gemeinden unbeschadet dessen statthaft, daß eine amtsangehörige Gemeinde im Land Brandenburg nicht selber Träger der „eigentlichen“ Verwaltung ist. Die Gemeindevertretung bleibt nämlich ungeachtet der administrativen Umsetzung durch das Amt für alle Angelegenheiten der Gemeinde zuständig. Nicht das Amt, sondern die einzelne Gemeinde ist Träger der gemeindlichen Einrichtungen und für den Unterhalt dieser Einrichtungen zuständig. Solche Einrichtungen können im Regelfall sinnvoll nur von bestimmten gemeindlichen Mindestgrößen an betrieben werden (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 -, a.a.O., und Beschluß vom 18. November 2004 – VfGBbg 167/03 –, a.a.O., m.w.N.). Im übrigen hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang geprüft, ob geographische, historische oder soziokulturelle Gesichtspunkte ein Abweichen von der Regelmindesteinwohnerzahl rechtfertigen. Seine Einschätzung, daß dies nicht der Fall sei (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 438), ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. cc) Zur Erreichung der Reformziele ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Breese nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Klein- und Kleinstgemeindestruktur durch die Eingliederung der Beschwerdeführerin eindeutig verfehlt würde. dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Breese ist auch nicht unverhältnismäßig. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Der Gesetzgeber hat die Vor- und Nachteile seines Neugliederungsvorhabens hier in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt. Danach besitzen die für eine Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Breese sprechenden Gründe das größere Gewicht. (1) Die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung war dem Gesetzgeber gegenwärtig. Er hat die Belange der Einwohner im Blick gehabt und sich damit auseinandergesetzt, ablesbar aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/5020, S. 432 f.). Auf der anderen Seite hat er als gegenläufige Belange in zulässiger und vertretbarer Weise die geringe Größe der Beschwerdeführerin berücksichtigt. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Bildung einer größeren Verwaltungseinheit durch Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Breese bei gleichzeitiger Verringerung der Anzahl amtsangehöriger Gemeinden notwendig ist. Besonderheiten, die einen Fortbestand der Beschwerdeführerin als eigenständige Gemeinde gebieten, sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Daß die Beschwerdeführerin eine weitgehend stabile haushaltswirtschaftliche Situation auf niedrigem Niveau aufweist, genügt nicht, zumal ihre Steuer- und Investitionskraft unterdurchschnittlich sind. Die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers erscheint insoweit vertretbar, soweit er mit der Schaffung größerer Verwaltungseinheiten insbesondere die Erhöhung der Investitionskraft beabsichtigt. Gleichfalls ist die Motivation der Gesetzgebers, mit dem Zusammenschluß der beiden Gemeinden ein Ungleichgewicht im Amt zwischen den durch Zusammenschlüsse gestärkten Gemeinden einerseits und der Kleinstgemeinde mit ständig angespannter Finanzlage andererseits verhindern zu wollen, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Vor diesem Hintergrund spricht auch die unmittelbare Nachbarschaft der Beschwerdeführerin zur Gemeinde Breese für einen Zusammenschluß dieser beiden Gemeinden. (2) Eine vorzugswürdige leitbildgerechte Alternative, die die Beschwerdeführerin in ihrer Existenz erhalten hätte, ist von dieser weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen. (1) Der Gesetzgeber war nicht durch die finanziellen Folgen an einer Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Breese gehindert. Für die Beurteilung am Maßstab des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV ist nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie entscheidend, welche Lösung für die Einwohner der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten neu zu gliedernden Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber hinaus der Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht. Erfahrungsgemäß kann der Wohlstand einer Gemeinde auf Lagevorteilen - etwa einer verkehrsgünstigen Lage an der Schnittstelle zwischen Autobahn und Bundesstraße - beruhen, wenn auch die sich aus der günstigen Lage ergebenden Chancen genutzt werden müssen. Umgekehrt kann Verschuldung jedenfalls teilweise aus Lagenachteilen herrühren, etwa wenn Infrastruktureinrichtungen unterhalten werden müssen, die zugleich den Menschen aus Nachbargemeinden zugute kommen, und gleichzeitig günstige Entwicklungsmöglichkeiten nicht vorhanden sind oder durch bestehende (Wohn-)Bebauung nicht lohnend genutzt werden können. Unabhängig davon ist die Finanzlage und damit auch der Beitrag, den die Einwohner mit einem neu zugeschnittenen Gebiet und Ressourcen zu leisten vermögen, naturgemäß nicht von Dauer, sondern veränderlich. Die wirtschaftliche Entwicklung des Gesamt-Neugliederungsgebietes ist so oder so nicht sicher einschätzbar. (2) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Auch das Ergebnis der Willensbildung der Gemeindevertretung der Beschwerdeführerin zur beabsichtigten Neugliederung war dem Gesetzgeber bekannt und ist in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 432 ff.). An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist der Gesetzgeber aber nicht gebunden. Der Wille der Bevölkerung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er nicht dem Beschluß der Gemeindevertretung der Beschwerdeführerin gefolgt ist, sondern den für die Eingliederung in die Gemeinde Breese sprechenden Umständen mit dem Ziel, die Struktur des Amtes zu straffen und zu vereinfachen sowie seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen, das höhere Gewicht beigemessen hat. (3) Dem von der Beschwerdeführerin befürchteten Verlust an kommunalpolitischen Mitwirkungsmöglichkeiten und an Identität ist der Gesetzgeber mit den in §§ 54 ff. Gemeindeordnung vorgesehenen Mitwirkungsrechten für Ortsteile begegnet. § 34 des 5. GemGebRefGBbg eröffnet darüber hinaus Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen von Vereinbarungen zu den weiteren Folgen des Gemeindezusammenschlusses. C. Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt.
VerfGGBbg. |
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Havemann | Dr. Jegutidse |
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