Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - VfGBbg 172/03 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1
Schlagworte: - kommunale Selbstverwaltung
- Gemeindegebietsreform
- Verhältnismäßigkeit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - VfGBbg 172/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 172/03



IM NAMEN DES VOLKES

 
B E S C H L U S S
In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

Gemeinde Hennickendorf,
vertreten durch das Amt Rüdersdorf,
dieses vertreten durch den Amtsdirektor,
Hans-Striegelski-Straße 5,
15562 Rüdersdorf bei Berlin,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.,

wegen: kommunale Neugliederung;
hier: Auflösung der Gemeinde Hennickendorf (Amt Rüdersdorf) durch Eingliederung in die amtsfreie Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel, Prof. Dr. Schröder und Prof. Dr. Will

am 15. Dezember 2005

b e s c h l o s s e n :

Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird teils verworfen, im übrigen zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführerin, eine bisher dem Amt Rüdersdorf angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Auflösung durch Eingliederung in die amtsfreie Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin.

I.

1. Die Beschwerdeführerin liegt ungefähr 10 km nordöstlich der Berliner Stadt- und Landesgrenze im Südwesten des Landkreises Märkisch-Oderland. Das nach dem sogenannten Amtsmodell 1 gebildete bisherige Amt Rüdersdorf mit den Gemeinden Rüdersdorf bei Berlin, Herzfelde, Lichtenow und der Beschwerdeführerin lag im engeren Verflechtungsraum zu Berlin (s. Art. 1 Anlage 1 § 4 S. 4 Nr. 1 i.V.m. Anhang B 1 des Staatsvertrages vom 7. August 1997 über das gemeinsame Landesentwicklungsprogramm der Länder Berlin und Brandenburg [Landesentwicklungsprogramm, nachfolgend: LEPro] und über die Änderung des Landesplanungsvertrages [GVBl. 1998 I S. 14]).

Das Amt Rüdersdorf war 1992 mit Genehmigung des Ministeriums des Innern aus den dem ehemaligen Kreis Strausberg angehörenden Gemeinden Herzfelde, Lichtenow und der Beschwerdeführerin sowie der zum ehemaligen Kreis Fürstenwalde gehörenden Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin gebildet worden. Sitz der Amtsverwaltung war die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin; die anderen Gemeinden lagen zwischen 5 km und 9 km vom Verwaltungssitz entfernt. Rüdersdorf bei Berlin bildete zugleich die westliche Begrenzung des Amtes. Die anderen Gemeinden grenzten unmittelbar an diese Gemeinde an – mit Ausnahme der Gemeinde Lichtenow. Die Nordostgrenze des Amtes, gebildet von der Beschwerdeführerin und der Gemeinde Lichtenow, ist zugleich die äußere Begrenzung des engeren Verflechtungsraumes Brandenburg-Berlin.

Im Amtsgebiet sind mehrere durch Kanäle verbundene Gewässer gelegen, die sowohl für den Tourismus als auch für den Güterverkehr von großer Bedeutung sind: Auf dem Gebiet der Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin befinden sich zwei Seen (Kalksee, Kriensee) und das Mühlenfließ. Teile der Gemarkung Rüdersdorf bei Berlin sind dem Landschaftsschutzgebiet Grünheider Seenkette und dem Landschaftsschutzgebiet Fredersdorfer Mühlenfließ zugeordnet. Der Stienitzsee erstreckt sich über weite Teile des Gebietes der Beschwerdeführerin.

Bei einer mit 70,42 km² unter dem Landesdurchschnitt (161 km²) liegenden Fläche wies das Amt Rüdersdorf mit 228 Einwohnern je km² eine über dem Durchschnitt liegende Einwohnerdichte im engeren Verflechtungsraum (137,4 Einwohner/km²) auf. Von den etwa 16.000 Einwohnern des Amtes (Stichtag 31. Dezember 2001) lebten ca. 10.500 in der Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin, ca. 3.300 im Gebiet der Beschwerdeführerin, ca. 1.700 in der Gemeinde Herzfelde und ca. 500 in Lichtenow. Das Amt Rüdersdorf hat – seit 1992 (17.369 Einwohner) betrachtet – einen Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen, der sich bis 2015 (ca. 14.700 Einwohner) fortsetzen soll.

Quer durch das Amtsgebiet - durch die Ortskerne der Gemeinden Lichtenow, Herzfelde und Rüdersdorf bei Berlin - verläuft die Bundesstraße B 1 / B 5, die sowohl in Rüdersdorf bei Berlin als auch 1 km westlich der Amtsgrenze (Anschlußstelle Berlin-Hellersdorf) zur Bundesautobahn 10 (A 10; sog. Berliner Ring, Anschlußstelle Rüdersdorf) führt. Die Gemeinden des Amtes sind durch ein Straßennetz miteinander verbunden: Von der B 1 / B 5 zweigen die Landesstraßen L 233 in Rüdersdorf bei Berlin und die L 23 in Herzfelde ab und führen zur Beschwerdeführerin. Buslinien verkehren zwischen den amtsangehörigen Gemeinden.

Investitions- und Steuerkraft der Beschwerdeführerin lagen unter dem Landesdurchschnitt. Von den weiteren drei Gemeinden des Amtes wiesen Rüdersdorf bei Berlin und Lichtenow ebenfalls eine unterdurchschnittliche Investitionskraft bei durchschnittlicher bzw. unterdurchschnittlicher Steuerkraft auf. Lediglich in Herzfelde lag die Steuer- und Investitionskraft deutlich über dem Landesdurchschnitt; dies jedoch bei einem Schuldenstand von gut 2,5 Mio. €.

2. Ende April/Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Anhörungsunterlagen für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Märkisch-Oderland versandt. Für die Bürgeranhörung stand ein Monat zur Verfügung. Der Referentenentwurf entsprach hinsichtlich der Auflösung und Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin der nunmehr angegriffenen gesetzlichen Regelung.

3. Nachdem es die Gemeindevertretungen der Gemeinden Hennickendorf, Herzfelde und Lichtenow im Januar 2001 befürwortet hatten, durch Zusammenschluß eine amtsfreie Gemeinde mit Verwaltungssitz in der Gemeinde Herzfelde zu bilden, erbrachten auch die im April bzw. Juli 2001 in diesen Gemeinden durchgeführten Bürgerentscheide eine Zustimmung für den Zusammenschluß der drei kleineren amtsangehörigen Gemeinden. Dagegen lehnte die Bürgerschaft Herzfeldes in dem dort durchgeführten Bürgerentscheid einen Zusammenschluß aller amtsangehörigen Gemeinden, also auch der Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin, ab.

Dem Antrag auf Genehmigung des Zusammenschlusses der Beschwerdeführerin und der Gemeinden Herzfelde und Lichtenow zur amtsfreien Gemeinde Niederbarnim wurde durch das Ministerium des Innern im Juli 2002 die Zustimmung mit der Begründung versagt, dem Vorhaben stünden gemäß § 9 Abs. 3 Satz 5, Abs. 1 Gemeindeordnung (GO) Gründe des öffentlichen Wohls entgegen.

4. Im September/Oktober desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. § 11 des Entwurfes zum Fünften Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark (5. GemGebRefGBbg) sah die Eingliederung der Beschwerdeführerin sowie der weiteren Gemeinden des Amtes Rüdersdorf in die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin, bei gleichzeitiger Auflösung des Amtes Rüdersdorf, vor. Der Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am 23. Oktober 2002 vorab eine Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. Anhörungsgegenstand war unter anderem die räumliche Festlegung des engeren Verflechtungsraumes, auf welche auch das 5. Gemeindegebietsreformgesetz Bezug nimmt (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 23, 27 ff.).

Im Anhörungstermin vor dem Innenausschuß am 16. Dezember 2002 trat der zu diesem Termin geladene Bürgermeister der Beschwerdeführerin auf. Er sprach sich gegen die Bildung einer amtsfreien Gemeinde Rüdersdorf, statt dessen aber für eine neue Gemeinde Niederbarnim, bestehend aus den Gemeinden Herzfelde, Lichtenow und der Beschwerdeführerin, aus. Der Beschwerdeführerin wurde bis zum 3. Januar 2003 eine Nachfrist für eine schriftliche Stellungnahme eingeräumt (vgl. Ausschußprotokoll 3/698, S. 155). Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. § 11 des 5. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl I S. 84), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. § 48 Satz 1 des 5. GemGebRefGBbg), lautet:

§ 11
Verwaltungseinheit Amt Rüdersdorf

(1) Die Gemeinden Hennickendorf, Herzfelde und Lichtenow werden in die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin eingegliedert.

(2) Das Amt Rüdersdorf wird aufgelöst. Die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin ist amtsfrei.

II.

Die Beschwerdeführerin hat am 16. Juni 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, die Neugliederungsmaßnahme sei schon deshalb verfassungswidrig, weil weder die Bevölkerung des unmittelbar betroffenen Gebietes noch sie selbst (als Gemeinde) ordnungsgemäß angehört worden seien. Die Anhörungsfehler seien „absolute Nichtigkeitsgründe“. Auf Fragen der Kausalität komme es nicht an. Daß sich von 302 Gemeinden, die der Gesetzgeber aufzulösen versucht habe, 250 mit kommunalen Verfassungsbeschwerden dagegen zur Wehr setzten, sei bereits ein „ernstes Indiz für die verfassungswidrige Gewalt der gesetzlichen Regelung“. Es fehle am Nachweis, daß die Beschwerdeführerin ungeeignet sei, den Anforderungen moderner Selbstverwaltung zu entsprechen. Der Abwägungsvorgang sei fehlerhaft.

Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:

§ 11 des Fünften Gesetzes zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark vom 24. März 2003 verletzt die Beschwerdeführerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten und ist deshalb nichtig.

III.

Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

B.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

I.

Sie ist nur in begrenztem Umfang zulässig.

1. Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist insofern unzulässig, als sie sich auch gegen die - hier in § 11 Abs. 2 Satz 1 des 5. GemGebRefGBbg bestimmte - Auflösung des bisherigen Amtes Rüdersdorf sowie zugleich gegen die Eingliederung der anderen amtsangehörigen Gemeinden richtet. Insoweit ist die Beschwerdeführerin nicht beschwerdebefugt. Eine amtsangehörige Gemeinde kann nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichtes, die entsprechend der (bloßen) verwaltungsmäßigen Hilfsfunktion des - wie auch immer zustandegekommenen bisherigen - Amtes für jedwede spätere Änderung der Amtszuordnung zu gelten hat, lediglich beanspruchen, daß ihr überhaupt eine geeignete (Amts-)Verwaltung, nicht aber, daß sie ihr in der bisherigen Form und in dem bisherigen Zuschnitt zur Verfügung steht (Beschluß vom 16. Mai 2002 - VfGBbg 57/01 -, LKV 2002, 515 sowie Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573, 574 = NJ 2002, 642). Soweit sich die kommunale Verfassungsbeschwerde einer amtsangehörigen Gemeinde als begründet erweist und sie (folglich) als amtsangehörige Gemeinde fortbesteht, hat das Land dafür zu sorgen, daß ihr eine Verwaltung – durch Zuordnung zu einem Amt oder Bildung eines neuen Amtes, notfalls auch unter Wiederbelebung der früheren Amtsmodelle 2 oder 3 - zur Verfügung steht. Je nach Art der dann getroffenen Regelung, die also gegebenenfalls abzuwarten bleibt, mag Anlaß für eine darauf bezogene gerichtliche Überprüfung bestehen. Festhalten an dem einmal gefundenen Zuschnitt der Amtsverwaltung kann die einzelne Gemeinde das Land aber grundsätzlich nicht. Auch soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Zuordnung der anderen bislang amtsangehörigen Gemeinden wendet, sind Gesichtspunkte für eine Beschwer nicht ersichtlich.

2. Im übrigen ist die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend. Ebenso wird die Beschwerdeführerin im kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren weiter durch das bisherige Amt vertreten.

II.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt.

1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden. Im Hinblick auf die insoweit von der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin in einer Vielzahl von Verfahren kommunaler Verfassungsbeschwerden im wesentlichen gleichlautend vorgebrachten Einwände wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg (vgl. u.a. Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203, sowie vom 16. Juni 2005 - VfGBbg 48/03 -, und Beschlüsse vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 und 118/03 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de) Bezug genommen. Was die vorliegende Fallgestaltung anbelangt, ist ergänzend folgendes anzumerken:

Die der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehende Zeit für die Vorbereitung auf den Anhörungstermin am 16. Dezember 2002 war noch ausreichend. Zwischen der Ladung zum Anhörungstermin und dem Anhörungstermin selbst lagen über drei Wochen. Damit war der Zeitraum von der Benachrichtigung über die Anhörung bis zu deren Durchführung für eine sachgerechte Stellungnahme unter Beteiligung der Gemeindevertretung zwar relativ kurz. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß das Vorhaben mit unverändertem Inhalt schon lange angekündigt war und insofern nicht überraschend kam. Die Beschwerdeführerin wurde bereits im Vorfeld der Gesetzesinitiative angehört und konnte sich mit der Neugliederungsabsicht befassen. Bereits im Frühsommer 2002 hat sie die Gelegenheit gehabt, zu Gegenstand, Zielsetzung und Inhalt des damaligen Referentenentwurfs Stellung zu nehmen und hierzu entsprechendes Material erhalten. Außerdem ist der Beschwerdeführerin in der Anhörung vor dem Innenausschuß am 16. Dezember 2002 eine Nachfrist für eine schriftliche Stellungnahme bis zum 3. Januar 2003 eingeräumt worden (vgl. Ausschußprotokoll 3/698, S. 155).

2. Auch materiell ist die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin mit der Landesverfassung vereinbar.

a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe selbst festlegen kann.

Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u. a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; Bundesverfassungsgericht - BVerfG - , BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]).

Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u. a. Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N., vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –, a.a.O., und vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., sowie Beschlüsse vom 22. April 2004 – VfGBbg 182/03 –und vom 15. September 2005 - VfGBbg 113/03 -).

b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen:

aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt.

(1) Er hat zutreffend darauf verwiesen, daß die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin nicht nur flächenmäßig, sondern auch mit einem Einwohneranteil von 66 % die größte Gemeinde des Amtes ist. Ihre Versorgungsfunktion auch für die übrigen amtsangehörigen Gemeinden hat er sowohl aufgrund ihrer Einstufung als Grundzentrum mit Teilfunktion eines Mittelzentrums als auch wegen der auf ihrem Gebiet ansässigen Einzelhandelsunternehmen, Gewerbebetriebe und sonstigen Einrichtungen im Blick gehabt. Daß daneben auch die als Mittelzentrum eingestufte Stadt Strausberg für die Versorgung speziell der Einwohner der Beschwerdeführerin von einiger Bedeutung ist, hat der Gesetzgeber gesehen. Innerhalb des Amtes Rüdersdorf hat er die Beschwerdeführerin und die Gemeinde Herzfelde als weitere Siedlungsschwerpunkte zutreffend benannt. Die örtlichen Verhältnisse sowohl mit Blick auf die allgemeinen Strukturprobleme, die sich aus der Nähe zu Berlin ergeben, als auch die Verflechtung der amtsangehörigen Gemeinden untereinander sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen. Dabei hat der Gesetzgeber nicht nur die verkehrswegemäßige Verbindung aller amtsangehörigen Gemeinden, sondern auch die bauliche Verflechtung der Gemeinden Rüdersdorf bei Berlin, Herzfelde und der Beschwerdeführerin ermittelt. Ferner hat er die weiteren wesentlichen Strukturdaten festgestellt: Während sich in der Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin zwei Grundschulen, eine Gesamtschule, ein Gymnasium, eine Förderschule und drei Kindertagesstätten befinden, sind auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin nur eine Gesamtschule und eine Kindertagesstätte vorhanden; in den ohne ein Schule ausgestatteten Gemeinden Herzfelde und Lichtenow hat der Gesetzgeber je eine Kindertagesstätte gesehen. Die Haushaltssituation der Beschwerdeführerin und der übrigen Gemeinden des Amtes hat er ebenso berücksichtigt wie die Angebote an Dienstleistungen und die Anzahl der Gewerbebetriebe.

(2) Diese Sachverhaltsermittlung begegnet keinen verfassungsrelevanten Bedenken. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist kein verfassungsrelevantes Ermittlungsdefizit ersichtlich. Sie weist zwar insbesondere darauf hin, daß die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin hinsichtlich der Versorgungsfunktion für die anderen amtsangehörigen Gemeinden gegenüber der Stadt Strausberg nur eine untergeordnete Rolle spiele und daß die Pendlerzahlen nach Rüdersdorf bei Berlin auf der falschen Annahme beruhten, Zement- und Kalkwerk befänden sich in Rüdersdorf bei Berlin statt in Herzfelde. Es kommt aber nicht darauf an, ob der Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt hat. Ins Gewicht fällt vielmehr nur, ob er die für die Durchführung des gewählten Leitbildes bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten wird und es möglich ist, daß die Neugliederung bei Zugrundelegung des behaupteten abweichenden Sachverhalts anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“; VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, EA S. 25; StGH BW, NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen hat die Beschwerdeführerin nicht mitgeteilt. Ihre Ausführungen zum Sachverhalt beinhalten neben abweichenden Wertungen zwar auch Sachverhaltskorrekturen bzw. -ergänzungen. Diese treten jedoch nicht in Widerspruch zu den die gesetzgeberische Entscheidung tragenden Sachverhaltselementen oder stellen die im engeren Verflechtungsraum bestehende Problematik des von Berlin ausgehenden Metropolendrucks in Frage.

bb) Dem Gesetzgeber stehen im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV Gründe des öffentlichen Wohls zur Seite. Er beruft sich ausweislich der Gesetzesbegründung und der Beschlußempfehlung des Innenausschusses für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin nachvollziehbar auf die Notwendigkeit, die brandenburgische Gemeindestruktur im engeren Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin durch den Zusammenschluß amtsangehöriger Gemeinden innerhalb der Grenzen bestehender Ämter und die Bildung amtsfreier Gemeinden bei Vermeidung zusätzlicher Verwaltungseinheiten zu ändern (vgl. 2. a) aa); b) aa); d) des Leitbildes, LT-Drucksache 3/5020, S. 22 ff., 265).

(1) Die Einteilung des Landes in verschiedene Neugliederungsräume mit der Differenzierung zwischen engerem Verflechtungs- und äußerem Entwicklungsraum ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Der Gesetzgeber hat die Problematik des engeren Verflechtungsraumes ausführlich untersucht und beschrieben (s. Gesetzesbegründung zum 5. GemGebRefGBbg, LT-Drucksache 3/5020, S. 27 ff. 79 f.). Wenn er annimmt, die beiden Teilräume des Landes unterschieden sich in einer Vielzahl von Kennziffern - etwa der Bevölkerungs- und Siedlungsdichte, der durchschnittlichen Gemeindegröße, der Bevölkerungsentwicklung, dem Besiedlungsgrad und Wanderungssaldo, dem Anteil der Auspendler nach Berlin sowie dem Anteil der Einpendler in die Brandenburger Gebiete aus Berlin und der Arbeitslosenquote (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 27 ff.) - und er für diese Teilräume grundsätzlich jeweils eine andere Struktur präferiert, so ist dies nicht offensichtlich fehlerhaft (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtssprechung, vgl. u. a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - [Groß Machnow] und Beschluß vom 15. September 2005 - VfGBbg 113/03 - [Michendorf].

(2) Es kann auch nicht festgestellt werden, daß der Gesetzgeber grundsätzlich zu Unrecht die Abgrenzung zwischen den beiden Neugliederungsräumen vorgenommen hätte. Er hat im Gesetzgebungsverfahren, ausgehend von der bisherigen landesplanerischen Einordnung nach Anhang B 1 zum Landesentwicklungsprogramm und Anlage 1 zum Landesplanungsvertrag, geprüft, ob die Einordnung einer Gemeinde bzw. eines Amtes in den engeren Verflechtungsraum angesichts der tatsächlichen Entwicklung der letzten Jahre noch trägt. Diese Vorgehensweise ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (eingehend hierzu: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004, a.a.O.).

(3) Daß die Stärkung der Verwaltungskraft sowie die Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltung durch die Bildung von Einheitsgemeinden Gründe des öffentlichen Wohls sind, welche eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermögen, hat das Landesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, insbesondere zur Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., und - VfGBbg 97/03 -) sowie zum vorausgegangenen Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 [Kreuzbruch], a.a.O.). Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u. a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - und Beschluß vom 18. Dezember 2004 - VfGBbg 167/03 -). Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der Leitbildbestimmungen.

cc) Zur Bewältigung der vom Gesetzgeber benannten Strukturfragen ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die amtsfreie Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Strukturprobleme im Berliner Umlandbereich, dem engeren Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin, durch Zusammenführung in einem einheitlichen Aufgaben- und Verwaltungsraum eindeutig verfehlt würde.

dd) Die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin ist nicht unverhältnismäßig.

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründe erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], a.a.O.).

Nach der vertretbaren Abwägung des Gesetzgebers besitzen die für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin sprechenden Gründe das größere Gewicht.

(1) Der Gesetzgeber hat bedacht, daß die Anfang 1993 in Brandenburg abgeschlossene Ämterbildung zum Ziel hatte, eine große Anzahl von Gemeinden unter Beibehaltung ihrer Selbständigkeit und ihres Selbstverwaltungsrechtes in Verwaltungseinheiten zusammenzufassen. Auch in den Umlandgemeinden von Berlin, insbesondere bei der Bildung des Amtes Rüdersdorf, wurde diese strukturelle Neugliederung umgesetzt. In verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ist davon ausgegangen worden, daß es sich bei der nun gesetzlich angeordneten Neustrukturierung nicht um ein „Hin und Her“ gebietlicher Zuordnungen der Gemeinden und Gemeindeteile, sondern um eine Fortentwicklung der nach 1990 begonnenen Strukturreform von zumeist sehr kleinen Gemeinden hin zu dauerhaft leistungsstarken Verwaltungseinheiten handelt. Die Ämterbildung war ein erster Lösungsansatz, der vom Gesetzgeber wegen des besonderen Suburbanisierungsdrucks der Metropole Berlin als einer besonders ausgeprägten Form der Stadt-Umland-Problematik im engeren Verflechtungsraum für letztlich unzureichend befunden werden durfte (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 62 f.).

(2) Den Wunsch der Beschwerdeführerin, gemeinsam mit den Gemeinden Herzfelde und Lichtenow die amtsfreie Gemeinde Niederbarnim zu bilden, hat der Gesetzgeber in seine Abwägung einbezogen (s. LT-Drucksache 3/5020, S. 266 ff.). Abwägungsfehlerhaft ist die diesem Begehren nicht folgende Neugliederungsmaßnahme aber erst dann, wenn der Eingriff in den Bestand der Beschwerdeführerin außer Verhältnis zu den damit verfolgten Zielen steht. Nur in diesen Grenzen kann die Abwägung des Gesetzgebers, d. h. die Bevorzugung bestimmter Belange, das Hintanstellen anderer und die Auswahl zwischen verschiedenen Lösungsalternativen, verfassungsrechtlich überprüft werden. Die Abwägung vorzunehmen ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, der hierfür die politische Verantwortung trägt (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 16. Juni 2005 - VfGBbg 48/03 -, ThürVerfGH, Urteil vom 1. März 2001 - VerfGH 20/00 - zitiert nach: juris).

(a) Daß die Zuordnung der Beschwerdeführerin zur neuen Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin im Sinne der gesetzgeberischen Neugliederungsziele zu einer Verbesserung der Verwaltungskraft führt und zur Bewältigung der wegen der Grenzlage zu Berlin verschärft auftretenden Stadt-Umland-Probleme beiträgt, ist nachvollziehbar. Es ist insbesondere einleuchtend und widerspricht weder empirischen Untersuchungen noch kommunalwissenschaftlichen Erkenntnissen, bei der Nähe von kleinen Gebietskörperschaften bzw. Verwaltungseinheiten zu einer Großstadt eine von letzterer ausgehende starke Sogwirkung und einen erheblichen Metropolendruck anzunehmen, dem mit der Bildung größerer Verwaltungseinheiten unter weitgehender Minimierung interkommunaler Konkurrenzen begegnet werden kann. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, daß sich der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund für die Bildung nur einer amtsfreien Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin und gegen die Bildung einer weiteren amtsfreien Gemeinde Niederbarnim entschieden hat, zumal beide Neugliederungsvarianten die Beendigung der Existenz der Beschwerdeführerin und damit dieselbe Eingriffsintensität zur Folge haben.

(b) In diesem Zusammenhang war ihm die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung gegenwärtig. Er hat die Belange der Einwohner und die im Anhörungsverfahren vorgetragenen Einwendungen im Blick gehabt und sich damit auseinandergesetzt, ablesbar aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/5020, S. 265 ff.) und dem Protokoll zur Anhörung vom 16. Dezember 2002 (Ausschußprotokoll 3/698, S. 141 ff.). Auf der anderen Seite hat er als gegenläufige Belange in zulässiger und vertretbarer Weise namentlich die Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung durch die Zusammenführung aller vier amtsangehörigen Gemeinden in einer einheitlichen Kommune die größere Bedeutung beigemessen (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 265 ff. sowie Beschlußempfehlung des Innenausschusses zum 5. GemGebRefGBbg, LT-Drucksache 3/5550, S. 184.). Dies ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

(3) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen. Für die letztlich getroffene Entscheidung hat der Gesetzgeber sachgerechte und plausible Gründe angeführt. Der Gesetzgeber durfte seiner Entscheidung zugrundelegen, daß die Strukturaussage 2. d) bb) seines Leitbildes für den Regelfall anstrebt, daß Gemeinden nur innerhalb der Grenzen der bestehenden Ämter zusammengeschlossen werden und es daher konsequent und leitbildgerecht ist, sämtliche Gemeinden des bisherigen Amtes Rüdersdorf in einer amtsfreien Gemeinde zu vereinigen. Die Bildung einer amtsfreien Gemeinde Niederbarnim wäre nicht leitbildgerecht, weil kostenverursachend zusätzliche Verwaltungseinheiten geschaffen würden (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 266). Es ist nachvollziehbar, daß der Gesetzgeber die Eingliederung einzelner Gemeinden des Amtes in Gemeinden außerhalb des Amtsgebietes, z. B. der Beschwerdeführerin in die Stadt Stausberg, mit Verweis auf Punkt 2. d) bb) des Leitbildes - die Bildung amtsfreier Gemeinden soll unter Berücksichtigung bestehender Ämtergrenzen vorgenommen werden - nicht in Betracht zog, auch wenn die Stadt Strausberg gerade für die Einwohner der Beschwerdeführerin eine bedeutendere Versorgungsfunktion wahrnehmen mag als die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin. Ein Abweichungsfall, ähnlich den in 2. d) bb) Satz 2 des Leitbildes angeführten Beispielen (zur Stärkung der Zentralorte nach Landesentwicklungsplan I bzw. nach den Regionalplänen sowie zur Schaffung von Verwaltungseinheiten annähernd gleicher Leistungskraft geboten), ist nicht ersichtlich (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Beschluß vom 24. Juni 2004 - 148/03 - [Altglietzen], EA S. 24 f.; aber zur Nichtanwendbarkeit dieser Leitbildregelung, wenn das bisherige Amt durch das Gesetz ohnehin amtsgebietsüberschreitend neugegliedert wird: Beschlüsse vom 27. Mai 2004 - 63/03 und 138/03 [Herzsprung, Königsberg], EA S. 18). Es ist von Verfassungs wegen nichts entgegenzuhalten, wenn der Gesetzgeber unter Meidung einer aufwendigen Vermögensauseinandersetzung (vgl. § 34 des 5. GemGebRefGBbg) bei der Auflösung eines Amtes an das regelmäßig seit Jahren stattfindende Zusammenwirken der bislang amtsangehörigen Gemeinden anknüpft und eine Fortführung der Gemeinschaft in Gestalt der amtsfreien Gemeinde präferiert, soweit - wie hier - keine besonderen Umstände stärker für eine (ggf. nur partiell) die bisherigen Amtsgrenzen überschreitende Lösung - etwa bei einer Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Strausberg - sprechen.

(4) Dem von der Beschwerdeführerin und den anderen amtsangehörigen Gemeinden befürchteten Verlust an kommunalpolitischen Mitwirkungsmöglichkeiten hat der Gesetzgeber den zutreffenden Verweis auf die in § 35 des 5. GemGebRefGBbg - Vereinbarung zu den weiteren Folgen des Gemeindezusammenschlusses - enthaltenen Gestaltungsmöglichkeiten und die in §§ 54 ff. GO vorgesehenen Mitwirkungsrechte für Ortsteile entgegengehalten.

(5) Der Gesetzgeber war auch nicht durch die finanziellen Folgen an einer Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Rüdersdorf bei Berlin gehindert. Für die Beurteilung am Maßstab des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV ist nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie entscheidend, welche Lösung für die Einwohner der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten neu zu gliedernden Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber hinaus der Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht. Erfahrungsgemäß kann der Wohlstand einer Gemeinde auf Lagevorteilen - etwa einer verkehrsgünstigen Lage an der Schnittstelle zwischen Autobahn und Bundesstraße - beruhen, wenn auch die sich aus der günstigen Lage ergebenden Chancen genutzt werden müssen. Umgekehrt kann Verschuldung jedenfalls teilweise aus Lagenachteilen herrühren, etwa wenn Infrastruktureinrichtungen unterhalten werden müssen, die zugleich den Menschen aus Nachbargemeinden zugute kommen, und gleichzeitig günstige Entwicklungsmöglichkeiten nicht vorhanden sind oder durch bestehende (Wohn-)Bebauung nicht lohnend genutzt werden können. Unabhängig davon ist die Finanzlage und damit auch der Beitrag, den die Einwohner mit einem neu zugeschnittenen Gebiet und Ressourcen zu leisten vermögen, naturgemäß nicht von Dauer, sondern veränderlich. Die wirtschaftliche Entwicklung des Gesamt-Neugliederungsgebietes ist so oder so nicht sicher einschätzbar.

(6) Der Gesetzgeber ist sich bei seiner Abwägungsentscheidung auch des Spannungsverhältnisses von Bürgernähe und Verwaltungseffizienz bewußt gewesen. Deshalb ergibt sich eine Fehlerhaftigkeit weder des Abwägungsprozesses noch des Abwägungsergebnisses daraus, daß der Gesetzgeber einerseits anstrebte, beiden Zwecken möglichst weitgehend zu dienen und andererseits in Kauf nahm, bei der Gemengelage unterschiedlicher Zielsetzungen und Maßstäbe nicht gewährleisten zu können, daß sämtliche Reformziele stets gleichermaßen verwirklicht werden (LT-Drucksache 3/5020, S. 23).

(7) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Die aus der Anhörung der Bevölkerung, der Beschwerdeführerin und der weiteren bisher amtsangehörigen Gemeinden resultierenden Stellungnahmen sind in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 254 ff.). An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist der Gesetzgeber aber nicht gebunden. Das Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er nicht dem Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung gefolgt ist, sondern den für die Bildung einer Einheitsgemeinde und der damit verbundenen Eingliederung der Beschwerdeführerin sprechenden Umständen das höhere Gewicht beigemessen hat.

C.

Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt. VerfGGBbg.
 

Weisberg-Schwarz Prof. Dr. Dombert
   
Prof. Dr. Harms-Ziegler Havemann
   
Dr. Jegutidse Dr. Knippel
   
Prof. Dr. Schröder Prof. Dr. Will