VerfGBbg, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - VfGBbg 115/03 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1 | |
Schlagworte: | - kommunale Selbstverwaltung - Gemeindegebietsreform - Verhältnismäßigkeit |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - VfGBbg 115/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 115/03
IM NAMEN DES VOLKES |
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In dem kommunalen
Verfassungsbeschwerdeverfahren
Gemeinde Wölsickendorf-Wollenberg, Beschwerdeführerin, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin M.,
hat das Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg am 15. Dezember 2005 b e s c h l o s s e n : Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Die Beschwerdeführerin, eine bisher dem Amt Falkenberg-Höhe angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Eingliederung in die weiterhin amtsangehörige Gemeinde Höhenland. I. 1. Die Beschwerdeführerin, eine Gemeinde im äußeren Entwicklungsraum des Landes Brandenburg, gehört zum nach dem sogenannten Modell 1 gebildeten Amt Falkenberg-Höhe mit Sitz der Amtsverwaltung in Falkenberg, Ortsteil Falkenberg/Mark. Das im Landkreises Märkisch-Oderland gelegene Amt grenzt im Osten und Süden an drei zum selben Landkreis gehörende Ämter, im Norden, Westen und Südwesten an den Landkreis Barnim. In den Jahren 2001 und 2002 schlossen sich die vormals zehn Gemeinden des Amtes - mit Ausnahme der Beschwerdeführerin - zu den vier Gemeinden Beiersdorf-Freudenberg, Heckelberg-Brunow, Falkenberg und Höhenland zusammen. Von den etwa 5.140 Einwohnern des Amtes (Stichtag 31. Dezember 2001) lebten ca. 2.520 in Falkenberg, ca. 890 in Heckelberg-Brunow, ca. 640 in Beiersdorf-Freudenberg, 630 in Höhenland und ca. 460 in der Beschwerdeführerin. Auf deren Gebiet verläuft die Bundesstraße B 158 und verbindet sie mit den Ortsteilen Leuenberg und Steinbeck der Gemeinde Höhenland. 2. Ende April/Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Innern Anhörungsunterlagen für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Märkisch-Oderland versandt. 3. Im September/Oktober desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. § 8 des Entwurfes zum Fünften Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark (5. GemGebRefGBbg) sah die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Höhenland vor. Im Anhörungstermin vor dem Innenausschuß am 16. Dezember 2002 sprach sich der ehrenamtliche Bürgermeister der Beschwerdeführerin für die Eigenständigkeit der Beschwerdeführerin aus; sie habe ihre Leistungsfähigkeit bewiesen (vgl. Ausschußprotokoll 3/698, S. 68 ff.). Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. § 8 des 5. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl I S. 84), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. § 48 Satz 1 des 5. GemGebRefGBbg), lautet:
II. Die Beschwerdeführerin hat am 22. Mai 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, die Neugliederungsmaßnahme sei schon deshalb verfassungswidrig, weil weder die Bevölkerung des unmittelbar betroffenen Gebietes noch sie selbst (als Gemeinde) ordnungsgemäß angehört worden seien. Die Anhörungsfehler seien „absolute Nichtigkeitsgründe“. Auf Fragen der Kausalität komme es nicht an. Daß sich von 302 Gemeinden, die der Gesetzgeber aufzulösen versucht habe, 250 mit kommunalen Verfassungsbeschwerden dagegen zur Wehr setzten, sei bereits ein „ernstes Indiz für die verfassungswidrige Gewalt der gesetzlichen Regelung“. Es fehle am Nachweis, daß die Beschwerdeführerin ungeeignet sei, den Anforderungen moderner Selbstverwaltung zu entsprechen. Der Abwägungsvorgang sei fehlerhaft. Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:
III. Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die Gemeinde Höhenland hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. B. Die kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. I. Sie ist gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend. II. Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt. 1. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden. Im Hinblick auf die insoweit von der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin in einer Vielzahl von Verfahren kommunaler Verfassungsbeschwerden im wesentlichen gleichlautend vorgebrachten Einwände wird auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg (vgl. u.a. Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, LVerfGE 14, 203, sowie vom 16. Juni 2005 - VfGBbg 48/03 -, und Beschlüsse vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 und 118/03 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de) Bezug genommen. 2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Höhenland bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung. a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe selbst festlegen kann. Das Verfassungsgericht überprüft zunächst, ob der Gesetzgeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zutreffend und umfassend ermittelt hat. Dabei ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle nicht eingeschränkt (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u. a. Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 138/03 - [Königsberg]; Bundesverfassungsgericht - BVerfG - , BVerfGE 50, 50, 51 [Laatzen]). Das Verfassungsgericht prüft sodann, ob der Gesetzgeber den ermittelten Sachverhalt seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Hierbei darf sich das Verfassungsgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der Wertordnung der Verfassung widersprechen. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, ständige Rechtsprechung, u. a. Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N., vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –,[Kreuzbruch], LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 13, 116 = LKV 2002, 573, 574, und vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., sowie Beschlüsse vom 22. April 2004 – VfGBbg 182/03 –und vom 15. September 2005 - VfGBbg 113/03 -). b) In Anwendung dieser Grundsätze hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Höhenland Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen: aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt. (1) Die örtlichen Verhältnisse und wesentlichen Strukturdaten der Beschwerdeführerin, der Nachbargemeinden wie auch des Amtes sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. sog. Neugliederungssachverhalt in LT-Drucksache 3/5020, S. 223 ff.). Insbesondere erfaßte der Gesetzgeber die Einwohnerzahlen, die wirtschaftliche Lage sowie die Entfernungsverhältnisse und Verkehrsverbindungen: Die Beschwerdeführerin ist über eine Gemeindestraße an die Bundesstraße B 158 angebunden, die in die Ortsteile Leuenberg und Steinbeck der Gemeinde Höhenland führt. Der Gesetzgeber geht in nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass es eine ausgeprägte Zentralörtlichkeit im Amt Falkenberg-Höhe nicht gibt; der Ortsteil Falkenberg/Mark der Gemeinde Falkenberg fungiert als Kleinzentrum, die Gemeinde Heckelberg-Brunow als ländlicher Versorgungsort. Den Einwohnern der Beschwerdeführerin steht für die Versorgung im Ortsteil Wöllsickendorf ein Geschäft für Waren des täglichen Bedarfs zu Verfügung. Keinen verfassungsrechtlichen Einwänden begegnet die Feststellung des Gesetzgebers, daß die Einwohner der Beschwerdeführerin zur Wahrnehmung von privaten Leistungen, die über den Grundbedarf hinausgehen, über die Grenzen des Amtes und auch des Landkreises auspendeln. Er hat berücksichtigt, daß die Beschwerdeführerin weder über eine Kinderbetreuungseinrichtung noch über eine Schule verfügt: 8 von 12 Kindern werden im Ortsteil Leuenberg der Gemeinde Höhenland betreut, weitere Kinder u.a. in Heckelberg-Brunow und in Orten außerhalb des Amtsgebietes. Die im Gebiet der Beschwerdeführerin lebenden schulpflichtigen Kinder besuchen die Grund- und Gesamtschule Heckelberg sowie die Realschule und das Gymnasium in der Stadt Bad Freienwalde (Oder). Der Gesetzgeber hat es nicht unberücksichtigt gelassen, dass die Beschwerdeführerin ihre Gemeindestraßen, Park- und Grünflächen, einen Jugendklub, einen Sportplatz sowie 12 gemeindeeigene Wohnungen selbst verwaltet und unterhält. Einen Gemeindearbeiter hat sie dafür in Vollzeit beschäftigt. Die Haushaltssituation der Beschwerdeführerin, insbesondere die geringe Investitionskraft korrenspondierend mit einer hohen Abhängigkeit von Schlüsselzuweisungen, hat der Gesetzgeber ebenso berücksichtigt wie die Anzahl der Gewerbebetriebe. Er sah, dass sich der in den Jahren 1990 bis 2000 zu verzeichnende Einwohnerzuwachs in den Folgejahren nicht fortgesetzt hat. Darüber hinaus hat er in den Neugliederungssachverhalt einbezogen, dass die Beschwerdeführerin und die früheren Gemeinden Leuenberg und Steinbeck, heute Ortsteile der Gemeinde Höhenland, zu Zeiten der DDR einer LPG-Pflanzenproduktion und einer LPG-Tierproduktion angehörten und auch im damaligen Gemeindeverband Heckelberg tätig waren. Derzeit gehören die Kirchgemeinden Wölsickendorf und Steinbeck zum Pfarrsprengel Bad Freienwalde (Oder). Nicht unerwähnt ließ der Gesetzgeber, daß die kulturellen Verflechtungen zwischen den Ortsteilen der Gemeinde Höhenland und der Beschwerdeführerin eher spärlich sind. (2) Diese Sachverhaltsermittlung begegnet keinen verfassungsrelevanten Bedenken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber sämtliche tatsächlichen Momente in allen Einzelheiten richtig erfaßt und gewürdigt hat. Wie verbunden die Gemeinden im Detail jetzt sind, ist bei der Prognoseentscheidung zur Gemeindegebietsneugliederung von untergeordneter Bedeutung. Ins Gewicht fällt vielmehr nur, ob er die für die Durchführung des gewählten Leitbildes bestimmenden Elemente in ihrem wesentlichen Gehalt richtig erkannt und daraus sachgerechte Folgerungen gezogen hat. Nur wenn die Richtigkeit einer die Entscheidung tragenden Tatsache bestritten wird und es möglich ist, daß die Neugliederung bei Zugrundelegung des behaupteten abweichenden Sachverhalts anders ausgefallen wäre, besteht eine Nachprüfungspflicht für das Verfassungsgericht (vgl. SächsVerfGH, LVerfGE 10, 375, 398 „[mit-]entscheidend“; VerfGH NW, Urteil vom 6. Dezember 1975 - VerfGH 39/74 -, EA S. 25; StGH BW, NJW 1975, 1205, 1213). Derartige Tatsachen sind weder von der Beschwerdeführerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. bb) Der Gesetzgeber gliedert aus Gründen des öffentlichen Wohls im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV die Beschwerdeführerin neu. Die Einbeziehung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Höhenland überwindet die bisherige Kleingliedrigkeit der Kommunen und erstrebt eine Stärkung ihrer Verwaltungskraft. Nachvollziehbar beruft sich der Gesetzgeber darauf, daß Ämter nicht weniger als 5.000 und amtsangehörige Gemeinden regelmäßig nicht weniger als 500 Einwohner haben sollen, auch sollten Ämter - vom Ausnahmefall eines Ämterzusammenschlusses abgesehen - aus nicht mehr als sechs Gemeinden bestehen (LT-Drucksache 3/5020, Leitbild 2 b) aa), bb) und cc). Eine diesem Leitbild widersprechende Ausgangssituation hat der Gesetzgeber vorgefunden. (1) Daß eine Stärkung der Verwaltungskraft, die Straffung und Effizienzsteigerung der Kommunalverwaltungen, ein Grund des öffentlichen Wohls ist, der eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermag, hat das Landesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, insbesondere zu dem Unterfall der Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland (Urteile vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 -, a.a.O., und - VfGBbg 97/03 -) sowie zum vorausgegangenen Gesetz zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (vgl. Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Eine kommunale Neugliederung setzt nicht voraus, daß Mängel in der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen oder eine Gemeinde keine ausreichende Verwaltungs- und Leistungskraft besitzt. Vielmehr kann auch eine weitere Verbesserung der Verwaltung des Gesamtraumes die Neugliederung rechtfertigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, u.a. Urteil vom 26. August 2004 - VfGBbg 230/03 - und Beschluß vom 16. September 2004 - VfGBbg 102/03 -). Einer solchen Verbesserung dient hier die Umsetzung der Leitbildbestimmungen. (2) Ein Neugliederungsbedarf ergab sich bereits aus der geringen Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin von nur ca. 460 Einwohnern. Soweit der Gesetzgeber seine Abwägungsentscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführerin die Mindesteinwohnerzahl von 500 Einwohnern unterschreite (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 226 und ebda. sein Leitbild unter 2. b) cc), S. 24), ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. Die Landesverfassung steht der Einschätzung, daß sich aus einer geringen Einwohnerzahl der Gemeinde typisierend Rückschlüsse auf die (verminderte) Leistungsfähigkeit der Gemeinde ergeben, nicht entgegen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Der Gesetzgeber war nicht gehalten, die bisherige Leistungskraft der Beschwerdeführerin als alleiniges und zwingendes Indiz für ihre künftige Leistungsfähigkeit zu werten. Der Rückgriff auf die Einwohnerzahl als Indiz für die Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist auch bei amtsangehörigen Gemeinden unbeschadet dessen statthaft, dass eine amtsangehörige Gemeinde im Land Brandenburg nicht selber Träger der „eigentlichen“ Verwaltung ist. Die Gemeindevertretung bleibt nämlich ungeachtet der administrativen Umsetzung durch das Amt für alle Angelegenheiten der Gemeinde zuständig. Nicht das Amt, sondern die einzelne Gemeinde ist Träger der gemeindlichen Einrichtungen und für den Unterhalt dieser Einrichtungen zuständig. Solche Einrichtungen können im Regelfall sinnvoll nur von bestimmten gemeindlichen Mindestgrößen an betrieben werden (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 -, a.a.O., und Beschluß vom 18. November 2004 – VfGBbg 167/03 –, a.a.O., m.w.N.). Im übrigen hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang geprüft, ob geographische, historische oder soziokulturelle Gesichtspunkte ein Abweichen von der Regelmindesteinwohnerzahl rechtfertigen. Seine Einschätzung, dass dies nicht der Fall sei (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 226), ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. (3) Auch soweit der Gesetzgeber darauf abstellt, daß im Hinblick auf die Einwohnerschwäche des Amtes mit einer Effizienzsteigerung und einer damit einhergehenden Stärkung der Verwaltungskraft des Amtes zu rechnen ist, wenn die Verwaltung anstelle der jetzt 5 amtsangehörigen Gemeinden nur 4 Gemeinden zu betreuen hat, ist dies anhand der Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfs nachvollziehbar. Der Gesetzentwurf nennt beispielhaft, daß Amtszuschnitte mit einer größeren Anzahl von Gemeinden eine Vielzahl und eine große Verschiedenheit der von einem Amt wahrzunehmenden Verwaltungsaufgaben bedingten, z.B. die Betreuung und Beratung der Vertretungskörperschaften und ihrer Ausschüsse, die Vorbereitung von Satzungs- und Beschlußvorlagen sowie von Wahlen und Abstimmungen, gemeindescharfe Berechnung von Haushaltsdaten, Steuern, Beiträgen und Gebühren und daß Verrechnungen zwischen den amtsangehörigen Gemeinden etwa für Kindertagesstätten, Schulen oder einen gemeinsam genutzten Bauhof des Amtes einen erheblichen Verwaltungsaufwand erforderten (LT-Drucksache 3/5020, S. 41 f.). Mit Blick auf den darin liegenden Vorteil für die Bürger und (ggf. neugegliederten) Gemeinden des Amtes ergeben sich von Verfassungs wegen keine Einwände daraus, daß der Gesetzgeber eine gestraffte und vereinfachte Amtsstruktur anstrebte, um die Leistungsfähigkeit des Amtes zu erhöhen. cc) Zur Erreichung dieser Reformziele ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Höhenland nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Klein- und Kleinstgemeindestruktur durch die Eingliederung der Beschwerdeführerin eindeutig verfehlt würde. dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Höhenland ist auch nicht unverhältnismäßig. (1) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssen die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründen erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Da die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken, ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). (2) Der Gesetzgeber hat die Vor- und Nachteile seines Neugliederungsvorhabens hier in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt. Danach besitzen die für eine Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Höhenland sprechenden Gründe das größere Gewicht. Die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung war dem Gesetzgeber gegenwärtig. Er hat die Belange der Einwohner im Blick gehabt und sich damit auseinandergesetzt, ablesbar aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/5020, S. 221 f., 228) und dem Protokoll zur Anhörung vom 16. Dezember 2002 (Ausschußprotokoll 3/698, S. 68 ff.). Auf der anderen Seite hat er als gegenläufige Belange in zulässiger und vertretbarer Weise die geringe Größe der Beschwerdeführerin und die ebenfalls niedrige Einwohnerzahl des Amtes Falkenberg-Höhe berücksichtigt. Es ist verfassungsrechtlich legitim, wenn der Gesetzgeber von der Notwendigkeit der Bildung einer größeren Verwaltungseinheit durch Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Höhenland bei gleichzeitiger Verringerung der Anzahl der Verwaltungseinheiten im Amt ausging. Besonderheiten, die einen Fortbestand der Beschwerdeführerin als eigenständige Gemeinde gebieten, mußten sich dem Gesetzgeber nicht aufdrängen. Den Wachstumsbestrebungen der Beschwerdeführerin - in fünf Jahren durch Schaffung weiteren Baurechts die 500-Einwohner-Grenze zu erreichen - hält er nachvollziehbar entgegen, nicht auf mittelfristige Wachstumserwartungen abstellen zu können. Auch verweist er zutreffend darauf, daß sich die Wachstumstendenz aus den Jahren 1990 bis 2000 im Jahr 2001 nicht fortgesetzt hat. Es ist in diesem Zusammenhang nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber dem Kriterium der Einwohnerzahl nicht zwingend den Vorrang einräumt, sondern auch natürliche Gegebenheiten, geschichtliche Zusammenhänge und soziokulturelle Gesichtspunkte berücksichtigt (s. LT-Drucksache 3/5020, S. 226). Unter Einbeziehung all dieser Kriterien ist eine vorzugswürdige Alternative gegenüber der vom Gesetzgeber gewollten Neuordnung nicht erkennbar (vgl. dazu Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, a.a.O.). Angesichts der geringen Größe der Beschwerdeführerin von nur ca. 460 Einwohnern ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer Eingliederung in eine größere Verwaltungseinheit ausging. Für ihren Fortbestand als eigenständige (amtsangehörige) Gemeinde sind keine Besonderheiten im oben genannten Sinne geltend gemacht worden oder ersichtlich. Daß die Beschwerdeführerin nicht verschuldet ist wie die Gemeinde Höhenland, genügt nicht, zumal sie nur über unterdurchschnittliche Steuereinnahmen sowie eine geringe Investitionskraft bei einer hohen Abhängigkeit von Schlüsselzuweisungen verfügt. Auch angesichts der Tatsache selbst, daß die Beschwerdeführerin in eine bereits verschuldete Gemeinde eingegliedert wird, erscheint die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers vertretbar, soweit er mit der Schaffung größerer Verwaltungseinheiten insbesondere die Erhöhung der Investitionskraft beabsichtigt. Hierbei stützt er sich nachvollziehbar zum einen darauf, daß bei der Inanspruchnahme der Investitionspauschale des Gemeindefinanzierungsgesetzes die der jeweiligen Gemeinde zu Verfügung stehenden Mittel proportional zur Einwohnerzahl steigen bzw. fallen. Zum anderen verweist er bei kleinen Gemeinden auf die Schwierigkeit, Kredite zur Finanzierung notwendiger Investitionen bei fehlender Finanzkraft für die Aufbringung von Zins- und Tilgungsleistungen nutzen zu können (s. LT-Drucksache 3/5020, S.72). Es ist nicht verfehlt, wenn der Gesetzgeber seiner Neugliederungsentscheidung zugrundelegt, daß die Beschwerdeführerin durch die Bundesstraße B 158 und eine Buslinie mit den Ortsteilen Steinbeck und Leuenberg der Gemeinde Höhenland verkehrsmäßig verbunden ist. Auch die Umstände, daß die Beschwerdeführerin und die früheren Gemeinden Leuenberg und Steinbeck - die jetzigen Ortsteile der Gemeinde Höhenland - bereits zu Zeiten der DDR einer LPG (Pflanzenproduktion) sowie einer LPG (Tierproduktion) angehörten und in einem „Gemeindeverband Heckelberg“ zusammengearbeitet haben, lassen die Eingemeindung als sachgerecht - jedenfalls nicht als verfassungsrechtlich unvertretbar erscheinen, auch wenn die kulturellen Verflechtungen zwischen der Beschwerdeführerin und den Ortsteilen der Gemeinde Höhenland vom Gesetzgeber selbst als „eher spärlich“ bezeichnet werden (s. LT-Drucksache 3/5020, S. 225). ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen. (1) Ein bestehendes starkes bürgerschaftliches Engagement in der Beschwerdeführerin als „historisch gewachsene Gemeinde“ steht der Eingliederung nicht entgegen. Daß die örtliche Verbundenheit der Einwohner und deren Teilnahme am Gemeindegeschehen dauerhaft beeinträchtigt oder gar beseitigt werden würde, vermag das Verfassungsgericht nicht zu erkennen. (2) Der Gesetzgeber war nicht durch die finanziellen Folgen an einer Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Gemeinde Höhenland gehindert. Für die Beurteilung am Maßstab des öffentlichen Wohls im Sinne des Art. 98 Abs. 1 LV ist nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie entscheidend, welche Lösung für die Einwohner der einzelnen Gemeinde die meisten Vorteile bietet. Entscheidend ist vielmehr, welche Lösung den Interessen des gesamten neu zu gliedernden Verwaltungsraumes und seiner Bevölkerung sowie darüber hinaus der Gesamtbevölkerung des Landes am besten entspricht. Erfahrungsgemäß kann der Wohlstand einer Gemeinde auf Lagevorteilen - etwa einer verkehrsgünstigen Lage an der Schnittstelle zwischen Autobahn und Bundesstraße - beruhen, wenn auch die sich aus der günstigen Lage ergebenden Chancen genutzt werden müssen. Umgekehrt kann Verschuldung jedenfalls teilweise aus Lagenachteilen herrühren, etwa wenn Infrastruktureinrichtungen unterhalten werden müssen, die zugleich den Menschen aus Nachbargemeinden zugute kommen, und gleichzeitig günstige Entwicklungsmöglichkeiten nicht vorhanden sind oder durch bestehende (Wohn-)Bebauung nicht lohnend genutzt werden können. Unabhängig davon ist die Finanzlage und damit auch der Beitrag, den die Einwohner mit einem neu zugeschnittenen Gebiet und Ressourcen zu leisten vermögen, naturgemäß nicht von Dauer, sondern veränderlich. Die wirtschaftliche Entwicklung des Gesamt-Neugliederungsgebietes ist so oder so nicht sicher einschätzbar. (3) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich auch, wie der Gesetzgeber den geäußerten Willen der Bevölkerung gewichtet hat. Die aus der Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin resultierenden Stellungnahmen (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 221 ff.) zur beabsichtigten Neugliederung lagen im Landtag vor und sind damit in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen. An das sich daraus ergebende Stimmungsbild ist der Gesetzgeber aber nicht gebunden. Das Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung stellt vielmehr nur ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so daß nicht nur örtliche Gegebenheiten - wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde - ins Gewicht fallen. Hiervon ausgehend hat sich der Landtag in den Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit bewegt, als er nicht dem Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung der Beschwerdeführerin gefolgt ist, sondern den für die Eingliederung in die Gemeinde Höhenland sprechenden Umständen mit dem Ziel, die Struktur des Amtes zu straffen und zu vereinfachen sowie seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen, das höhere Gewicht beigemessen hat. C. Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt.
VerfGGBbg. |
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