VerfGBbg, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - VfGBbg 61/08 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 52 Abs. 3 - StPO, § 68b; StPO, § 142; StPO, § 52 |
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Schlagworte: | - Rechtliches Gehör - Strafprozessrecht - Beiordnung eines Zeugenbeistandes |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - VfGBbg 61/08 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 61/08
IM NAMEN DES VOLKES |
B E S C H L U S S |
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
N., Beschwerdeführer, Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt von S., gegen die Verfügung des Vorsitzenden der Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 20. November 2008 hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 15. Oktober 2009 b e s c h l o s s e n : Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. G r ü n d e : I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Beiordnung eines Rechtsanwaltes als Zeugenbeistand ohne vorherige Anhörung. 1. In dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Potsdam gegen den Beschwerdeführer sowie gegen dessen Vater wegen Verdachts des versuchten Mordes ordnete das Landgericht Potsdam mit Verfügung vom 19. Juli 2007 den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers als dessen Pflichtverteidiger bei. Mit Schreiben vom 19. November 2007 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Staatsanwaltschaft mit, dass der Beschwerdeführer auch im Fall einer beabsichtigten Vernehmung als Zeuge sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nehme. In der Hauptverhandlung gegen seinen Vater lud das Landgericht Potsdam den Beschwerdeführer zum Termin am 18. November 2008 als Zeuge. Der Beschwerdeführer erschien zu diesem Termin nicht; seine ordnungsgemäße Ladung konnte nicht festgestellt werden. Durch Verfügung vom 20. November 2008 ordnete das Landgericht Potsdam dem Beschwerdeführer Rechtsanwalt Sch. als Zeugenbeistand bei. Mit Schreiben vom 25. November 2008 teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers mit, dass er diesen auch als Zeugenbeistand vertrete und bat um Beiordnung. In einem Telefonat mit dem Vorsitzenden der Strafkammer wandte sich der Verfahrensbevollmächtigte gegen die Beiordnung des Rechtsanwalts Sch. als Zeugenbeistand und kündigte an, in jedem Fall zum Termin am 11. Dezember 2008 zu erscheinen. Mit Schreiben vom 02. Dezember 2008 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge nach § 33a StPO. Mit Verfügung vom 09. Dezember 2008 entschied das Landgericht Potsdam, dass eine Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers als anwaltlicher Zeugenbeistand derzeit nicht veranlasst sei. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs bei der Beiordnung des Zeugenbeistandes habe nicht vorgelegen. Wegen der Eilbedürftigkeit der Sache sei es entbehrlich gewesen, den Zeugen vor der Beiordnung anzuschreiben und unter Fristsetzung aufzufordern, gegebenenfalls einen von ihm gewünschten Anwalt zu bezeichnen. Darüber hinaus sei nicht zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer auf ein entsprechendes Schreiben geantwortet hätte, nachdem er zuvor auf seine Zeugenladung nicht reagiert habe. Am 11. Dezember 2008 wurde der Beschwerdeführer im Beisein seines Verfahrensbevollmächtigten sowie des als Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwaltes als Zeuge vernommen. Der Beschwerdeführer machte von dem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO Gebrauch. 2. Mit der am 05. Dezember 2008 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 52 Abs. 3 LV. Das Landgericht Potsdam habe ihm vor dem Beiordnungsbeschluss entgegen § 68b Satz 3 i. V. m. § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO kein rechtliches Gehör zu der Frage gewährt, welcher Rechtsanwalt ihm als Zeugenbeistand beigeordnet werden solle. 3. Das Landgericht Potsdam hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. II. Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Der verfassungsrechtliche Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt. Bereits § 68b StPO in der bis zum 30. September 2009 geltenden Fassung zielte auf die Verbesserung der Rechtsstellung des Zeugen. Durch die Unterstützung eines anwaltlichen Beistandes sollte der Zeuge in die Lage versetzt werden, ihm zustehende Abwehr- und Schutzrechte in einer konkreten Vernehmungssituation geltend zu machen. Grundsätzlich soll der Zeuge selbst einen Rechtsanwalt benennen können. Diese Anhörungspflicht soll sicherstellen, dass ihm in der Vernehmungssituation ein Rechtsanwalt seines Vertrauens als Beistand zur Seite steht. Die Bestimmung ist Ausdruck des Fairnessgrundsatzes und des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. BVerfG, NJW 2001, 3695, 3697). Dem haben die Strafgerichte Rechnung zu tragen. Von der vorherigen Anhörung kann daher nur in seltenen Ausnahmefällen abgewichen werden (vgl. BGH, NJW 2001, 237). Ist die vorherige Anhörung im Einzelfall nicht möglich, wird dem Anspruch des Zeugen auf einen anwaltlichen Beistand seines Vertrauens regelmäßig dadurch Rechnung zu tragen sein, dass die Anhörung nachgeholt und - gegebenenfalls unter Rücknahme der bereits zuvor erfolgten Beiordnung der Beistand des Vertrauens bestellt wird (vgl. Wohlers, in: Laufhütte u. a., Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung, § 142, Rn. 8 m. w. N.). Die Vorgehensweise des Landgerichts Potsdam hat ungeachtet der Frage, ob sie den vorgenannten Maßstäben überhaupt genügt keine negativen Auswirkung auf die Vernehmungssituation des Beschwerdeführers gehabt. Denn der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers war wie zuvor angekündigt - bei dessen Vernehmung zugegen. Der Beschwerdeführer hat von dem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 StPO Gebrauch gemacht. Ein etwaiger Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ist daher nicht erheblich geworden. |
Postier | Prof. Dawin |
Dielitz | Dr. Fuchsloch |
Möller | Nitsche |
Partikel | Schmidt |
Dr. Schöneburg |