VerfGBbg, Beschluss vom 15. Juni 1994 - VfGBbg 10/94 EA -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde sonstige |
|
entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, § 15 Abs. 3; LV, § 15 Abs. 4 | |
Schlagworte: | - Befangenheit | |
nichtamtlicher Leitsatz: | Die Selbstablehnung eines Verfassungsrichters des Landes Brandenburg nach § 15 Abs. 4 VerfGGBbg ist bereits dann begründet, wenn für einen am Verfahren Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß besteht, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. | |
Fundstellen: | - LVerfGE 2, 113 | |
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 15. Juni 1994 - VfGBbg 10/94 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 10/94 EA
In dem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung des minderjährigen Schülers F. K., vertreten durch seine Eltern, Antragsteller, wegen Aufnahme in das Gymnasium hier: Selbstablehnung des Richters Dr. Dombert hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 15. Juni 1994 b e s c h l o s s e n : Die Selbstablehnung des Richters Dr. Dombert wird für begründet erklärt. G r ü n d e : I. Der Antragsteller hat beim Verfassungsgericht beantragt, das Staatliche Schulamt für den Dahme-Spreewald-Kreis im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn zum Beginn des Schuljahres 1994/95 in die Klassenstufe 7 des Gymnasiums in der Schillerstraße in Königs Wusterhausen aufzunehmen. Der Richter Dr. Dombert vertritt als Rechtsanwalt in ca. 55 Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Potsdam die Interessen von Schülern, denen die Aufnahme in das Gymnasium für das Schuljahr 1994/95 durch Schulleiter und Staatliche Schulämter in Brandenburg verwehrt worden ist. Der Richter hat unter Hinweis auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit des § 36 Abs. 3 Erstes Schulreformgesetz (SRG) beim Verwaltungsgericht Potsdam mehrere einstweilige Anordnungen erwirkt, mit denen den zuständigen Behörden untersagt worden ist, das Aufnahmeverfahren fortzusetzen. Zeitnah zu diesen Verfahren haben Informationsveranstaltungen der Schulleiter stattgefunden, in denen Eltern u.a. über die Vorteile der Gesamtschule informiert und zur Unterzeichnung einer Erklärung aufgefordert wurden, mit denen sie u.a. bei sinngemäßer Auslegung auf eine Klage gegen einen etwaigen ablehnenden Widerspruchsbescheid verzichteten. Mit Anwaltschreiben vom 16.5.1994 rügte der Richter dieses Verhalten der Schulbehörden gegenüber dem Minister in scharfer Form. Im Hinblick auf den Briefwechsel mit dem Minister für Bildung, Jugend und Sport hat der Richter Dr. Dombert erklärt, es bestehe die Besorgnis der Befangenheit. Der Antragsteller und die Beteiligten haben in der Sitzung vom 15. Juni 1994 die Gelegenheit erhalten, zur Selbstablehnung des Richters Stellung zu nehmen. II. Die Selbstablehnung ist begründet. Gemäß § 15 Abs. 4 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kann sich ein Richter selbst für befangen erklären. Über seine Selbstablehnung entscheidet gemäß § 15 Abs. 3 VerfGGBbg das Gericht unter Ausschluß des betreffenden Richters. Für den Begriff der Befangenheit im Sinne des § 15 Abs. 4 VerfGGBbg kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich "parteilich" oder "befangen" ist. Die Besorgnis der Befangenheit liegt nach den allgemeinen Grundsätzen des Prozeßrechts, an die § 15 VerfGGBbg erkennbar anknüpft, bereits dann vor, wenn für einen am Verfahren Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß besteht, an der Unvoreingenommenheit und der objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Briefwechsel des Richters mit dem Minister für Bildung, Jugend und Sport rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit. Bei der Bewertung des Schreibens vom 16.5.94 kommt es nicht darauf an, wie die Äußerungen verstanden werden und was sie bezwecken sollten. Vielmehr ist die Wirkung entscheidend, die die Äußerungen auf einen unbefangenen Dritten haben konnten. Das Schreiben vom 16.5.1994 erweckte den Eindruck, daß das Verhalten des Ministers und seiner Bediensteten einer deutlich abwertenden Beurteilung unterzogen werden. Bei vernünftiger Würdigung ist daher das Schreiben des Richters geeignet, bei einem Verfahrensbeteiligten die Befürchtung wachzurufen, der Richter werde an der bevorstehenden Entscheidung nicht mehr unvoreingenommen mitwirken können. Das begründet die Besorgnis der Befangenheit. | ||||||||||||
|