VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2016 - VfGBbg 86/15 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 7 Abs. 1; LV, Art. 12 Abs. 1 - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46 - ZPO, § 765a |
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Schlagworte: | - Zwangsräumung - Vollstreckungsschutz |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2016 - VfGBbg 86/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 86/15
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
K.
Beschwerdeführerin,
wegen Beschluss des Amtsgerichts Bad Freienwalde (Oder) vom 28. Oktober 2015 (21 M 892/15) und Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. November 2015 (19 T 342/15)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 15. April 2016
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche und Partikel
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
A.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die für den 16. Dezember 2015 vorgesehene Zwangsräumung der von ihr bewohnten Wohnung.
I.
Mit Beschluss vom 28. Oktober 2015 (21 M 892/15) lehnte das Amtsgericht einen gegen die Zwangsräumung der Wohnung der Beschwerdeführerin gerichteten Antrag auf Gewährung von Räumungsschutz gegen die zuvor bereits auf den 9. November 2015 bestimmte Zwangsräumung nach § 765a Zivilprozessordnung (ZPO) ab.
Eine sofortige Beschwerde wies das Landgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 19. November 2015 (19 T 324/15) zurück, da die Voraussetzungen des § 765a ZPO nicht erfüllt seien. Hiernach könne die Zwangsvollstreckung nur eingestellt werden, wenn ganz besondere Umstände vorlägen, die über die Härten hinausgingen, die jede Zwangsvollstreckung mit sich bringe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Vollstreckungsschutz könne auch nur dann gewährt werden, wenn der Schuldner selbst zumutbare Anstrengungen unternommen habe, um einer Gefährdungssituation zu begegnen. Vorliegend habe die Beschwerdeführerin selbst vorgetragen, zum 1. November 2015 Ersatzwohnraum angemietet zu haben und erklärt, in Kürze in die neue Wohnung umziehen zu wollen. Der Umzug sei daher mit Blick auf ihren Gesundheitszustand gegebenenfalls nicht bis zu dem zunächst für den 9. November 2015 anberaumten Räumungstermin zu realisieren gewesen, knapp drei Wochen nach der Anmietung aber sei der Umzug zumutbar und durchführbar. Trotz Hinweises des Gerichts habe die Beschwerdeführerin nicht begründet, warum es hierfür eines Zeitfensters bis zum 30. November 2015 bedurft hätte.
II.
Die Beschwerdeführerin hat am 2. Dezember 2015 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt (hierzu Beschluss vom 11. Dezember 2015 - VfGBbg 19/15 EA -) und zugleich Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der sie geltend macht, sie habe zum 1. November 2015 eine neue Wohnung angemietet, benötige aber noch Zeit für den freiwilligen Umzug, den sie durch die ständigen Räumungsandrohungen mehrfach habe abbrechen müssen. Dennoch solle sie in ein Obdachlosenheim eingewiesen werden. Dies verletze sie in ihrer Menschenwürde. Sie sei 76 Jahre alt und herzkrank. Für Letzteres hat sie ein aktuelles ärztliches Attest vorgelegt, wonach sie sich seit Jahren wegen schwerer chronischer Erkrankungen in hausärztlicher Betreuung befinde und die Durchführung der Räumung eine schwere, medizinisch nicht vertretbare Beeinträchtigung darstelle.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zu verwerfen. Sie ist unzulässig, da sie nicht den Begründungserfordernissen aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg genügt; die Beschwerdeführerin zeigt ihre Beschwerdebefugnis im Sinne der Möglichkeit, durch den angegriffenen Beschluss in ihren Grundrechten verletzt zu sein, nicht auf. Eine
§ 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg genügende Begründung der Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (st. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 25. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 130, 1, 21 m. w. Nachw.). Dem genügt die Beschwerdeschrift nicht, die nicht erkennen lässt, inwiefern die angegriffenen Beschlüsse Grundrechte der Landesverfassung verletzen könnten.
Bei der Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen wird das Verfassungsgericht nicht in der Art eines Rechtsmittelgerichts tätig. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichts, die Entscheidungen der Fachgerichte allgemein auf ihre materielle und verfahrensrechtliche Richtigkeit zu überprüfen und sich in dieser Weise an ihre Stelle zu setzen (st. Rspr., vgl. nur Beschlüsse vom 14. Oktober 2015 - VfGBbg 17/15 EA -, vom 21. November 2014 - VfGBbg 20/14 - und vom 29. August 2014 - VfGBbg 63/13 -). Eine Überprüfung erfolgt vielmehr allein am Maßstab der Landesverfassung daraufhin, ob eine gerichtliche Entscheidung hierin gewährte Rechte verletzt (Beschlüsse vom 14. Oktober 2015 - VfGBbg 17/15 EA - und vom 19. Juni 2015 - VfGBbg 24/15 -). Die verfassungsgerichtliche Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen ist daher darauf beschränkt, festzustellen, ob die Entscheidung willkürlich ist oder ob sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereichs beruht. Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall.
Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass wegen der bei einer Zwangsräumung drohenden Obdachlosigkeit grundsätzlich die Gefahr einer Verletzung der Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit bestehen kann. Es hat jedoch in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, angesichts des angemieteten Ersatzwohnraums drohe keine Obdachlosigkeit, und der Umzug sei innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen auch nicht unzumutbar. Hieran ändert auch das vorgelegte ärztliche Attest nichts, das nicht erkennen lässt, an welcher schweren Erkrankung die Beschwerdeführerin leidet und weshalb sich hieraus zwingend die Unzumutbarkeit eines vor der Räumung freiwillig stattfindenden Umzugs ergibt. Für die von der Beschwerdeführerin überdies behauptete Verletzung ihrer Menschenwürde aus Art. 7 Abs. 1 Landesverfassung (LV) ist nichts ersichtlich.
Dafür, dass die zivilgerichtlichen Entscheidungen das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Gleichheit vor dem Gesetz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür aus Art. 12 Abs. 1 LV verletzten, ist ebenfalls nichts vorgetragen. Die angegriffenen Entscheidungen setzen sich gründlich mit der zu § 765a ZPO einschlägigen Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts auseinander und gehen zutreffend davon aus, der Schuldner müsse das ihm Zumutbare unternehmen, um die Räumung zu vermeiden. Diese Annahme, die der zu § 765a ZPO insoweit in Rechtsprechung und Literatur vertretenen herrschenden Auffassung entspricht (vgl. nur Stöber, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 765a ZPO Rn. 11 m. umf. w. Nachw.), ist nicht willkürlich.
III.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dr. Fuchsloch |
Dr. Lammer | Nitsche |
Partikel | |