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VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2016 - VfGBbg 78/15 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 1 Satz 2
- ZPO, § 344
Schlagworte: - Befangenheitsantrag
- Kosten der Säumnis
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2016 - VfGBbg 78/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 78/15




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

F.,

Beschwerdeführer,

wegen            Beschlüsse des Amtsgerichts Bad Freienwalde vom 7. Juli 2015 (22 C 37/13) und des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Juli 2015 und vom 17. September 2015 (16 T 54/15)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 15. April 2016

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche und Partikel

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Behandlung eines Ablehnungsgesuchs.

 

I.

Der Beschwerdeführer führte vor dem Amtsgericht Bad Freienwalde einen Zivilrechtsstreit, der im Jahr 2014 durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet wurde, nachdem zuvor ein klagabweisendes Versäumnisurteil ergangen war. Das Amtsgericht belastete den Prozessgegner mit den Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beschwerdeführers entstandenen Kosten und setzte den Streitwert auf 749,41 € fest. Mit der im Januar 2015 übersandten Gerichtskostenrechnung ging die Gerichtskasse davon aus, dass der Beschwerdeführer zwei Gerichtsgebühren (= 90 €) als Säumniskosten zu tragen habe. Die Erinnerung wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 19. Mai 2015 zurück. Der Beschwerdeführer habe die infolge seiner Säumnis entstandenen Mehrkosten zu tragen. Dabei handele es sich um die Differenz zwischen der dreifachen Verfahrensgebühr nach Ziffer 1210 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (KV)  und der bei Erscheinen im Termin und Abgabe einer Erledigungserklärung möglichen Ermäßigung auf eine Gerichtsgebühr nach KV 1211 Nr. 4.

 

Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Beschluss am 29. Mai 2015 Anhörungsrüge erhoben, über die noch nicht entschieden ist, und zugleich die für den Beschluss über die Erinnerung zuständige Richterin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Richterin biete nicht die Gewähr für eine unparteiliche Entscheidung, denn der Beschluss verstoße gegen das Willkürverbot und sei widersprüchlich begründet. Nach der Kostenentscheidung trage der Prozessgegner die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Säumnis. Das rechtfertige keineswegs den Einbehalt von 2/3 der im Voraus eingezahlten Gerichtsgebühren. Dass eine Ermäßigung der Gerichtskosten wegen der Säumnis ausgeschlossen sei, lasse die deswegen zu entrichtenden höheren Gerichtsgebühren nicht zu Kosten der Säumnis werden.

 

Das Amtsgericht Bad Freienwalde wies den Befangenheitsantrag am 7. Juli 2015 zurück. Ein solcher Antrag sei kein Instrument zur Fehler- und Verfahrenskontrolle. Der Vortrag des Beschwerdeführers beziehe sich auf die Rechtsauffassung der Richterin. Die Besorgnis der Befangenheit werde nicht dadurch begründet, dass eine Entscheidung tatsächlich oder jedenfalls nach Auffassung der ablehnenden Partei unrichtig sei. Anhaltspunkte für Willkür seien nicht erkennbar.

 

Der Beschwerdeführer legte daraufhin sofortige Beschwerde ein, die das Landgericht Frankfurt (Oder) am 29. Juli 2015, am 4. August 2015 zugestellt, zurückwies. Objektive Zweifel an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richterin bestünden nicht. Ihre Rechtsauffassung begründe keine Besorgnis der Befangenheit, denn sie sei nicht offensichtlich unhaltbar und willkürlich. Zwar entspreche sie nicht der herrschenden Ansicht, doch sei diese in der Kommentarliteratur nicht unbestritten.

 

Die unter anderem mit der Begründung, das Landgericht sei verpflichtet gewesen, die Rechtsbeschwerde gegen seinen Beschluss zuzulassen, erhobene Anhörungsrüge verwarf das Landgericht am 17. September 2015 als unzulässig. Der Beschwerdeführer wiederhole im Wesentlichen seine bereits bekannte Rechtsauffassung und zeige keine entscheidungserheblichen Gehörsverstöße auf.

 

II.

Der Beschwerdeführer hat am Montag, den 5. Oktober 2015 Verfassungsbeschwerde erhoben. Er vertritt die Auffassung, die angegriffenen Entscheidungen verletzten ihn in seinen Grundrechten aus Art. 52 Abs. 1 Satz 2, Art. 10, Art. 12 Abs. 1, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 und 2 sowie Art. 52 Abs. 4 Landesverfassung (LV).

 

Die Entscheidungen verletzten sein Recht auf den gesetzlichen Richter. Hier habe ein offensichtlich parteiischer Richter eine parteiische Entscheidung getroffen, die im Ablehnungsverfahren dennoch nicht zu dessen Ausschluss von der weiteren Mitwirkung im Verfahren geführt habe. Der Beschluss über die Erinnerung sei in Bezug auf die Ausführungen zu KV 1210 und KV 1211 offensichtlich widersprüchlich und damit willkürlich. Die Kostenrechnung sei offensichtlich falsch gewesen. Demzufolge sei auch der Beschluss in der Erinnerungssache gravierend fehlerhaft. Das Amtsgericht habe das Befangenheitsgesuch lediglich formelhaft und ohne Bezug zum konkreten Vorbringen zurückgewiesen. Die im Beschluss des Landgerichts angeführte Kommentarstelle habe nicht den behaupteten Inhalt.

 

Weiter verstoße die Behandlung des Ablehnungsgesuchs gegen das Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz, denn die Ablehnung der Richterin sei zwingend gewesen. Auch liege ein Verstoß gegen Artikel 52 Abs. 3 Alt. 1 LV vor. Aufgrund der offensichtlich willkürlichen Einstellung der Abgelehnten in der Kostenstreitsache müsse von einer Verletzung des Anspruchs auf Gleichheit vor dem Gesetz ausgegangen werden. Darüber hinaus liege auch ein Verstoß gegen Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV vor. Die Vorschrift gewähre einen Anspruch auf ein willkürfreies Verfahren vor einem unparteiischen Gericht. Daran habe es gefehlt.

 

Zudem verstoße die Behandlung des Ablehnungsgesuchs gegen Art. 10 i. V. m. Art. 6 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 2 Abs. 5 LV. Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Ablehnungsverfahren verstoße gegen den Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit in der Ausprägung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes. Bereits das Amtsgericht habe den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, eine Vorgehensweise und eine Rechtsauffassung, die von höherrangigen Gerichten als rechtswidrig und nicht gesetzeskonform bewertet worden sei und die dennoch zum Nachteil der klagenden Partei zur Anwendung gelangten, um diese zu benachteiligen, stelle weder einen Grund der Besorgnis der Befangenheit dar, noch sei diese willkürlich. Diese vom Landgericht bestätigte Auffassung stehe im Widerspruch zur ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung. Insofern sei eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zwingend gewesen.

 

Schließlich verstoße die Entscheidung des Landgerichts auch gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Er habe im Anhörungsrügeverfahren detailliert vorgetragen, dass die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen für die Rechtsbeschwerde vorgelegen hätten. Darauf sei das Landgericht mit keinem Wort eingegangen. Dies laufe dem Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich zuwider.

 

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz
Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig. Es ist auf der Grundlage des wegen des Begründungserfordernisses aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg maßgeblichen Vorbringens nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer durch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen in den von ihm benannten Grundrechten verletzt sein könnte.

 

1. Der Beschwerdeführer legt nicht hinreichend dar, dass er durch die Entscheidungen des Amts- und des Landgerichts über sein Ablehnungsgesuch in seinem Grundrecht auf den gesetzlichen Richter verletzt ist.

Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV schützt den Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von Gesetzes wegen vorgesehenen Richter, der sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergibt. Gleichzeitig wird damit durch die Verfassung gewährleistet, dass ein Beteiligter nicht vor einem Richter steht, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt. Die Frage, ob Befangenheitsgründe gegen die Mitwirkung eines Richters sprechen, berührt die prozessuale Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten (Beschluss vom 12. Dezember 2014 - VfGBbg 54/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Eine „Entziehung“ des gesetzlichen Richters durch die Rechtsprechung, der die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann allerdings nicht in jeder einfachgesetzlich fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls müsste jede unrichtige Handhabung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß gelten (vgl. BVerfGE 82, 286, 299). Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286, 299; BVerfGK 12, 139, 143 f). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite des Grundrechts grundlegend verkannt hat, kann nur anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGK 20, 164, 168 m. w. Nachw.).

 

Ausgehend von diesen Maßstäben zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass er durch die Behandlung des Ablehnungsgesuchs vom 26. Mai 2015 in seinem Anspruch auf den gesetzlichen Richter verletzt worden ist. Seinem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass die Annahme von Amts- und Landgericht, die Behandlung der Erinnerung durch die abgelehnte Richterin sei nicht willkürlich gewesen, ihrerseits auf Willkür beruhte. Tatsächlich weist das Landgericht wie zuvor schon das Amtsgericht zutreffend darauf hin, dass die Behandlung der infolge der Säumnis des Beschwerdeführers bei Abgabe der Erledigungserklärung nicht mehr zu ermäßigenden Gerichtsgebühren im Rahmen von § 344 ZPO in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich beurteilt wird. Indem sich die abgelehnte Richterin einer – wie die neueste Kommentarliteratur zeigt (Herget, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 344 Rn. 4;
Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 344 Rn. 3) im Übrigen keineswegs überholten – Rechtsansicht angeschlossen hat, hat sie weder eine ganz und gar unver­­ständ­­­­liche Entscheidung getroffen, noch ist sie in Widerspruch zu einer durch Recht­spre­chung und Literatur geklärten Rechtslage geraten. Damit setzt sich der Beschwerdeführer nicht näher auseinander.

 

2. In Ansehung der vorstehenden Ausführungen lässt der Vortrag des Beschwerdeführers auch nicht die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Willkürverbot (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV) oder gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV) erkennen.

 

3. Ebenso wenig gelingt dem Beschwerdeführer die Darlegung eines Verstoßes gegen Art. 10 LV. Das Landgericht kann durch die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung schon deshalb nicht gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes verstoßen haben, weil es ebenso wenig wie das Amtsgericht ausdrücklich oder auch nur konkludent den vom Beschwerdeführer behaupteten abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat. Demzufolge fehlt es auch an einer hinreichenden Darlegung eines Gehörsverstoßes, den der Beschwerdeführer darin erblickt, dass das Landgericht nicht näher auf die erstmals mit der Anhörungsrüge beanstandete Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde eingegangen ist. Im Hinblick darauf, dass das Landgericht offensichtlich weder den vom Beschwerdeführer behaupteten abstrakten Rechtssatz noch überhaupt einen von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder des Bundesverfassungsgerichts abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, bedurfte es dazu auch keiner Ausführungen im Anhörungsrügebeschluss. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden, zumal wenn es – wie hier – offenkundig rechtlich verfehlt ist.

 

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel