Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2011 - VfGBbg 61/10 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2
- SGG, § 178a
Schlagworte: - Erschöpfung des Rechtsweges
- rechtliches Gehör
- Gehörsrüge
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2011 - VfGBbg 61/10 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 61/10




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

   K.

 

 

 

Beschwerdeführer,

 

 

gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Juli 2010 – S 2 AL 130/10 ER – und des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Oktober 2010 – L 29 AL 238/10 B ER -,

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

 

am 15. April 2011

 

 

 

b e s c h l o s s e n :

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

 

Gründe:

 

 

A.

 

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Entscheidungen der Sozialgerichte, die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bezüglich der Rücknahme eines Bewilligungsbescheides zum Arbeitslosengeld I ergangen sind.

 

I.

 

Dem Beschwerdeführer wurde zunächst vorläufig für den Zeitraum vom 19. Januar 2010 bis zum 17. September 2010 Arbeitslosengeld bewilligt. Dieser Bescheid wurde mit Wirkung ab dem 4. Mai 2010 wieder zurückgenommen, weil der Beschwerdeführer sich krankheitsbedingt dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stellte. Nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat der Beschwerdeführer gegen die Rücknahmeentscheidung beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz begehrt. Der Eilantrag wurde mit Beschluss vom 21. Juli 2010 abgelehnt. Zur Begründung führte das Sozialgericht im Wesentlichen aus, aufgrund des nicht geklärten Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers angesichts dreier sich teilweise widersprechender Gutachten lasse sich die für eine stattgebende Eilentscheidung erforderliche offensichtliche Begründetheit der Klage bei der summarischen Prüfung im Eilverfahren nicht feststellen. Diese hänge vielmehr von umfangreichen Ermittlungen ab. Die aber dem Hauptverfahren vorbehalten seien. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg wies die dagegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 1. Oktober 2010, dem Beschwerdeführer zugestellt am 7. Oktober 2010, zurück.

 

II.

Mit seiner am 7. Dezember 2010 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Justizgewährungsanspruchs, des Anspruchs auf faires Verfahren, rechtliches Gehör vor Gericht und effektiven Rechtsschutz (Art. 52 Abs. 3 und 4 der Verfassung des Landes Brandenburg – LV), des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 8 Abs. 1 LV), auf Eigentum (Art. 41 Abs. 1 LV) und auf soziale Sicherung  bei Krankheit (Art. 45 Abs. 1 LV). Er bemängelt die Auswertung der im Verwaltungsverfahren eingeholten medizinischen Gutachten, deren Verwertbarkeit er zum Teil bestritten hat, durch die Gerichte. Der Beschwerdeführer ist zudem der Auffassung, dass im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht auf Grund summarischer Prüfung hätte entschieden werden dürfen, sondern der Sachverhalt hätte aufgeklärt werden müssen.

 

III.

Die Gerichtsakten wurden beigezogen und dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

Der Beschwerdeführer hat den nach § 45 Abs. 2 VerfGGBbg vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde zu beschreitenden Rechtsweg nicht erschöpft. Er hat von der Möglichkeit, gegen den angegriffenen Beschluss des Landessozialgerichts gemäß § 178a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eine Anhörungsrüge zu erheben, keinen Gebrauch gemacht und daher dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht genügt. Der Beschwerdeführer ist nämlich verpflichtet, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alle nach Lage der Dinge ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu ergreifen, insbesondere den fachgerichtlichen Rechtsweg auszuschöpfen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 21. Januar 2011 – VfGBbg 63/10 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Zwar ist gegen den Beschluss des Landessozialgerichts vom 1. Oktober 2010 eine Beschwerde unzulässig (§ 177 SGG). Hinsichtlich der Beanstandung des Beschwerdeführers, das Sozialgericht Frankfurt (Oder) und das Landessozialgericht hätten bei ihren Entscheidungen den verfassungsgemäß verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 LV) verletzt, steht ihm aber der Rechtsbehelf nach § 178a SGG zur Verfügung. Es gehört zur Erschöpfung des Rechtswegs im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg, dass ein Beschwerdeführer im sozialgerichtlichen Verfahren die Möglichkeit einer Anhörungsrüge nutzt, bevor er Verfassungsbeschwerde erhebt.

 

Das Unterlassen der Einlegung des Rechtsbehelfs der Anhörungsrüge hat nicht nur zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde in Bezug auf die behauptete Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 2. Alt LV) unzulässig ist. Vielmehr ist die Verfassungsbeschwerde dann – jedenfalls bei einem wie vorliegend einheitlichen Streitgegenstand des fachgerichtlichen Verfahrens – insgesamt, also auch hinsichtlich etwaiger weiterer Verstöße gegen Rechte des Beschwerdeführers aus der Landesverfassung unzulässig. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass die zur Fortsetzung des fachgerichtlichen Prozesses führende Anhörungsrüge auch bezogen auf diese Verstöße die fachgerichtliche Abhilfe bewirkt hätte (vgl. Beschluss vom 21. Januar 2011 – VfGBbg 63/10 -, a. a. O.).

 

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Postier Dr. Becker
   
Dielitz Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Partikel
   
Schmidt