VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2011 - VfGBbg 5/11 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 19 Abs. 1 Satz 1; Art. 113 Nr. 4 - VerfGGBbg, §§ 45 Abs. 2; 46 |
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Schlagworte: | - Meinungsfreiheit - Eingriff - statthafter Antrag - Erschöpfung des Rechtswegs |
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Fundstellen: | NVwZ-RR 2011, Heft 17, S. 665 f. | |
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 15. April 2011 - VfGBbg 5/11 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 5/11
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IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
F.
Beschwerdeführer,
wegen des Verhaltens von Mitarbeitern des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport, des Landesschulbeirats sowie von Professoren der Universität Potsdam
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Postier, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt
am 15. April 2011
b e s c h l o s s e n :
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
G r ü n d e :
A.
Der Beschwerdeführer war Lehrer und unterrichtete u. a. in der Gymnasialstufe das Fach Astronomie. In diesem Bereich war er zudem als landesweiter Fachberater und pädagogischer Mitarbeiter am Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM) Brandenburg tätig. Der Beschwerdeführer engagiert sich für die Erhaltung bzw. den Ausbau des eigenständigen Unterrichtsfachs Astronomie an den allgemeinbildenden Schulen des Landes Brandenburg. Mit seiner am 1. März 2011 erhobenen Verfassungsbeschwerde macht er geltend, bei dieser Arbeit mehrfach in seinen Grundrechten aus Art. 5 des Grundgesetzes (GG) verletzt und willkürlich behandelt worden zu sein (Art. 12 Verfassung des Landes Brandenburg - LV -).
Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) habe in einem Schreiben des Abteilungsleiters vom 7. September 2007 ausgeführt: „... möchte ich Sie dennoch abschließend bitten, zukünftig bei kritischen Anmerkungen von Vorwürfen gegen Minister Rupprecht und Mitarbeiter des MBJS Abstand zu nehmen“ und damit versucht, sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. Der frühere Minister für Bildung, Jugend und Sport habe es unterlassen, im Hinblick auf das „langsame Sterben“ des Astronomieunterrichts tätig zu werden. Auch im LISUM fehle nach dem dortigen Ausscheiden des Beschwerdeführers im Jahr 2006 weitgehend die Unterstützung für den Astronomieunterricht. Die mehrfache Bitte des Beschwerdeführers, die bedrohliche Situation für den Astronomieunterricht gegenüber dem Landesschulbeirat schildern zu können, sei durch diesen abgelehnt worden. Die dafür angeführten Gründe ließen sich jedoch widerlegen. Im Mai 2009 habe der Beschwerdeführer an einer Fortbildungsveranstaltung der Universität Potsdam teilnehmen wollen. Die Teilnahme an der Veranstaltung habe man ihm aber mit der Begründung versagt, dass er sich schon im Ruhestand befinde, man befürchte, dass er als Teilnehmer der Veranstaltung u. a. bildungspolitische Inhalte vortragen wolle und die Fortbildungsveranstaltung keine weiteren Teilnehmer zulasse. Diese Begründungen hätten jedoch nicht den Tatsachen entsprochen. Niemand dürfe wegen seiner politischen Überzeugung bevorzugt oder benachteiligt werden (Art. 12 Abs. 2 LV).
Der Beschwerdeführer beantragt,
1. festzustellen, dass die versuchte Einschränkung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung (Schreiben des MBJS vom 7. September 2007, Gz.: 35.4) rechtswidrig war und ihn in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 verletzt,
2. festzustellen, dass über Jahre – insbesondere zwischen 2005 und 2010 - das fehlende bzw. nicht ausreichende Tätigwerden im Amt des zu diesem Zeitpunkt zuständigen Bildungsministers zunehmend zu einer existenzbedrohten Situation des schulischen Astronomieunterrichts geführt hat,
3. zu prüfen, weshalb zunächst der Beschwerdeführer, dann Pro-Astro-Brandenburg e. V. im Jahr 2009 von der Gremienstelle des Landesschulbeirats davon abgehalten wurden, dringend wegen der unzureichenden Existenzbedingungen des Astronomieunterrichts im Land Brandenburg beraten zu können,
4. festzustellen, dass die von Prof. ... und Prof. ... (Universität Potsdam) vorsätzliche Verweigerung seiner Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung vom 20. Juni 2009 in mehreren Fällen auf belegbaren Unwahrheiten beruht, diskriminierend ist und Unterstellungen enthält, rechtswidrig ist und ihn in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 verletzt.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen, nachdem der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8. März 2011 auf Bedenken gegen ihre Zulässigkeit hingewiesen worden ist und diese Bedenken nicht ausgeräumt hat.
1. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 LV eröffnet die Verfassungsbeschwerde ausschließlich gegen behauptete Verletzungen der in der Verfassung des Landes Brandenburg gewährleisteten Grundrechte. Die Rüge der Verletzung von Art. 5 GG ist daher unzulässig. Selbst wenn das Gericht davon ausgeht, dass der anwaltlich nicht vertretene Beschwerdeführer neben den in seiner Beschwerdeschrift ausdrücklich genannten Landesgrundrechten aus Art. 12 LV auch die Verletzung von Art. 19 und 31 LV (Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit) rügen möchte, bleibt die Verfassungsbeschwerde unzulässig.
2. Der unter Ziffer 1. gestellte Antrag, die Verletzung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung festzustellen, ist mangels Beschwerdebefugnis unzulässig. Der Beschwerdeführer hat die Möglichkeit der Verletzung seines Rechts auf Meinungsfreiheit nicht dargelegt. Die aus dem Schreiben vom 7. September 2007 wiedergegebenen Auszüge lassen keinen Eingriff erkennen. Ein Eingriff in die durch Art. 19 Abs. 1 Satz 1 LV gewährleistete Freiheit zur Äußerung der Meinung liegt erst dann vor, wenn durch eine hoheitliche Anordnung die Meinungsäußerung oder -verbreitung verboten oder nicht ganz unerheblich behindert wird (Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Stand: Februar 2008, Art. 19 Ziff. 2.4). Die mit der Verfassungsbeschwerde auszugsweise wiedergegebenen und gerügten Ausführungen enthalten lediglich eine Bitte. Dass diese Bitte entgegen der Wortwahl als Verbot zu verstehen sein könnte, hat der Beschwerdeführer trotz gerichtlichen Hinweises nicht dargetan. Vielmehr bezeichnet er sie selbst nur als „Versuch“ zur Beschränkung seiner Meinungsfreiheit.
3. Die unter Ziffer 2. und 3. gestellten Anträge des Beschwerdeführers, die auf die Feststellung eines Kausalzusammenhangs bzw. die Aufklärung von Hintergründen gerichtet sind, sind im Rahmen der Verfassungsbeschwerde nicht statthaft. Die Verfassungsbeschwerde kann gemäß Art. 6 Abs. 2 und Art. 113 Nr. 4 LV, § 12 Nr. 4 VerfGGBbg mit der Behauptung erhoben werden, durch die öffentliche Gewalt in einem der (Landes)Grundrechte verletzt zu sein. Anträge zur Sachverhaltsaufklärung sehen weder die Verfassung noch das Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg vor. Es wird vom Beschwerdeführer zudem nicht dargelegt oder ist sonst erkennbar, in welchem der (landes)grundrechtlich geschützten Rechte er verletzt sein könnte.
4. Soweit sich der Beschwerdeführer durch die Ablehnung der Teilnahme an der universitären Veranstaltung vom 20. Juni 2009 in seinem durch Art. 12 LV gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung und dem Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit (Art. 31 Abs. 1 LV) verletzt sieht, ist schon zweifelhaft, ob nach Verstreichen des Veranstaltungstermins noch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde besteht. Jedenfalls aber hat der Beschwerdeführer schon den Rechtsweg nicht erschöpft. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg sind vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen, insbesondere ist der fachgerichtliche Rechtsweg auszuschöpfen (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 30. September 2010 – VfGBbg 42/10 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Insoweit hätte der Beschwerdeführer sich zunächst im Wege eines Eilverfahrens an die Verwaltungsgerichte wenden können.
Ergänzend wird auf den gerichtlichen Hinweis vom 8. März 2011 Bezug genommen.
C.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Postier | Dr. Becker |
Dielitz | Dr. Fuchsloch |
Dr. Lammer | Partikel |
Schmidt | |