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VerfGBbg, Beschluss vom 15. März 2024 - VfGBbg 20/22 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 1 Satz 2
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Sozialgericht
- rechtliches Gehör
- gesetzlicher Richter
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 15. März 2024 - VfGBbg 20/22 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 20/22




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 20/22
VfGBbg 8/22 EA

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

E.,

Beschwerdeführer,

wegen

Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 26. April 2022 ‌‑ S 46 SF 109/22 AB ‑‌, und Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Potsdam‌‑ S 35 AS 1557/20 ‑‌; Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 15. März 2024

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Dr. Koch, Kirbach, Müller, Richter und Sokoll

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.


Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer stellt in von ihm beim Sozialgericht Potsdam und beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geführten und in erledigten Verfahren wiederholt Befangenheitsanträge gegen am Verfahren beteiligte und nicht beteiligte Richter. Er beruft sich vorliegend auf die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter u. a. wegen Voreingenommenheit und einer von ihm als rechtsverletzend beanstandeten Verfahrensführung.

I.

Einen gegen die Richterin am Sozialgericht W. gestellten Befangenheitsantrag des Beschwerdeführers vom 23. August 2021 verwarf das Sozialgericht Potsdam durch den Präsidenten des Sozialgerichts mit Beschluss vom 26. April 2022 (S 46 SF 109/22 AB) als unzulässig. Dem Beschwerdeführer fehle das Rechtsschutzbedürfnis, nachdem das Verfahren die Instanz beendend erledigt worden sei.

Mit Gerichtsbescheid vom selben Tag (S 35 AS 1557/20) wies das Sozialgericht Potsdam durch Richterin am Sozialgericht W. eine Klage des Beschwerdeführers ab. In den Gründen führte sie vorab aus, die Kammer könne über die Klage als gesetzlicher Richter entscheiden, auch wenn der Beschwerdeführer mehrfach und wiederholt Befangenheitsanträge gegen sie gestellt und die Beiziehung einer staatsanwaltschaftlichen Akte beantragt habe. Die Befangenheitsanträge seien unzulässig, da rechtsmissbräuchlich. Die Rechtsmissbräuchlichkeit werde durch die wiederholte Praxis des Beschwerdeführers deutlich, beteiligte und unbeteiligte Richter in allen parallel anhängigen und auch in nicht mehr anhängigen Verfahren gleichlautend wegen der seiner Ansicht nach unzutreffenden rechtlichen Bewertungen und verfahrensrechtlichen Vorgehensweisen abzulehnen. Aus seinem Vorbringen ergäben sich keinerlei objektive Anknüpfungspunkte für eine Voreingenommenheit der Vorsitzenden. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass der Antrag als prozesstaktisches Mittel allein verfahrensfremde Zwecke verfolge. Er könne vor diesem Hintergrund durch die Vorsitzende in eigener Zuständigkeit abgelehnt werden.

II.

Der Beschwerdeführer hat dem Verfassungsgericht am 24. und 25. Mai 2022 verschiedene Schriftsätze per Telefax übermittelt. Der als „Ergänzung Verfassungsbeschwerde, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung“ bezeichnete, auf den 22. Mai 2022 datierte 68-seitige Schriftsatz zum Aktenzeichen VfGBbg 4/22 ist mehrmals eingegangen. Ihm waren teils Anschreiben des Beschwerdeführers beigefügt, die sich auf von ihm beim Verfassungsgericht eingeleitete, bereits erledigte Verfahren (so z. B. VfGBbg 38/21 und VfGBbg 8/20 EA) bezogen.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2022 hat das Verfassungsgericht dem Beschwerdeführer mitgeteilt, auf seinen Schriftsatz vom 22. Mai 2022 hin das hiesige Verfahren angelegt zu haben, da Anlass seines Vorbringens der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 26. April 2022 (S 46 SF 109/22 AB) sowie ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei. Ferner habe das Verfassungsgericht eine Abschrift des Schriftsatzes zu der Verfahrensakte VfGBbg 4/22 genommen. Die mit anderweitigen Aktenzeichen des Verfassungsgerichts versehenen Anschreiben seien zu den entsprechenden Verfahrensakten genommen worden.

III.

Der Beschwerdeführer vertritt in seinen Schriftsätzen vom 22. Mai 2022 und vom 25. Mai 2022 die Auffassung, sowohl der sein Ablehnungsgesuch zurückweisende Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 26. April 2022 (S 46 SF 109/22 AB) als auch der seine Klage abweisende Gerichtsbescheid vom selben Tag (S 35 AS 1557/20) seien verfassungswidrig. Dazu trägt er vor: Am 26. April 2022 seien seine Strafanzeigen gegen die Richter am Sozialgericht und am Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangen. Er meint, nach § 133 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hätten seine Strafanzeigen berücksichtigt werden müssen. Die von ihm beantragte einstweilige Anordnung sei dringend erforderlich, da die Richterin am Sozialgericht W. „ungeniert“ trotz seiner Strafanzeige und Ablehnung weiterarbeite. Sie zeige, dass sie „kein<en> Respekt oder Achtung von Gesetz und Verfassung“ habe. Der Beschwerdeführer wiederholt im Schriftsatz vom 22. Mai 2022 sein Vorbringen aus früheren Verfassungsbeschwerdeverfahren dazu, dass eine Geschäftsverteilungsplanänderung am Sozialgericht („Kammerwechsel“) und die gerichtliche Behandlung seiner zahlreichen Ablehnungsgesuche die Garantie des gesetzlichen Richters verletzt hätten.

IV.

Das Verfassungsgericht hat in dem zum Aktenzeichen VfGBbg 4/22 ergangenen Beschluss vom heutigen Tage unter anderem zu den im Schriftsatz vom 22. Mai 2022 gestellten Anträgen und insbesondere zu seinem aus früheren Verfassungsbeschwerdeverfahren gehaltenen Vorbringen entschieden und ausgeführt.

B.

I.

Über die dem Schriftsatz vom 22. Mai 2022 zu entnehmenden, offensichtlich unzulässigen Befangenheitsgesuche hat das Verfassungsgericht bereits mit Beschluss vom heutigen Tag zum Aktenzeichen VfGBbg 4/22 entschieden, so dass es einer erneuten Entscheidung über die identischen Rügen in diesem Verfahren nicht bedarf.

II.

Der als gesonderte Verfassungsbeschwerde ausgelegte Rechtsbehelf hat keinen Erfolg. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

Nachdem sich das Verfassungsgericht im Verfassungsbeschwerdeverfahren VfGBbg 4/22 bereits zur Zulässigkeit der im Schriftsatz vom 22. Mai 2022 gestellten Anträge zu Ziffer 3) bis 9) verhalten hat, bedarf es dazu keiner weiteren Ausführungen; auf den ergangenen Beschluss wird Bezug genommen.

Der Beschwerdeführer zeigt auch keine Verletzung in Grundrechten auf, soweit er die beiden Entscheidungen des Sozialgerichts vom 26. April 2022 (S 46 SF 109/22 AB, S 35 AS 1557/20) zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde erhebt. Sein Vorbringen genügt nicht den Begründungs- und Substantiierungsanforderungen nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg).

Eine „Entziehung“ des gesetzlichen Richters im Sinne von Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) aufgrund der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Regelungen über die Richterablehnung kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden. Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind erst überschritten, wenn die Auslegung und Anwendung des maßgeblichen einfachen Rechts willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite von Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV grundlegend verkennt (vgl. Beschluss vom 21. Januar 2022 ‌‑ VfGBbg 57/21 ‑,‌ Rn. 61 m. w. N., https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Das gilt auch, wenn ein Ablehnungsgesuch infolge fehlerhafter Anwendung des einfachen Rechts zurückgewiesen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 2023 ‌‑ 1 BvR 75/22 ‑‌, Rn. 33, juris).

Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass das Sozialgericht Potsdam durch die Entscheidungen vom 26. April 2022 über sein Ablehnungsgesuch (S 46 SF 109/22 AB) bzw. über seine Ablehnungsgesuche und seine Klage (S 35 AS 1557/20) bei Anwendung dieser Maßstäbe Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV verletzt haben könnte. Weder stellt er die genannten Maßstäbe in seine Betrachtungen ein noch setzt er sich mit den Begründungen der angegriffenen Entscheidungen auseinander. Sein losgelöster Verweis auf § 133 SGG genügt erkennbar nicht, um eine Grundrechtsverletzung den Begründungsanforderungen entsprechend darzutun.

Im Übrigen lässt der Beschwerdeführer außer Betracht, dass offensichtlich missbräuchliche Ablehnungsgesuche die Beschlussfähigkeit des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers von vornherein nicht zu beeinflussen vermögen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juni 2015 ‌‑ 2 BvR 740/15 ‑‌, Rn. 15, vom 10. November 2022 ‌‑ 2 BvR 1624/22 ‑‌, Rn. 3, und vom 12. Dezember 2023 ‌‑ 1 BvR 75/22 ‑‌, Rn. 35 ff., juris). Gleichermaßen kann eine Partei weder durch Strafanzeigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. April 1996 ‌‑ 2 BvR 1639/94 ‑‌, Rn. 9, juris) noch durch wiederholte erfolglose Ablehnungsgesuche einen Richter „ausschalten“ (vgl. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 42 ZPO, Rn. 29 m. w. N.).

C.

Mit der Verwerfung der Verfassungsbeschwerde erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Möller

Dr. Finck

Kirbach

Dr. Koch

Müller

Richter

Sokoll