VerfGBbg, Beschluss vom 14. Oktober 2016 - VfGBbg 6/16 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 21 Satz 2 | |
Schlagworte: | - Ingenieurgesetz - Gleichheit - Beschwerdebefugnis - Begründung |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 14. Oktober 2016 - VfGBbg 6/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 6/16
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
J.,
Beschwerdeführer,
wegen Brandenburgisches Ingenieurgesetz vom 25. Januar 2016
(GVBl. I/16 Nr.4) (BbgIngG)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 14. Oktober 2016
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche und Schmidt
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) als unzulässig zu verwerfen.
Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit unzulässig, als mit ihr unmittelbar eine Verletzung von Rechten der Brandenburgischen Ingenieurkammer (BBIK) und nicht eigener Rechte des Beschwerdeführers selbst geltend gemacht wird. Dies gilt auch für den erstmals mit Schreiben vom 22. September 2016 unterbreiteten Vortrag, dem gemäß § 8 BbgIngG a. F. eingerichteten Eintragungsausschuss der BBIK seien mit der Neuregelung des § 23 BbgIngG Zuständigkeiten entzogen und die Ausfinanzierung der Tätigkeit der Mitglieder des Ausschusses sei nicht angemessen geregelt worden. Der Beschwerdeführer verweist im Übrigen lediglich auf die zugleich mit der behaupteten Verletzung der Kammerrechte einhergehende mittelbare Beeinträchtigung seiner hinter diesen Rechten der BBIK stehenden, von ihm nicht näher grundrechtlich untersetzten Mitgliedschaftsrechte (vgl. hierzu im Übrigen BVerfG NVwZ 2001, 335, 336: Schutz der Vereinigungsfreiheit begrenzt auf privatrechtlichen Zusammenschluss auf Basis der Freiwilligkeit) und Beitragspflichten (vgl. hierzu etwa BVerfGE 78, 320, 330 f, zum fehlenden grundrechtlichen Anspruch auf eine bestimmte Verwendung öffentlicher Mittel; BVerfGE 38, 281, 310 f, zur fehlenden fühlbaren Belastung durch Mitgliedsbeiträge; NVwZ 2002, 335, 337, zur verfassungsrechtlich zulässigen finanziellen Beteiligung der Kammerzugehörigen über ihre Mitgliedsbeiträge (auch) an der Kammer zugewiesenen Gemeinwohlaufgaben). Hiermit macht er aber keine eigene rechtliche, sondern nur eine mittelbare Betroffenheit geltend, da er nicht selbst Adressat der Normen ist, sondern diese ausschließlich die BBIK konstituieren, ihre Organe und Ausschüsse festlegen und ihre Aufgaben benennen. Derartige reflexhafte gesetzliche Wirkungen können mit der Verfassungsbeschwerde nicht abgewehrt werden (BVerfGE 35, 348, 352; E 108, 370, 384 f;
NVwZ-RR 2014, 537 f; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand: Februar 2016, Band 2, § 90 Rn. 355 ff m. w. Nachw.).
Die weiter als verletzt gerügten Art. 80, 94 Landesverfassung (LV) statuieren keine Grundrechte. Art. 21 Abs. 5 LV (sowie Art. 103 GG) gewähren kein Recht auf Beteiligung am parlamentarischen Beratungsverfahren. Die Verfassungsbeschwerde kann aber gemäß § 45 VerfGGBbg allein mit der Behauptung einer Verletzung von in der Landesverfassung gewährten Grundrechten erhoben werden.
Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 12 Abs. 1 LV rügt, genügt sein Vortrag nicht den Begründungserfordernissen der § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg. Insoweit hätte er insbesondere aufzeigen müssen, dass die angegriffene Norm nicht nur zu einer unterschiedlichen Behandlung miteinander vergleichbarer Personengruppen und dabei zu Nachteilen führt, sondern hierüber hinaus auch keine hinreichenden Gründe für die Ungleichbehandlung bestehen. Die Ungleichbehandlung auch vergleichbarer Sachverhalte ist nämlich nicht generell unzulässig, sondern kann durch einen „hinreichend gewichtigen Grund“ gerechtfertigt sein (BVerfGE 100, 138, 174). Der Beschwerdeführer setzt sich mit derartigen Gründen der von ihm dargestellten gesetzlichen Differenzierungen aber nicht auseinander.
Dies gilt zunächst für die geltend gemachte „Inländerdiskriminierung“, die der Beschwerdeführer in der Vorschrift des § 2 Abs. 1 BbgIngG begründet sieht. Hiernach dürfen Personen, die in einem anderen Staat niedergelassen sind oder ihren Beruf dort überwiegend ausüben und sich zu einer vorübergehenden und gelegentlichen Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des § 3 BbgIngG in das Land Brandenburg begeben, die Bezeichnung „Beratende Ingenieurin“ oder „Beratender Ingenieur“ ohne Eintragung in die Ingenieurliste führen, wenn ihnen von der BBIK bestätigt worden ist, dass sie die materiellen Eintragungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 2 BbgIngG erfüllen. Der Gesetzgeber zeigt die Gründe der vorgenommenen Differenzierung bereits klar erkennbar in der Vorschrift selbst auf, wenn hier auf den vorübergehenden und gelegentlichen Charakter der Tätigkeit abgestellt wird, während mit der Eintragung in die Liste eine dauerhaft angelegte Berufsausübung verbunden wird.
Gleiches gilt insoweit, als der Beschwerdeführer beanstandet, die in § 10 Abs. 1 BbgIngG geforderte Berufshaftpflicht beschränke sich auf selbständig tätige Ingenieure, die dadurch gegenüber angestellt oder nebenberuflich tätigen diskriminiert würden. Insoweit wird ausgeblendet, dass angestellt tätige Ingenieure über ihre jeweiligen Arbeitgeber abgesichert werden können; inwiefern eine nebenberufliche Tätigkeit, die nicht unter den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 BbgIngG fällt, überhaupt ausgeübt werden kann, wird im Übrigen nicht näher erörtert.
Hinsichtlich der Partnergesellschaften durch § 10 Abs. 2 BbgIngG eröffneten Möglichkeit der Haftungsbeschränkung „auch durch vorformulierte Vertragsbedingungen“ wird nicht aufgezeigt, inwiefern dies die Gruppe der gemäß § 10 Abs. 1 BbgIngG zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichteten selbständig tätigen Ingenieure benachteiligt. Auch für Partnergesellschaften gelten die in § 10 Abs. 1 BbgIngG festgelegten Mindestversicherungssummen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, Partnerschaftsgesellschaften erhielten wegen § 10 Abs. 2 BbgIngG spürbar wettbewerbsrelevant verbesserte Policen, bleibt unsubstantiiert; dem in der Gesetzesbegründung (LT-Ds. 6/1791, Begründung S. 8) gegebenen Hinweis, die Norm löse § 19 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 BbgIngG a. F. (vom 29. Juni 2004, GVBl. I, Nr. 15 S. 326) ab, der eine vergleichbare Regelung enthielt, und entspreche der bestehenden musterrechtlichen Regelung (s. § 9 Satz 2 Musterarchitektengesetz in der Fassung des Beschlusses der 114. Bauministerkonferenz September 2006), wird nicht weiter nachgegangen.
Schließlich lässt auch der Vortrag des Beschwerdeführers zur Differenzierung zwischen bauvorlageberechtigten Ingenieuren, die der Kammermitgliedschaft unterliegen und eine Berufshaftpflicht nachzuweisen haben (§ 33 Abs. 1 Satz 4 BbgIngG), und sonstigen bei Bauvorhaben tätigen Ingenieuren, für die das BbgIngG eine Haftpflichtversicherung nicht vorgebe, eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 LV nicht erkennen. Insbesondere wird nicht dargelegt, dass es dem Gesetzgeber verwehrt wäre, an die Bauvorlageberechtigung eine Pflichtversicherung anknüpfen zu lassen. Gemäß § 48 Abs. 4, 5, § 62 Abs. 2 Satz 1 Brandenburgische Bauordnung a. F. (in der bis zum 30. Juni 2016 geltenden Fassung der Bekanntmachung (vom 17. September 2008, GVBl. I S. 226 (BbgBO a. F.)), §§ 65, 68 Abs. 2 Satz 1 Brandenburgische Bauordnung n. F. (in der ab dem 1. Juli 2016 geltenden Fassung (GVBl. I Nr. 14 vom 20. Mai 2016 (BbgBO n. F.)) sind der Bauaufsichtsbehörde vom Bauvorlageberechtigten mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) vorzulegen. Mit ihnen wird daher (umfassend) die Grundlage für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Antrags und die Durchführung des Bauvorhabens selbst hergestellt. Angesichts der auch von dem Beschwerdeführer angeführten, mit der Ausführung genehmigungspflichtiger Bauten verbundenen Gefahrenlagen und der durch sachwidrige Tätigkeit drohenden (finanziellen) Schäden ist es sachgerecht, die Bauvorlageberechtigung von Gesetzes wegen unter anderem vom Vorliegen einer Berufshaftpflichtversicherung abhängig zu machen. Dies stellt ohne weiteres einen sachlichen Grund für eine - die hiervon Betroffenen nur gering belastende - Differenzierung im Sinne des allgemeinen Gleichheitssatzes dar (vgl. BVerfGE 100, 138, 174; BVerfGE 90, 145, 196). Dass sich der Gesetzgeber im Rahmen der Novelle der Brandenburgischen Bauordnung - und damit in einem schon nicht den Gegenstand der vorliegenden Verfassungsbeschwerde bildenden Gesetz - dazu entschlossen hat, die zuvor gemäß § 46 Satz 2 BbgBO a. F. für alle am Bau Beteiligten bestehende Plicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung fallenzulassen, ändert hieran nichts (zur Haftpflichtversicherungspflicht von Prüfingenieuren s. im Übrigen § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 4 Brandenburgische Bautechnische Prüfungsverordnung (BbgBauPrüfV), vom 10. September 2008 (GVBl. II Nr. 23 S. 374).
II.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
III.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |
Nitsche | Schmidt |