VerfGBbg, Beschluss vom 12. Dezember 2014 - VfGBbg 9/14 EA -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 52 Abs. 1 Satz 2 - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46 |
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Schlagworte: | - Gesetzlicher Richter - Begründungserfordernis - Behandlung eines Ablehnungsgesuchs |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 12. Dezember 2014 - VfGBbg 9/14 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 9/14 EA
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
M.,
Beschwerdeführer,
wegen des Beschlusses des Amtsgerichts Cottbus vom 22. Juli 2014 (38 C 200/12) und des Beschlusses des Landgerichts Cottbus vom 19. August 2014 (7 T 228/14)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
am 12. Dezember 2014
b e s c h l o s s e n :
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
G r ü n d e:
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Behandlung eines Befangenheitsantrages.
Die G. mbH (nachfolgend G.),[…], nimmt den Beschwerdeführer und seine Tochter derzeit vor dem Amtsgericht Cottbus auf Räumung einer Mietsache in Anspruch (38 C 200/12). Der Beschwerdeführer und seine Tochter beantragten unter dem 5. Juli 2014 die Ladung des Oberbürgermeisters der Stadt Cottbus sowie einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung als Zeugen zur zunächst auf den 9. Juli 2014 anberaumten mündlichen Verhandlung. Der Amtsrichter, der den Termin auf Antrag des Beschwerdeführers und seiner Tochter auf den 23. Juli 2014 verlegt hatte, lehnte die Ladung der Zeugen mit Verfügung vom 10. Juli 2014 ab. Daraufhin lehnten der Beschwerdeführer und seine Tochter den Amtsrichter am 19. Juli 2014 als befangen ab. Der Amtsrichter wies das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 22. Juli 2014 als offensichtlich unzulässig zurück, es diene allein der Prozessverschleppung, das bisherige Prozessverhalten des Beschwerdeführers und seiner Tochter lasse auf verfahrenswidrige Zwecke schließen. Sie stellten regelmäßig kurz vor anberaumten Terminen Befangenheitsanträge in der Absicht, die Verhandlung zu torpedieren.
Der Beschwerdeführer und seine Tochter legten am 4. August 2014 sofortige Beschwerde ein und machten geltend, der abgelehnte Richter habe über das Ablehnungsgesuch nicht selbst entscheiden dürfen. Die Ablehnung sei keineswegs unzulässig gewesen.
Das Landgericht wies die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 19. August 2014, dem Beschwerdeführer am 27. August 2014 zugestellt, zurück und ließ die Rechtsbeschwerde nicht zu (7 T 228/14). Der Amtsrichter habe den Ablehnungsantrag zu Recht als unzulässig behandelt. Der Beschwerdeführer und seine Tochter seien an einer Vielzahl von Verfahren beteiligt und reagierten regelmäßig mit Ablehnungsgesuchen. Sie betrieben eine „Ablehnungspraxis". Das sei auch im vorliegenden Verfahren der Fall. Die fortlaufend angebrachten Ablehnungsgesuche dienten der Verfahrensverzögerung.
Der Beschwerdeführer hat am 27. Oktober 2014 Verfassungsbeschwerde erhoben und zugleich einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Er macht geltend, die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch verstoße gegen den gesetzlichen Richter (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Landesverfassung - LV -), die Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 52 Abs. 3 LV) sowie das Grundrecht auf ein faires Verfahren (Art. 52 Abs. 4 LV). Außerdem betreffe es ihn in seinen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1, 6, 7 Abs. 1, 8 Abs. 3, 12 LV. Durch die Vernehmung der von ihm angebotenen Zeugen könnten die Behauptungen der G. als Lügen entlarvt und ein Prozessbetrug bewiesen werden. Stattdessen habe der Amtsrichter angeblich auf Antrag der G. zwei andere Zeugen geladen, von denen er sich offenbar Aussagen zum Vorteil der G. erhofft habe. Darin liege erkennbar eine Ungleichbehandlung der Parteien. Auch sei der Beschwerdeführer keineswegs, wie vom Landgericht behauptet, an einer Vielzahl von Prozessen beteiligt. Vielmehr führe er nur einen einzigen Prozess. Insofern seien die Erwägungen objektiv willkürlich und verstießen gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Zudem seien sie auch sonst nicht geeignet, die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs zu rechtfertigen. Überhaupt habe der abgelehnte Richter nicht selbst über das Gesuch entscheiden dürfen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen; sie ist unzulässig.
Der Beschwerdeführer ist nicht beschwerdebefugt, denn es ist auf der Grundlage seines wegen des Begründungserfordernisses aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg maßgeblichen Vorbringens nicht erkennbar, dass er durch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen in den von ihm benannten Grundrechten verletzt sein könnte.
1. Während es sich bei dem vom Beschwerdeführer angeführten Art. 5 Abs. 1 LV, der die normative Verbindlichkeit der in der Landesverfassung gewährleisteten Grundrechte anordnet, nicht selbst um ein rügefähiges Grundrecht handelt (vgl. Beschluss vom 19. September 2014 – VfGBbg 19/14 –, www.verfassungsgericht.brandenburg.de), hat er für eine mögliche Verletzung der Rechtsweggarantie (Art. 6 Abs. 1 LV), der Menschenwürde (Art. 7 Abs. 1 LV) oder der Verbote des Art. 8 Abs. 3 LV nichts vorgetragen.
2. Der Beschwerdeführer legt auch nicht hinreichend dar, dass er durch die Entscheidungen des Amts- und des Landgerichts in seinem Grundrecht auf den gesetzlichen Richter verletzt ist.
Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV, der wörtlich Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz entspricht und denselben Schutz gewährleistet, schützt den Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von Gesetzes wegen vorgesehenen Richter, der sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergibt. Gleichzeitig wird damit durch die Verfassung gewährleistet, dass ein Beteiligter nicht vor einem Richter steht, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt. Die Frage, ob Befangenheitsgründe gegen die Mitwirkung eines Richters sprechen, berührt die prozessuale Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten (vgl. BVerfGE 89, 28, 36). Eine „Entziehung“ des gesetzlichen Richters durch die Rechtsprechung, der die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann allerdings nicht in jeder einfachgesetzlich fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls müsste jede unrichtige Handhabung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß gelten (vgl. BVerfGE 82, 286, 299). Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des gesetzlichen Richters grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286, 299; BVerfGK 12, 139, 143 f). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite des Grundrechts grundlegend verkannt hat, kann nur anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfGK 20, 164, 168 m. w. Nachw.).
Ausgehend von diesen Maßstäben zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass er durch die Behandlung des Ablehnungsgesuchs vom 19. Juli 2014 in seinem Anspruch auf den gesetzlichen Richter verletzt worden wäre.
a) Soweit er den Verfassungsverstoß darin erblickt, dass der abgelehnte Amtsrichter selbst über das Ablehnungsgesuch befunden hatte, was das Landgericht nachfolgend ausdrücklich gebilligt hat, geht er auf die dafür gegebene Begründung nicht ein. Das Amtsgericht hatte nämlich angenommen, das kurz vor dem auf den 23. Juli 2014 anberaumten Termin angebrachte Gesuch, bei dem es sich – wie dem Verfassungsgericht aus dem Verfahren VfGBbg 29/13 bekannt ist – nicht um das erste Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers und seiner Tochter in dem Rechtsstreit 38 C 200/12 gehandelt hat – habe allein der Verfahrensverschleppung und damit einem prozessfremden Zweck gedient. Dem ist das Landgericht in der Beschwerdeentscheidung beigetreten. Wird ein Ablehnungsgesuch aber aus Gründen der Verfahrensverschleppung gestellt, ist anerkannt, dass der abgelehnte Richter ein Ablehnungsgesuch aus Gründen der Vereinfachung und Beschleunigung selbst bescheiden kann, ohne dass es der Durchführung des aufwendigen und zeitraubenden Ablehnungsverfahrens nach §§ 44 f. Zivilprozessordnung bedarf (vgl. BVerfG NJW 2007, 3771, 3772).
b) Soweit der Beschwerdeführer dem Landgericht vorhält, dessen Ausführungen zu einer vermeintlichen „Ablehnungspraxis“ seien in Bezug auf seine Person schon im Ansatz unzutreffend, ändert dies nichts an der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. Der Beschwerdeführer übersieht, dass das Landgericht dies nur ergänzend ausführt und die Anmerkungen die Begründung des Beschlusses nicht tragen.
c) Der Beschwerdeführer geht schließlich nicht darauf ein, ob in der Behandlung des Beweisantrages durch das Amtsgericht ein die Annahme einer Verschleppungsabsicht ausschließender Ablehnungsgrund gegeben gewesen sein könnte. Ausgehend davon, dass im zivilgerichtlichen Verfahren nicht unbesehen jeder angebotene Beweis zu erheben ist (vgl. zu den Anforderungen im Einzelnen etwa Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., vor § 284 Rn. 8 ff m. w. Nachw.), hätte es vorliegend einer Auseinandersetzung mit den Gründen der die Zeugenladung ablehnenden gerichtlichen Entscheidung bedurft. Dies hat der Beschwerdeführer versäumt, ja er hat die Entscheidung nicht einmal vorgelegt. Nur in einer Auseinandersetzung mit dem Beschluss hätte sich erkennen lassen, ob die Fachgerichte sich damit im Zuge der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch hätten befassen müssen und gegebenenfalls das Recht auf den gesetzlichen Richter übergangen haben.
3. Angesichts dieser Ausführungen lässt der Vortrag des Beschwerdeführers auch nicht die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Willkürverbot (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV) oder gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV) erkennen.
C.
Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
D.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dr. Fuchsloch |
Dr. Lammer | Nitsche |
Partikel | Schmidt |