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VerfGBbg, Beschluss vom 12. Mai 2023 - VfGBbg 53/20 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 2 Abs. 1; LV, Art. 5; LV, Art. 10 Abs. 1
- ZPO, § 543 Abs. 2
- StVO, § 1; StVO, § 9; StVO, § 14
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unbegründet
- effektiver Rechtsschutz
- Zivilprozess
- Divergenz, verneint
- Einheitlichkeit der Rechtsprechung, verneint
- Revisionszulassung
- Rechtsmittelzulassung
- Nichtzulassung
- Zugang zur nächsten Instanz
- Berufungszurückweisung
- Rechtssatz
- Begründungsdefizit
- Verkehrsunfall
- Haftungsquote
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 12. Mai 2023 - VfGBbg 53/20 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 53/20




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 53/20

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

B.,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter:              Rechtsanwalt
                                                                  S.,

 

beteiligt:

  1. S.,

  2. Präsident
    des Landgerichts Cottbus,
    Gerichtsstraße 3/4,
    03046 Cottbus,

Äußerungsberechtigte,

wegen
Urteil des Landgerichts Cottbus vom 8. April 2020 ‌‑ 1 S 147/17

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 12. Mai 2023

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Dr. Strauß, Dresen, Dr. Finck, Heinrich-Reichow, Kirbach, Müller, Richter und Sokoll

beschlossen: 

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen ein ihre Berufung zurückweisendes Urteil des Landgerichts Cottbus.

I.

Der Verfassungsbeschwerde liegt ein zivilrechtlicher Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallgeschehen zugrunde. Das Fahrzeug der Beschwerdeführerin war auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz beschädigt worden. Während des Einparkvorgangs des Unfallgegners in eine neben ihrem Fahrzeug liegende Parklücke öffnete die Beschwerdeführerin die Fahrertür ihres Fahrzeugs; es kam zur Kollision ihrer Fahrertür mit dem Fahrzeug des Unfallgegners. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt.

Der Unfallgegner setzte vorgerichtlich für sich eine Haftungsquote in Höhe von 25 % an. Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, nach der zu solchen Unfallkonstellationen ergangenen Rechtsprechung sei der Mithaftungsanteil des Unfallgegners mit 50 % zu bemessen.

Mit der auf Schadensersatz, Nutzungsausfall und Kostenpauschale gerichteten Klage der Beschwerdeführerin vor dem Amtsgericht Königs Wusterhausen begehrte die Beschwerdeführerin insbesondere Ersatz in Höhe der weiteren 25 % zu erlangen. Die Klage hatte nur zum Teil Erfolg. Das Amtsgericht bemaß mit Urteil vom 8. Oktober 2015 (4 C 1093/15) im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 2 i. V. m. § 17 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) die Haftungsquote der Beschwerdeführerin mit 70 %, die des beklagten Unfallgegners mit 30 %. Das Amtsgericht hatte zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe gegen die ihr nach § 14 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) obliegende Pflicht verstoßen, sich beim Ein- oder Aussteigen so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer ausgeschlossen sei. Indessen sei ein Verschulden des Beklagten nicht zu erkennen, ihm sei nur die leicht erhöhte Betriebsgefahr seines Fahrzeugs anzurechnen. Soweit die Beschwerdeführerin für eine hälftige Haftungsteilung auf Entscheidungen anderer Gerichte Bezug nehme, überzeugten diese nicht. Dies gelte insbesondere für die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juni 2009 (3 U 211/08). Es lasse bei genauerer Betrachtung keine Begründung für seine Auffassung einer hälftigen Schadensteilung erkennen. Maßgeblich für die Beurteilung der Haftungsverteilung sei allein die konkrete Unfallsituation. Das Amtsgericht ließ die Berufung nicht zu, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) „ersichtlich nicht gegeben“ seien.

Die Beschwerdeführerin wandte sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung. Sie brachte vor, das Amtsgericht sei bei der Haftungsverteilung ausdrücklich von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main abgewichen, die der herrschenden Rechtsprechung entspreche, und habe sich dabei nicht auf besondere Umstände des Einzelfalls berufen, sondern auf ein grundsätzlich abweichendes Rechtsverständnis gestützt. Das Amtsgericht habe somit die Berufung zulassen müssen, da es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handele bzw. dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei, § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO. Mit der Rüge, durch die Nichtzulassung der Berufung in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt zu sein, hatte die Beschwerdeführerin Erfolg (Beschluss vom 17. Februar 2017 ‌‑ VfGBbg 97/15 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Das Verfassungsgericht befand, das Urteil des Amtsgerichts lasse in keiner Hinsicht erkennen, aus welchen Gründen die Berufung nicht zugelassen worden sei. Es werde lediglich pauschal ausgesagt, die Zulassungsvoraussetzungen seien ersichtlich nicht gegeben. Eine Zulassung hätte aber nahegelegen, da (erhebliche) Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Divergenz gegeben seien.

Nach der erfolgreichen Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin ließ das Amtsgericht die Berufung zu. Die daraufhin eingelegte Berufung wies das Landgericht Cottbus gemäß § 522 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) nach einem entsprechenden Hinweis durch nicht anfechtbaren Beschluss vom 28. März 2018 (1 S 147/17) zurück.

Gegen den Zurückweisungsbeschluss legte die Beschwerdeführerin wiederum eine Verfassungsbeschwerde ein. Das Landgericht Cottbus habe ihren Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verletzt, indem es gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss entschieden habe, obwohl dessen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Das Landgericht habe nicht annehmen dürfen, dass das Verfahren keine grundsätzliche Bedeutung habe; es habe sich mit den Voraussetzungen nicht auseinandergesetzt. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hätte eine Entscheidung durch Urteil unter Zulassung der Revision erfordert. Das Landgericht sei ‌‑ ebenso wie erstinstanzlich das Amtsgericht - in einer Rechtsfrage von der im Beschluss des Verfassungsgerichts vom 17. Februar 2017 (VfGBbg 97/15) erläuterten Rechtsprechung eines höherrangigen Gerichts - des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - abgewichen.

Das Verfassungsgericht stellte mit Beschluss vom 18. Oktober 2019 (VfGBbg 36/18) fest, der Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 28. März 2018 (1 S 147/17) verletze die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1, Art. 5 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Dieser weise ein verfassungsrechtlich relevantes Begründungsdefizit auf. Die Berufungszurückweisung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne Auseinandersetzung mit der Möglichkeit des Vorliegens einer Divergenz habe den Anspruch der Beschwerdeführerin auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Das Vorliegen einer Divergenz habe nahegelegen, nachdem das Verfassungsgericht im Beschluss vom 17. Februar 2017 (VfGBbg 97/15) ausgeführt habe, dass das Amtsgericht von einem seitens des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgestellten Rechtssatz abweiche. Zwar sei das Landgericht an die Ausführungen des Verfassungsgerichts zu den Voraussetzungen der „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ nicht unmittelbar gebunden gewesen. Auch sei ein Berufungsgericht grundsätzlich nicht daran gehindert, die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu bejahen, wenn es die Frage der grundsätzlichen Bedeutung anders beurteile als das erstinstanzliche Gericht. Jedoch hätte das Landgericht sich mit der Möglichkeit des Vorliegens einer Divergenz auseinandersetzen müssen, um den dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstäben zu genügen. Die Entscheidung des Landgerichts stehe im Widerspruch zu der Einschätzung des Verfassungsgerichts, das erhebliche Anhaltspunkte für das Bedürfnis einer Entscheidung des Berufungsgerichts im Sinne von § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO gesehen habe. Da die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO spiegelbildlich formuliert seien, hätte sich das Landgericht zumindest mit der Argumentation des Verfassungsgerichts zur Abweichung von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auseinandersetzen müssen.

Das Verfassungsgericht hob den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 28. März 2018 (1 S 147/17) auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Cottbus zurück.

Das Landgericht Cottbus entschied erneut und wies nunmehr mit Urteil vom 8. April 2020 (1 S 147/17) die Berufung der Beschwerdeführerin zurück. Die Berufung sei unbegründet. Der Beschwerdeführerin stehe über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus kein weiterer Schadensersatzanspruch zu.

Das Amtsgericht habe nach angemessener und sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 StVG in nicht zu beanstandender Weise eine Haftungsquote von 70 zu 30 zum Nachteil der Beschwerdeführerin angenommen, da diese schuldhaft den Unfall mitverursacht habe, wohingegen sich die Haftung des Beklagten allein auf eine ‑ verschuldensunabhängige - Betriebsgefahr beschränke. Auch die Berufungskammer komme nach einer nochmaligen Einzel- und Gesamtabwägung aller Verursachungsbeiträge zu dem Ergebnis, dass eine der Beschwerdeführerin günstigere Haftungsquote nicht in Betracht komme. Die Beschwerdeführerin habe beim Aussteigen aus ihrem Fahrzeug nicht die nötige Sorgfalt walten lassen, die sie hätte aufbringen müssen, und damit schuldhaft gegen die entsprechend § 14 StVO obliegenden gesteigerten Sorgfaltspflichten verstoßen. Werde - wie hier - beim Ein- oder Aussteigen (vorliegend: der Beschwerdeführerin) ein anderer Verkehrsteilnehmer (hier: das Fahrzeug des beklagten Unfallgegners) geschädigt, spreche nach der Rechtsprechung prinzipiell ein Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden, so dass nach dem hier zugrunde zu legenden Sachverhalt ein schuldhafter Verstoß der Beschwerdeführerin anzunehmen sei, zumal die Beschwerdeführerin die gegen sie sprechende Vermutung nicht einmal versucht habe zu entkräften. Demgegenüber gebe es keine - vorgetragenen bzw. nachgewiesenen - Umstände, die den Schluss auf ein (auch) schuldhaftes Mitwirken des Beklagten an dem streitgegenständlichen Unfall zuließen.

Die Beschwerdeführerin habe nicht einmal für ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten sprechende Tatsachen konkret vorgetragen, sondern allein mit Blick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juni 2009 (3 U 211/08) offenbar angenommen, dass ohne nähere konkrete Anhaltspunkte stets (scheinbar) von einem ‑ gleichgewichtigen - schuldhaften Pflichtenverstoß auch des rechtwinklig Einfahrenden auszugehen sei, nur weil ein entsprechender Unfall beim Öffnen der Fahrertür geschehe. Dem folge die Kammer nicht, weil es die Voraussetzungen für einen gleichsam „doppelten Beweis des ersten Anscheins“ auch zu Lasten des Einfahrenden ohne Feststellung weiterer ‑ konkreter - gegen den Einfahrenden sprechender Anknüpfungstatsachen nicht für gegeben halte. Hierfür erscheine allein das Merkmal „Berührung des einfahrenden Fahrzeugs mit der Fahrertür des stehenden Fahrzeugs beim Öffnen der Tür“ nicht ausreichend, um angesichts der vom Verordnungsgeber geforderten Sorgfaltspflicht des Aussteigenden nach § 14 StVO zugleich immer auch ein Verschulden des Einfahrenden als typischen Geschehensablauf vermuten zu müssen. Mithin bleibe - zumal der Beklagte auf der anderen Seite auch keine hinreichenden Tatsachen für eine Unabwendbarkeit des Unfalls für ihn dargelegt habe - auf Seiten des Beklagten als haftungsbegründender Umstand lediglich eine ‑ verschuldensunabhängige - Betriebsgefahr.

Dem vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main gewählten Ansatzpunkt, grundsätzlich von einer hälftigen Schadensverteilung bei Fehlen von besonderen Anhaltspunkten ausgehen zu müssen, sei dagegen nicht zu folgen, weil damit zu Unrecht von vornherein eine schuldhafte Pflichtverletzung des Einfahrenden unterstellt werde, obwohl sich ein entsprechender, typischer Geschehensablauf, der üblicherweise ein beidseitiges Verschulden selbst dann indiziere, wenn es nicht den geringsten nachgewiesenen Anhaltspunkt für ein schuldhaftes „Versagen“ des Einfahrenden gebe, nicht darstellen lasse. Abgesehen davon negiere das Oberlandesgericht, dass sich die Sorgfaltsmaßstäbe in § 1 StVO und § 14 StVO nicht glichen, so dass es nicht recht ersichtlich erscheine, weshalb ohne besondere Umstände gleichwohl per se beiderseitige Verursachungsbeiträge gleichgestellt werden sollten, obwohl schon der Verordnungsgeber die Sorgfaltsmaßstäbe unterschiedlich geregelt habe.

Es bestehe kein Anlass, die Revision zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung habe noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine grundsätzliche Bedeutung bestehe insbesondere nicht schon deshalb, weil das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in der von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidung die Auffassung vertrete, dass bei Unfallkonstellationen der vorliegenden Art ohne besondere Anhaltspukte eine hälftige Schadensteilung sachgerecht sei, und die hier erkennende Kammer diesem Ansatz nicht gefolgt sei. Nicht jede Abweichung in Entscheidungen der Berufungsgerichte untereinander begründe bereits eine grundsätzliche Bedeutung, insbesondere nicht, wenn es - wie hier - um Einzelfallentscheidungen gehe. Die Festlegung von Haftungsquoten zwischen den an einem Unfall beteiligten Personen beruhe aber vornehmlich nur auf den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, denen im Allgemeinen keine über den jeweiligen Fall hinausgehende besondere Bedeutung zukomme. Aus demselben Grund erscheine auch keine ‑ schematische - Klärung durch das Revisionsgericht geboten, unter welchen Voraussetzungen der Tatrichter (zwingend) eine konkrete Schadensquote anzunehmen habe, weil in den Fällen der Einzelfallregelung insoweit kein Bedürfnis für eine einheitliche Rechtsprechung bestehe.

II.

Mit der am 22. Juni 2020 erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen das ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 23. April 2020 zugestellte Urteil des Landgerichts Cottbus vom 8. April 2020 (1 S 147/17).

Sie rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 10 i. V. m. Art. 2 Abs. 5 Satz 2 LV dadurch, dass das Landgericht die Berufung der Beschwerdeführerin ohne Zulassung der Revision zurückgewiesen habe.

Das Landgericht hätte wegen abweichender Rechtsprechung gleich- und höherrangiger Gerichte die Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulassen müssen, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dies erfordert hätte. Die vom Landgericht vorgebrachten Gründe der Nichtzulassung seien nicht nachvollziehbar und genügten daher nicht verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das Landgericht habe den Maßstab der Rechtsprechung zur grundsätzlichen Bedeutung verkannt. Es habe sich in dem angegriffenen Urteil der Auffassung des Amtsgerichts Königs Wusterhausen angeschlossen, welches sich gegen die Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main gestellt habe. Das Landgericht Cottbus setze sich in direkten Widerspruch zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Vorliegend handele es sich um den „Standardfall“, der keine besonderen Umstände erkennen lasse und die hälftige Regelhaftung begründe. Die vom Landgericht Cottbus im Urteil angeführten Rechtsprechungsnachweise lägen neben der Sache, da sich die dortigen Verkehrsunfälle im fließenden Verkehr, nicht jedoch auf einem Parkplatz ereignet hätten. Das Haftungsregime und die Sorgfaltsmaßstäbe auf einem Parkplatz unterschieden sich jedoch von denen des fließenden Verkehrs. Dass derartige Unfälle in einer abstrakten Mehrzahl von Fällen auftreten könnten, belege die zitierte Rechtsprechung; es handele sich vorliegend nicht um einen außergewöhnlichen Einzelfall. Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Es habe dem Landgericht Cottbus freigestanden, die Haftungsquote unverändert zu lassen; das Gericht hätte jedoch die Revision zulassen müssen. Das Urteil weise ein verfassungsrechtlich relevantes Begründungsdefizit auf. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere die Zulassung der Revision, wenn eine Divergenz bestehe, d. h. in einer entscheidungserheblichen Frage von der Entscheidung eines höherrangigen Gerichts abgewichen werde. Eine solche Abweichung liege insbesondere dann vor, wenn die anzufechtende Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantworte als die Vergleichsentscheidung des höherrangigen Gerichts, mithin einen Rechtssatz aufstelle, der von einem die Entscheidung tragenden Rechtssatz der Vergleichsentscheidung abweiche und auf dieser Entscheidung beruhe. Das Landgericht habe im Ausgangspunkt für die Abwägung der Verursachungsbeiträge der Unfallgegner einen Anscheinsbeweis zulasten der Beschwerdeführerin angenommen, ein konkretes Verschulden des Unfallgegners im Anschluss an die Feststellung des Amtsgerichts verneint und damit lediglich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Unfallbeteiligten zu dessen Lasten angesetzt. Damit liege eine Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, das als Ausgangspunkt gleichwertige Verursachungsbeiträge der Beteiligten ansetze, ebenso nahe wie durch das erstinstanzliche Urteil.

III.

Die Äußerungsberechtigten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Sie ist unbegründet. Das Urteil des Landgerichts Cottbus verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz.

a. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 Abs. 1, Art. 5 LV) i. V. m. Art. 10 Abs. 1 LV abzuleitende Garantie effektiven Rechtsschutzes beeinflusst auch die Auslegung und Anwendung derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, die für die Eröffnung des Rechtszugs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind. Ein Gericht darf ein Rechtsmittel nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer „leerlaufen“ lassen. Bei der Auslegung und Anwendung der verfahrensrechtlichen Vorschriften darf insbesondere der Zugang zur nächsten Instanz nicht von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die unerfüllbar oder unzumutbar sind oder den Zugang in einer Weise erschweren, die aus Sachgründen nicht zu rechtfertigen ist (Beschluss vom 18. Oktober 2019 ‌‑ VfGBbg 36/18 ‑‌, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Das Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 10 LV i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip schützt damit nicht vor jeder fehlerhaften Anwendung der Prozessordnung, sondern setzt eine objektiv willkürliche Verkürzung des Instanzenzugs voraus. Lässt ein Fachgericht ein Rechtsmittel nicht zu, müssen die Entscheidungsgründe das Verfassungsgericht in die Lage versetzen zu überprüfen, ob das Gericht dabei ein von der jeweiligen Rechtsordnung grundsätzlich eröffnetes Rechtsmittel ineffektiv gemacht hat. Gibt das Fachgericht keine nachvollziehbare Begründung seiner Nichtzulassungsentscheidung und erhellt sich diese auch nicht aus dem Zusammenhang, kommt eine Aufhebung durch das Verfassungsgericht dann in Betracht, wenn die Zulassung des Rechtsmittels nahegelegen hätte (Beschluss vom 18. Oktober 2019 ‌‑ VfGBbg 36/18 ‑,‌ https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.).

b. Daran gemessen ist die Entscheidung des Landgerichts Cottbus über die Nichtzulassung der Revision verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Kammer hat die Nichtzulassung der Revision mit einer auf den Einzelfall bezogenen, nachvollziehbaren Begründung versehen.

Gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist die Revision zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder 2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Das Landgericht Cottbus hat seine Entscheidung über die Nichtzulassung näher begründet. Den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung hat das Gericht ‌‑ unter Bezugnahme auf den Ansatz des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zur hälftigen Schadensteilung bei Unfallkonstellationen der vorliegenden Art ‑‌ mit der Begründung verneint, dass nicht jede Abweichung in Entscheidungen der Berufungsgerichte untereinander bereits eine grundsätzliche Bedeutung begründe. Dies gelte insbesondere bei Einzelfallentscheidungen. Die Festlegung von Haftungsquoten zwischen den an einem Unfall beteiligten Personen beruhe aber vornehmlich auf den Umständen des Einzelfalls, denen im Allgemeinen keine über den jeweiligen Fall hinausgehende Bedeutung zukomme. Zu dem Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hat das Landgericht ausgeführt, aus demselben Grund erscheine auch keine ‑ schematische - Klärung durch das Revisionsgericht geboten, unter welchen Voraussetzungen der Tatrichter (zwingend) eine konkrete Schadensquote anzunehmen habe, weil in den Fällen der Einzelfallregelung insoweit kein Bedürfnis für eine einheitliche Rechtsprechung bestehe.

Dem vermögen die Darlegungen der Beschwerdeschrift nichts entgegenzusetzen.

aa. Mit der Rüge, das Landgericht habe den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz verletzt, da es die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hätte zulassen müssen, dringt die Beschwerdeführerin nicht durch.

Die Beschwerdebegründung lässt im Hinblick auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO eine Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes nicht erkennen. Der selbständig tragenden Begründung des Landgerichts hält die Beschwerde insoweit keine substanzielle Argumentation entgegen. Sie beschränkt sich auf die Wiedergabe der Definition dessen, was unter grundsätzlicher Bedeutung zu verstehen ist, und stützt sich darauf, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sei „bereits positiv durch das Verfassungsgericht Brandenburg festgestellt“ worden. Eine dahingehende Feststellung ist den Beschlüssen des Verfassungsgerichts vom 17. Februar 2017 (VfGBbg 97/15) und vom 18. Oktober 2019 (VfGBbg 36/18) jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr hat sich das Verfassungsgericht in den Beschlüssen zu dem Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsdefizits der angegriffenen Entscheidung verhalten (im Verfahren VfGBbg 97/15: das Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 8. Oktober 2015 (4 C 1093/15); im Verfahren VfGBbg 36/18: der Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 28. März 2018 (1 S 147/17)).

bb. Eine Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz ergibt sich auch nicht daraus, dass das Landgericht den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) verneint hat.

Die Nichtzulassungsentscheidung weist kein Begründungsdefizit auf. Das Landgericht Cottbus hat nachvollziehbare Gründe für die Nichtzulassung angeführt und sich mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, zu der eine Divergenz vorgetragen wird, in den Gründen des Berufungsurteils auseinandergesetzt.

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, dass sich das Landgericht mit seiner (materiellen) Sachentscheidung in direkten Widerspruch zum Oberlandesgericht setze und es sich ihrer Einschätzung nach um den „Standardfall“ handele, der keine besonderen Umstände erkennen lasse und die hälftige Regelhaftung begründe, beanstandet sie damit im Wesentlichen die Rechtsanwendung von § 17 Abs. 2 StVG i. V. m. § 17 Abs. 1 StVG durch das Landgericht. Die Anwendung des materiellen Rechts ist am ‌‑ hier nicht ausdrücklich gerügten - Willkürverbot zu messen. Es kann offenbleiben, ob das Vorbringen als hinreichende Rüge des Willkürverbots verstanden werden kann. Eine willkürliche Rechtsanwendung des eingehend begründeten Urteils ist nicht zu erkennen.

Die Begründung des Landgerichts, eine ‑ schematische - Klärung durch das Revisionsgericht, unter welchen Voraussetzungen der Tatrichter (zwingend) eine konkrete Schadensquote anzunehmen habe, erscheine nicht geboten, weil in den Fällen der Einzelfallregelung insoweit kein Bedürfnis für eine einheitliche Rechtsprechung bestehe, ist nachvollziehbar. Sie steht im Einklang damit, dass die Entscheidung über die Haftungsverteilung im Rahmen des § 17 StVG in der Revisionsinstanz als tatrichterliche Entscheidung nur eingeschränkt nachprüfbar ist (vgl. BGH, Urteile vom 16. Januar 2007 ‌‑ VI ZR 248/05 ‑‌, Rn. 8, und vom 13. März 2007 ‌‑ VI ZR 216/05 ‑‌, Rn. 15 m. w. N., Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, 27. Aufl. 2022, StVG § 17 Rn. 22). Sie ist im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zu Grunde gelegt worden sind. Dabei ist die Abwägung aufgrund aller festgestellten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen; eine schematische Quotenbildung scheidet aus (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2007 ‌‑ VI ZR 216/05 ‑‌, Rn. 15 m. w. N., juris; Heß, in: Burmann/ Heß/ Hühnermann/ Jahnke/ Heß, 27. Aufl. 2022, StVG § 17 Rn. 14, 22).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Begründung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Aus den der Nichtzulassungsentscheidung vorangestellten Urteilsgründen ergibt sich, welche Umstände das Landgericht Cottbus in dem von ihm zu beurteilenden Einzelfall für leitend erachtet hat.

Es hat im Rahmen der Haftungsabwägung gemäß § 17 Abs. 2 StVG bei der im ersten Schritt anzustellenden Bestimmung des Gewichts der jeweiligen Verursachungsbeiträge der unfallbeteiligten Fahrzeughalter auf Seiten der Beschwerdeführerin eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung angenommen. In den Verursachungsbeitrag des beklagten Unfallgegners hat es hingegen lediglich eine verschuldensunabhängige Betriebsgefahr eingestellt und ist im zweiten Schritt - der anzustellenden Einzelabwägung und Gesamtschau - im Ergebnis auf die Haftungsquote von 70 zu 30 gekommen. Dabei hat sich das Landgericht Cottbus im Wesentlichen darauf gestützt, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers der StVO für den Ein- und Aussteigendenden erhöhte Sorgfaltspflichten aus § 14 StVO gelten, wohingegen den Einfahrenden mangels konkreten Nachweises eines Fahrfehlers - durch die dafür darlegungs- und beweispflichtige Beschwerdeführerin - kein schuldhaftes Mitwirken anzurechnen war und das allgemeine Rücksichtnahmegebot aus § 1 Abs. 2 StVO nicht für die Annahme einer schuldhaften Mitverursachung genüge. Die Kammer hat erkennbar leitende Einzelfallerwägungen auf Basis des nach der Beweislast feststehenden Sachverhalts angestellt.

Die Beschwerdeführerin ihrerseits hat in der Beschwerdeschrift Entscheidungen von Instanzgerichten angeführt, die in ähnlich gelagerten Fällen wie demjenigen, der dem Landgericht Cottbus zur Entscheidung vorlag, abweichende Haftungsquoten ausgeurteilt haben. Die zitierten Entscheidungen verdeutlichen, dass die Umstände des Einzelfalls für die Ermittlung des jeweiligen Verursachungsbeitrags entscheidend sind und die instanzgerichtliche Rechtsprechung dazu, wie weit die jeweiligen Pflichten des Türöffnenden beim Einparken eines Fahrzeugs auf der einen Seite und auf der anderen Seite des neben einem Fahrzeug mit Insassen einparkenden Halters betrachtet werden, letztlich unterschiedlich ausfällt.

Es ist insbesondere nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass das Landgericht Cottbus vor dem Hintergrund der vorgenannten Grundsätze und der angeführten - auf unterschiedlichen Geschehensabläufen basierenden - Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass es die Verursachungsbeiträge anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls und nicht schematisch zu gewichten hat. Das Argument der Beschwerdeführerin, es handele sich um den „Standardfall“, greift angesichts dessen nicht.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

 

 

Dr. Strauß

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow

Kirbach

Müller

Richter

Sokoll