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VerfGBbg, Beschluss vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 76/15 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 41 Abs. 1
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VfGGBbg, § 46
- BbgBO, § 74
Schlagworte: - Beseitigungsverfügung
- DDR
- Wochenendhaus
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 76/15 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 76/15




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

R.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter:             Rechtsanwalt B.,

wegen Bescheid des Landrates des Landkreises Potsdam-Mittelmark – Untere Bauaufsichtsbehörde – vom 7. September 2011, Widerspruchsbescheid des Landrates des Landkreises Potsdam-Mittelmark vom 27. April 2012, Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 23. Januar 2013 (4 K 1152/12) und Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27. Juli 2015 (2 N 24.13)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 9. Oktober 2015

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer und Schmidt

beschlossen:

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

G r ü n d e:

A.

 

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine gerichtlich bestätigte bauaufsichtliche Beseitigungsverfügung.

 

I.

 

Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer des im Außenbereich gelegenen Flurstücks X der Flur Y in der Gemarkung Z, das er im November 2002 kaufte. Das Grundstück ist mit einem 150 m² Grundfläche umfassenden  Wochenendhaus, einer Laube und einem Schuppen bebaut. Anfang 2004 begann er, das nach seiner Darstellung 1969 anstelle eines durch Windbruch vernichteten Vorgängerbaus legal errichtete, inzwischen aber unbenutzbare Wochenendhaus unter Vornahme konstruktiver Änderungen umfassend zu sanieren. Der Landrat des Landkreises Potsdam-Mittelmark (nachfolgend: Landrat) ordnete im Hinblick auf die fehlende Baugenehmigung die Einstellung der Baumaßnahmen an. Die nachträgliche Erteilung der Baugenehmigung lehnte er ab. Eine nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage nahm der Beschwerdeführer im Jahr 2008 zurück.

 

Am 7. September 2011 verfügte der Landrat die Beseitigung des Wochenendhauses binnen drei Monaten nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides und drohte ein Zwangsgeld von 2.000 Euro an, wenn der Beschwerdeführer der Verfügung nicht oder nicht fristgemäß nachkomme. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Landrat mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2012 zurück. Das Wochenendhaus sei formell und materiell illegal. Das bauaufsichtliche Einschreiten sei auch ermessensgerecht. Der Erlass einer Beseitigungsverfügung sei bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen intendiert. Mildere Mittel zur Herstellung baurechtmäßiger Zustände seien nicht erkennbar.

 

Das Verwaltungsgericht Potsdam wies die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 23. Januar 2013 (4 K 1152/12) ab. Ein etwaiger Bestandsschutz für das Wochen-endhaus wegen einer in der DDR erteilten Genehmigung sei jedenfalls durch die 2004 vorgenommenen baulichen Maßnahmen erloschen. Zwischen dem heutigen und dem ursprünglichen Zustand bestehe keine Identität mehr. Auch könne das Bauwerk nicht nachträglich genehmigt werden. Der Landrat habe sein Ermessen sachgerecht ausgeübt. Die Bauaufsichtsbehörde könne sich auf einen durch umfangreiche Baumaßnahmen eintretenden Fortfall des Bestandsschutzes berufen. Das gelte auch im Hinblick auf Bauwerke auf früher nach § 6 der Verordnung vom 17. Juli 1952 staatlich verwalteten Grundstücken. Eine derart eingeschränkte Ermessensausübung komme im Hinblick auf den abschließenden Charakter der aus Anlass der Wiedervereinigung getroffenen gesetzlichen Vorschriften zum Baurecht nicht in Betracht und bedeute keine Fortschreibung der Folgen der Aussperrung der damaligen Eigentümer durch die DDR.

 

Den Antrag, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen, lehnte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 27. Juli 2015 (2 N 23.13) ab. Das Verwaltungsgericht habe insbesondere die tatsächliche Aussperrung der vormaligen Eigentümer durch die DDR nach 1952 im Rahmen der Ermessensprüfung gesehen und gewertet.

 

II.

 

Der Beschwerdeführer hat am 23. September 2015 Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt, die angefochtenen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen verletzten ihn in seinem Grundrecht auf Eigentum aus Art. 41 Abs. 1 Satz 1 Landes-verfassung (LV). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwinge im vorliegenden besonderen Fall zu einem anderen Ergebnis. § 74 Brandenburgische Bauordnung (BbgBO) sei verfassungskonform dergestalt auszulegen, dass das dort eröffnete Ermessen auch unter Berücksichtigung der Grundrechte auszufüllen sei, so dass in Ausnahmefällen von einer Abrissanordnung abzusehen sei. Ein solcher Ausnahmefall sei hier gegeben, denn die Maßnahmen der DDR gegen die frühere Eigentümerin im Jahr 1952 seien die Ursache dafür gewesen, dass das ursprüngliche Haus verfallen sei. Das dann zu Zeiten der DDR errichtete Haus habe an die Stelle des ersten Hauses treten können, sei aber wegen der Verwendung gesundheitsschädigender Baustoffe und des baulichen Zustands des Daches nicht mehr nutzbar gewesen. Hier stelle sich die Frage, warum es dem Eigentümer, der das Nutzungsrecht zurückerhalten habe, nicht gestattet werden solle, das Ersatzobjekt in einen baulich einwandfreien Zustand zu versetzen.

 

B.

 

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Bran-denburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers fehlt eine dem Begründungserfordernis aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg genügende Darlegung der Beschwerdebefugnis, also der Möglichkeit, durch die angegriffenen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen in ihrem Eigentumsgrundrecht nach Art. 41 Abs. 1 LV verletzt zu sein. Bei einer (auch) gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (Beschluss vom 22. Mai 2014 - VfGBbg 32/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Der Beschwerdeführer muss hinreichend substantiiert darlegen, dass die angegriffenen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen auf einer prinzipiell unrichtigen Anschauung von Bedeutung und Reichweite des Grundrechtes auf Eigentum beruhen (vgl. etwa Beschlüsse vom 29. August 2014 - VfGBbg 63/13 -; vom 16. November 2012 - VfGBbg 59/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 68, 361, 372). Dem genügt das Beschwerdevorbringen nicht.

 

§ 74 BbgBO ermächtigt die Untere Bauaufsichtsbehörde, die Beseitigung von formell und materiell illegal errichteten Bauwerken anzuordnen. Diese Bestimmung ist eine verfassungsmäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (vgl. zum inhaltsgleichen § 81 BauO RP BVerfG NVwZ 2005, 203, 204), bei deren Auslegung und Anwendung Bedeutung und Tragweite der Eigentumsgarantie zu beachten sind. So sind der verfassungsrechtlichen Anerkennung des Privateigentums, aber auch seiner Sozialpflichtigkeit Rechnung zu tragen und insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (BVerfG NVwZ 2005, 203, 204). Dieser erfordert, dass eine Maßnahme zur Erreichung des von ihr verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist sowie dass die Belastung des Eigentümers in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Interessen steht.

 

Dies zugrunde gelegt, lässt sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers schon keine Auseinandersetzung mit der Frage entnehmen, inwiefern der Zweck der Beseitigungsverfügung, baurechtmäßige Zustände herbeizuführen, zu einer unangemessenen Belastung des Beschwerdeführers führen könnte. Seine Argumentation übergeht, dass die Gerichte die Ausführungen zur „Aussperrung“ der früheren Eigentümerin durch die DDR im Jahr 1952 im Rahmen der Ermessensprüfung erwogen, jedoch nicht für durchgreifend erachtet hatten. Ohnehin ist nicht erkennbar, dass Behörde und Gerichte eine grundrechtlich geschützte Position im Rahmen der Abwägung verkannt hätten. Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, warum es dem Eigentümer, der das Nutzungsrecht nach dem Ende der staatlichen Verwaltung zurückerhalten habe, nicht gestattet werden solle, das Ersatzobjekt in einen baulich einwandfreien Zustand zu versetzen, stellt sich schon deshalb nicht, weil die zum bauaufsichtlichen Einschreiten führenden Maßnahmen sich nicht in der bloßen (Wieder-)Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes des Wochenendhauses erschöpft haben. Vielmehr haben die Baumaßnahmen nach den fachgerichtlich bestätigten Feststellungen der Unteren Bauaufsichtsbehörde zu einer Identitätsänderung des Bauwerks geführt, so dass die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen worden war.

 

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dr. Fuchsloch
   
Dr. Lammer Schmidt