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VerfGBbg, Beschluss vom 9. September 2016 - VfGBbg 26/16 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 4 Satz 1
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2
- GVG, § 198
Schlagworte: - Subsidiarität
- Fachgerichtliches Verfahren
- Verzögerungsrüge
- Entschädigungsklage
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 9. September 2016 - VfGBbg 26/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 26/16




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

M.

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigte:              Rechtsanwältin
S.

wegen Untätigkeit des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in dem abgabenrechtlichen Normenkontrollverfahren - OVG 9 A 6.12 -

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 9. September 2016

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer und Partikel

beschlossen: 

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Behandlung seines Normenkontroll-verfahrens durch das Oberverwaltungsgericht Berlin–Brandenburg (OVG 9 A 6.12).

 

I.

Der Beschwerdeführer hat am 29. März 2012 das Oberverwaltungsgericht mit dem Antrag angerufen, eine Vorschrift der Wasseranschlussbeitragssatzung des für ihn zuständigen Zweckverbandes für nichtig zu erklären. Das Oberverwaltungsgericht verhandelte in dieser sowie einer Reihe weiterer, teilweise die Schmutzwasseranschlussbeitragssatzung des Verbandes betreffenden, Verfahren am 21. und 22. Mai, 2. und 11. Juni sowie 7. und 8. Juli 2014. Ein für den 15. Juli 2014 anberaumter Fortsetzungstermin wurde aufgehoben. Der Berichterstatter des Oberverwaltungsgerichts führte am 10. September und 13. Oktober 2014 Erörterungstermine in dieser Sache durch. Der Beschwerdeführer erhob am 21. Juli 2015 Verzögerungsrüge. Das Oberverwaltungsgericht beraumte daraufhin eine mündliche Verhandlung auf den
25. November 2015 an. Weiter forderte es den Beschwerdeführer und die weiteren Normenkontrollkläger auf, verschiedene Auflagen zu erfüllen und bat um Mitteilung, in welcher Weise die von der Prozessbevollmächtigten angekündigten „ca. 20.000 Beweisanträge“ gestellt werden sollten. Nach weiterem Schriftwechsel und Eingang eines umfangreichen Schriftsatzes des Beschwerdeführers hob das Gericht den Verhandlungstermin auf. Die Sache sei nicht in einer Weise schriftsätzlich aufbereitet, die eine mündliche Verhandlung sinnvoll erscheinen lasse. Daraufhin erhob der Beschwerdeführer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Vorsitzenden Richter.

 

II.

Der Beschwerdeführer hat am 7. Juni 2016 Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der er die Feststellung einer Verletzung des Grundrechts auf ein zügiges Verfahren aus Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Landesverfassung (LV) erstrebt. Das Oberverwaltungsgericht verletze das Grundrecht, indem es keinen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaume. Es sei dem Senat seit der mündlichen Verhandlung im Juli 2014 bekannt, dass der Beschwerdeführer umfangreiche Beweisanträge stellen wolle. Der Senat verhindere dies gezielt dadurch, dass kein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt werde. Die Verfassungsbeschwerde sei nach § 45 Abs. 2 Satz 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) auch im Hinblick auf den noch nicht abgeschlossenen Rechtsweg zulässig. Dem Beschwerdeführer sei es unzumutbar, die Rechtswegerschöpfung abzuwarten. Die Grundrechtsverletzung liege gerade in der fehlenden Förderung des laufenden Normenkontrollverfahrens, das schon jetzt 4 Jahre und 2 Monate andauere und bei Durchführung der notwendigen Beweiserhebungen noch weitere Zeit benötigen werde.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 VerfGGBbg zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

1. Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den sich aus dem Grundsatz der Subsidiarität ergebenden Anforderungen. Das im Gebot der Rechtswegerschöpfung aus § 45 Abs. 2 VerfGGBbg verankerte Prinzip der Subsidiarität verlangt von einem Beschwerdeführer, dass dieser - über eine bloße Rechtswegerschöpfung hinaus - alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende getan hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder von vornherein zu verhindern; vor Anrufung des Verfassungsgerichts muss er alle ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung ergreifen
(st. Rspr., vgl. etwa Beschlüsse vom 21. Januar 2011 - VfGBbg 28/10 -; vom
29. November 2013 - VfGBbg 48/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Erst wenn dies ergebnislos geblieben ist, kann er das Verfassungsgericht anrufen.

 

Ein Beschwerdeführer, der eine Verletzung des durch Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV geschützten Grundrechts auf ein zügiges Verfahren rügt, muss unter Subsidiaritätsgesichtspunkten grundsätzlich vor Anrufung des Verfassungsgerichts um Rechtsschutz nach § 173 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung i. V. m. §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nachgesucht haben (vgl. Beschlüsse vom 21. September 2012 - VfGBbg 43/12 -, vom 21. Februar 2014  - VfGBbg 54/13 -; vom 15. Mai 2014 - VfGBbg 49/13 -; vom 19. September 2014 - VfGBbg 19/14 -, www.verfassungs-gericht. brandenburg.de; vgl. auch VerfGH Berlin LVerfGE 23, 40, 45 f;  Beschlüsse  vom 20. Juni 2014 - 64/14, 64 A/14 - und - 91/14, 91 A/14 -, juris; SächsVerfGH, Beschluss vom 26. März 2015 - Vf. 79-IV-14 -, juris; zum Bundesrecht: BVerfGK 19, 424, 426 f; 20, 33, 36 f; BVerfG NVwZ 2013, 788; NVwZ 2014, 62, 63; NStZ-RR 2015, 61). Die genannten Vorschriften eröffnen einen eigenständigen Rechtsbehelf, um bei dem mit der Sache befassten Fachgericht die lange Dauer eines Gerichtsverfahrens zu rügen und die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 4 GVG (vgl. dazu BVerwG NJW 2014, 96, 103) bzw. einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG geltend zu machen. Der Beschwerdeführer hat weder dargelegt, dass er von der Rechtsschutzmöglichkeit nach § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 GVG Gebrauch gemacht hat, noch dass es ausnahmsweise der Erhebung der danach gegebenen Klage nicht bedurfte. Soweit letzteres etwa in Betracht kommen kann, wenn die Verfahrensverzögerung zugleich einen Eingriff in die durch Art. 9 LV geschützte Freiheit der Person bewirkt (so der Fall in VerfGH Berlin, Beschluss vom 14. Mai 2014 - 85/12 -, juris), bietet das vorliegende Verfahren keinen Anlass zu weitergehenden Überlegungen.

 

2. Auch die Voraussetzungen einer Sofortentscheidung in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg liegen nicht vor. Danach ist eine Entscheidung ausnahmsweise unter Absehung von den Anforderungen des Subsidiaritäts-grundsatzes dann möglich, wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil droht. Das ist der Fall, wenn eine Grundrechtsverletzung im Raum steht, die auch nur zeitweise hinzunehmen ganz und gar unerträglich wäre (Beschlüsse vom 16. November 2000 - VfgBbg 49/00 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu
Bd. 11, 198, 204; vom 21. Dezember 2006 - VfGBbg 20/06 -, LVerfGE 17, 146, 151 f; vom 21. Oktober 2011 - VfGBbg 34/11 -; vom 29. November 2013 - VfGBbg 48/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Dafür lassen sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers jedoch keine Anhaltspunkte entnehmen.

 

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Partikel