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VerfGBbg, Beschluss vom 6. Juli 2012 - VfGBbg 5/12 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 30
Schlagworte: - einstweilige Anordnung
- irreversibler Nachteil
- zum gemeinen Wohl dringend geboten
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 6. Juli 2012 - VfGBbg 5/12 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 5/12 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

 

       S.

      

 

Antragsteller,

 

 

wegen des Urteils des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. Oktober 2010 (Az.: 10 K 112/07) und der Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Februar 2012 und 19. April 2012 (Az.: OVG 1 N 133.10)

          hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dr. Fuchsloch, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

 

am 6. Juli 2012

 

 

b e s c h l o s s e n :

 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

 

 

G r ü n d e :

 

A.

Die Antragsteller begehren die Aussetzung der Vollziehung einer Ordnungsverfügung vom 1. September 2003, die ihnen die Beseitigung einer Grundstückeinfriedung aufgibt.

 

I.

Die Antragsteller sind Eigentümer eines Hausgrundstücks in der Gemeinde A.. Deren Bürgermeister gab ihnen mit Bescheid vom 1. September 2003 auf, eine zur Straße hin verschobene, neu errichtete Zaunanlage des Grundstücks zu entfernen, da diese eine unerlaubte Sondernutzung der öffentlichen Straße darstelle. Der der ursprünglichen Umzäunung vorgelagerte Teil sei ungeachtet der Eigentumsverhältnisse Teil der öffentlichen Straße.

 

Die gegen den mit Sofortvollzug und Androhung der Ersatzvornahme versehenen Bescheid gerichtete Klage blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht Potsdam führte in seinem Urteil vom 14. Oktober 2010 – 10 K 112/07 - aus, dass die Straße als dem öffentlichen Verkehr gewidmet zu gelten habe und der streitbefangene Teil des Grundstücks zur Straße gehöre. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Februar 2012 – OVG 1 N 133.10 - abgelehnt, eine dagegen gerichtete Gehörsrüge zurückgewiesen.

 

II.

Mit ihrer gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2012 gerichteten Verfassungsbeschwerde machen die Antragsteller die Verletzung ihres Rechts auf Akteneinsicht (Art. 21 Abs. 3 und 4 Verfassung des Landes Brandenburg - LV -), auf Eigentum (Art. 41 LV), auf rechtliches Gehör, faires Verfahren vor Gericht (Art. 52 Abs. 3 und 4 LV) und effektiven Rechtsschutz sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 52 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1 LV) geltend. Im Wesentlichen tragen sie dort vor, dass sich aus dem Grundbuch i.V.m. dem Liegenschaftskataster ihre Eigentümerstellung für das Grundstück sowie dessen Nutzung als Wohn- und Freifläche ergäben. Die von der Gemeinde behauptete Nutzung als Straße sei nicht eingetragen und entspreche nicht den Tatsachen. Es bestehe daher keine Rechtsgrundlage für die Ordnungsverfügung. Die Gerichte hätten bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise einen Ortstermin durchführen müssen.

 

Daneben begehren die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die hierfür nach § 30 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) erforderlichen Vor­aus­setzungen lägen vor. Ihnen sei nunmehr eine Frist zur Erfüllung der Verfügung bis zum 31. Juli 2012 gesetzt worden. Sollte die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg haben, würde sich bei Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung die Beseitigung der bereits 15 Jahre bestehenden Einfriedung nur bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde verschieben. Würde dagegen kein vorläufiger Rechtsschutz gewährt, hätte die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg, wäre die aufwendig ins Erdreich eingebrachte mit elektronischer Toranlage versehene Einfriedung beseitigt. Der so entstehende Schaden wäre nicht bzw. nur sehr schwer wiedergutzumachen, was eine unbillige Härte für die Antragsteller bedeuten würde.

 

Die Beschwerdeführer beantragen,

die Vollziehung der Ordnungsverfügung vom 1. September 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2006 sowie des Urteils des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. Oktober 2010 (10 K 112/07) und des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Februar 2012 (OVG  1 N 133.10) bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde auszusetzen.

 

 

B.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zurückzuweisen, weil es an den Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 VerfGGBbg fehlt. Danach kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. bereits Beschluss vom 17. Juli 1997 – VfGBbg 21/97 EA -, www.verfassungs­ge­richt.bran­denburg.de). Die Frage, ob die Verfassung des Landes Brandenburg verletzt ist, stellt sich in dem Verfahren über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht. Die Gründe, die für eine Verfassungsrechtsverletzung sprechen, müssen grundsätzlich ebenso außer Betracht bleiben wie die Gegengründe. Es ist allein eine Abwägung der Folgen vorzunehmen, die sich ergeben, wenn eine einstweilige Anordnung nicht ergeht, das Verfahren in der Hauptsache aber Erfolg hat, gegenüber denjenigen Nachteilen, die eintreten, wenn die einstweilige Anordnung erlassen wird, der Antrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg bleibt. Bei der Abwägung sind regelmäßig nur irreversible Nachteile zu berücksichtigen (vgl. Beschlüsse vom  20. Mai 2010 – VfGBbg 9/10 EA –; 30. September 2010 – VfGBbg 8/10 EA – und vom 29. Juli 2011 - VfGBbg 4/11 EA -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

Schon solche nicht wiedergutzumachenden Folgen einer etwaigen Vollziehung der Ordnungsverfügung vom 1. September 2003 sind nicht erkennbar. Sollte die Einfriedung entfernt werden und die Antragsteller später mit ihrer Verfassungsbeschwerde obsiegen, könnte die Anlage ohne weiteres wiedererrichtet werden.

 

Unbeschadet dessen muss, und zwar im Sinne zusätzlicher Voraussetzungen, die einstweilige Anordnung "zum gemeinen Wohl" und "dringend geboten" sein (vgl. Beschluss vom 20. Februar 2003 - VfGBbg 1/03 EA -, www.ver­fas­sungs­gericht.bran­denburg.de sowie Urteil vom 4. März 1996 -  VfGBbg 3/96 EA -, LVerfGE 4, 109, 113 m.w.N.). Auch das ist nicht zu erkennen. Es geht den Antragstellern bei dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung des Verfassungsgerichtes allein um die vorübergehende Gestaltung eines geringen Teils eines Grundstücks und eine zwar aufwändige, letztlich doch überschaubare Baumaßnahme, die ihnen vor fast neun Jahren aufgegeben worden ist; Auswirkungen auf das „gemeine Wohl“ stehen bei dieser ausschließlich für einen Einzelfall zu treffenden Entscheidung nicht zu erwarten.

 

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dr. Fuchsloch
   
Nitsche Partikel
   
Schmidt