VerfGBbg, Beschluss vom 3. September 2019 - VfGBbg 8/19 EA -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde EA |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 30 Abs. 1 | |
Schlagworte: | - Einstweilige Anordnung - Zwangsvollstreckung - Teilungsversteigerung - Verkehrswertfestsetzung - Eigentum - Innenbesichtigung - Gemeines Wohl - Dringend geboten - Geldlicher Vorteil |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 3. September 2019 - VfGBbg 8/19 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 8/19 EA
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren
S.
Antragsteller,
Verfahrensbevollmächtigte: RAe G.
wegen | Beschlüsse des Amtsgerichts Potsdam vom 4. April 2019 und vom 30. April 2019 - 2 K 112/18 - in Gestalt des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 16. Mai 2019 - 1 T 41/19 |
hier Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 3. September 2019
durch die Verfassungsrichter Möller, Sokoll und Dr. Strauß
beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe:
A.
Der Antragsteller will mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erreichen, dass die Teilungsversteigerung eines Grundstücks vorläufig nicht durchgeführt wird.
I.
Der Antragsteller ist Miteigentümer eines von ihm bewohnten Grundstücks, für das beim Amtsgericht Potsdam ein Teilungsversteigerungsverfahren durchgeführt wird.
Das Amtsgericht Potsdam holte ein Sachverständigengutachten zur Verkehrswertermittlung ein. Mit Schriftsatz vom 2. April 2019 regten die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers eine ergänzende Begutachtung des Objektes, namentlich eine Innenbesichtigung an. Das Amtsgericht setzte den Verkehrswert für das Versteigerungsobjekt im Anschluss an das Sachverständigengutachten mit Beschluss vom 4. April 2019 auf 550.000,00 Euro fest, ohne auf den Schriftsatz des Antragstellers vom 2. April 2019 einzugehen. Dieser gelangte nach Angaben des Antragstellers trotz Übersendung per Telefax am 2. April 2019 erst am 8. April 2019 zur Verfahrensakte.
Der Antragsteller legte am 11. April 2019 sofortige Beschwerde gegen die Wertfestsetzung sein. Die nachfolgende Beschwerdebegründung gelangte vor der mit Beschluss vom 30. April 2019 erfolgten Nichtabhilfe durch das Amtsgericht nicht zur Akte. Darin hatte er ausgeführt, dass ein Ergänzungsgutachten der Sachverständigen einzuholen und zwingend eine Innenbesichtigung zur Ermittlung des gegenwärtigen Zustands durchzuführen sei. Es stehe zu erwarten, dass dadurch eine Verkehrswerterhöhung eintreten könne. Das Landgericht Potsdam wies die sofortige Beschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 16. Mai 2019 zurück. Der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg auf eine unterbliebene Innenbesichtigung und eine zu erwartende Verkehrswerterhöhung berufen, da er diese selbst vereitelt habe. Es fehle zudem jeder substantiierte Vortrag dazu, inwieweit die Innenausstattung des Hauses überhaupt werterheblich sein könne.
II.
Der Antragsteller hat am 19. Juli 2019 Verfassungsbeschwerde erhoben, angesichts des für den 18. September 2019 bestimmten Versteigerungstermins verbunden mit dem Antrag,
im Wege der einstweiligen Anordnung dem Amtsgericht Potsdam die Teilungsversteigerung bis zu einer Entscheidung des erkennenden Gerichtes über die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu untersagen.
Zur Begründung trägt er vor, sein Anspruch auf rechtliches Gehör als Grundrecht auf ein faires Verfahren sei verletzt. Das Amtsgericht habe seine fristgerecht eingereichten Schriftsätze nicht berücksichtigt und das Landgericht habe sich mit diesen Fehlern im Verfahrensablauf vor dem Amtsgericht nicht im Ansatz beschäftigt.
Der Antragsteller meint mit weiterem Schriftsatz vom 22. August 2019, es sei gerichtsbekannt, dass zu einer ordnungsgemäßen sachverständigen Begutachtung einer Immobilie die Bewertung der „Immobilie insgesamt“ gehöre. Dass die Besichtigung einer Immobilie sinnvoll sei, sei „selbstredend“ und ergebe sich aus gesetzlichen Vorgaben. Der Antragsteller habe die Innenbesichtigung selbst und rechtzeitig angeregt; diese sei ausschließlich wegen der Versagung des Amtsgerichts ausgeblieben. Auch sei in seine Eigentumsgrundrechte daher massiv eingegriffen worden.
B.
I.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Bei erheblichen Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache kommt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) nicht in Betracht, da dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind.
1. Gemäß § 30 Abs. 1 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist grundsätzlich nach Maßgabe einer Folgenabwägung zu beurteilen. In deren Rahmen sind die nachteiligen Wirkungen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, mit den nachteiligen Wirkungen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, zu vergleichen und zu bewerten. Dabei ist in Anbetracht der weitreichenden Folgen einer einstweiligen Anordnung und vor dem Hintergrund, dass die Verfassungsbeschwerde keine aufschiebende Wirkung entfaltet, sondern sich für gewöhnlich auf die nachträgliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Hoheitsaktes beschränkt, ein strenger Maßstab anzulegen. Die nachteiligen Folgen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, müssen im Vergleich zu den nachteiligen Folgen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, deutlich überwiegen, weil sie sonst bei vergleichender Betrachtungsweise nicht schwer genug im Sinne des Gesetzes sind („schwerer Nachteil“) bzw. keinen gleichwertigen „anderen“ Grund im Sinne des Gesetzes darstellen. Bei der Abwägung sind im Allgemeinen nur irreversible Nachteile zu berücksichtigen. Zudem muss die einstweilige Anordnung im Sinne zusätzlicher Voraussetzungen „zum gemeinen Wohl“ und „dringend“ geboten sein (zum Ganzen Beschluss vom 18. Januar 2019 - VfGBbg 4/18 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. zahlr. N.).
2. Danach kommt der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht in Betracht. Dem Antragsteller droht durch die Durchführung des Termins der Teilungsversteigerung weder ein schwerer, irreversibler Nachteil, noch sind Auswirkungen auf das „gemeine Wohl“, die abzuwenden dringend geboten wären, bei dieser Einzelfallentscheidung vorgetragen oder sonst ersichtlich.
Der Antragsteller macht schon nicht deutlich, welche schweren Nachteile ihm im Falle der Durchführung der Teilungsversteigerung auf der Grundlage eines auf 550.000,00 Euro festgesetzten Verkehrswertes der Immobilie drohen. Einen konkreten ihm drohenden Nachteil hat er nicht aufgezeigt. Allein aus der Begründung seiner sofortigen Beschwerde im Fachverfahren ist ersichtlich, dass er „eine Verkehrswerterhöhung“ erwartet. Eine etwaige subjektive Erwartung des Antragstellers, einen zu geringen Geldbetrag mit der Immobilienveräußerung zu erwirtschaften, ist schon angesichts des rein geldlichen Vorteils, den er sich mit einer höheren Verkehrswertfestsetzung zu erhoffen scheint, kein „schwerer Nachteil“ in diesem Sinne. Im Übrigen genügt auch eine unspezifische Erwartung einer höheren Verkehrswertfestsetzung der Darlegung eines schweren Nachteils nicht, zumal ein Versteigerungserlös ohnehin (nach Überschreitung der im ZVG vorgesehen Versagensgrenzen) nicht zwingend mit dem festgesetzten Verkehrswert zusammenhängt.
Zudem ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht „zum gemeinen Wohl“ dringend geboten. Zulasten des Antragstellers steht keine Verletzung der Freiheit und Unversehrtheit der Person oder vergleichbarer elementarer Menschenrechte im Raum (vgl. zu den strengen gesetzlichen Voraussetzungen nach § 30 Abs. 1 VerfGGBbg Beschluss vom 20. Januar 2000 - VfGBbg 43/99 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de), sondern allenfalls ein geringerer als der gewünschte Erlös.
II.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen.