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VerfGBbg, Beschluss vom 3. April 2014 - VfGBbg 31/12 -

 

Verfahrensart: abstrakte Normenkontrolle
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 15
Schlagworte: Ablehnungsgesuch
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 3. April 2014 - VfGBbg 31/12 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 31/12




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfahren über den Normenkontrollantrag

 

der Abgeordneten des Landtags Brandenburg

 

Gregor Beyer, Beate Blechinger, Frank Bommert, Steeven Bretz, Ludwig Burkardt, Andreas Büttner, Dieter Dombrowski, Danny Eichelbaum, Rainer Genilke, Hans-Peter Goetz, Marie Luise von Halem, Anja Heinrich, Gordon Hoffmann, Dierk Homeyer, Michael Jungclaus, Björn Lakenmacher, Jens Lipsdorf, Dr. Saskia Ludwig, Sabine Niels, Ursula Nonnenmacher, Sven Petke, Barbara Richstein, Roswitha Schier, Prof. Dr. Michael Schierack, Monika Schulz-Höpfner, Ingo Senftleben, Linda Teuteberg, Raimund Tomczak, Marion Vogdt, Axel Vogel, Henryk Wichmann,

 

                           Antragsteller,

 

 

Verfahrensbevollmächtigte:     Rechtsanwälte D.,                           

 

 

wegen Überprüfung der §§ 124, 124a und 140 des Gesetzes über die Schulen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Schulgesetz – BbgSchulG), geändert durch das Haushaltsbegleitgesetz zum Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Landes Brandenburg für das Haushaltsjahr 2012 (Haushaltsbegleitgesetz – HBeglG 2012) vom 19. Dezember 2011 (GVBl I Nr. 35), auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung des Landes Brandenburg

 

hier: Ablehnungsgesuch

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Nitsche, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

 

am 3. April 2014

 

b e s c h l o s s e n:

 

Der Ablehnungsantrag gegen den Präsidenten des Verfassungsgerichts Möller wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

 

I.

1. Die Antragsteller, 31 Abgeordnete des Brandenburger Landtags, wenden sich mit dem Antrag auf abstrakte Normenkontrolle gegen die gesetzliche Neuregelung des öffentlichen Finanzierungszuschusses für die Schulen in freier Trägerschaft gemäß §§ 124, 124a und 140 Brandenburger Schulgesetz (BbgSchulG).

 

2. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2014 haben die Antragsteller den Präsidenten des Verfassungsgerichts Möller wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie begründen ihren Antrag damit, dass die Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) in ihrer Ausgabe vom 1. Februar 2014 über das am Vortag geführte Jahrespressegespräch des Präsidenten wie folgt berichtet haben:

 

„Er [der Präsident]sieht einen Systemwechsel, ein völlig neues, anderes Finanzierungsmodell. Dies ist wohl mehr als begriffliche Haarspalterei: Bei einem Systemwechsel billigt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber oft einen großen, wenn auch nicht unbegrenzten Gestaltungsspielraum zu.“

 

 

Weiter heißt es in dem Bericht, dass der abgelehnte Richter die Bezeichnung des neuen Finanzierungsmodells als Kürzung „unglücklich“ genannt habe.

 

Mit ergänzendem Schriftsatz vom 20. März 2014 übersandten die Antragsteller einen Presseartikel aus der Märkischen Allgemeinen Zeitung vom 20. März 2014, in dem der Präsident des Verfassungsgerichts mit einer Äußerung aus dem Jahresgespräch wie folgt zitiert wird: “Wenn es eine bloße Kürzung wäre, wäre der Sachverhalt einfacher.“

 

Der vorstehende Sachverhalt begründet nach Ansicht der Antragsteller die Besorgnis der Befangenheit. Dabei werde die Notwendigkeit der Öffentlichkeitsarbeit des erkennenden Gerichts nicht angezweifelt. Mit den genannten Erörterungen im Jahrespressegespräch sei die Grenze objektiver Information über die zur Entscheidung anstehenden Verfahren aber deutlich überschritten worden. Das Pressegespräch habe sich nicht auf die Wiedergabe der Sach- und Streitstände und die unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Standpunkte beschränkt. Vielmehr sei die Wiedergabe der Verfahrensgegenstände um eigene verfassungsrechtliche Akzente des Präsidenten ergänzt und erweitert worden. Der Begriff „Systemwechsel“ habe bisher im Verfahren keine Rolle gespielt, er sei von keinem der Verfahrensbeteiligten ins Verfahren eingebracht worden. Diesem Begriff komme aus Sicht des Präsidenten des Verfassungsgerichts offenbar erhebliche rechtliche Bedeutung zu und habe Auswirkungen auf die Erfolgsaussichten des Antrags. Zudem habe er das Vorbringen der Antragsteller gegenüber Pressevertretern als „unglücklich" bewertet. Die damit vorgenommene Abwertung des Beteiligtenvorbringens reiche aus, um die Ablehnung zu rechtfertigen. Die unzulässige Bewertung des Vorbringens der Antragsteller wiege umso schwerer, als die Bezeichnung „Kürzungen“ tatsächlich nicht unglücklich sei, sondern das Ziel des Gesetzgebers präzise umschreibe. Die allein dem Verfahren vorbehaltene Erörterung von Rechtsfragen und die Bewertung des Beteiligtenvorbringens erweckten bei den Antragstellern den Eindruck, der Ausgang des Verfahrens sei vorbestimmt.

 

3. Der abgelehnte Richter hat sich am 6. März 2014 zu dem Ablehnungsgesuch geäußert. Der Satz 2 des von den Antragstellern angeführten Zitats aus dem Pressebericht der PNN vom 1. Februar 2014 stelle – wie die Verwendung des Indikativs zeige – eine rechtliche Einschätzung des Journalisten dar. Er selbst habe in dem Jahrespressegespräch keine entsprechende rechtliche Bewertung abgegeben. Er habe weder das Bundesverfassungsgericht noch andere Gerichte erwähnt, von einem vermeintlichen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sei gleichfalls keine Rede gewesen. Der Satz 1 des Zitats gebe sinngemäß eine Äußerung von ihm wieder. Von einem neuen Finanzierungsmodell habe er im Zusammenhang mit der Tatsache gesprochen, dass das Verfahren einen besonders komplexen Hintergrund habe. Denn es gehe nicht lediglich um Kürzungen im Etat, sondern um ein Finanzierungsmodell, bei dem nicht mehr die tatsächlichen Schülerkosten Anknüpfungspunkt seien, sondern die Berechnung der Zuschüsse mittels normativ festgelegter Parameter erfolge. Er habe ferner davon gesprochen, dass das Verfahren noch nicht geladen werden könne, weil zunächst ein seit längerem angekündigter, aber noch nicht eingegangener Schriftsatz der Antragsteller abgewartet werden solle; erst danach könne entschieden werden, ob die Sache terminiert werde. Er habe im Jahrespressegespräch ferner zum Ausdruck gebracht, dass er den Ausdruck „Kürzung“ für missverständlich und für etwas ungenau halte. Dies habe er sachlich und im Interesse eines besseren Verständnisses des Verfahrens näher erläutert. 

 

Im Zusammenhang mit dem weiteren Vortrag der Antragsteller vom 14. März und 20. März 2014 hat sich der abgelehnte Richter ergänzend dienstlich geäußert und dabei ausgeführt, er habe im Pressegespräch beiläufig von einem neuen, anderen Finanzierungsmodell gesprochen, von einem „Systemwechsel“ sei wörtlich nicht die Rede gewesen. Seine Äußerung habe sich rein deskriptiv auf den Inhalt der beschlossenen Regelung bezogen.

 

4. Die Antragsteller haben zu den dienstlichen Äußerungen Stellung genommen.

 

II.

Der Befangenheitsantrag ist unbegründet.

 

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg   (VerfGGBbg) kann ein Mitglied des Verfassungsgerichts von den Verfahrensbeteiligten wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Besorgnis der Befangenheit liegt vor, wenn für einen am Verfahren Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit und der objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr., vgl. LVerfGE 2, 113, 114; ferner etwa Beschlüsse vom 15. November 2001 – VfGBbg 19/01 -; vom 21. August 2003 – VfGBbg 196/03 - und vom 21. Dezember 2006 – VfGBbg 45/06 –, jeweils www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Diesbezüglich sind indes jedenfalls im verfassungsgerichtlichen Verfahren strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. Beschlüsse vom 15. November 2001 und 21. August 2003, a. a. O.; zum Bundesrecht vgl.  BVerfGE 73, 330, 335, m. w. N.).

 

Ein strenger Maßstab an das Vorliegen der Voraussetzungen der Besorgnis der Befangenheit ist auch dann anzulegen, wenn diese Besorgnis aus Äußerungen eines Richters in der Öffentlichkeit hergeleitet wird (vgl. Beschluss vom 15. November 2001, a. a. O.; ferner BVerfGE 73, 330, 336). Das freie Wort zu politischen Vorgängen oder zu allgemein interessierenden Fragen kann einem Verfassungsrichter nicht verwehrt sein; macht er davon Gebrauch, kann ein Verfahrensbeteiligter darin vernünftigerweise keine Vorfestlegung für die Entscheidung im konkreten Einzelfall sehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Verfassungsrichter an den Einzelfall mit der Unvoreingenommenheit herangeht, zu der ihn sein Amt verpflichtet (vgl. Beschluss vom 15. November 2001, a. a. O.; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 73, 330, 336 f). Öffentliche Äußerungen eines Verfassungsrichters begründen die Besorgnis der Befangenheit deshalb nur dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, die für eine Vorfestlegung des Richters sprechen. Solche Umstände können sich beispielsweise aus der zeitlichen Nähe zu einem anhängigen Verfahren ergeben, wenn sich ein Zusammenhang zwischen der öffentlichen Äußerung und der von dem Gericht zu treffenden Entscheidung aufdrängt oder die Deckungsgleichheit der beanstandeten Äußerung mit der von einem Verfahrensbeteiligten vertretenen Rechtsauffassung bei einer Gesamtbetrachtung als Unterstützung dieses Beteiligten erscheint (vgl. Beschluss vom 15. November 2001, a. a. O.; zum Bundesrecht etwa BVerfGE 73, 330, 336 f; BVerfGE 98, 134, 137 f).

 

2. Nach diesen Maßstäben besteht kein Anlass, an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu zweifeln.

 

a. Bei Äußerungen eines Verfassungsrichters in der Öffentlichkeit ist stets eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, die Inhalt, Form und Rahmen der jeweiligen Äußerung in den Blick nimmt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2011 – 2 BvR 1010/10, 2 BvR 1219/10 -, NJW 2011, 3637).

 

Bezieht sich ein Befangenheitsantrag – wie vorliegend – auf Medienberichte, in denen Äußerungen eines Mitglieds des Verfassungsgerichts wiedergegeben werden, ist zunächst durch dienstliche Erklärungen des betroffenen Richters und etwaige Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten zu den dienstlichen Erklärungen und dem Inhalt des Presseberichts zu ermitteln, ob die bzw. welche der zitierten Äußerungen getätigt wurden. Für den Inhalt der zu prüfenden Äußerungen kommt es mithin nicht allein oder zuvorderst auf den Inhalt der Zeitungsartikel an. Maßgeblich ist vielmehr, wie sich der Sachverhalt für das Gericht nach einer Zusammenschau von Presseberichten, dienstlicher Äußerung und den Stellungnahmen der Beteiligten hierzu darstellt. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es für die Frage, ob das Verhalten eines Mitglieds des Gerichts die Besorgnis der Befangenheit begründet, darauf ankommt, welcher Eindruck bei einem am Verfahren Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände entsteht. Zur vernünftigen Würdigung der Umstände gehört aber, dass der Sachverhalt, der in dem Pressebericht geschildert wird, aufgeklärt wird. Nicht der Presseartikel, sondern der vom Verfassungsgericht durch dienstliche Erklärungen und Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten ermittelte Sachverhalt ist Gegenstand der Befangenheitsprüfung. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass allein durch Presseartikel Einfluss auf die Zusammensetzung der Richterbank genommen werden könnte.

 

Gemessen an diesen Maßstäben stellt sich für das Gericht der zu beurteilende Sachverhalt wie folgt dar:

 

Das abstrakte Normenkontrollverfahren gegen §§ 124, 124a und 140 BbgSchulG (Privatschulfinanzierung) war Gegenstand des Pressegesprächs vom 31. Januar 2014. Im Hinblick auf dieses Verfahren hat der abgelehnte Richter von einem neuen, ganz anderen Finanzierungsmodell für Träger freier Schulen gesprochen. Bei dieser Kennzeichnung des neuen Modells brachte er zum Ausdruck, dass er den Terminus „Kürzung“ für missverständlich, etwas ungenau und unglücklich halte. Er äußerte, dass dann, wenn es eine bloße Kürzung wäre, der Sachverhalt einfacher wäre. Schließlich wies er darauf hin, dass das Verfahren noch nicht geladen werden könne, da ein seit längerem angekündigter Schriftsatz der Antragsteller noch ausstehe.

 

b. Diese Äußerungen des abgelehnten Richters halten sich im Rahmen einer objektiven und sachgerechten Information der Öffentlichkeit.

 

Die dem Grunde nach zulässige Information über anhängige und zur Entscheidung anstehende Verfahren umfasst die Beschreibung und gegebenenfalls Erläuterung des Verfahrensgegenstandes. Eine sachgerechte Information der Öffentlichkeit setzt eine nachvollziehbare Schilderung des Sachverhaltes voraus. Demgegenüber müssen rechtliche Bewertungen – soweit sie über das Referieren des Vortrags der Beteiligten hinausgehen – zur Wahrung der Unparteilichkeit grundsätzlich unterbleiben.

 

Die oben wiedergegebenen Aussagen des Präsidenten des Verfassungsgerichts im Jahrespressegespräch beziehen sich allesamt auf eine Wiedergabe und Konturierung des Sachverhaltes. Dies gilt zunächst für die Aussage, es handle sich um ein „neues Finanzierungsmodell“. Nach der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters ist davon auszugehen, dass er diesen Begriff nicht mit rechtlichen Wertungen versehen hat. Diese geben vielmehr die Einschätzungen des Journalisten wieder, sie sind dem abgelehnten Richter nicht zuzurechnen.  

 

Eine Wertung beinhaltet die Kennzeichnung des Begriffs Kürzung als „unglücklich“. Mit entsprechenden Wertungen ist außerordentlich zurückhaltend zu verfahren Allerdings ist zu sehen, dass dieser Begriff wertend nicht in Bezug auf einen juristische Argumentation, sondern mit dem Ziel einer vom abgelehnten Richter bezweckten möglichst präzisen Darstellung des Sachverhalts verwendet wurde. Dies ergibt sich daraus, dass insoweit auch die Begriffe „missverständlich“ und „etwas ungenau“ gebraucht wurden.

 

In diesen Zusammenhang reiht sich auch die Äußerung des abgelehnten Richters ein, dass der Sachverhalt einfacher wäre, wenn es eine bloße Kürzung wäre. Eine negative Tendenz könnte sich aus letzterer Bemerkung nur ergeben, wenn die steigende Komplexität des zu überprüfenden Sachverhalts sich nachteilig auf die Erfolgsaussichten eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens auswirken würde. Ein derartiger Zusammenhang besteht jedoch weder in die eine noch in die andere Richtung.

 

Aus dem Vorstehenden wird deutlich, dass es dem abgelehnten Richter bei verständiger Würdigung um die Darstellung des Sachverhaltes und nicht um dessen rechtliche Bewertung ging. Sicherlich können verzerrende Darstellungen des Sachverhalts geeignet sein, Zweifel an der Unbefangenheit eines Richters zu begründen. Die Schwelle zu einer wertenden Sachverhaltsdarstellung, die die Besorgnis der Befangenheit begründet, ist vorliegend aber nicht überschritten.

 

c. Dass die angeführten Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters nicht berechtigt sind, belegt schließlich auch sein von den PNN in ihrem Bericht vom 1. Februar 2014 sinngemäß wiedergegebene Hinweis im Jahrespressegespräch, dass eine Terminierung des Verfahrens erst erfolgen werde, wenn der von den Antragstellern angekündigte weitere Schriftsatz eingegangen sei. Er hat damit deutlich seine Offenheit gegenüber den juristischen Argumenten der Antragsteller zum Ausdruck gebracht.

 

III.

Die Entscheidung ist mit 5 zu 3 Stimmen ergangen.

Nitsche Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Partikel Schmidt