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Presseinformation

Gesetz zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz überwiegend verfassungsgemäß

- Erschienen am 25.05.2016

Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat in einem heute verkündeten Urteil festgestellt, dass die durch das Gesetz zur Neustrukturierung der Hochschulregion Lausitz (GNHL) bewirkte Fusion der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und der Hochschule Lausitz (FH) zur Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg zum 1. Juli 2013 mit der Landesverfassung vereinbar ist. 19 (teils ehemalige) Abgeordnete des Brandenburger Landtags hatten das Verfassungsgericht mit einem Antrag auf Normenkontrolle angerufen. Das Verfahren war im Hinblick auf die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts in zwei vergleichbar gelagerten Streitigkeiten (dazu Beschluss vom 12. Mai 2015 Az. 1 BvR 1501/13, 1 BvR 1682/13) zeitweilig unterbrochen. Die gesetzlichen Vorgaben für die innere Verfassung der neuen Universität entsprechen überwiegend der Landesverfassung. Drei Teilregelungen erklärte das Verfassungsgericht hingegen für nichtig bzw. für mit der Landesverfassung unvereinbar.

 

Das Verfassungsgericht hat festgestellt, dass die Fusion der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus mit der Hochschule Lausitz (FH) und die wesentlichen organisationsrechtlichen Vorgaben für die neue Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg im Einklang mit der Landesverfassung stehen. Lediglich die Vorschrift über die Bestellung eines hauptamtlichen Vizepräsidenten, die Regelung zur staatlichen Aufsicht sowie eine bereits 2014 vom Gesetzgeber geänderte Vorschrift zur Bestimmung der Hochschullehrermehrheit bei bestimmten Entscheidungen stehen nicht mit der Landesverfassung in Einklang.

 

Dem Urteil liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

 

1. Der Gesetzgeber hat das Gesetz in einem ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren beschlossen. Weder das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 31 Abs. 1 LV noch das Grundrecht auf Hochschulselbstverwaltung aus Art. 32 Abs. 1 LV begründen weitergehende Anhörungsrechte für die Träger der Wissenschaftsfreiheit. Die landesverfassungsrechtliche Garantie der Wissenschaftsfreiheit entspricht wörtlich der grundgesetzlichen Verbürgung in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht hat in Bezug auf die hier zu beurteilenden Vorschriften entschieden, dass sich Art. 5 Abs. 3 GG keine besonderen Beteiligungsrechte der Hochschulen, Fakultäten oder einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beim Zustandekommen eines Gesetzes zur Fusion zweier Hochschulen entnehmen lassen. Insofern gilt für Art. 31 Abs. 1 LV nichts anderes.

 

Aus Art. 32 Abs. 1 LV, wonach die Hochschulen im Rahmen der Gesetze das Recht auf Selbstverwaltung haben, an der Lehrende, andere Beschäftigte und Studierende beteiligt sind, folgen ebenfalls keine besonderen verfahrensrechtlichen Pflichten des Gesetzgebers. Diese über das Grundgesetz hinausgehende Norm enthält die institutionelle Garantie der Selbstverwaltung der Hochschulen. Daraus ergeben sich keine besonderen Anhörungspflichten für Betroffene. Grundsätzlich geht die Landesverfassung davon aus, dass es allein Sache des Gesetzgebers ist zu erwägen, welche Auskünfte und Stellungnahmen er im parlamentarischen Meinungsbildungsprozess benötigt, um in Erfüllung seiner Verantwortung sicherzustellen, dass ein Gesetz den (auch) grundrechtlichen Bindungen genügt. Art. 32 Abs. 1 LV ist auch nicht unter entsprechendem Rückgriff auf die für kommunale Neugliederungen geltenden verfassungsrechtlichen Grundsätze auszulegen, die sich aus Art. 98 LV ergeben. Im Übrigen hatte der Gesetzgeber den beiden Hochschulen ausreichend Gelegenheit geboten, zu dem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen.   

 

2. Die Auflösung der beiden Einrichtungen und die Errichtung der neuen Universität verstoßen nicht gegen Art. 31 Abs. 1 LV. Der Grundrechtsschutz der Wissenschaftsfreiheit erstreckt sich nicht auf die gesetzgeberische Entscheidung über die Errichtung und den Fortbestand einer konkreten wissenschaftlichen Einrichtung. Dies gilt auch für die Fusion zweier Einrichtungen, die zum Untergang der ursprünglichen Hochschulen und der Kreation einer neuen Hochschule führt. Denn der durch Art. 31 Abs. 1 LV vermittelte Grundrechtsschutz setzt den Bestand einer konkreten Einrichtung voraus, sichert diesen aber nicht.

 

3. Die Fusionsentscheidung steht auch mit Art. 32 Abs. 1 LV in Einklang. Die institutionelle Garantie der Hochschulselbstverwaltung sichert nicht den Fortbestand einer einzelnen Einrichtung, sondern ist darauf gerichtet, die Existenz staatlicher Hochschulen als solcher und deren öffentlich-rechtlich organisierte Selbstverwaltung unter Beteiligung der Gruppen grundsätzlich zu gewährleisten. Da die Verwirklichung der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 31 Abs. 1 LV besondere organisatorische Vorschriften erfordert, die auf eine durch Gesetz auszuformende Mitwirkung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an allen wissenschaftsrelevanten Entscheidungen angelegt sind, bedarf es einfachgesetzlicher Regelungen, die einen Bereich autonomer Entscheidung über wissenschaftsrelevante Fragestellungen schaffen. Art. 32 Abs. 1 LV stellt in dieser Hinsicht durch die verfassungsrechtliche Garantie der Selbstverwaltung sicher, dass die Hochschulen sich auf die grundrechtliche Gewährleistung berufen können, wenn der Gesetzgeber den Gewährleistungsinhalt von Art. 31 Abs. 1 LV ausgestaltet.

 

4. Die Vorschriften über die Fusion der beiden Hochschulen sind auch nicht willkürlich. Der Gesetzgeber handelt erst dann willkürlich, wenn sich ein sachgerechter Grund für die gesetzliche Bestimmung nicht finden lässt. Ob es sich bei der gesetzgeberischen Lösung um die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste handelt, ist unmaßgeblich. Dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, seine hochschulpolitischen Auffassungen in dem durch die Art. 31 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1 LV gezogenen Rahmen zu verwirklichen. Vorliegend überschreitet die hochschulpolitische Strukturentscheidung des Gesetzgebers, zwei bestehende Hochschulen zu einer neuen Universität zu fusionieren, nicht die Grenzen des ihm eröffneten Ermessens.

 

5. Auch die wesentlichen organisationsrechtlichen Vorschriften für die neue Universität sind verfassungsgemäß. Die Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane, die Auswahl und Bestellung des Gründungspräsidenten, die Vorgabe eines hauptamtlichen Vizepräsidenten, die Bildung von sogenannten „Schools“ als zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen der neuen Universität und die Möglichkeit, diese zu besonderen organisatorischen Grundeinheiten weiterentwickeln zu können, die Befugnis des Ministeriums zum Erlass einer Vorläufigen Grundordnung, die Befugnis der Hochschulleitung zur abweichenden Festsetzung der Lehrverpflichtung der Professorinnen und Professoren sowie die gesetzliche Beschränkung der Fehlerfolgen bei fehlerhaften universitätsinternen Wahlen stehen mit den Art. 31 Abs. 1, Art. 32 Abs. 1 LV sowie weiteren Vorschriften der Landesverfassung in Einklang.

 

6. Die Vorschriften über die Bestellung eines hauptamtlichen Vizepräsidenten und das Recht der Ersatzvornahme sowie eine bereits 2014 vom Gesetzgeber geänderte Vorschrift zur Bestimmung der Hochschullehrermehrheit bei bestimmten Entscheidungen in unmittelbar forschungsrelevanten Angelegenheiten verstoßen hingegen gegen die Landesverfassung. Das Gericht beanstandete dabei zum einen, dass die Mitwirkung der Hochschulselbstverwaltung bei der Bestellung des hauptamtlichen Vizepräsidenten nur unzureichend ausgeprägt ist. Zum anderen bemängelte es, dass die staatliche Aufsicht gegenüber der neuen Universität eine mit der Hochschulselbstverwaltung unvereinbare „Einmischungsaufsicht“ ermöglicht.

 

Die Entscheidung kann in Kürze unter www.verfassungsgericht.brandenburg.de abgerufen werden.

 

Potsdam, 25. Mai 2016

 

VfGBbg 51/15