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Jahresbericht 2012

Bericht über die Arbeit des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg im Jahre 2012 [1]

- Erschienen am 22.07.2013

I. Allgemeines

 

Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg (BbgVerfG) hat im vergangenen Jahr personelle Veränderungen erfahren. Präsident Rüdiger Postier, der das Gericht seit dem Jahr 2009 geleitet hatte, schied nach Erreichen der Altersgrenze aus dem Amt aus. Zu seinem Nachfolger wählte der Landtag den Verfassungsrichter Jes Möller, der im Hauptamt Direktor des Sozialgerichts Neuruppin ist. Als neuer Verfassungsrichter wurde der Filmregisseur Andreas Dresen gewählt. Damit gehört dem BbgVerfG  nach längerer Zeit wieder ein Nichtjurist an.[2] Daneben ist das Plenum des  BbgVerfG gegenwärtig mit sechs Berufsrichtern und zwei Rechtsanwälten besetzt.

 

Die Entscheidungssammlung des BbgVerfG wurde im Berichtszeitraum fortgeführt. Entscheidungen von inhaltlicher Relevanz werden unter der Internetadresse „www.verfassungsgericht.brandenburg.de“ veröffentlicht und können kostenfrei abgerufen werden. Zudem findet sich in dem im Jahr 2012 erschienenen 21. Band der Entscheidungssammlung der Verfassungsgerichte der Länder, die fortlaufend die wichtigsten Entscheidungen des BbgVerfG sowie elf weiterer Landesverfassungsgerichte dokumentiert, eine Auswahl der Entscheidungen des BbgVerfG aus dem Jahr 2010.[3]

 

II. Statistik

 

Im Jahr 2012 sind insgesamt 88 Verfahren eingegangen und 74 Verfahren erledigt worden. In Hauptsacheverfahren war ein erneuter Anstieg der Eingänge um 11,1 % auf 80 Verfahren zu verzeichnen. Die Zahl der Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist mit acht gegenüber dem Vorjahr unverändert geblieben.

 

Die überwiegende Zahl der Eingänge entfiel auf Individualverfassungsbeschwerden. 76 der Hauptsacheverfahren und alle Eilverfahren waren dieser Verfahrensart zuzuordnen. Daneben sind im Jahr 2012 aber auch zwei Organstreitverfahren (wovon eines noch im Berichtszeitraum erledigt werden konnte), eine abstrakte Normenkontrolle und eine kommunale Verfassungsbeschwerde eingegangen. Hinzu kommen fünf kommunale Verfassungsbeschwerden, die Ende 2011 eingegangen und bislang noch nicht entschieden sind. Der Verfahrensanhang am BbgVerfG war damit geprägt von einer überdurchschnittlich hohen Zahl besonders umfangreicher und arbeitsintensiver Verfahren.

 

Trotz der hohen Belastung des Gerichts war die Verfahrensdauer mit durchschnittlich 3,8 Monaten in den Hauptsacheverfahren und 2,2 Monaten in den Eilverfahren erneut gering.

 

III. Thematische Schwerpunkte

 

1. Individualverfassungsbeschwerden

 

Den Arbeitsschwerpunkt des BbgVerfG bildeten im Jahr 2012 eindeutig die Individualverfassungsbeschwerden (73 der 74 erledigten Verfahren entstammen diesem Bereich). Auf vier dieser Entscheidungen, die aufgrund ihrer Thematik von besonderem Interesse sind, soll nachfolgend näher eingegangen werden.

 

a. Förderung einer Religionsgemeinschaft

 

Eine Verfassungsbeschwerde betraf die finanzielle Förderung einer jüdischen Religionsgemeinschaft durch das Land Brandenburg.

 

Beschwerdeführer in diesem Verfahren war eine der an unterschiedlichen Traditionen anknüpfenden jüdischen Religionsgemeinschaften im Land Brandenburg. Er ist als eingetragener Verein organisiert und sieht sich strenger orthodoxen jüdischen Traditionen verpflichtet als der deutlich mitgliederstärkere Landesverband der jüdischen Gemeinden im Land Brandenburg, der den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts innehat.

 

Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen die aus Sicht des Beschwerdeführers sachwidrige Förderung durch das Land Brandenburg. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur hatte dem Beschwerdeführer für die Jahre 2000 bis 2004 in erheblich geringerem Umfang Fördermittel bewilligt als dem um die Förderung konkurrierenden Landesverband und dies insbesondere mit dem Verhältnis der Mitgliederzahlen beider Religionsgemeinschaften begründet. Die maßgebliche Heranziehung des Kriteriums der Mitgliederstärken der Gemeinden für die Verteilung der Mittel wertete der Beschwerdeführer als Verletzung seiner Religionsfreiheit sowie als Verstoß gegen die religionsverfassungsrechtlichen Grundsätze der Neutralität und Parität.

 

Die Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos.[4] Zwar ergebe sich aus der vom Land gegenüber dem Landesverband ausgereichten Förderung ein Teilhaberecht des Beschwerdeführers, das aus der in der Landesverfassung verbürgten Religionsfreiheit, dem Verbot der Ungleichbehandlung aus religiösen Gründen sowie den Geboten religiös-weltanschaulicher Neutralität und der Parität von Religionsgemeinschaften abzuleiten sei. Dieses Recht sei durch die angegriffenen Förderentscheidungen aber nicht verletzt worden. Das Gebot strikter Gleichbehandlung beziehe sich nur auf Religionsgemeinschaften in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts; im Verhältnis von Religionsgemeinschaften in – wie hier – privater und öffentlich-rechtlicher Rechtsform greife es nicht. Bei der Verteilung von Fördermitteln könne vielmehr zwischen einer öffentlich-rechtlich und einer privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaft nach deren Größe, Bedeutung und Verbreitungsgrad differenziert werden. Auch wenn die Voraussetzungen der Mitgliedschaften rechtlich verschieden seien, müsse auf die Einbeziehung dieses Kriteriums nicht verzichtet werden.

 

Das BbgVerfG hat in der genannten Entscheidung zudem festgestellt, dass die Ausreichung der finanziellen Mittel in dem jeweiligen Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes eine ausreichende gesetzliche Grundlage finde. Die Verteilung der Zuschüsse sei nicht bereits eine im Sinne des Gesetzesvorbehalts wesentliche Entscheidung, die eines speziellen Gesetzes bedürfe.

 

b. Altanschließer

 

Große Aufmerksamkeit fand die Entscheidung des BbgVerfG zu der in Brandenburg und anderen neuen Bundesländern heftig umstrittenen Frage, ob die Eigentümer sog. „altangeschlossener Grundstücke“ zu Kanalanschlussbeiträgen herangezogen werden können. Unter „altangeschlossenen Grundstücken“ werden Grundstücke verstanden, die bereits vor Inkrafttreten des BbgKAG am 9. 7. 1991 bzw. vor dem 3. 10. 1990 an eine öffentliche Abwasserentsorgungsanlage angeschlossen oder anschließbar waren.

 

Im konkreten Fall verlangte ein Zweckverband von einem Grundstückseigentümer einen Herstellungsbeitrag für die Abwasserentsorgung in Höhe von 1.351,40 Euro; die hiergegen erhobene verwaltungsgerichtliche Klage blieb erfolglos. Mit der Verfassungsbeschwerde machte der Beschwerdeführer geltend, dass sein Grundstück bereits zu DDR-Zeiten über einen Abwasseranschluss verfügt habe. Außerdem seien etwaige Forderungen bereits lange verjährt gewesen, erst die Änderung des § 8 VII BbgKAG im Jahr 2004 habe die Beitragserhebung wieder ermöglicht.

 

Das BbgVerfG entschied, dass die Inanspruchnahme von Eigentümern altangeschlossener Grundstücke grundsätzlich keinen unzulässigen Grundrechtseingriff darstelle.[5] Wenn allein die Kosten umgelegt würden, die nach dem Beitritt entstanden seien (sog. „Nachwendeinvestitionen“), verstoße die Erhebung von Herstellungsbeiträgen nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Spätestens seit dem 3. 10. 1990 sei damit zu rechnen gewesen, dass Grundstückseigentümer für künftige Investitionen in neue Kläranlagen, Leitungsnetze, Pumpwerke, Sammelbecken usw. herangezogen werden können. Auch ein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip der Landesverfassung folgende Rückwirkungsverbot liege nicht vor. Zwar wäre aufgrund der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg zur alten Fassung des § 8 VII 2 KAG eine Beitragsforderung gegen den Beschwerdeführer zunächst wohl nicht durchsetzbar gewesen. Die Neufassung des § 8 VII 2 KAG zum 1. 2. 2004, wonach die sachliche Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Satzung entstehe, habe deshalb in gewisser Hinsicht rückwirkenden Charakter. Da es im Bereich des betreffenden Zweckverbandes vor der Gesetzesänderung aber niemals eine wirksame Satzung gegeben habe, hätten Beiträge generell und damit auch von dem Beschwerdeführer nicht erhoben werden können; zu einer Verjährung sei es folglich ebenfalls nicht gekommen. Die gesetzliche Neuregelung greife deshalb nicht in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt ein. Es handle sich nur um eine sog. unechte Rückwirkung, gegen die im vorliegenden Zusammenhang verfassungsrechtlich nichts zu erinnern sei.

 

c. Anspruch auf zügiges Gerichtsverfahren

 

In einem weiteren Verfahren hatte sich das  BbgVerfG zum wiederholten Mal mit dem Problem der überlangen Dauer eines Gerichtsverfahrens zu beschäftigen.

 

Der Beschwerdeführer hatte in einem bereits seit dem Jahr 2004 laufenden amtsgerichtlichen Scheidungsverfahren einen durch das Gericht bestellten Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Gegen die Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs durch das Amtsgericht legte er im Juli 2010 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht Beschwerde ein.

 

Die im Oktober 2011 erhobene Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg, soweit sie sich gegen die Untätigkeit des Oberlandesgerichts im Beschwerdeverfahren der Sachverständigenablehnung richtete. Das BbgVerfG stellte mit Beschluss vom 13. 4. 2012 fest – eine Entscheidung des Oberlandesgerichts stand zu diesem Zeitpunkt nach wie vor aus –, dass das Recht des Beschwerdeführers auf ein zügiges Verfahren aus Art. 52 IV 1 BbgVerf verletzt worden sei, weil das Oberlandesgericht nicht in angemessener Zeit über die Beschwerde entschieden habe.[6]

 

Das BbgVerfG bekräftigte seine Rechtsprechung, dass sich die Frage, welcher Zeitraum angemessen im Sinne der grundrechtlichen Gewährleistung ist, mangels allgemeingültiger Vorgaben oder Richtlinien stets nach den besonderen Umständen des einzelnen Falls beurteile. Diese Umstände seien insbesondere das prozessuale Verhalten des Beschwerdeführers, die Bedeutung der Angelegenheit für ihn, außerhalb der Sphäre des Gerichts liegende Gründe, die Natur des Verfahrens, die Schwierigkeit der Sachmaterie und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer auf die Beteiligten.

 

Von maßgeblicher Bedeutung sei deshalb, dass die Sachverständigenablehnung als für den weiteren Fortgang der Beweiserhebung im Hauptverfahren maßgebliches Zwischenverfahren nach § 406 ZPO auf eine zügige Erledigung ausgerichtet sei. Das vorliegende Verfahren habe weder seinem Gegenstand noch seinem Umfang nach besondere Schwierigkeiten aufgewiesen, welche der gebotenen zügigen Erledigung hätten entgegenstehen können. Auch wegen der Dauer des seit 2004 anhängigen Ausgangsverfahrens sei das Oberlandesgericht verpflichtet gewesen, sich um eine nachhaltige Verfahrensbeschleunigung zu bemühen. Die vom Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vorgetragene hohe Belastung des zuständigen Familiensenats könne die lange Dauer des Verfahrens nicht rechtfertigen. Das Recht auf ein zügiges Verfahren aus Art. 52 IV 1 BbgVerf binde nicht nur die Rechtsprechung, sondern auch Legislative und Exekutive. Es unterliege keinem Finanzierungsvorbehalt. Landesregierung und Haushaltsgesetzgeber müssten die Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer durch die Organisation der Gerichtsbarkeit und ihre personelle und sachliche Ausstattung sicherstellen. Sofern für die überlange Verfahrensdauer (auch) eine unzulängliche Personalausstattung des Oberlandesgerichts und für diese wiederum eine nicht auskömmliche Ausweisung finanzieller Mittel für die Justiz im Haushaltsgesetz ursächlich sein sollte, ändere dies nichts an dem Befund einer der öffentlichen Gewalt zuzurechnenden Verletzung des Rechts auf ein zügiges Verfahren.

 

Das am 3. 12. 2011 in Kraft getretene Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (BGBl I S. 2302) spielte in diesem Verfahren noch keine Rolle, da die Verfassungsbeschwerde bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erhoben worden war.

 

d. Kommunales Vertretungsverbot

 

Erfolgreich war auch eine Verfassungsbeschwerde, die dem BbgVerfG Gelegenheit gab, sich erstmalig mit einem kommunalrechtlichen Vertretungsverbot zu befassen. Ein solches Vertretungsverbot, das in ähnlicher Form bereits die frühere Brandenburgische Gemeindeordnung beinhaltete, stellte § 23 BbgKVerf auf. Diese Vorschrift verbot Gemeindevertretern, Stadtverordneten und Mitgliedern der Kreistage berufsmäßig Dritte bei der Geltendmachung von Ansprüchen und Interessen gegenüber der Gemeinde bzw. dem Landkreis zu vertreten. Dadurch sollten Interessenkollisionen verhindert werden, die entstehen können, wenn Rechtsanwälte oder andere Vertreter zugleich Mandatsträger sind.

 

Der Rechtsanwalt, der die Verfassungsbeschwerde erhoben hatte, war für eine Mandantin gegen einen Gebührenbescheid einer ostbrandenburgischen Stadt vorgegangen. Da er gleichzeitig Stadtverordneter dieser Stadt war, schloss ihn das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf das kommunale Vertretungsverbot von dem weiteren gerichtlichen Verfahren aus.

 

Das BbgVerfG stellte zunächst fest, dass das Vertretungsverbot als Eingriff in die Berufsfreiheit gemäß Art. 49 I BbgVerf zu werten sei.[7] Die von § 23 BbgKVerf ausdrücklich und allein erfasste berufsmäßige Vertretung Dritter betreffe im Wesentlichen nur die Ausübung der rechtsberatenden Berufe. Besonders schwerwiegend seien die Auswirkungen für Rechtsanwälte, die schwerpunktmäßig im Verwaltungs- und Sozialrecht tätig seien, da das Vertretungsverbot regelmäßig eine Vielzahl möglicher Mandatsverhältnisse dieser Anwälte betreffe. § 23 BbgKVerf knüpfe damit an die berufsmäßige Interessenvertretung an und sei geeignet, die berufliche Tätigkeit nennenswert zu beeinträchtigen.

 

Das BbgVerfG stellte ferner fest, dass der Gesetzgeber bei Erlass dieser Regelung das Zitiergebot nach Art. 5 II 3 LV („In dem einschränkenden Gesetz ist das Grundrecht unter Angabe des Artikels zu nennen“) nicht beachtet habe und § 23 BbgKVerf deshalb nichtig sei. Die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung, nach der das bundesrechtlich in Art. 19 I 2 GG festgeschriebene Zitiergebot im Hinblick auf den in Art. 12 I 2 GG enthaltenen Regelungsvorbehalt für die Berufsfreiheit generell keine Anwendung finde, sei auf die landesverfassungsrechtlichen formellen Anforderungen für Eingriffe in die Berufsfreiheit nicht übertragbar. Anders als Art. 12 I 2 GG (Die Berufsausübung „kann ... geregelt werden“) enthalte Art. 49 I 2 BbgVerf (In die Berufsfreiheit „darf ... eingegriffen werden“) keine solche selbst angelegte Grenze, sondern einen Eingriffsvorbehalt, der auch nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich das Zitiergebot auslöse. Jedenfalls in formeller Hinsicht ist damit die Berufsfreiheit nach der Brandenburger Landesverfassung stärker geschützt als nach dem Grundgesetz. Das BbgVerfG hat allerdings auch hervorgehoben, dass kein Widerspruch zu früheren Entscheidungen des Gerichts bestehe, in denen in die Berufsfreiheit eingreifende Gesetze in formeller Hinsicht nicht beanstandet worden sind. Dies gilt etwa für Vorschriften mit „objektiv berufsregelndem Charakter“, die infolge ihrer mittelbaren Auswirkungen geeignet sind, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen.[8]

 

Zudem hat das BbgVerfG in dem genannten Beschluss klargestellt, dass im Hinblick auf den Verstoß gegen das Zitiergebot nicht mehr zu prüfen war, ob die Regelung materiell gegen die Berufsfreiheit verstößt. Grundsätzliche Einwände des Verfassungsgerichts gegen ein kommunales Vertretungsverbot können aus der Entscheidung deshalb nicht abgeleitet werden.

 

2. Organstreitverfahren

 

Zu erwähnen ist schließlich noch das Organstreitverfahren eines Landtagsabgeordneten gegen den Landtag Brandenburg. Der seit Dezember 2011 fraktionslose Abgeordnete rügte eine unzureichende sachliche Ausstattung seines Abgeordnetenbüros sowie eine ungenügende Personalausstattung; ferner beanstandete er den Umstand, dass ihm – anders als den Fraktionen – der parlamentarische Beratungsdienst nicht zur Verfügung stehe.

 

Das BbgVerfG hielt den Antrag bereits für unzulässig.[9] Der Antrag habe sich gegen den falschen Antragsgegner gerichtet. Gegen wen eine Organklage zu richten sei, hänge davon ab, wer für die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung die rechtliche Verantwortung trage. Die vom Antragsteller zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Einzelheiten zur Amtsausstattung und zur Nutzung des parlamentarischen Beratungsdienstes seien vom Präsidium bzw. vom Präsidenten des Landtags jeweils in eigener Kompetenz durch Richtlinien geregelt worden. Dementsprechend hätte sich auch das Organstreitverfahren gegen das Präsidium und den Präsidenten des Landtags richten müssen. Zudem habe der Antragsteller nicht dargelegt, dass die Amtsausstattung, die ihm nach dem Abgeordnetengesetz und den genannten Richtlinien zustehe, unzureichend sei. Letztere sehen beispielsweise vor, dass einem Abgeordneten tatsächlich entstandene Kosten für die Ausstattung seines Büros bis zu einem bestimmten Höchstbetrag erstattet werden.

 

IV. Ausblick

 

Im laufenden Jahr wird sich das BbgVerfG intensiv mit Fragen der kommunalen Finanzausstattung zu befassen haben. Diesbezüglich stehen fünf kommunale Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an.

 

In drei der fünf Verfahren  wenden sich die Kommunen gegen § 17a des Brandenburgischen Finanzausgleichsgesetzes (BbgFAG).[10] Danach wird im Rahmen des Finanzausgleichs von Gemeinden, deren Steuerkraftmesszahl die Bedarfsmesszahl im Ausgleichsjahr um mehr als 15 v. H. übersteigt, eine sog. Abundanzumlage erhoben.  Die Beschwerdeführerinnen machen die Verletzung ihrer Finanzhoheit als Ausprägung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 97 I 1 BbgVerf geltend. Die Landesverfassung lasse nach ihrer Auffassung den horizontalen Finanzausgleich zwischen den Gemeinden nicht zu. Weder sie noch das Grundgesetz enthielten Regelungen, die diesen Eingriff in die Finanzhoheit der Gemeinde gestatteten. Zur Rechtfertigung könne auch nicht der Begriff der kommunalen Solidarität herangezogen werden, da er keine Eingriffsbefugnis zu begründen vermöge. Daneben beanstanden die Beschwerdeführerinnen die Ermittlung des Ausgleichsbetrags. Berechnungsgrundlage seien zum Teil fiktive Maßstäbe. Als Anknüpfungspunkt für die Berechnung eines zu leistenden Ausgleichs könnten jedoch nur die tatsächlich erzielten Einnahmen dienen.

 

Beschwerdeführerinnen der anderen beiden kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren sind kreisfreie Städte. Auch sie wenden sich gegen die ihrer Meinung nach unzureichende kommunale Finanzausstattung.

 

In einem dieser Verfahren[11] rügen die Beschwerdeführerinnen die Verletzung von Art. 97 III BbgVerf. Sie meinen, die mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes erfolgte Erhöhung der Personalkostenzuschüsse nach § 16 II BbgKitaG sei als Übertragung einer neuen Aufgabe auf die Kommunen durch das Land zu qualifizieren. Der Landesgesetzgeber habe die Standards der Aufgabenerfüllung angehoben und damit die kraft Landesrecht den Beschwerdeführerinnen übertragene Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ausgeweitet. Die Gesetzesänderung führe zu erheblichen Mehrausgaben bei den Beschwerdeführerinnen. Ihnen werde hierfür kein entsprechender Ausgleich gewährt. Der Gesetzgeber habe den Umfang der Mehrausgaben unzureichend ermittelt und einen fehlerhaften Verteilungsmaßstab zwischen den Kommunen bestimmt. Dieser Verstoß gegen das Konnexitätsprinzip der Landesverfassung führe zur Nichtigkeit der genannten Regelungen.

 

In dem weiteren Verfahren[12] werden die Vorschriften des § 3 I und II sowie § 8 Abs. II 3 BbgFAG angegriffen. Nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen stünden sie im Widerspruch zu den Gewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltung in Art. 97 I und II BbgVerf. Die sich aus dem BbgFAG ergebende Verbundmasse und die daraus folgenden Schlüsselzuweisungen blieben bei den Beschwerdeführerinnen deutlich hinter den tatsächlichen Ausgaben für die Aufgabenerfüllung zurück. Der Gesetzgeber habe das Verbundquotenmodell zugrunde gelegt, ohne die kommunalen Aufgaben und den hierfür entstehenden Aufwand ausreichend zu analysieren. Dieser Ansatz stehe im Widerspruch zu verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung und den Maßgaben des § 3 V BbgFAG. Daneben erweise sich der in § 3 II BbgFAG vorgesehene Vorwegabzug von der Verbundmasse als systemfremd und verfassungsrechtlich nicht mehr gerechtfertigt. Die Beschwerdeführerinnen gehen zudem von einem Abwägungsausfall des Gesetzgebers bei der Festlegung des Hauptansatzes (Einwohnerveredelung) in § 8 II 3 BbgFAG aus. Dieser habe hierzu ebenfalls keine aktuelle Ausgabeanalyse erstellt und lasse nicht erkennen, aus welchen Gründen die Anhebung von 145 auf 150 erfolgt sei.

 

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt des BbgVerfG wird voraussichtlich die Neuregelung der öffentlichen Zuschüsse für Schulen in freier Trägerschaft sein. Nach § 124 II BbgSchulG in der bis zum 31. 12. 2011 geltenden Fassung gewährte das Land den Trägern von Ersatzschulen (§ 120 BbgSchulG) einen Zuschuss in Höhe von 94% der Personalkosten einer entsprechenden Schule in öffentlicher Trägerschaft (vergleichbare Personalkosten). Nunmehr sehen §§ 124 I 1, 124a I 1 BbgSchulG in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2012 vom 19. 12. 2011 (GVBl I Nr. 35) die Gewährung eines Betriebskostenzuschusses vor, der auf Basis eines jährlichen Pauschalbetrages für jede Schülerin und jeden Schüler bezogen auf die jeweils besuchte Schulform zu ermittelten ist (Schülerausgabensatz). Die weiteren Einzelheiten sind in § 124a II bis VIII BbgSchulG geregelt, § 140 BbgSchulG beinhaltet Übergangsregelungen für die Gewährung des Betriebskostenzuschusses.

 

Die gesetzliche Neuregelung des öffentlichen Finanzierungszuschusses haben 31 Abgeordnete des Brandenburger Landtags mit einem Antrag auf abstrakte Normenkontrolle angegriffen.[13] Nach Ansicht der Antragsteller ist die Neuregelung mit Art. 30 VI BbgVerf unvereinbar. Danach müsse der Staat zumindest das wirtschaftliche Existenzminimum für den Betrieb der Ersatzschulen gewährleisten. Art. 30 VI 2 BbgVerf, wonach die freien Schulträger Anspruch auf einen öffentlichen Finanzierungszuschuss haben, begründe einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf die Gewährung staatlicher Finanzhilfe und begrenze damit die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Der finanzielle Ausgleich müsse so bemessen sein, dass die Träger auch angesichts des Sonderungsverbotes (Art. 30 VI 1 BbgVerf i. V. m. Art. 7 IV 3 GG) in der Lage seien, von dem ihnen zugewiesenen Grundrecht Gebrauch zu machen. Diesem Erfordernis würden die §§ 124, 124a BbgSchulG n. F. nicht entsprechen. Die damit verbundenen Kürzungen der Zuschüsse bedrohten das wirtschaftliche Existenzminimum freier Schulträger und gefährdeten den Bestand des Ersatzschulwesens als Institution. Ferner machen die Antragsteller geltend, der Gesetzgeber habe gleichheitswidrig Haushaltszwänge nur gegenüber den freien Schulträgern, nicht aber gegenüber den staatlichen Schulen geltend gemacht. Zudem seien die rechtsstaatlichen Grenzen des Vertrauensschutzes missachtet worden, die Übergangsregelungen in § 140 BbgSchulG seien unzureichend. Schließlich habe der Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum nicht ordnungsgemäß wahrgenommen. Der Gesetzgeber sei vorliegend verpflichtet gewesen, die von seiner Entscheidung betroffenen Belange nachvollziehbar und zutreffend zu ermitteln. Diesen „prozeduralen Anforderungen“ habe er nicht genügt. Der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens belege, dass von einer vorurteilsfreien Befassung des Gesetzgebers nicht gesprochen werden könne. Eine Auseinandersetzung mit den drastischen Folgen, die mit den angegriffenen Vorschriften für die freien Schulen in Brandenburg verbunden seien, habe nicht stattgefunden.

 

Nachfolgend haben zudem zehn Träger freier Schulen Verfassungsbeschwerden gegen §§ 124, 124a, 140 BbgSchulG erhoben und sich den vorgenannten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neuregelung des Finanzierungszuschusses angeschlossen.[14]



[1] zum Vorjahreszeitraum Heinrich-Reichow, LKV 2012, 116 ff.

[2] Nach Art. 112 II 2 BbgVerf setzt sich das Verfassungsgericht zu je einem Drittel aus Berufsrichtern, Mitgliedern mit der Befähigung zum Richteramt oder Diplomjuristen und Mitgliedern zusammen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen müssen.

[3] Entscheidungen der Verfassungsgerichte der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen (LVerfGE), herausgegeben von den Mitgliedern der Gerichte, erschienen im de Gruyter Verlag (Entscheidungszeitraum vom 1. 1. bis zum 31. 12. 2010).

[4] BbgVerfG, Urt. v. 24. 4. 2012 – VfGBbg 47/11, NVwZ-RR 2012, 577.

[5] BbgVerfG, Beschl. v. 24. 9. 2012 – VfGBbg 46/11, LKV 2012, 506.

[6] VfGBbg 54/11, www.verfassungsgericht.brandenburg.de.

[7] BbgVerfG, Beschl. v. 19.10.2012 – VfGBbg 31/11, LKV 2012, 557.

[8] vgl. hierzu BbgVerfG, Beschl. v. 30. 6. 1999 - VfGBbg 50/98, LVerfGE 10, 213.

[9] BbgVerfG, Beschl. v. 21. 12. 2012 - VfGBbg 38/12, www.verfassungsgericht.brandenburg.de

[10] Az. VfGBbg 53/11; VfGBbg 70/11 und VfGBbg 71/11.

[11] Az. VfGBbg 49/11.

[12] Az. VfGBbg 68/11.

[13] Az. VfGBbg 31/12.

[14] Az. VfGBbg 50/12 – 58/12; VfGBbg 79/12.