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Pressemitteilung

Eilantrag gegen Corona-Verordnung hat teilweise Erfolg

- Erschienen am 03.06.2020

Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat heute über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend einzelne Regelungen der Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19 in Brandenburg (SARS-CoV-2-EindV) vom 8. Mai 2020 (GVBl. II/20, [Nr. 30]), zuletzt geändert durch Verordnung vom 27. Mai 2020 (GVBl. II/20, [Nr. 43]) der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz entschieden.

Versammlungen sind in Brandenburg nunmehr wieder in größerem Umfang zulässig. Bei der Maskenpflicht bleibt es vorläufig.

Dem Eilverfahren liegt in der Hauptsache ein abstrakter Normenkontrollantrag von 23 Abgeordneten der AfD-Fraktion zu Grunde. Die Abgeordneten haben die Nichtigerklärung von § 4 und § 5 SARS-CoV-2-EindV beantragt. In § 4 ist die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Verkaufsstellen des Einzelhandels und in öffentlichen Verkehrsmitteln geregelt. § 5 untersagt grundsätzlich öffentliche und nichtöffentliche Veranstaltungen sowie Versammlungen und sonstige Ansammlungen, wobei zahlreiche Ausnahmen vorgesehen sind, beispielsweise für Familienfeiern, religiöse Veranstaltungen, Unterricht und unaufschiebbare Zusammenkünfte der Organe und Gremien juristischer Personen des öffentlichen und des privaten Rechts. In Bezug auf Versammlungen wurden ebenfalls Sonderregelungen getroffen. Für solche unter freiem Himmel mit bis zu 150 Teilnehmenden und in geschlossenen Räumen mit bis zu 75 Teilnehmenden können in besonders begründeten Einzelfällen auf Antrag Ausnahmen von der Untersagung zugelassen werden, sofern dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.

Das Verfassungsgericht hat dem Eilantrag zum Teil stattgegeben. Eine Entscheidung über die Hauptsache wurde nicht getroffen. Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts bleiben die Vorschriften zur „Maskenpflicht“ weiter anwendbar. Die in § 5 enthaltenen Regelungen zu den Versammlungen sind vorläufig mit Maßgaben anzuwenden. Demnach sind öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel mit bis zu 150 Teilnehmenden grundsätzlich erlaubt, wobei die zuständige Versammlungsbehörde im Einvernehmen mit dem zuständigen Gesundheitsamt diese im Ausnahmefall untersagen kann, wenn eine konkrete infektionsschutzrechtliche Gefahr dies gebietet. Vorläufig sind nunmehr Versammlungen mit mehr als 150 Teilnehmern wieder zulässig, sie bedürfen ebenso wie Versammlungen mit bis zu 75 Teilnehmern in geschlossenen Räumen der Genehmigung. Die Genehmigung steht aber nicht mehr im Ermessen und ist nicht mehr vom Vorliegen eines begründeten Einzelfalls, sondern nur noch davon abhängig, ob die Versammlung aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.

Das Verfassungsgericht hat sich zu den Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur insoweit geäußert, dass der Antrag nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. Die Entscheidung im Eilverfahren hat es auf eine reine Folgenabwägung gestützt.

Die Auswirkungen auch der nur vorübergehend fortgesetzten Anwendung der die Versammlungen einschränkenden Regelungen hat das Gericht als einen besonders schweren und irreversiblen Eingriff  in die in Art. 23 Abs. 1 Landesverfassung (LV) verbürgte Versammlungsfreiheit bewertet. Dies gelte besonders für das Verbot von Versammlungen mit über 150 Teilnehmenden ohne Möglichkeit der Ausnahmegenehmigung sowie den Vorbehalt der Prüfung eines besonderen Einzelfalles. Für den Fall, dass die Vorschriften vorläufig keine Anwendung finden, sich letztlich aber als verfassungsgemäß erweisen, würde sich zwar die Infektionsgefahr erhöhen. Bei Veranstaltungen unter freiem Himmel sei – da auch hier die Abstandsregelungen einzuhalten seien - das Infektionsrisiko aber vergleichsweise geringer. In Abwägung der jeweiligen Folgen überwiege der Schaden für das Versammlungsrecht deutlich. Gleichwohl sei aber vor dem Hintergrund der dennoch bestehenden Gesundheitsgefahren eine vollständige Außerkraftsetzung des § 5 nicht angezeigt. Die vom Verfassungsgericht aufgestellten Maßgaben böten einstweilig einen interessengerechten Ausgleich.

Im Hinblick auf die Maskenpflicht fiel die Interessenabwägung in die andere Richtung aus. Die damit nur in bestimmten Lebenssituationen und in der Regel kurzzeitigen Beeinträchtigungen hat das Gericht als eher gering bewertet. Diese würden die Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit, die nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes möglicherweise verringert werden können, nicht deutlich überwiegen und seien vor diesem Hintergrund vorläufig hinzunehmen.

Ähnliches gelte für die Vereinigungsfreiheit, die in Art. 20 LV ebenfalls besonders geschützt ist. Die in der Verordnung vorgesehenen Ausnahmevorschriften würden die für die Gründung und den Erhalt eines Vereins notwendigen Betätigungen erlauben. Die Einschränkungen beträfen im Wesentlichen gemeinschaftliche Aktivitäten von Vereinsmitgliedern im Rahmen ihrer Freizeitgestaltung. Diesen komme im Rahmen der gebotenen Abwägung kein solches Gewicht zu, dass sie die skizzierten nachteiligen Folgen im Falle einer Aussetzung der Vollziehung der Vorschrift bei späterer Erfolglosigkeit des Antrags in der Hauptsache deutlich überwiegen könnten.

Die Entscheidung ist zum Aktenzeichen VfGBbg 9/20 EA ergangen und in Kürze auf der Homepage des Verfassungsgerichts abrufbar.

Potsdam, den 3. Juni 2020

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Datum
03.06.2020
Rubrik
Presseerklärung