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Presseerklärung

- Erschienen am 02.10.2018

VfGBbg 10/17

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Versagung von psychotherapeutischen Maßnahmen im Strafvollzug

Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat mit Beschluss vom 21. September 2018 einer Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen stattgegeben, mit der dieser eine psychotherapeutische Behandlung durch die Justizvollzugsanstalt erstrebte.

 

Der Beschwerdeführer verbüßt seit dem Jahr 2011 wegen zweifachen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe. Aufgrund der psychiatrischen Erkrankung des Beschwerdeführers stellte die Justizvollzugsanstalt (JVA) einen akuten Behandlungsbedarf fest, auch später bestand Einigkeit, dass eine psychotherapeutische Behandlung notwendig war. Zu dieser kam es nicht; der Beschwerdeführer befand sich in dieser Zeit auf einer Warteliste für eine tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie.

 

Nach vier Jahren, im Oktober 2015, beantragte der Beschwerdeführer bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Cottbus eine gerichtliche Entscheidung über die Behandlung. In seinem ablehnenden Beschluss führte das Landgericht aus, der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch darauf, dass die Therapie zu einem bestimmten Termin durchgeführt werde. Der Strafvollzug sei zwar auch in personeller Hinsicht so auszustatten, dass Strafgefangene die notwendigen Behandlungen erhalten könnten; allerdings dürfe bei der Vergabe der Therapieplätze die noch offene Haftzeit berücksichtigt werden. Die Zuweisung eines Therapieplatzes solle aber „nicht mehr zu lange aufgeschoben“ werden.

 

Auf die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde stellte das Landesverfassungsgericht eine Verletzung des Grundrechts nach Artikel 54 Abs. 1 der Landesverfassung fest. Dieses Grundrecht beinhalte auch die Gewährleistung des Schutzes der Menschenwürde „im“ Strafvollzug durch gesundheitliche Betreuung von Strafgefangenen und zwar in gleichem Maße für die Behandlung physischer wie psychischer Leiden. Die Gerichte hätten diesen Aspekt der grundrechtlichen Gewährleistung verkannt, da sie auf die Frage der medizinischen Dringlichkeit der Behandlung für den Strafgefangenen nicht ausreichend eingegangen seien. Angesichts des Umstandes, dass bereits mehr als vier Jahre vergangen seien,  in denen der Beschwerdeführer die dringend erforderliche medizinische Behandlung noch immer nicht erhalten habe, sei eine differenzierte Bewertung der Zeitabläufe erforderlich gewesen. Das Landgericht habe zwar zutreffend ausgeführt, dass die Justizvollzugsanstalt dem Beschwerdeführer nicht habe entgegenhalten können, sie sei personell nicht ausreichend ausgestattet, jedoch hätte es vor diesem Hintergrund gesonderter Erwägungen bedurft, weshalb eine derartig lange Wartezeit bei der gravierenden psychischen Krankheit des Beschwerdeführers den Anforderungen an eine die Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 54 Abs. 1 LV hinreichend Rechnung tragende Gestaltung des Strafvollzugs darstellen soll.

 

Die Entscheidung kann in Kürze unter https://verfassungsgericht.brandenburg.de abgerufen werden.

 

Potsdam, 24. September 2018