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VerfGBbg, Beschluss vom 31. Mai 1995 - VfGBbg 4/95 -

 

Verfahrensart: Organstreit
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 113 Nr. 1
- VerfGGBbg, § 12 Nr. 1; VerfGGBbg, § 35; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1
- GG, Art. 20 Abs. 1; GG, Art. 20 Abs. 2 Satz 2; GG, Art. 21 Abs. 1; GG Art. 38; GG, Art. 100
Schlagworte: - Beteiligtenfähigkeit
- Rechtswegerschöpfung
- Vorabentscheidung
- Tenor
amtlicher Leitsatz: 1. a) Zur Frage der Zulässigkeit einer hilfsweisen Verfassungsbeschwerde durch eine politische Partei, der im Land Brandenburg für ein Organstreitverfahren die Beteilitenfähigkeit fehlt.

b) Zur Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Verfassungsgericht und Verwaltungsgericht bei Beanstandungen von Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung in einem solchen Fall.

2. Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Entscheidung des Verfassungsgerichts vor Erschöpfung des Rechtsweges (§ 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg) sind in der Regel nicht zu bejahen, wenn ein einstweiliges Rechtschutzverfahren vor dem Fachgericht zur Verfügung steht.
Fundstellen: - LVerfGE 3, 148
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 31. Mai 1995 - VfGBbg 4/95 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 4/95



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfahren

des Bürgerbundes, vertreten durch den 1. Vorsitzenden Dr. K.,

Antragsteller,

g e g e n

die Landesregierung des Landes Brandenburg, vertreten durch den Ministerpräsidenten, dieser vertreten durch den Minister der Justiz und für Bundes- und Europaangelegenheiten, Heinrich-Mann-Allee l07, 14473 Potsdam,

Antragsgegnerin,

betreffend Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung im Zusammenhang mit dem geplanten Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg über die Bildung eines gemeinsamen Bundeslandes

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburgam 31. Mai 1995
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Prof. Dr. von Arnim, Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Dr. Knippel, Prof. Dr. Mitzner, Prof. Dr. Schöneburg und Weisberg-Schwarz

für R e c h t erkannt:

1. Der Antrag wird zurückgewiesen.

2. Die hilfsweise erhobene Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

G r ü n d e :

A.

Der Antragsteller, in der Präambel seiner Satzung als “Partei für alle Bürger“ bezeichnet, wendet sich gegen eine Reihe näher bezeichneter Maßnahmen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung (Antragsgegnerin).

I.

Die vom Antragsteller beanstandeten Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit stehen im Zusammenhang mit der möglichen Fusion der beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg. Zur Vorbereitung eines darauf gerichteten Staatsvertrages, der nach Art. 116 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages bedarf sowie anschließend in einem Volksentscheid von der Mehrheit der Abstimmenden gebilligt werden muß, führte die Antragsgegnerin seit April 1991 Gespräche mit dem Senat von Berlin.

Im Juni 1994 legten die Senatskanzlei des Landes Berlin und die Staatskanzlei des Landes Brandenburg den Arbeitsentwurf eines Staatsvertrages über die Neugliederung vor. Am 7. Juni 1994 beschloß die Antragsgegnerin eine “Konzeption für eine Öffentlichkeitsarbeit zur Neugliederung der Länder Berlin/Brandenburg“. Sie hat den Zweck, “die Bürger beider Länder so zu informieren und in den Willensbildungsprozeß einzubeziehen, daß diese beim Volksentscheid eine fundierte Entscheidung treffen können“.

Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit über den Neugliederungsvertrag, für die der Haushaltsausschuß des Landtages im Januar 1995 vorab Mittel von 1,1 Mio. DM bewilligte, ließ die Antragsgegnerin al dem 24. Januar 1995 an 545 Stellen im Lande Brandenburg ein Großplakat “EINS FÜR ALLE - Land Berlin-Brandenburg“ anbringen. Das Plakat hängt als solches nicht mehr aus. Es wird im Kleinformat als Logo bei anderweitigen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung weiter-verwendet.

Der Staatsvertrag ist am 27. April 1995 vom Regierenden Bürgermeister des Landes Berlin und vom Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg unterzeichnet worden. Er liegt nunmehr den Parlamenten der beiden Bundesländer vor, die gemäß Art. 3 des Staatsvertrages über seine Ratifizierung zu entscheiden haben.

II.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, festzustellen, daß die Landesregierung dadurch gegen Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 GG und den Grundsatz der Chancengleichheit der Wahlen (Art. 21 Abs. 1, 38 Abs. 1 GG) verstoßen hat beziehungsweise verstößt, daß sie

1. das Plakat “EINS FÜR ALLE - Land Berlin Brandenburg“ verwendet hat, als Anzeige schaltet oder anderweitig vertreibt,

2. vor der Volksabstimmung über den Staatsvertrag mit dem Land Berlin zur Bildung eines gemeinsamen Landes durch Anzeigenserien, Faltblätter und sonstige Publikationen zugunsten der Fusion mit dem Land Berlin werbend in den Meinungsbildungsprozeß eingreift.

Hilfweise erhebt er unter Berufung auf Art. 21, 38 und 20GG, Art. 20 Abs. 3, 22 Abs. 3 Satz 1 sowie der Sache nach Art. 21 LV Verfassungsbeschwerde gegen die genannten Maßnahmen.

Der Antragsteller bezieht sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zurückhaltung bei der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung im Vorfeld von Wahlen und hält diese Rechtsprechung in dem hier in Frage stehenden Zusammenhänge für übertragbar. Er führt aus: Er lehne als Partei die Fusion der beiden Bundesländer Berlin und Brandenburg geschlossen ab. Setze die Antragsgegnerin ihre mit einem erheblichen Kostenaufwand betriebene Öffentlichkeitsarbeit fort, die nicht auf sachlicher Information, sondern auf Suggestionswirkung beruhe, drohe die Gefahr, daß er in seiner verfassungsmäßigen Aufgabe, mit seinem abweichenden Standpunkt an dem Meinungsbildungsprozeß zu dem Volksentscheid über den Staatsvertrag teilzunehmen, beeinträchtigt werde. Diese Beeinträchtigung wirke gegebenenfalls über den Volksentscheid hinaus. Finde der Staatsvertrag eine Mehrheit, sei bei den nächsten Landtagswahlen eine Partei, die gegen den Staatsvertrag eingetreten sei, im Nachteil.

Im Hinblick auf das in der Zwischenzeit ergangene Urteil des Gerichts zu dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ergänzt der Antragsteller sein Vorbringen: Entgegen der von dem Gericht vertretenen Auffassung nehme er nach den Kriterien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Organstellung im Lande Brandenburg ein. Das Landesverfassungsgericht weiche mit seiner Auffassung von der des Bundesverfassungsgerichts ab und habe deshalb die Sache gemäß Art. 100 Abs. 3 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Für den 24. Juni 1995 stehe die Gründung eines Landesverbandes Brandenburg bevor.

III.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Sie hält sie schon für unzulässig. So sei die Beteiligtenfähigkeit des Antragstellers zweifelhaft. Er habe bisher am Verfassungsleben des Landes Brandenburg nicht teilgenommen, was sich darin zeige, daß er weder bei der Europawahl noch bei den Bundestags- und Landtagswahlen Kandidaten aufgestellt habe.

Auch fehle es an der Antragsbefugnis. Art. 21 sowie 20 Abs. 2 GG, auf die der Antragsteller sich berufe, stellten keine Vorschriften der Landesverfassung dar. Soweit - mittelbar -eine Verletzung des Art. 22 Abs. 3 LV gerügt werde, seien die dort genannten Grundsätze nicht verletzt. Die Öffentlichkeitsarbeit entfalte keine beeinträchtigende Wirkung auf die freie Willensbildung der Abstimmenden. Die Chancengleichheit der Parteien werde schon deshalb nicht berührt, weil bei einer Volksabstimmung keine Parteien zur Wahl stünden.

Die Anträge seien jedenfalls unbegründet. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf die sich der Antragsteller beziehe, gelte nur im Vorfeld von Wahlen. Für den Zeitraum vor einer Volksabstimmung sei sie nicht einschlägig. Die für Wahlen typische Konfliktlage bestehe nicht. Es gehe nicht um die Kandidatur von Partein oder Einzelbewerbern, sondern um eine vom Souverän selbst zu treffende Sachentscheidung. Unter diesen Bedingungen trete für die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung an die Stelle des Neutralitätsgebotes ein bloßes Sachlichkeitsgebot. Diesem werde die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung gerecht. Abgesehen davon befinde sich das Landgegenwärtig noch nicht in einer “Vor-Abstimmungszeit“.

B.

Die Hauptanträge sind unzulässig.

Der Antragsteller ist für das Organstreitverfahren vor dem hiesigen Landesverfassungsgericht nicht beteiligtenfähig im Sinne von Art. 113 Nr. 1 LV, § 35 i.V.m. § 12 Nr. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg), weil er als politische Partei im Verfassungsleben des Landes Brandenburg nicht - auch nicht ansatzweise - präsent ist. Er ist deshalb kein “anderer Beteiligter“ im Sinne der genannten Vorschriften. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller auf Bundesebene und/oder auf der Ebene eines anderen Bundeslandes, etwa des Landes Berlin, als Partei im Sinne von Art. 21 GG anzusehen ist. Im Näheren nimmt das Gericht insoweit Bezug auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 16. März 1995 - VfGBbg 4/95 -‚ durch das bereits der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung als unzulässig verworfen worden ist, weil dem Antragsteller die Beteiligtenfähigkeit fehlt.

Der Antragsteller hat nach der Zustellung des genannten Urteils in der ihm hierfür eingeräumten Frist keine weiteren Tatsachen vorgetragen, die dem Gericht Veranlassung geben könnten, die Frage der Beteiligtenfähigkeit des Antragstellers nunmehr anders zu beurteilen. Soweit er mitgeteilt hat, daß für den 24. Juni 1995 die Gründung eines Landesverbandes Brandenburg geplant sei, steht zum einen noch nicht fest, ob es tatsächlich dazu kommt. Zum anderen würde die Gründung eines Landesverbandes für sich allein nicht ausreichen. Vielmehr käme es weiterhin darauf an, ob im Land Brandenburg tatsächlich eine organisatorische Verfestigung erreicht wird, die eine Einflußnahme auf die politische Meinungsbildung im Lande durch Aktivitäten, wie sie Parteien eigen sind, und unter Abstützung auf eine sei es auch nur bescheidene Verbandsstruktur als Partei wenigstens ansatzweise erlaubt. Dies ist weiterhin nicht erkennbar. Das Verfassungsgericht entscheidet unter diesen Umständen nach Lage der jetzt gegebenen Verhältnisse und ist nicht gehalten, für seine Entscheidung die weitere Entwicklung abzuwarten.

Auch die von dem Antragsteller geltend gemachten rechtlichen Bedenken dagegen, daß das Gericht die Beteiligtenfähigkeit des Antragstellers in dem Urteil vom 16. März 1995 verneint hat, greifen nicht durch. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat das erkennende Gericht die Sache nicht wegen Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 3 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Die von dem Gericht entschiedene Rechtsfrage - nämlich die der Beteiligtenfähigkeit einer politischen Partei in einem Organstreitverfahren vor dem Landesverfassungsgericht in einer auf Landesebene zu entscheidenden Frage - ist vom Bundesverfassungsgericht nicht anders entschieden worden. Das Bundesverfassungsgericht war naturgemäß immer nur mit der Beteiligtenfähigkeit in einem Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu einem auf Bundesebene stattfindenden Vorgang befaßt. Eine Abweichung ergibt sich auch nicht zu der von dem Antragsteller herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Januar 1995. Sie spricht eher gegen seine Auffassung. Wenn die wahlrechtlichen Bestimmungen, wie das Bundesverfassungsgericht in Betracht zieht, auf den Antragsteller, seine Parteieigenschaft unterstellt, Anwendung fänden, könnte er nach dem Brandenburgischen Landeswahlgesetz im Land Brandenburg, da er hier bisher weder einen Landesverband noch Gebietsverbände hat (vgl. § 21 Abs. 4 Landeswahlgesetz Brandenburg), nicht an einer Landtagswahl teilnehmen. Es ist kein Grund ersichtlich, wieso er im Zusammenhang mit einer Volksabstimmung eine rechtlich bessere Position haben sollte.

Weiter kann der Antragsteller für eine Organstellung in dem vorliegenden Verfahren nichts daraus herleiten, daß das Abstimmungsergebnis im Land Brandenburg, wenn nämlich hier die erforderliche Mehrheit nicht erreicht wird, die Fusion auch für das Land Berlin, in dem er möglicherweise eine Organstellung besitzt, obsolet macht. Im Land Brandenburg ist allein darüber zu entscheiden, ob das Land Brandenburg zur Fusion mit dem Land Berlin bereit ist.

C.

Die hilfsweise erhobene Verfassungsbeschwerde ist ebenfalls unzulässig.

I.

Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2, 38 GG, auf die sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang beruft, sind kein Bestandteil der Brandenburgischen Landesverfassung und können schon deshalb nicht Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde vor dem hiesigen Verfassungsgericht sein. Art. 21 Abs. 1 GG hat zwar, wie in dem Urteil vom 16. März 1995 ausgeführt, als Bestandteil der Landesverfassungen zu gelten, stellt sich jedoch nicht als Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht dar, wie sich schon aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG ergibt. Ob und wieweit sich Art. 20 Abs. 3, 21 Abs. 1 und/oder 22 Abs. 3 LV als Ansatz für eine Verfassungsbeschwerde gegen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Brandenburgischen Landesregierung eignen und der Beschwerdeführer diesbezüglich beschwerdebefugt wäre, obwohl er als solcher bisher nicht in Brandenburg domiziliert, bedarf gegenwärtig aus den nachfolgenden Gründen keiner Entscheidung.

II.

1. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht jedenfalls entgegen, daß der Beschwerdeführer entgegen § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg den Rechtsweg nicht erschöpft hat. Er hat die Möglichkeit, durch das Verwaltungsgericht prüfen zu lassen, ob er ein subjektives Recht auf Unterlassen der von ihm beanstandeten Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung hat.

Das Bundesverfassungsgericht hat Klagen gegen regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit im Einklang mit einer hierzu eingeholten Stellungnahme des zuständigen Senats des Bundesverwaltungsgerichts als Streitigkeiten nicht-verfassungsrechtlicher Art angesehen, für die nach § 40 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (BVerfG NVwZ 1988, 8l7, 818). Es besteht deshalb keine Veranlassung anzunehmen, daß das hier anzurufende Verwaltungsgericht seinerseits von einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit ausginge. Das gilt auch unter Berücksichtigung der von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Bestimmungen der Landesverfassung. Daß es etwa bei der Frage, ob es sich hierbei um Grundrechte handelt, um die Auslegung von (Landes-) Verfassungsrecht ginge, verändert den Charakter als nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit nicht. Der Beschwerdeführer befindet sich insoweit in keiner anderen Situation als jeder andere Beschwerdeführer. Er ist deshalb darauf zu verweisen, sein Rechtsschutzziel - sei es im Wege einer Unterlassungsklage als Unterfall der allgemeinen Leistungsklage, sei es im Wege einer Feststellungsklage - vor dem Verwaltungsgericht zu verfolgen.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht nach § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg ausnahmsweise vor Erschöpfung des Rechtsweges zulässig. Insoweit kann offenbleiben, ob der Auffassung des Hessischen Staatsgerichtshofes beizutreten ist, der in einem Verfahren der vorliegenden Art eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung angenommen hat (ESVGH 41, 1, 3) . Die Ausgestaltung des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg als Kann-Vorschrift mach deutlich, daß selbst die allgemeine Bedeutung einer Sache nicht zwangsläufig zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichts ohne vorherige Erschöpfung des Fachrechtsweges führt. Eine solche “Durchgriffsentscheidung“ bleibt vielmehr auch in diesen Fällen schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg die Ausnahme (“im Ausnahmefall“). Die “allgemeine Bedeutung“ ist nur ein Gesichtspunkt unter mehreren, die im Rahmen einer Abwägung für und wider eine sofortige Sachentscheidung zu berücksichtigen sind (VerfGBbg, Beschluß vom 15. September 1994 - VfGBbg 5/94- und Beschluß vom 20. Oktober 1994 - VfGBbg 12/94 - beide zur Veröffentlichung bestimmt). Vorliegend erscheint es nicht angezeigt, die Angelegenheit dem Verwaltungsrechtsweg zu entziehen. Es stellen sich eine Reihe einfachrechtlicher und tatsächlicher Fragen, deren Klärung in den Verwaltungsrechtsweg gehört.

a) Als Anspruchsgrundlage für das rechtliche Begehren des Beschwerdeführers kommt vor allem ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch in Betracht, in dessen Rahmen gegebenenfalls auch zu prüfen sein wird, ob sich der Grundsatz der Gleichheit von Wahlen und Volksabstimmungen (Art. 22 Abs. 3 Satz 1 LV) zugunsten des Beschwerdeführers auszuwirken vermag. Das verwaltungsrechtliche Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs, dessen dogmatische Herleitung umstritten ist (vgl. Köckerbauer/Büllesbach JUS 1991, 373, 375) und schon deshalb Wertungsspielräume eröffnet, enthält eine Reihe ungeschriebener Tatbestandsmerkmale, deren Bedeutung wiederum nicht in jeder Hinsicht geklärt ist. Zuprüfen ist etwa, ob der Sachverhalt, so wie er sich bisher darstellt, zu einer drohenden (oder bereits eingetretenen) Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers geführt hat. Das Bundesverwaltungsgericht zieht die Verletzung subjektiv-rechtlicher Rechtspositionen Einzelner durch regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit

- unbeschadet der Möglichkeit der objektiven Rechtswidrigkeit solcher Maßnahmen - nur für den Fall in Betracht, daß das hoheitliche Einwirken auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozeß die Gefahr von nicht nur unwesentlichen Auswirkungen auf das Wahlergebnis begründet (BVerwG, Beschluß vom 17. November 1988 - BVerwG 7 B. 169.88 -Buchholz 160 Nr. 31). Daran knüpft das Bundesverwaltungsgericht die Vermutung, daß subjektive Rechte (etwa von Wahlbewerbern) erst dann verletzt sein können, wenn Überschreitungen zulässiger regierungsamtlicher Öffentlichkeitsarbeit “mit einer gewissen Massivität und Häufigkeit“ auftreten. Hiervon ausgehend wird sich für das hier anzurufende Verwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs zunächst die Frage stellen, ob diese Grundsätze auch für Bürger, Parteien oder Bürgerbewegungen gelten, die bei einer Volksabstimmung eine andere Auffassung als die Landesregierung vertreten und deshalb in der für ein bestimmtes Ergebnis werbenden Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung ein Eingriff in ihre subjektiven Rechte sehen. Soweit sich der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch als Institut des einfachen Bundesrechts darstellt, besteht im übrigen ohnehin keine darauf bezogene Prüfungsbefugnis des Landesverfassungsgerichts.

b) Darüber hinaus steht die abschließende rechtliche Klärung eines weiteren Problems des allgemeinen Verwaltungsrechts aus. Die amtliche Öffentlichkeitsarbeit berührt den subjektiven Rechtskreis Privater nicht zwangsläufig. Der Einzelne empfindet sie nur dann als Eingriff, wenn er eine andere Auffassung als die Regierung vertritt. So gesehen führt erst die (ablehnende) Reaktion des privaten Rechtsträgers zu seiner tatsächlichen Betroffenheit. Die Frage, ob in einer solchen mittelbar-faktischen Beeinträchtigung ein (einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch auslösender) Eingriff in subjektiv-rechtliche Positionen liegen kann, ist zwar auch eine Frage der Grundrechtsdogmatik (vgl. Muckel, JA 1995 343, 346), bleibt aber vorrangig eine Frage des allgemeinen Verwaltungsrechts. Das Verwaltungsgericht wird sich auch damit zu befassen haben, welche Folgen administrativen Handelns dem Staat überhaupt zurechenbar sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat etwa im Hinblick auf den mit dem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch verwandten Folgenbeseitigungsanspruch die Auffassung vertreten, daß dem Staat lediglich unmittelbare Folgenadministrativen Handelns zuzurechnen seien (BVerwGE 69, 366, 372). Bei Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung wäre zweifelhaft, ob in Fällen der vorliegenden Art überhaupt eine Rechtsbeeinträchtigung eines Privaten stattfindet, der lediglich eine andere Auffassung als die Regierung vertritt.

c) Diese Rechtsfragen hängen mit noch zu klärenden Tatsachenfragen zusammen. Auch die Notwendigkeit, weitere tatsächliche Ermittlungen anzustellen, ist ein Faktor, der für die Einschaltung des Fachgerichts spricht (VerfGBbg, Beschluß vom 15. September 1994 a.a.O. sowie Beschluß vom 20. Oktober 1994 a.a.O.). Das Verwaltungsgericht wird sich etwa damit auseinander zusetzen haben, ob und wieweit Maßnahmen der amtlichen Öffentlichkeitsarbeit überhaupt - und ob und inwieweit die in Frage stehenden Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit -. imstande sind, das Abstimmungsverhalten der Bevölkerung zu beeinflussen. Die vorliegenden Untersuchungen der Medienwirkungsforschung lassen dies nicht als selbstverständlich erscheinen (vgl. Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, Berlin 1991, S. 382).

3. Von einer Verweisung auf den Verwaltungsrechtsweg wäre allerdings abzusehen, wenn dort effektiver Rechtsschutz nicht zu erwarten wäre (VerfGBbg, Beschluß vom 15. September 1994 a.a.O.). Ein solcher Fall liegt indes nicht vor. Selbst wenn im Hinblick auf den näherrückenden Abstimmungstermin über die Fusion (5. Mai 1996) eine rechtzeitige Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr möglich wäre, steht dem Beschwerdeführer das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO zur Verfügung. Im Rahmen eines solchen Verfahrens hat das angerufene Verwaltungsgericht unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs gegebenenfalls einstweiligen Rechtsschutz sicherzustellen (BVerfGE 79, 69, 75). “Herabgesetzte Anforderungen an die Erkenntnis der Rechtslage“ sind dem vorläufigen Rechtsschutz unbekannt (Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, 1989, S. 1556 m.w.N.). Nach Erschöpfung des Rechtsweges im Eilverfahren kann sodann das Verfassungsgericht jedenfalls dann angerufen werden, wenn die verwaltungsgerichtliche Hauptsacheentscheidung zu spät käme (BVerfGE 79, 69, 73).

4. Die Entscheidung ist mit 7 Stimmen gegen eine ergangen.

Dr. Macke Prof. Dr. von Arnim
Dr. Dombert Prof. Dr. Harms-Ziegler
Dr. Knippel Prof. Dr. Mitzner
Prof. Dr. Schöneburg Weisberg- Schwarz