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VerfGBbg, Beschluss vom 30. November 2018 - VfGBbg 19/18 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - EMRK, Art. 8
- LV, Art. 26 Abs. 1; LV, Art. 52 Abs. 4
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
- BGB, § 1685
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unbegründet
- Umgangsrecht der Großeltern
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 30. November 2018 - VfGBbg 19/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 19/18




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

1.      W.,

2.      W.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigte               r. Rechtsanwälte,

 

beteiligt:

1.      Präsident
des Brandenburgischen Oberlandesgerichts,
Gertrud-Piter-Platz 11,
14770 Brandenburg an der Havel,

2.      Dr. W.,

Verfahrensbevollmächtigte zu 2.      Rechtsanwälte S., F. & Partner,

wegen            Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. Januar 2018 (13 UF 152/17)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 30. November 2018

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

 

A.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen eine Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in einer familienrechtlichen Angelegenheit.

I.

Die Beschwerdeführer sind die Großeltern zweier Kinder der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Äußerungsberechtigte). Der Sohn der Beschwerdeführer und Ehegatte der Äußerungsberechtigten verstarb im Jahr 2013 während eines Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Die Beschwerdeführer und die Äußerungsberechtigte konnten sich im weiteren Verlauf nicht auf ein Umgangsrecht der Beschwerdeführer in Bezug auf die minderjährigen Kinder einigen.

Im Ausgangsverfahren vor dem Amtsgericht Senftenberg holte das Gericht ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten vom 9. April 2017 ein und gewährte den Beschwerdeführern mit Beschluss vom 22. September 2017 das Recht, 14-tägig begleiteten Umgang mit ihren Enkelkindern in der Erziehungs- und Familienberatungsstelle in Senftenberg wahrzunehmen. Gegen diesen Beschluss legte die Äußerungsberechtigte Beschwerde ein mit der Begründung, der Umgang diene nicht dem Wohl der Kinder. Der Beschwerdeführer zu 2. habe sie im Rahmen eines Beratungsgespräches erneut erniedrigt und beleidigt, nachdem er im Termin vor dem Amtsgericht noch eine Entschuldigung verlesen habe. Sie werde von den Beschwerdeführern ignoriert und ausgegrenzt, könne auch die angeordneten Umgangszeiten aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit als Zahnärztin nicht einhalten.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht sah von einer weiteren Anhörung ab und wies die Anträge der Beschwerdeführer unter Abänderung der Ausgangsentscheidung des Amtsgerichts Senftenberg mit Beschluss vom 17. Januar 2018 ab. Ein Umgangsrecht stehe den Beschwerdeführern nicht zu. Ein solcher Umgang diene nicht dem Wohl des Kindes. Anders als die Beschwerdeführer meinten, bestehe dafür keine gesetzliche Vermutung, vielmehr sei ein positiver Nachweis erforderlich, dass der Umgang dem Kindeswohl diene. Dies beurteile sich allein aus dem Blickwinkel des Kindes, das Umgangsrecht sei um des Kindes willen eingeräumt. Die abstrakte Möglichkeit, dass der Kontakt mit Verwandten aus der Herkunftsfamilie förderlich sein könnte, reiche insofern nicht aus. Es müsse feststehen, dass der Umgang für die Entwicklung des Kindes, aller seelischen und erzieherischen Aspekte sowie seiner vorhandenen Bindung an die den Umgang verlangenden Verwandten dienlich sei. Dies sei vorliegend nicht gegeben. Dem Gutachten sei zu entnehmen, dass sich ein Umgang unter den gegenwärtigen Bedingungen auf die Kinder und ihr Wohl abträglich auswirke. Die Kinder seien dem Spannungsverhältnis zwischen Mutter und Großeltern schutzlos ausgeliefert. Auch begleiteter Umgang, wie ihn der Sachverständige empfohlen habe, komme nicht in Betracht, da die Beteiligten zur Konfliktlösung offenkundig nicht bereit oder in der Lage seien. Es komme auch nicht darauf an, wie es zu dem Konflikt zwischen den beteiligten Erwachsenen gekommen sei. Entscheidend sei insoweit, dass die Auseinandersetzung die Kinder so sehr belaste, dass sie sich auf eine Ablehnung des Umgangs mit den Beschwerdeführern festgelegt hätten. Anhaltspunkte für eine Kindswohlgefährdung durch Unterbleiben einer Umgangsregelung bestünden - anders als das Amtsgericht dies angenommen habe - aus Sicht des Senats nicht. Es habe kein so enges Verhältnis zwischen den Kindern und den Beschwerdeführern bestanden, dass von dem weiteren Unterbleiben persönlicher Kontakte eine Gefahr für ihr körperliches, geistiges und seelisches Wohl ausgehen könnte. Der Beschluss wurde den Beschwerdeführern am 29. Januar 2018 zugestellt.

II.

Am 28. März 2018 haben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie rügen eine Verletzung des Rechts auf faires Verfahren (Art. 52 Abs. 4 Landesverfassung - LV) und des Grundrechts auf Schutz von Ehe und Familie (Art. 26 Abs. 1 LV).

Die Auslegung des Familiengrundrechts habe auf Grundlage von Art. 8 EMRK zu erfolgen. Insoweit umfasse das Familienleben auch nahe Verwandte wie die Großeltern. Das Oberlandesgericht habe in Bezug darauf eine unrichtige Anschauung von Bedeutung und Tragweite des Grundrechts an den Tag gelegt. Die Rechte der Großeltern im Hinblick auf die Gewährung von Umgang mit ihren Enkelkindern seien im Lichte von Art. 8 der Menschenrechtskonvention (EMRK) auszulegen. Dem familienpsychologischen Sachverständigengutachten sei zu entnehmen, dass sich die Kinder nicht in einem Loyalitätskonflikt zwischen den Beschwerdeführerin und der Antragsgegnerin befänden. An mehreren Stellen habe der Gutachter festgestellt, dass die Beziehung zwischen den Kindern und den Beschwerdeführern unauffällig gewesen sei und die Vorenthaltung durch die Äußerungsberechtigten allein auf deren persönliche Begrenztheit zurückzuführen sei. Eine eigenständige Beziehungserfahrung der Kinder mit den Großeltern sei für deren Entwicklung förderlich. Daraus sei zu schließen, dass der Umgang mit den Beschwerdeführern auch dem Kindeswohl diene, das Oberlandesgericht habe jedoch den Anspruch der Beschwerdeführer auf Umgang gleichwohl versagt, weil es die Aussagen des Gutachtens verzerrt wiedergegeben habe. Dadurch sei auch das Grundrecht auf faires Verfahren verletzt.

III.

Die Äußerungsberechtigte und das Brandenburgische Oberlandesgericht haben Gelegenheit zu Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet, so dass es keiner Entscheidung bedarf, ob die Beschwerdeschrift noch den sich aus § 20 Abs. 1, § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) ergebenden Anforderungen an die Begründung genügt (vgl. dazu Beschluss vom 16. März 2018 - VfGBbg 56/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. Nachw.).

Es liegt weder eine Verletzung des Grundrechts auf Schutz von Ehe und Familie (Art. 26 Abs. 1 LV) noch des Grundrechts auf faires Verfahren (Art. 52 Abs. 4 LV) vor.

Weder der Beschwerdeschrift noch den angegriffenen Entscheidungen sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass das Oberlandesgericht Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Ehe und Familie verkannt haben könnte. Die Elternrechte aus Art. 27 Abs. 2 LV sind speziellere Bestimmungen zu denen aus Art. 26 Abs. 1 LV (vgl. zu Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, BVerfGE 104, 373, 384). Die Beziehung zwischen den Beschwerdeführern und deren Enkeln steht in Konkurrenz zu den spezielleren Elternrechten (hier der Äußerungsberechtigten), die denen der Großeltern vorgehen. Den Großeltern stehen in der Regel keine grundrechtlich geschützten Positionen zu, die denen der Eltern entgegen gehalten werden können (zum Bundesrecht: BVerfGE 19, 323, 329; Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 8, 5. Auflage 2008, § 1685 Rn 16). Weder die Regelungen der EMRK noch die Vorschriften des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention), die ebenfalls von Art. 2 Abs. 3 LV erfasst werden, reichen im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Großeltern und Enkeln weiter. Sie schützen in erster Linie die Rechte des Kindes in Bezug auf die Eltern und erst nachrangig die anderer Familienangehöriger (vgl. Beschluss vom 15. Juli 2011- VfGBbg 1/11 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Zwar umfasst das Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK zumindest - auch - nahe Verwandte - zum Beispiel Großeltern und Enkel -, da sie innerhalb der Familie eine beachtliche Rolle spielen können. Die Achtung des so verstandenen Familienlebens begründet für den Staat die Verpflichtung, in einer Weise zu handeln, die die normale Entwicklung dieser Beziehung ermöglicht (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte - EGMR -, Urteil vom 13. Juni 1979, NJW 1979, 2449, 2452). Davon ausgehend richtet sich der Anspruch der Beschwerdeführer auf Umgang mit ihren Enkelkindern aber weiterhin nach den nationalen Rechtsnormen, hier § 1685 Abs. 1 BGB. Das Oberlandesgericht hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers keine Vermutung dafür spricht, dass der Umgang der Großeltern mit den Enkelkindern dem Kindeswohl diene. Die in § 1685 BGB erfolgte Erweiterung des Kreises der Umgangsberechtigten steht vielmehr unter dem Vorbehalt des positiven Nachweises, dass der Umgang mit den Verwandten dem Kindeswohl dient. Dies ist allein aus dem Blickwinkel des Kindes zu beurteilen, denn trotz des nachvollziehbaren Interesses von Großeltern an der Kontaktpflege mit ihren Enkelkindern Ist ihnen das nach § 1685 BGB mögliche Umgangsrecht nicht um ihrer selbst, sondern um des Kindes willen eingeräumt worden (Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht. 6. Aufl. § 1685 BGB, Rn. 1; OLG Koblenz, FamRZ 2016, 391; FamRZ 2000, 1111). Das Umgangsrecht der in § 1685 BGB genannten Personen muss deshalb im Wesentlichen als ein treuhänderisches und dienendes Recht charakterisiert werden. Die abstrakte Möglichkeit, dass der Kontakt des Kindes mit weiteren Verwandten aus seinen Herkunftsfamilien förderlich sein kann, reicht nicht aus. Es muss vielmehr feststehen, dass der Umgang für die Entwicklung des Kindes und sein Wohl unter Berücksichtigung der gesamten Lebenssituation des Kindes, aller seelischen, körperlichen und erzieherischen Aspekte sowie seiner vorhandenen Bindungen an den Umgang verlangende Verwandte dienlich ist (OLG Koblenz, FamRZ 2016, 391). Vertretbar ist es daher, insbesondere bei unüberbrückbaren Differenzen zwischen den Eltern und den Großeltern im Einzelfall davon auszugehen, dass der Umgang mit diesen nicht dem Kindeswohl entspricht (vgl. OLG Celle, NJW-RR 2011, 1512, OLG Hamm, FamRZ 2010, 909; OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 915; OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 883).

Davon ausgehend ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Oberlandesgericht die Aussagen des Sachverständigen, wonach ein Umgang zwischen den Beschwerdeführerin und den Enkelkindern nicht formal verordnet werden solle, als tragend für seine Entscheidung hervorhebt. Anders als die Beschwerdeführer meinen, hat das Gericht die Aussagen des Sachverständigen auch nicht verzerrt wiedergegeben, sondern lediglich die im Gutachten wiedergegebene Einschätzung anders gewichtet als die Beschwerdeführer. Eine grundlegende Verkennung ihrer Grundrechte folgt daraus jedoch nicht.

Dementsprechend können die Beschwerdeführer auch nicht begründen, dass das Oberlandesgericht durch seine Entscheidung das Grundrecht auf faires Verfahren (Art. 52 Abs. 4 LV) verletzt hat. Soweit - entweder abgeleitet aus dem Grundrecht des Art. 26 Abs. 1 LV oder unmittelbar aus dem Anspruch auf faires Verfahren nach Art. 52 Abs. 4 LV - auch verfahrensrechtliche Gewährleistungen folgen, sind diese unter Berücksichtigung des Vorbringens aus der Beschwerdeschrift ebenfalls erkennbar nicht verletzt. Der Grundrechtsschutz beeinflusst zwar weitgehend die Gestaltung und Anwendung des Verfahrensrechts; das gerichtliche Verfahren muss deshalb in seiner Ausgestaltung geeignet und angemessen sein, der Durchsetzung der materiellen Grundrechtspositionen wirkungsvoll zu dienen. In Kindschaftssachen muss es insbesondere geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (Beschluss vom 18. März 2011 - VfGBbg 56/10 -, a. a. O.). Insoweit gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren als allgemeines Prozessgrundrecht, dass der Richter das Verfahren so gestaltet, wie es die Parteien von ihm erwarten dürfen. Er darf sich nicht widersprüchlich verhalten oder aus eigenen, ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile ableiten und ist allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet (vgl. Beschlüsse vom 15. Juni 2017 - VfGBbg 61/16 -, vom 11. Dezember 2015 - VfGBbg 55/14 - und vom 26. August 2011 - VfGBbg 12/11 - , https://verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfGE 69, 381, 387). Das Grundrecht schützt die Beschwerdeführer aber nicht davor, dass das Gericht ihre Rechtsauffassungen und rechtlichen Beurteilungen nicht teilt und zu einer abweichenden (womöglich auch unzutreffenden, nicht jedoch verfassungswidrigen) Auffassung gelangt.

Schließlich ist der Entscheidung des Oberlandesgerichts nachvollziehbar zu entnehmen, dass es sich auch mit den für die Beschwerdeführer sprechenden Umständen auseinandergesetzt, im Ergebnis jedoch vertretbar angenommen hat, dass unter den gegebenen Umständen eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung eine Umgangsregelung zugunsten der Beschwerdeführer nicht gebietet.

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Nitsche Partikel
   
Schmidt