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VerfGBbg, Beschluss vom 29. Dezember 2020 - VfGBbg 24/20 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 30 Abs. 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 2
- ZPO, § 850k
Schlagworte: - Pfändungs- und Einziehungsverfügung
- Finanzamt
- Steuerschuld
- Kontopfändung
- Antrag unzulässig
- Rechtsschutzbedürfnis
- Fachgerichtlicher Rechtsschutz
- Subsidiarität
- Pfändungsschutzkonto
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 29. Dezember 2020 - VfGBbg 24/20 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 24/20 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 24/20 EA

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

T.,

Antragsteller,

wegen

Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamts Eberswalde vom 25. November 2020 - 3065/281/02326 - EB12 -1940/20 F; Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 29. Dezember 2020

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck und Heinrich‑Reichow

beschlossen: 

 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.


 

Gründe:

A.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamts Eberswalde vom 25. November 2020 bezüglich einer mit Bescheid vom 14. September 2020 festgesetzten Steuerschuld.

Der Antragsteller macht geltend, sein Konto sei derzeit, wie stets, im Soll. Ihm werde die Möglichkeit genommen, Lebensmittel zu kaufen und die Fahrten zu seiner Arbeitsstätte zu bezahlen. Das Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 19. März 2020 (Steuerliche Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Coronavirus - BStBl I 2020, 262) verbiete Kontopfändungen bis zum 31. Dezember 2020. Art. 12 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) sei verletzt, da diese Regelung für alle Betroffenen gelte, nicht aber für den Antragsteller. Das Finanzamt verstoße zudem gegen den sogenannten Weihnachtsfrieden. Zwar habe das angerufene Finanzgericht das Finanzamt angewiesen, bis zum 5. Januar 2021 keine weiteren Vollstreckungshandlungen vorzunehmen, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung aber nicht aufgehoben.

Das Finanzgericht habe ihm mitgeteilt, dass ab Januar 2021 ein anderer Senat zuständig sei und der Einzelrichter die Kontopfändung nicht aufheben könne. Daraus folgert der Antragsteller, dass effektiver Rechtschutz wegen der Dringlichkeit nicht mehr gewährleistet sei.

B.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig.

Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) kommt wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses nicht in Betracht. Dieses besteht nur dann, wenn der erstrebte Rechtsschutz nicht auf anderem, einfacherem Wege erreichbar ist (vgl. Beschlüsse vom 5. Mai 2020 - VfGBbg 5/20 EA -, vom 15. Juni 2018 - VfGBbg 2/18 EA - und vom 11. Juli 2016 - VfGBbg 9/16 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.). Ein Tätigwerden des Verfassungsgerichts ist in aller Regel nicht erforderlich, solange und soweit Rechtsschutz durch die Fachgerichtsbarkeit in Anspruch genommen werden kann oder das Anliegen auf andere Weise erreicht werden kann. Insoweit gilt auch im Verfahren nach § 30 VerfGGBbg der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. Beschluss vom 16. September 2011 - VfGBbg 5/11 EA -, https://verfassungs­gericht.brandenburg.de). Der Antragsteller hat die Entscheidung des Finanzgerichts im dort anhängigen Eilverfahren abzuwarten.

Zudem kann der Antragsteller den Schutz der pfändungsfreien Anteile seines Kontoguthabens für die Zukunft durch die Beantragung eines Pfändungsschutzkontos gemäß § 850k Zivilprozessordnung (ZPO) bei seiner Bank erreichen. Er kann gemäß § 850k Abs. 7 Satz 2 ZPO jederzeit verlangen, dass das Kreditinstitut sein Girokonto als Pfändungsschutzkonto führt.

Eine Entscheidung ist auch nicht ausnahmsweise in entsprechender Anwendung von § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg geboten. Nach dieser Vorschrift kann das Verfassungsgericht im Ausnahmefall über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen wird. Dies gilt auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. Beschlüsse vom 5. Mai 2020 ‌‑ VfGBbg 5/20 EA - und vom 19. Mai 2020 - VfGBbg 6/20 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Jedoch sind die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Dass dem Antragsteller, der den Einspruch gegen den Steuerbescheid bislang nicht begründet und beim Finanzgericht auch keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Steuernachforderung gestellt hat, durch die vorangehende Anrufung der Fachgerichte ein solcher Nachteil drohen könnte, der eine sofortige Entscheidung des Verfassungsgerichts rechtfertigen könnte, ist auch vor dem Hintergrund, dass im nächsten Jahr ein anderer Senat zuständig ist, nicht erkennbar.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen (§ 30 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg). Er ist unanfechtbar (§ 30 Abs. 3 Satz 2 VerfGGBbg).

 

 

 

 

Dr. Becker

Dresen

Dr. Finck

Heinrich-Reichow