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VerfGBbg, Beschluss vom 29. August 2014 - VfGBbg 9/14 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 12 Abs. 1; LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2; LV, Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1
- VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
- ZPO, § 253 Abs. 2 Nr. 2
Schlagworte: - Willkürverbot
- Anspruch auf rechtliches Gehör
- Anspruch auf ein faires Verfahren
- Begründungserfordernis
- Streitgegenstand
- Dispositionsmaxime
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 29. August 2014 - VfGBbg 9/14 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 9/14




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

     H.,

 

                                          Beschwerdeführer,

 

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt N.,

                           

 

 

wegen des Urteils des Landesgerichts Potsdam vom 25. September 2013 und des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 27. No-v­em­ber 2014 (7 S 91/12)

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Ver­­­fassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchs­loch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

am 29. August 2014

 

b e s c h l o s s e n :

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

 

G r ü n d e :

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Ent­schei­­dungen des Land­­gerichts als Berufungsgericht in einer zivilrechtlichen Stre­i­­­tigkeit.

 

I.

1. Der Beschwerdeführer wurde vor dem Amtsgericht Luckenwalde von dem Inhaber eines Sachverständigenbüros (nachfolgend: Klä­ger) auf Zah­lung einer Ver­gütung in Höhe von 608,70 Euro für ein PKW-Schaden-Gut­achten in Anspruch genom­men. Der Kläger hatte diese Vergütung vorprozessual mit Rechnung vom 28. April 2009 eingefordert. Das Amtsgericht gab der Klage mit Urteil vom 20. Sep­tem­ber 2012 statt. Der Beschwerdeführer habe mit einer E-Mail vom 28. April 2009 den Erhalt des Gutachtens bestä­­­tigt. Er sei zu dessen Abnahme verpflichtet gewesen; wesent­­­liche Mängel des Gut­achtens habe er nicht vor­ge­tragen. Da er mit der E-Mail die Abnahme endgültig ver­wei­gert habe, sei die Setzung einer Frist zur Abnahme nicht erfor­derlich gewe­­­sen.

 

2. Der Beschwerdeführer legte gegen das Urteil Berufung zum Land­­­g­e­richt Potsdam (Landgericht) ein. Seine E-Mail vom     28. Ap­ril 2009 habe sich nicht auf das streitgegenständliche, ihm erst mit der Klageschrift bekannt gewordene Gutachten be­zo­­gen, sondern auf einen von diesem teilweise abweichenden Ent­­wurf vom 24. April 2009. Der Klä­ger habe ihm den Entwurf vor­ab zur Ein­sicht­nahme per E-Mail über­­sandt und als ohne Anla­gen nicht ver­wendbar bezei­ch­­­net.

 

Das Land­gericht wies die – nur in Bezug auf vom Amtsgericht zuerkannte Nebenforderungen erfolgreiche - Berufung mit Urteil vom 25. Sep­­tem­ber 2013 im Wesentlichen zurück (7 S 91/12). Der Klä­ger habe zwar nicht hin­rei­chend dar­­ge­legt, dass sich die E-Mail des Beschwerdeführers vom 28. A­p­ril 2009 tatsächlich auf das mit der Klage ein­gereichte Gut­­ach­ten bezöge; jedoch han­dele es sich bei dem von ihm über­­­mittelten Gut­ach­ten­(ent­wurf) vom 24. Ap­ril 2009 bereits um ein abnahmefähiges, vom Beschwer­deführer zu vergütendes Werk. Es sei auch ohne Anlagen voll­­ständig und auf das Vor­han­den­sein von Mängeln überprüfbar. Sol­­che habe der Beschwer­de­füh­rer nicht dargetan. Insbesondere sei unerheblich, dass die mit der Kla­ge eingereichte Gut­ach­ten­­­­­version gegenüber der vom 24. Ap­ril 2009 weitere PKW-Aus­stat­­­t­ungs­merkmale aufführe; denn beide – einen Totalschaden kon­­statierende – Versionen wiesen den­­­sel­ben Wiederbeschaf­fungs­­­­wert aus. Nach Zustellung des Urteils am 30. September 2013 erhob der Beschwerdeführer am 14. Oktober 2013 Anhö­rungs­rüge, die das Landgericht zurück­wies; den ent­spre­­­chenden Beschluss vom 27. November 2013 (7 S 91/12) erhielt der Beschwer­deführer am 2. Dezember 2013.

 

II.

1. Mit der am Montag, den 3. Februar 2014 eingegangenen Ver­fas­­­sungs­beschwerde macht der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 12 Abs. 1 der Lan­des­ver­fas­sung (LV) sowie eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 (rechtliches Gehör) und Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 (fai­res Verfahren) geltend. Mit dem Abstellen auf die Gut­­ach­ten­version vom 24. April 2009 habe das Landgericht dem Klä­ger eine Vergütung für ein „Werk“ zugesprochen, das dieser selbst gar nicht als Werk, sondern nur als Entwurf angesehen habe, auf den die Klage nicht gestützt wor­­den sei. Diese eigen­­­­mäch­ti­ge Ver­än­de­rung des Strei­­­­t­­ge­gen­stan­­des verletze in will­­­kür­li­cher Weise die Dis­po­si­­­­­tionsmaxime und die Grundsätze des fai­ren Ver­fah­rens. Das Land­­­gericht könne auch nicht die Rech­­nungs­­legung des Klägers igno­­riert haben; denn diese sei Vor­­aus­­setzung für die Fäl­lig­­­keit der zugesprochenen Vergütung. Da­­nach sei das Land­­ge­richt impli­­zit davon ausgegangen, die Rech­­nung des Klä­gers vom 28. April 2009 beziehe sich auf den Gut­achtenentwurf vom 24. Ap­ril 2009. Diese Annahme sei jedoch will­­­kürlich, weil sie dem bei­der­­­seitigen Parteivortrag wider­spre­che.

 

2. Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezo­gen.

 

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungs­ge­richts­­­­gesetz Bran­den­burg (VerfGGBbg) als unzulässig zu ver­wer­fen.

 

1. Soweit sie sich gegen den die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss vom 27. November 2013 richtet, fehlt dem Beschwer­de­füh­­­rer das Rechtsschutzbedürfnis. Die Zurückweisung der Anhö­rungs­­rüge ist mit der Verfassungsbeschwerde nicht angreifbar, weil sie keine eigenständige Beschwer schafft. Sie lässt allen­­­falls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung ein­ge­tre­­tene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbst­­­korrektur durch das Fachgericht unterbleibt. Ein schutz­wür­­­diges Interesse an einer – zusätzlichen – verfassungs­ge­richt­­lichen Überprüfung der Gehörsrüge­ent­schei­dung besteht nicht (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 15. Mai 2014 – VfGBbg 49/13 -, www.verfassungsgericht.bran­den­burg.de).

 

2. Im Übrigen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Be­grün­­­­dungsan­for­­derungen aus § 20 Abs. 1 Satz, § 46 VerfGGBbg; der Beschwer­deführer zeigt mit ihr seine Beschwerdebefugnis im Sin­ne der Möglichkeit, durch das Urteil des Landgerichts vom 25. September 2009 in seinen Grund­rechten verletzt zu sein, nicht auf.

 

Die Feststellung des Sachverhalts und dessen Bewer­tung durch Anwendung und Auslegung des einfachen prozessualen und mate­riel­­len Rechts obliegen den Fach­gerichten. Sie sind der Über­prü­fung durch das Verfas­sungs­ge­richt weitgehend ent­zogen. Die Ver­­fassungsbeschwerde ist kein weiteres, eine höhere Instanz eröff­nendes Rechtsmittel zur Gewährleistung einer (ein­­fach­recht­­lich) möglichst rich­­­­ti­gen Entscheidung, sondern ein außer­­­ordentlicher Rechtsbe­­­helf zum Schutz vor spezifischen Grund­­­rechtsverletzungen. Daher ist ein Einschreiten des Ver­fas­sungsgerichts gegen fach­ge­­­richt­li­che Rechtsprechungsakte erst geboten, wenn diese Fehler offenbaren, die auf eine grund­­­legende Verkennung von Bedeu­tung und Reich­­­weite der Grundrechte oder - im Sinne objektiver Willkür - auf das Vor-lie­­­gen sachfremder Erwägungen hinweisen (st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 25. Mai 2012 – VfGBbg 20/12 -, www.verfassungs­ge­richt.brandenburg.de). Dass dem Land­gericht mit dem ange­grif­fenen Urteil vom 25. September 2013 derartige Feh­­ler unter­laufen sein könnten, legt der Beschwerdeführer nicht dar.

 

a. Ein Verstoß gegen das Verbot objektiver Willkür aus Art. 12 Abs. 1 LV setzt eine Rechtsanwendung voraus, die jeden Ausle­gungs- und Bewertungsspielraum überschreitet und damit sach­lich unhalt­­bar erscheint (vgl. Urteil vom 24. Januar 2014 – VfGBbg 2/13 -, ZOV 2014, 13, 16). Dass die Kammer des Land­ge­richts die zi­vil­­pro­zessualen Grundsätze über den Streit­­­ge­gen­stand in dieser Weise gehand­habt und infolgedessen den von ihm zu beurteilen­den Streitgegenstand will­kür­lich geän­dert haben könnte, ist ebenso wenig ersichtlich wie eine willkürliche Beur­tei­lung der Rechnung vom 28. April 2009.

 

aa. Nach gefe­st­ig­ter, an § 253 Abs. 2 Nr. 2 Zivil­pro­zess­ord­nung (ZPO) anknüpfender höchst­richterlicher Recht­spr­e­chung setzt sich der Streit­­ge­gen­stand aus der vom Klä­ger für sich in Anspruch genommenen, in sei­nem Antrag kon­kre­ti­sier­ten Rechts­folge und dem Lebens­sach­­verhalt zusam­men, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge her­leitet (Bun­des­ge­richts­hof - BGH -, Urteil vom 3. April 2003 - I ZR 1/01 -, NJW 2003, 2317, 2318). Zum Lebens­sach­verhalt sind alle Tat­­sa­chen zu rechnen, die bei einer natürlichen Betrach­­­tungs­weise zu dem durch den Kläger zur Entscheidung gestell­ten Tat­­sa­­­ch­en­kom­­plex ge­hören, unab­hän­gig davon, ob sie von den Par­­teien vorgetragen wor­den sind oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – IX ZR 207/11 –, NJW 2013, 540).

 

Das Landgericht hat ausweislich der Wiedergabe des Klä­ger­vor­trags im angegriffenen Urteil im Ausgangspunkt ange­nom­men, der Streit­­­­­ge­gen­stand bestehe aus dem Zah­­­­­lungs­begehren des Klä­gers (Antrag) und des­sen Vor­­­trag, im Auftrag des Beschwer­­deführers das als Anlage zur Kla­ge­schrift eingereichte PKW-Schaden-Gut­­­­ach­­ten erstellt zu haben (Lebenssach­ver­halt). Gleichwohl war für die Kammer nicht aus­schlag­­gebend, ob gerade die­ses Gut­ach­ten dem Beschwer­­­de­­füh­­rer über­­mit­telt worden war, weil ihm der Klä­ger nach den Tat­sa­­ch­en­fest­­­stel­lun­gen der Kammer jeden­falls eine auf den 24. April 2009 datierte Ver­­sion des Gut­ach­tens zukom­­men ließ, die nach ihrer Auf­fas­sung abnah­­me­fä­hig war und sich nur unwesentlich von dem der Kla­­ge­schrift bei­­­­gefügten Gut­­­­­achten unter­scheidet. Diesen Um­stand hat die Kammer offen­kun­­dig als Ergänzung des vom Klä­­­ger unter­­brei­teten Tat­sa­chen­kom­­ple­xes und damit als - die Iden­ti­tät des Streitgegenstandes unbe­rührt lassenden - Teil des Le­bens­sachverhaltes bewertet. Hierin liegt gemessen an dem Be­griff des Streitgegenstandes in seiner höchstrich­ter­li­chen Aus­legung keine willkürliche Umdeu­tung oder Überdehnung des­­sen, was die Parteien als Lebens­­sach­verhalt vor­ge­tra­gen haben.

 

Für die Ermittlung des Streitgegenstandes von vornherein uner­heb­­lich ist, dass der Klä­ger selbst die Gutachtenversion vom 24. April 2009 ledig­­lich als Ent­­­wurf betrach­­tet hat. Diese Ein­schätzung betrifft deren Erfül­­­lung­s­­tauglichkeit und Abnah­mefähigkeit. Hiermit ist die verbindliche recht­li­che Bewer­tung des vom Klä­ger bzw. den Parteien vorgetragenen Lebens­­­­­sach­ver­halts ange­spro­chen; diese jedoch unterfällt allein der umfassenden Prüfungs- und Ent­schei­dungsbefugnis des Gerichts (vgl. nur Voll­kommer, in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 30. Aufl., Ein­lei­tung Rn. 71).

 

bb. Die Begründung des weitergehenden Willkürvorwurfs, das Land­­­­­gericht sei impli­­zit davon ausgegangen, die Rechnung vom 28. April 2009 beziehe sich auf die Gutachtenversion vom    24. Ap­ril 2009, ist durch nichts belegt. Die ihr zugrun­de­lie­gende Rechtsauffassung, die Rechnungslegung sei Vor­­aussetzung für die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs, ist ein­­fach­recht­lich offen­kundig unzutreffend (vgl. nur Grü­ne­berg, in: Palandt, Kom­mentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 73. Aufl., § 271 Rn. 7). Wenn das an­ge­­­­griffene Urteil im Zu­­sam­m­­en­hang mit dem klä­ge­­ri­schen Vergütungsanspruch keine Aus­füh­run­gen über die Rech­nung vom 28. April 2009 enthält, so ist daher da­von aus­­­zuge­hen, das Land­ge­richt habe der Rechnungslegung - in Über­­­ein­stim­mung mit der unstreitigen Rechtslage - insoweit keine Bedeutung bei­ge­mes­sen.

 

b. Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen und in Erman­ge­lung einer über die behaupteten Verstöße gegen das Will­kür­ver­bot hinausgehenden Begründung erscheint ferner eine Verletzung des Anspruch auf ein faires Verfahren aus Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 LV ausgeschlossen.

c. Schließlich entbehrt die Verfassungsbeschwerde auch einer aus­reichenden Begründung, soweit mit ihr eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV gerügt wird. Der Beschwerdeführer trägt nicht vor, dass das Land­­gericht es ihm verwehrt hätte, sich zu den entschei­dungs­er­­heblichen Sach- und Rechtsfra­­gen zu äußern, oder dass es sein Vorbringen zu diesen Fragen nicht berücksichtigt hätte. Er macht weiter nicht geltend, durch die Rechts­an­sicht des Land­­­­­gerichts über­rascht worden zu sein, die Klageforderung sei bereits auf der Grund­lage der Gutachtenversion vom 24. April 2009 begrün­det. Vielmehr ergibt sich aus der Beschwerdeschrift und seinem nicht nach­gelassenen Schrift­satz vom 23. September 2013, dass das Landgericht im Verhandlungstermin vom 4. Sep­tem­­­ber 2013 auf seine diesbezügliche Rechts­an­sicht hin­ge­wie­sen hatte.

 

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Nitsche Partikel
   
Schmidt