Toolbar-Menü
Hauptmenü

VerfGBbg, Beschluss vom 28. Juni 2001 - VfGBbg 13/01 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 6 Abs. 2
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 1; VerfGGBbg, § 48 Satz 1
- ZPO, § 114
Schlagworte: - Rechtsschutzbedürfnis
- Prozeßkostenhilfe
- Erledigung der Hauptsache
nichtamtlicher Leitsatz: Grundsätzlich kein Rechtsschutzinteresse für Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen eine Gerichtsentscheidung nach Erledigung der Hauptsache.
Fundstellen: - LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 12, 39
- LVerfGE 12, 104
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 28. Juni 2001 - VfGBbg 13/01 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 13/01



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

M.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt M.,

gegen das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 15. August 2000 und gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28. Februar 2001

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr.Jegutidse, Dr. Knippel und Weisberg-Schwarz

am 28. Juni 2001

b e s c h l o s s e n :

  1. Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

  2. Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

I.

Der Beschwerdeführer ist Gemeindevertreter der zum Amt G. gehörenden Gemeinde K.. Auf der Tagesordnung der Sitzung des Amtsausschusses vom 13. März 2000 stand die Wiederwahl des Amtsdirektors. Unter dem 23. Februar 2000 richtete der Beschwerdeführer einen „offenen Brief“ an die Gemeindevertreter im Amt G., in dem er sich mit der Amtsführung des Amtsdirektors auseinandersetzte und die Gemeindevertreter aufforderte, auf eine Ausschreibung der Amtsdirektorenstelle hinzuwirken. Der Amtsdirektor stellte darauf unter dem 8. März 2000 einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung von insgesamt sechs in dem „offenen Brief“ enthaltenen Äußerungen. Mit Beschluß vom 9. März 2000 untersagte das Amtsgericht dem Beschwerdeführer – wegen Dringlichkeit der Sache ohne mündliche Verhandlung – im Wege der einstweiligen Verfügung, wörtlich oder sinngemäß fünf dieser Äußerungen – Nr. 1 und 3 bis 6 – aufzustellen und/oder zu verbreiten. Nach seiner Wiederwahl am 13. März 2000 erklärte der Amtsdirektor die Hauptsache für erledigt. Ungeachtet dessen erhob der Beschwerdeführer Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung. Mit Urteil vom 15. August 2000 hob das Amtsgericht die einstweilige Verfügung zu zwei der verfahrensgegenständlichen Äußerungen – Nr. 3 und 4 – auf und wies den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung insoweit zurück. Im übrigen stellte das Amtsgericht fest, daß die Hauptsache erledigt sei. Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer Berufung ein. Das Landgericht wies die Berufung mit Urteil vom 28. Februar 2001 zurück und änderte auf die Anschlußberufung des Verfügungsklägers das Urteil des Amtsgerichts teilweise dahingehend ab, daß die Hauptsache auch zu den Äußerungen Nr. 3 und 4 mit der Wiederwahl des Amtsdirektors erledigt, bis dahin aber zulässig und begründet gewesen sei.

Mit seiner am 27. April 2001 bei Gericht eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Landgerichts. Er rügt die Verletzung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung aus Art. 19 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg (Landesverfassung – LV). Das landgerichtliche Urteil führe dazu, daß er bei der Ausübung seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Gemeindevertreter künftig nicht mehr in der Lage sei, seine Meinung frei zu äußern. Er habe vielmehr zu befürchten, bei kontroversen Meinungsäußerungen mit einstweiligen Verfügungen konfrontiert zu werden. Amtsgericht und Landgericht hätten sich nicht mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt, daß sein Recht auf freie Meinungsäußerung beeinträchtigt worden sei. Er habe im politischen Meinungskampf auf kommunaler Ebene gehandelt.

Der Verfügungskläger des Ausgangsverfahrens hat zu dem Verfassungsbeschwerdeverfahren Stellung genommen und hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Sie ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil dafür kein Rechtsschutzbedürfnis anzuerkennen ist.

Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt voraus, daß ein Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung des angegriffenen Hoheitsaktes oder – in bestimmten Fällen – jedenfalls für die Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit besteht (BVerfGE 50, 244, 247). Das Rechtschutzinteresse an der Aufhebung einer gerichtlichen Entscheidung entfällt aber, wenn davon keine nachteiligen Folgen mehr ausgehen (vgl. BVerfGE 33, 247, 255). Dabei reicht die allein in der Kostenentscheidung liegende Beschwer für die Anrufung des Verfassungsgerichts nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der das erkennende Gericht folgt, grundsätzlich nicht aus (s. BVerfGE a.a.O. S. 256). Demzufolge war hier die Verfassungsbeschwerde zu verwerfen. Das zugrundeliegende Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung hat sich mit der Wiederwahl des Amtsdirektors erledigt, weil danach keine Veranlassung mehr bestand, im Wege einer einstweiligen Verfügung eine vorläufige gerichtliche Entscheidung zu treffen und in diesem Sinne der für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung erforderliche sog. Verfügungsgrund entfiel. Eine Entscheidung in der Sache selbst beinhaltet das Berufungsurteil gerade nicht: Der Tenor des Urteils enthält eben nicht das Verbot, bestimmte Äußerungen abzugeben. Soweit sich das Landgericht in den Entscheidungsgründen auf den Standpunkt stellt, daß der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu den Äußerungen zu Nr. 1 und 3 bis 6 zulässig und begründet gewesen sei, entfaltet dies für den Beschwerdeführer nur noch insoweit nachteilige Folgen, als ihm auf dieser Grundlage 5/6 der Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind.

Dem Urteil des Landgerichts kommt – entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers – auch keine faktische Wirkung dahingehend zu, daß er für die Zukunft „mundtot“ gemacht werde. Gegenstand des Ausgangsverfahrens war der „offene Brief“ des Beschwerdeführers, der ersichtlich in unmittelbarem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der anstehenden Wiederwahl des Verfügungsklägers als Amtsdirektors stand. Mit der Wiederwahl des Amtsdirektors hat sich das Ausgangsverfahren erledigt. Verallgemeinerungsfähige Aussagen zur Reichweite und zu den Grenzen der Äußerungsfreiheit des Beschwerdeführers in anderen Zusammenhängen ergeben sich aus dem Berufungsurteil nicht. Daß das auch der Verfügungskläger des Ausgangsverfahrens so sieht, bestätigt sich darin, daß er unmittelbar nach seiner Wiederwahl das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt hat. Er hat damit seinerseits zu erkennen gegeben, daß es ihm nicht darum gegangen sei, den Beschwerdeführer ganz allgemein an kritischen Bemerkungen zu hindern.

III.

Der Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe ist zufolge § 48 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg i. V. m. § 114 Zivilprozeßordnung zurückzuweisen, weil die Verfassungsbeschwerde aus den vorstehenden Gründen keinen Erfolg haben konnte.

Dr. Macke Dr. Dombert
Prof. Dr. Harms-Ziegler Havemann
Dr. Jegutidse Dr. Knippel
Weisberg-Schwarz Prof. Dr. Will