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VerfGBbg, Beschluss vom 28. April 2020 - VfGBbg 4/20 EA -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
EA
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 30 Abs. 1
- ZKG, § 36 Abs. 1 Nr. 3; ZKG, § 48
- GwG, § 10 Abs. 1 Nr. 1; GwG, § 12 Abs. 1
- PAuswG, § 1 Abs. 1 Satz 1
Schlagworte: - einstweilige Anordnung
- einstweilige Anordnung abgelehnt
- Corona-Krise
- Basiskonto
- Vorwegnahme der Hauptsache
- keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache
- Rechtsschutzbedürfnis
- Identitätsnachweis
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 28. April 2020 - VfGBbg 4/20 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 4/20 EA




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

VfGBbg 4/20 EA (PKH)

VfGBbg 4/20 EA

In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren

B.,

Antragsteller,

wegen            Eröffnung eines Basiskontos;

hier:                Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Prozesskostenhilfe

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 28. April 2020

durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Heinrich-Reichow, Sokoll und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

 

Gründe:

 

Der Antragsteller möchte ein Basiskonto bei einer Sparkasse eröffnen und sich dazu nur mit der Chipkarte einer Krankenversicherung mit Lichtbild oder einem „Staatsangehörigkeitsausweis des Freistaats Preußen“ ausweisen.

A.

I.

Die Mittelbrandenburgische Sparkasse (MBS) in Potsdam lehnte am 23. Mai 2019 den Abschluss eines Vertrags über ein Basiskonto mit dem Antragsteller ab. Der Antragsteller beantragte daraufhin die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens gemäß § 48 Zahlungskontengesetz (ZKG). Die Anordnung des Abschlusses des Vertrags gemäß § 49 ZKG wurde mit Bescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom 19. Juni 2019 abgelehnt.

Den Widerspruch wies die BaFin mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2019 zurück. Die Sparkasse habe gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZKG den Vertragsschluss ablehnen können, weil sie ihre eigenen Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die Aufnahme und das Unterhalten einer Geschäftsbeziehung zum Antragsteller nach dem Geldwäschegesetz nicht habe erfüllen können. Der Antragsteller habe sich nicht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 Geldwäschegesetz (GwG) identifiziert. Die Überprüfung der Identität erfolge gemäß § 12 Abs. 1 GwG in erster Linie durch die Vorlage eines gültigen amtlichen Ausweises. Die vorgelegte Chipkarte der Krankenversicherung oder der „Staatsangehörigkeitsausweis des Freistaats Preußen“ seien nicht geeignet, den Identitätsnachweis im Sinne des § 12 GwG zu erbringen.

Der Antragsteller beantragte unter dem 23. August 2019 beim Landgericht Potsdam im Wege einer einstweiligen Verfügung, die BaFin zu verpflichten, gegenüber der MBS anzuordnen, einen Basiskontovertrag mit ihm abzuschließen. Das Landgericht Potsdam wies den Antrag mit Beschluss vom 26. August 2019 (8 O 236/19) zurück. Wie der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts dem Antragsteller unter dem 2. Januar 2020 mitteilte, habe der Beschluss nicht unter der angegebenen Adresse zugestellt werden können. Mit weiterem Schreiben vom 17. Januar 2020 wurde mitgeteilt, dass der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts für den vom Antragsteller am 10. Dezember 2019 gestellten „Notantrag“ für den Zugang zu einem Zahlungskonto nicht zuständig sei.

II.

Der Antragsteller hat sich am 16. April 2020 an das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gewandt und den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Gewährung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren beantragt.

Er trägt vor, dass der Ausschluss vom bargeldlosen Zahlungsverkehr seine elementaren Menschenrechte verletze. Durch die erzwungene Barzahlung in der „Corona-Krise“ werde er vom Gewaltmonopol des Landes Brandenburg genötigt, sich zusätzlich vermeidbaren Kontakten auszusetzen, womit die Behörden mit einer Infizierung durch den Corona-Virus die Verletzung seiner körperlichen Unversehrtheit billigend in Kauf nähmen. Die Sache sei daher besonders dringlich. Das Landgericht Potsdam und das Brandenburgische Oberlandesgericht hätten das rechtliche Gehör verweigert. Nach Artikel 16 der Richtlinie 2014/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 stehe ihm der Zugang zu Zahlungskonten auch in der Bundesrepublik Deutschland zu. Dieser Zugang werde ihm von der MBS Potsdam und der BaFin verweigert. Die BaFin habe die Identifizierung durch Chipkarte einer gesetzlichen Krankenkasse mit Lichtbild verboten. Damit werde das Recht aus Artikel 13 Abs. 1 (a) der Richtlinie 2018/843/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 gebeugt, der nur vorsehe, dass die Dokumente von einer glaubwürdigen und unabhängigen Quelle stammen müssten. Er werde von der Sparkasse und der BaFin erpresst, nur gegen Vorlage eines Personalausweises oder Reisepasses der Bundesrepublik Deutschland einen Basiskontovertrag abschließen zu können.

Der Antragsteller beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung anzuordnen,

1.   dass die Mittelbrandenburgische Sparkasse Potsdam (MBS) verpflichtet wird, mit dem Antragsteller einen Basiskontovertag dem Zweck von EU-Richtlinie folgend abzuschließen;

 

2.   dass die Dokumente für den Identitätsnachweis auf die „staatlichen Dokumente des Völkerrechtssubjekts und Staates Freistaat Preußen“ des Antragstellers ausgeweitet und nicht auf die Pass- und Ausweispflicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 1 Geldwäschegesetz (GwG) der Bundesrepublik Deutschland beschränkt werden;

 

3.   dass ersatzweise der Identitätsnachweis durch Chipcharte der gesetzlichen Krankenkasse der BRD mit Lichtbild des Antragstellers anerkannt wird, wobei das Verfassungsgericht zu begründen habe, durch welchen „völkerrechtswirksamen Akt“ von der Sparkasse auf „preußischem Staatshoheitsgebiet den beurkundeten Staatsangehörigen des Völkerrechtssubjekts Freistaat Preußen“ der Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr durch die Banken verweigert werde.

B.

Der Antrag hat keinen Erfolg; er ist unzulässig.

Gemäß § 30 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBBg) kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dass solche Gefahren als Anordnungsgrund bestehen, ist gemäß § 13 VerfGGBbg i. V. m. § 123 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) vom Antragsteller schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. Beschluss vom 20. September 2019 - VfGBbg 9/19 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Hinsichtlich der Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. Beschluss vom 20. September 2019 - VfGBbg 9/19 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.).

Ein besonders strenger Maßstab gilt zudem, wenn die einstweilige Anordnung nicht nur bis zur Entscheidung über die Hauptsache einen Zustand vorläufig regelt, sondern das Ergebnis der Hauptsache vorwegnimmt (vgl. Beschluss vom 25. Februar 2020 - VfGBbg 1/20 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Durch den Erlass der einstweiligen Anordnung darf grundsätzlich nichts gewährt werden, was nicht auch Ergebnis des Verfahrens in der Hauptsache sein könnte (vgl. Beschluss vom 25. Februar 2020 - VfGBbg 1/20 EA -, https://verfassungsgericht.branden-burg.de). Ob der Erlass einer einstweiligen Anordnung bei glaubhaft gemachtem Anordnungsgrund dringend geboten ist, ist zwar nach Maßgabe einer Folgenabwägung und grundsätzlich unabhängig von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu beurteilen. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich der Antrag in der Hauptsache von vornherein als unzulässig oder als offensichtlich unbegründet erweist (vgl. Beschluss vom 17. Juli 1997 - VfGBbg 21/97 EA -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Ist absehbar, dass der Antrag in der Hauptsache keinen Erfolg haben kann, dann ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht geboten.

Das ist hier der Fall. Eine noch als Hauptsache zu erhebende Verfassungsbeschwerde mit dem Inhalt des Antrags beziehungsweise der zur Verfassungsbeschwerde umgedeutete Antrag wäre nach § 21 Satz 1 VerfGGBbg aus mehreren Gründen als unzulässig zu verwerfen.

1. Es wäre nicht zu erkennen, dass die Beschwerdefrist gewahrt ist. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 VerfGGBbg ist die Verfassungsbeschwerde binnen zweier Monate zu erheben. Seit dem Schreiben des Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 17. Januar 2020 sind annähernd drei Monate verstrichen. Eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde könnte daher bereits verfristet sein.

2. Auch ist nicht erkennbar, dass der Rechtsweg erschöpft ist. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts Potsdam ist nicht vorgelegt oder wenigstens durch inhaltliche Wiedergabe zur Kenntnis gebracht worden. Auch wenn sie dem Antragsteller noch nicht zugestellt worden sein sollte, ist der Rechtsweg nicht erschöpft. Über den weiteren „Notantrag“ des Antragstellers, der dem Verfassungsgericht ebenfalls nicht vorliegt, ist anscheinend nicht mit Urteil oder Beschluss eines Gerichts entschieden worden.

3. Darüber hinaus fehlt dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis. Er kann den Abschluss eines Vertrages über ein Basiskonto mit der MBS in zumutbarer Weise auf einfacherem Wege als mit der Verfassungsbeschwerde erreichen. Er kann sich die von der Sparkasse zum Identitätsnachweis geforderten amtlichen Identifikationspapiere umgehend beschaffen. Aufgrund der bundesrechtlichen Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 Personalausweisgesetz (PAuswG) sind Deutsche im Sinne des Artikel 116 Abs. 1 Grundgesetz ohnehin verpflichtet, einen gültigen Personalausweis zu besitzen, sobald sie 16 Jahre alt sind und der allgemeinen Meldepflicht unterliegen. Gemäß § 3 Abs. 1 PAuswG kann auf Antrag ein vorläufiger Personalausweis sofort ausgestellt werden. Es kann gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Passgesetz (PassG) auch ein Reisepass beantragt werden, der gemäß § 18 Abs. 1 PassG im nichtöffentlichen Bereich als Ausweis- oder Legitimationspapier benutzt werden kann. Das Verfassungsgericht geht davon aus, dass der Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt [vgl. § 3 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)].

C.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren ist abzulehnen, da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aus den vorgenannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (§ 48 VerfGGBbg in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

D.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar (§ 30 Abs. 3 Satz 2 VerfGGBbg).

 

Möller

Heinrich-Reichow

Sokoll

Dr. Strauß