VerfGBbg, Urteil vom 28. Januar 1999 - VfGBbg 2/98 -
Verfahrensart: |
Organstreit Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 55 Abs. 2; LV, Art. 56 Abs. 2 Satz 1; LV; Art. 67 Abs. 1 Satz 2 - GeschOLT, § 15 Abs. 1 Satz 2; GeschOLT, § 41 Abs. 1 - GG, Art. 73 Nr. 1 |
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Schlagworte: | - Fraktion - Tagesordnung - Parlamentsrecht - Rechtsschutzbedürfnis - Tagesordnung |
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amtlicher Leitsatz: | 1. Dem Präsidium des Landtags kommt bei seiner Entscheidung über die Aufstellung der Tagesordnung für die Landtagssitzungen kein materielles (inhaltliches) Prüfungsrecht zu, das es ihm erlaubt, einen Beratungsgegenstand wegen fehlender Befassungskompetenz des Landes (hier: Landesverteidigung) zurückzuweisen. 2. Der Landtag ist befugt, eine über die Erörterung der eigenen Zuständigkeit hinausgehende Befassung mit einem Beratungsgegenstand abzulehnen, der nicht in seinen Kompetenzbereich fällt. Das Initiativ- und Erörterungsrecht der Abgeordneten findet seine Grenze in der Pflicht des Landtags, die eigene Zuständigkeit zu wahren. 3. Eine Befassung des Landtags mit bundespolitischen Themen kommt in Betracht, wenn das Parlament hierdurch im Rahmen seiner ihm obliegenden Kontrolle der Landesregierung auf deren Verhalten im Bundesrat Einfluß nehmen will. 4. Apelle unmittelbar an die Mitglieder des Deutschen Bundestags, die zu einem bestimmen Abstimmungsverhalten veranlaßt werden sollen, stehen dem Landesparlament nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht zu. |
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Fundstellen: | - DÖV 1999, 385 - DVBl 1999, 708 - NVwZ 1999, 868 - LVerfGE 10, 143 |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Urteil vom 28. Januar 1999 - VfGBbg 2/98 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 2/98

U R T E I L | ||||||||||||||
In dem verfassungsgerichtlichen Verfahren der PDS-Fraktion im Landtag Brandenburg, Antragstellerin, Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. D. & Partner, gegen 1. den Präsidenten des Landtags Brandenburg, 2. das Präsidium des Landtags Brandenburg, 3. den Landtag Brandenburg, Antragsgegner, Verfahrensbevollmächtigte zu 1. bis 3.: Rechtsanwälte Dr. M., L. und M., betreffend die Zurückweisung eines parlamentarischen Beratungsgegenstands zur Verteidigungspolitik hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg für R e c h t erkannt: Der Beschluß des Präsidiums des Landtags Brandenburg vom 15. Oktober 1997, den Antrag in der Landtagsdrucksache 2/4569 (“Appell zur Verhinderung des Rüstungsprojektes Eurofighter 2000”) nicht auf die Tagesordnung zu setzen, verstößt gegen das Recht der Antragstellerin auf Stellung von Anträgen im Landtag aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1, 67 Abs. 1 Satz 2 Landesverfassung. Im übrigen werden die Anträge teils als unzulässig, teils als unbegründet zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Die Antragstellerin brachte am 14. Oktober 1997 beim Präsidenten des Landtags den Antrag “Appell zur Verhinderung des Rüstungsprojektes Eurofighter 2000" ein. Der Antrag lautete auszugsweise:
Der Präsident des Landtags ließ den Antrag vervielfältigen und als Drucksache 2/4569 verteilen. Am 15. Oktober 1997 beriet das Präsidium des Landtags über die Tagesordnung der nächsten, für den 22./23. Oktober 1997 anberaumten Sitzung des Plenums. Dabei wurde unter anderem erörtert, ob der Antrag aus der Drucksache 2/4569 in die Tagesordnung aufgenommen werden solle. Der Präsident des Landtags äußerte verfassungsrechtliche Bedenken, weil der Beratungsgegenstand nicht in die Kompetenz des Landtags falle. Das Präsidium schloß sich den Bedenken mehrheitlich an und faßte den Beschluß, den Antrag nicht auf die Tagesordnung zu setzen. Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragte die Antragstellerin in der Landtagssitzung vom 22. Oktober 1997, den Antrag aus der Drucksache 2/4569 auf die Tagesordnung dieser Sitzung zu setzen. Der Landtag lehnte die Ergänzung der Tagesordnung nach einer Aussprache mehrheitlich ab. II. Mit dem am 6. Januar 1998 eingeleiteten Organstreitverfahren begehrt die Antragstellerin die Feststellung, daß die Ablehnung einer Aufnahme ihres Entschließungsantrags in die Tagesordnung eine Verletzung ihres Rechts auf Stellung von Anträgen im Landtag aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1, 67 Abs. 1 Satz 2 der Landesverfassung (LV) darstelle. Weiter seien dadurch die Prinzipen der Chancengleichheit aus Art. 55 Abs. 2 Satz 2 LV und des Schutzes parlamentarischer Minderheiten verletzt. Im einzelnen macht sie geltend: 1. Der Antrag sei als Organstreitverfahren gemäß Art. 113 Nr. 1 LV, § 12 Nr. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zulässig. Sie sei als Fraktion im Organstreitverfahren gemäß § 35 i.V.m. § 12 Nr. 1 VerfGGBbg parteifähig, da sie durch die Landesverfassung und die Geschäftsordnung des Landtags mit eigenen Rechten ausgestattet sei. Sie habe ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung. Wenn auch der Antragsgegenstand zwischenzeitlich auf Bundesebene entschieden worden sei, so stehe doch zu befürchten, daß durch das Verhalten der Antragsgegner die Akzeptanz der Brandenburgischen Verfassung und die parlamentarische Demokratie insgesamt erheblichen Schaden nähmen. Der Antrag zu 1. sei in erster Linie gegen den Präsidenten des Landtags gerichtet. Mit dem Beschluß vom 15. Oktober 1997 sei der Sache nach nicht nur die Aufnahme in die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Landtags verweigert, sondern der Beratungsgegenstand generell von einer Behandlung im Plenum ausgeschlossen worden. Eine solche Zurückweisung eines Beratungsgegenstands falle gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Landtags (GeschOLT) in die Zuständigkeit des Präsidenten des Landtags. Dem Präsidium stehe ein Zurückweisungsrecht nicht zu; es entscheide gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 GeschOLT nur über die Tagesordnung. So gesehen habe der Präsident des Landtags auf der Sitzung am 15. Oktober 1997 eine eigene Entscheidung getroffen, für die er lediglich die Unterstützung des Präsidiums in Anspruch genommen habe. Für den Fall, daß das erkennende Gericht dies anders bewerte, sei der Antrag zu 1. außerdem gegen das Präsidium gerichtet. 2. Die Entscheidung des Präsidenten bzw. des Präsidiums des Landtags vom 15. Oktober 1997 verstoße gegen ihr Recht als Fraktion auf Stellung von Anträgen im Landtag aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1, 67 Abs. 1 Satz 2 LV. Der Antrag in der Drucksache 2/4569 habe nicht zurückgewiesen werden dürfen, denn er genüge den formalen Anforderungen der Geschäftsordnung und es liege kein Zurückweisungsgrund nach § 41 Abs. 1 GeschOLT vor. Der Antrag erfülle nicht den Tatbestand einer strafbaren Handlung, greife nicht in die richterliche Unabhängigkeit ein und verstoße nicht gegen die parlamentarische Ordnung. Ein über die Gründe des § 41 Abs. 1 GeschOLT hinausgehendes Zurückweisungsrecht wegen fehlender Zuständigkeit des Landtags sehe die Geschäftsordnung nicht vor. Als bloße Verfahrensordnung dürfe sie in das verfassungsrechtlich garantierte Initiativrecht der Abgeordneten und Fraktionen nicht eingreifen. Unbeschadet dessen sei die gegebene Begründung für die Zurückweisung des Antrags auch inhaltlich unzutreffend. Der Beratungsgegenstand falle in die Kompetenz des Landtags. Zwar betreffe er eine Angelegenheit der Verteidigung, die gemäß Art. 73 Nr. 1 Grundgesetz (GG) zu der ausschließlichen Zuständigkeit des Bundes gehöre. Die Kompetenzzuweisung des Grundgesetzes verbiete aber nur Handlungen von Länderorganen, die die Bundeszuständigkeit beeinträchtigten oder den Bundesgesetzgeber unter Druck setzten. Solche Wirkungen seien dem hier in Rede stehenden Antrag nicht zugekommen. Durch ihn habe kein politischer Druck auf den Bundesgesetzgeber ausgeübt werden sollen, um ihn zu bewegen, eine bereits getroffene Sachentscheidung zu ändern. Der Antrag habe vielmehr auf die im Vorfeld der Entscheidung stattfindende Willensbildung des Bundesgesetzgebers einwirken sollen. Er habe außerdem einen Gegenstand behandelt, der wegen seiner finanziellen Dimension Auswirkungen auf die Bundesländer habe. Auch deshalb sei es legitim gewesen, einen Länderstaatswillen zu bilden und zu äußern. Die Entscheidung des Präsidenten bzw. des Präsidiums des Landtags vom 15. Oktober 1997 führe weiter zu einer Verletzung des verfassungsrechtlich abgesicherten Rechts auf Chancengleichheit aus Art. 55 Abs. 2 Satz 2 LV und des verfassungsrechtlichen Prinzips des Schutzes parlamentarischer Minderheiten. Die Möglichkeit, im Parlament Anträge stellen und diese debattieren lassen zu können, sei für die parlamentarische Minderheit von wesentlicher Bedeutung. Ihr müsse die gleiche Möglichkeit zur politischen Meinungsäußerung zustehen wie der Parlamentsmehrheit. Da der Präsident des Landtags in der Vergangenheit Anträge der Mehrheitsfraktion mit bundespolitischen Bezügen, etwa zu der Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes oder der Verabschiedung des Transplantationsgesetzes durch den Bundestag, nicht mangels Zuständigkeit des Landtags zurückgewiesen habe, führe das jetzige Vorgehen zu einer Ungleichbehandlung und einer Verletzung des Rechts auf Chancengleichheit. 3. Der Beschluß des Landtags in der Sitzung vom 22. Oktober 1997, den Antrag in der Drucksache 2/4569 nicht auf die Tagesordnung dieser Sitzung zu setzen, verstoße ebenfalls gegen die Landesverfassung. Gemäß § 20 Abs. 3 GeschOLT könne der Landtag in Ausnahmefällen vor Eintritt in die Tagesordnung beschließen, diese zu ändern. Nach Sinn und Zweck der Regelung sei ein Ausnahmefall dann gegeben, wenn ein aktueller Anlaß vom Landtag eine sofortige Reaktion erfordere. Die Zurückweisung des Antrags durch den Präsidenten bzw. das Präsidium des Landtags am 15. Oktober 1997 begründe einen solchen Ausnahmefall. Für den Landtag habe in der Sitzung vom 22. Oktober 1997 die Möglichkeit bestanden, die verfassungswidrigen Auswirkungen dieser Entscheidung rückgängig zu machen. Ihren Rechten aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 55 Abs. 2 Satz 2 LV sei im übrigen nicht dadurch Genüge getan worden, daß der Landtag über die Aufnahme des Antrags in die Tagesordnung diskutiert und abstimmt habe. Eine Debatte zur Geschäftsordnung könne die parlamentarische Aussprache in der Sache nicht ersetzen. Die Antragstellerin beantragt festzustellen,
III. Die Antragsgegner halten die Anträge bereits für unzulässig. Der Antragstellerin fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Soweit sie sich mit dem Antrag zu 1. gegen eine Entscheidung des Präsidenten des Landtags richte, ergebe bereits ihr eigener Sachvortrag, daß der Präsident eine Entscheidung nach § 41 Abs. 1 GeschOLT überhaupt nicht getroffen habe. Vielmehr habe das Präsidium in eigener Zuständigkeit gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 GeschOLT über den Beratungsgegenstand beschlossen. Auch dem gegen das Präsidium gerichteten Feststellungsverlangen fehle das Rechtsschutzbedürfnis, nachdem der Landtag in seiner Sitzung vom 22. Oktober 1997 eine Befassung mit dem Antrag abgelehnt habe. Jedenfalls seien die Anträge unbegründet. Das Recht einer Fraktion auf Stellung von Anträgen im Landtag finde seine Grenze in der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Angelegenheiten der Verteidigung, um die es hier gehe, fielen in die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes. Dies habe Bedeutung nicht nur für die Gesetzgebung, sondern wirke als Sperre für jegliche Landestätigkeit, die die Wahrnehmung der Bundeskompetenz beeinträchtigen könne. Danach stehe es einem Landesparlament nicht zu, durch eine Entschließung wie den “Appell zur Verhinderung des Rüstungsprojektes Eurofighter 2000" Druck auf ein Bundesorgan auszuüben. Demgemäß dürfe das Präsidium einen solchen Antrag zurückweisen. Der Katalog der Zurückweisungsgründe des § 41 Abs. 1 GeschOLT sei im Wege der verfassungskonformen Auslegung um einen entsprechenden Zurückweisungsgrund zu ergänzen. IV. Die Landesregierung hat von einer Stellungnahme abgesehen. B. 1. Der Antrag gegen den Präsidenten des Landtags ist unzulässig (Antrag zu 1.a.). Richtiger Antragsgegner im Organstreitverfahren ist dasjenige Organ, das die beanstandete Maßnahme getroffen oder rechtlich zu vertreten hat (vgl. BVerfGE 62, 1, 33; 67, 100, 126; Clemens in Umbach/Clemens Das Präsidium hat sich, wie dies die Geschäftsordnung in §§ 15 Abs. 1 Satz 2, 18 Abs. 1 Satz 1 GeschOLT vorsieht, am 15. Oktober 1997 mit der Vorbereitung der kommenden Sitzung des Landtags befaßt und die Beratungsgegenstände dieser Sitzung, also die Tagesordnung, beschlossen. In diesem Zusammenhang hat es auf Bedenken des Präsidenten des Landtags hin den Beschluß gefaßt, den Antrag der Antragstellerin nicht auf die Tagesordnung zu setzen. Dies stellt sich als Entscheidung des Präsidiums im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner geschäftsordnungsmäßigen Aufgaben dar, nicht aber als eine Entscheidung des Präsidenten im Rahmen seines Zurückweisungsrechts nach § 41 Abs. 1 GeschOLT. Der Präsident hat hier von seinem Zurückweisungsrecht aus § 41 Abs. 1 GeschOLT keinen Gebrauch gemacht, sondern den Antrag, wie es § 40 GeschOLT vorsieht, als Drucksache verteilt. Erst in der Sitzung des Präsidiums vom 15. Oktober 1997 hat er verfassungsrechtliche Bedenken an einer Beratung des Antrags im Plenum angemeldet, denen sich das Präsidium mehrheitlich angeschlossen und den hier beanstandeten Beschluß gefaßt hat. Darin liegt keine Zurückweisung eines Beratungsgegenstands durch den Präsidenten, sondern die Entscheidung des Präsidiums, den - vom Präsidenten nicht zurückgewiesenen - Beratungsgegenstand gleichwohl nicht auf die Tagesordnung zu setzen. Der Zuordnung des Beschlusses zu dem Präsidium steht nicht entgegen, daß - wie die Antragstellerin ausführt - mit der Entscheidung vom 15. Oktober 1997 der Sache nach nicht nur die Aufnahme des Beratungsgegenstands auf die Tagesordnung der nächsten Landtagssitzung, sondern eine Zuleitung an das Plenum generell abgelehnt worden sei und ein solche Befugnis nur dem Präsidenten des Landtags im Rahmen seines Zurückweisungsrechts nach § 41 GeschOLT zukomme. Der Antragsgegner im Organstreitverfahren bestimmt sich allein danach, wer die beanstandete Maßnahme tatsächlich getroffen hat. Ob er hierzu nach der Aufgabenverteilung der Landesverfassung bzw. der Geschäftsordnung befugt war, betrifft die Vereinbarkeit der Maßnahme mit der Landesverfassung und damit erst die Begründetheit der Organklage. 2. Die Anträge gegen das Präsidium des Landtags und den Landtag sind im Organstreitverfahren gemäß Art. 113 Nr. 1 LV, §§ 12 Nr. 1, 35 ff. VerfGGBbg zulässig. a. Als Fraktion des Landtags ist die Antragstellerin durch die Landesverfassung mit eigenen Rechten ausgestattet (vgl. Art. 67 Abs. 1 LV) und deshalb im Organstreitverfahren beteiligtenfähig (so bereits Verfassungsgericht Brandenburg, Urteil vom 20. Juni 1996 - 14/96 EA -, LVerfGE 4, 190, 195; vgl. auch BVerfG, NJW 1986, 907). Sie ist ferner antragsbefugt im Sinne des § 36 Abs. 1 VerfGGBbg; sie macht geltend, durch die Nichtaufnahme eines von ihr initiierten Beratungsgegenstands auf die Tagesordnung und die Ablehnung ihres Geschäftsordnungsantrags durch den Landtag unter anderem in ihrem Recht aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1, 67 Abs. 1 Satz 2 LV auf Stellung von Anträgen im Landtag verletzt zu sein. b. Den Anträgen fehlt nicht das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragstellerin konnte ihr Rechtsschutzziel nicht auf einfacherem Wege erreichen. Die Erhebung einer förmlichen schriftlichen Beschwerde an das Präsidium gemäß § 41 Abs. 2 GeschOLT kam nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann gegen die Zurückweisung eines Beratungsgegenstands durch den Präsidenten des Landtags das Präsidium angerufen werden. Hier geht es indessen nicht um die Zurückweisung eines Beratungsgegenstands durch den Präsidenten; in Streit steht eine Entscheidung des Präsidiums selbst (s.o.). Für eine Beschwerde nach § 41 Abs. 2 GeschOLT war deshalb kein Raum. Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht deshalb entfallen, weil sich der konkrete Streitfall durch die im Bundestag getroffene Entscheidung für die Anschaffung des “Eurofighters” mittlerweile erledigt hat (vgl. zum fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis etwa BVerfGE 10, 4, 11; 41, 291, 303). Es erscheint jedenfalls möglich, daß die Antragstellerin auch in Zukunft Anträge mit bundespolitischen, etwa die Landesverteidigung betreffenden Bezügen in den Landtag einbringen möchte und ihr dieses wiederum unter Hinweis auf eine fehlende Befassungskompetenz des Landes verwehrt werden wird. Derartige Konflikte können durch die hier begehrte Entscheidung in gewissem Umfang vorab geklärt werden. Daß sich der Landtag in seiner Sitzung am 22. Oktober 1997 mit der Angelegenheit befaßt und eine Aufnahme des Beratungsgegenstands auf die Tagesordnung abgelehnt hat, läßt das Rechtsschutzbedürfnis für die Organklage entgegen der Ansicht der Antragsgegner ebenfalls nicht entfallen. Die Debatte im Landtag wurde nicht, wie dies die Antragstellerin erreichen wollte, über den Antrag selbst geführt, sondern nur über die Frage, ob der Beratungsgegenstand in die Zuständigkeit des Landtags fällt und im Plenum zur Debatte gestellt werden soll. Dies kann eine Aussprache in der Sache nicht ersetzen. II. Der gegen das Präsidium des Landtags gerichtete Antrag zu 1.b. hat in der Sache im wesentlichen Erfolg (dazu 1.). Der gegen den Landtag gerichtete Antrag zu 2. ist dagegen unbegründet (dazu unten 2.). 1. Die beanstandete Entscheidung des Präsidiums des Landtags vom 15. Oktober 1997 verletzt das Recht der Antragstellerin aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1, 67 Abs. 1 Satz 2 LV, im Landtag Anträge zu stellen. a. Nach Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV haben die Abgeordneten u.a. das Recht, im Landtag Anträge zu stellen. Die Fraktionen bestehen aus Abgeordneten; sie wirken gemäß Art. 67 Abs. 1 Satz 2 LV mit eigenen Rechten und Pflichten als selbständige und unabhängige Gliederungen an der Arbeit des Landtags mit und unterstützen die parlamentarische Willensbildung. Daraus folgt, daß eine Fraktion ebenso wie der einzelne Abgeordnete das Recht hat, Anträge in den Landtag einzubringen. Die Geschäftsordnung setzt dieses verfassungmäßige Initiativrecht voraus, indem sie in § 52 Abs. 1 Satz 1 GeschOLT bestimmt, daß Gesetzentwürfe, Anträge und Entschließungsanträge u.a. von jedem Abgeordneten und einer Fraktion eingebracht werden können. Wesentlicher Teil des verfassungsrechtlich verankerten Initiativrechts ist die Möglichkeit, den Adressaten der Initiative - das Plenum - zu erreichen und den jeweiligen Antrag dort zu beraten (BVerfGE 1, 144, 153 f.). b. Dieses Initiativrecht der Antragstellerin hat das Präsidium des Landtags durch seinen Beschluß vom 15. Oktober 1997 verletzt. Er stellt sich im Lichte der ihn tragenden Gründe als eine generelle Zurückweisung des Beratungsgegenstands dar. Der Antragstellerin wurde der Sache nach nicht nur - etwa aus organisatorischen oder anderen geschäftsordnungsmäßigen Gründen - die Aufnahme ihres Antrags auf die Tagesordnung der nächsten Landtagssitzung verwehrt, sondern - wegen fehlender Befassungskompetenz des Landtags - schlechthin die Zuleitung des Antrags an das Plenum. Eine solche Befugnis kommt dem Präsidium des Landtags im Rahmen seiner Aufgaben von Verfassungs wegen nicht zu. aa. § 41 GeschOLT, der als Konkretisierung des der Verfassung innewohnenden Verbots der mißbräuchlichen Geltendmachung parlamentarischer Rechte verstanden werden kann (vgl. hierzu BVerfGE a.a.O., S. 149; vgl. auch Trossmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1977, § 97 GeschOBT, Rdn. 9 m.w.N.), bot dem Präsidium keine Handhabe für die Zurückweisung des Antrags. Dies folgt unbeschadet des Umstands, daß die dort genannten Zurückweisungsgründe hier nicht greifen dürften, schon daraus, daß sich die Vorschrift an den Präsidenten und nicht an das Präsidium des Landtags richtet. Eine ersatzweise Entscheidungsbefugnis des Präsidiums für den Fall, daß der Präsident - wie hier - von seiner Zurückweisungsbefugnis keinen Gebrauch macht, ist in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen. bb. Auch im übrigen kommt dem Präsidium bei seiner Entscheidung über die Tagesordnung (§ 15 Abs. 1 Satz 2 GeschOLT) kein materielles (inhaltliches) Prüfungsrecht zu, das es ihm erlaubt, einen Beratungsgegenstand wegen fehlender Befassungskompetenz des Landtags zurückzuweisen (ebenso - bezogen auf den Bundestagspräsidenten - Ritzel/Bücker, Handbuch der parlamentarischen Praxis, Stand 1997, § 77 GeschOBT, Anm. I.c.; Kabel, Die Behandlung der Anträge im Bundestag, in Schneider/Zeh Dem Präsidium ist danach eine inhaltliche Kontrolle der Beratungsgegenstände auf ihre Verfassungsmäßigkeit insgesamt verwehrt. Dies gilt unabhängig davon, ob die mögliche Verfassungswidrigkeit eines Beratungsgegenstands näherer Prüfung bedarf oder offensichtlich erscheint. Soweit ein auf Fälle offensichtlicher Verfassungswidrigkeit beschränktes materielles Prüfungsrecht des Bundespräsidenten bei der Ausfertigung von Gesetzen befürwortet wird (vgl. etwa Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 1997, Art. 82, Rdn. 3 m.w.N.), sind jene Erwägungen auf den hier in Rede stehenden Fall nicht übertragbar. Anknüpfungspunkt für die Annahme eines solchen Prüfungsrechts des Bundespräsidenten ist Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG, wonach dieser die nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze ausfertigt. Vergleichbare, als Zuweisung einer Prüfungskompetenz interpretierbare Formulierungen enthält die Landesverfassung bezogen auf das Präsidium nicht. Dessen Rechte und Pflichten werden zufolge Art. 69 Abs. 3 LV (lediglich) durch die Geschäftsordnung bestimmt. Die Einbindung des Bundespräsidenten in die Bundesgesetzgebung ist nicht vergleichbar mit der Stellung des Landtagspräsidiums, das als Organ nicht am Entscheidungsprozeß selbst beteiligt ist, sondern nur für eine geordnete Befassung des Plenums mit den einzelnen Entscheidungsgegenständen Sorge zu tragen hat. c. Dem mit der Organklage weiter geltend gemachten Recht auf Chancengleichheit der Opposition (Art. 55 Abs. 2 LV) und auf Schutz parlamentarischer Minderheiten kommt in dieser Situation gegenüber dem hier verletzten Initiativrecht aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV keine weitergehende Bedeutung zu. Bezogen auf die Möglichkeit, sich im Plenum Gehör zu verschaffen, konkretisiert sich der parlamentarische Minderheitenschutz und die Chancengleichheit der Opposition eben darin, daß jeder Abgeordnete und jede Fraktion unbeschadet der Zugehörigkeit zur parlamentarischen Mehrheit oder Minderheit das Recht hat, im Landtag Anträge zu stellen. Insoweit läßt dieses speziellere Recht den allgemeinen Grundsatz der Chancengleichheit und des Schutzes der parlamentarischen Minderheit zurücktreten (vgl. BVerfGE 80, 188, 220 f., dort unter 4.). 2. Der gegen den Landtag gerichtete Antrag zu 2. bleibt dagegen in der Sache ohne Erfolg. Der Landtag hat es in seiner Sitzung vom 22. Oktober 1997 zu Recht abgelehnt, den Antrag der Antragstellerin auf die Tagesordnung zu setzen. a. Die Entscheidung verstößt nicht gegen das Recht der Antragstellerin, im Landtag Anträge zu stellen (Art. 56 Abs. 2 Satz 1, 67 Abs. 1 Satz 2 LV). Allerdings wird nach dem Inhalt der insoweit geführten Debatte im Landtag und der zur Begründung der Entscheidung vorgetragen Argumente deutlich, daß der Landtag hier nicht nur auf Geschäftsordnungsebene über eine kurzfristige Aufnahme des Beratungsgegenstands auf die Tagesordnung der aktuellen Sitzung befunden hat, wie dies nach § 20 Abs. 3 GeschOLT in seinem Ermessen liegt, sondern eine weitere Befassung mit der Initiative der Antragstellerin auch für zukünftige Sitzungen insgesamt abgelehnt hat, weil sie nicht in den Zuständigkeitsrahmen des Landtags falle. Auch mit diesem Inhalt verletzt die angegriffene Landtagsentscheidung jedoch nicht das Initiativrecht der Antragstellerin. Zwar gehört zum Initiativrecht auch die Möglichkeit, den jeweiligen Antrag im Plenum in der Sache beraten zu können (s.o.). Dieses Erörterungsrecht findet aber seine verfassungsrechtliche Grenze in der Pflicht des Plenums, die eigenen Zuständigkeiten zu wahren. Insoweit stehen sich das Antragsrecht aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV und die Bindung des Landtags an seinen eigenen Kompetenzrahmen gemäß Art. 2 Abs. 5 Satz 2 LV gegenüber. In einer solchen Situation muß der Landtag das Recht haben, eine weitergehende als die auf die Erörterung der eigenen Zuständigkeit beschränkte inhaltliche Befassung abzulehnen, wenn er tatsächlich nicht zuständig ist. So liegt es hier. Der Antrag betrifft keine Angelegenheit des Landes. Im einzelnen: aa. Es geht um die - zum damaligen Zeitpunkt noch offene - Frage der Anschaffung von Militärjagdflugzeugen des Typs “Eurofighter” und damit um eine Frage der Verteidigung. Angelegenheiten der Verteidigung gehören zur ausschließlichen Kompetenz des Bundes; das folgt für den Bereich der Gesetzgebung aus Art. 73 Nr. 1 GG, für den Bereich der Exekutive (einschließlich der Regierung) aus Art. 65a, 87a und 87b GG. Für die Gesamtaufgabe “Verteidigungswesen”, soweit es sich um die Bundeswehr und ihre Ausrüstung handelt, ist uneingeschränkt und ausschließlich der Bund zuständig (BVerfGE 8, 104, 116). Eine Zuständigkeit des Landesparlaments besteht nicht. bb. Dies schließt es allerdings nicht aus, daß sich ein Landesparlament unter bestimmten Voraussetzungen auch mit bundespolitischen Themen befassen darf. Da die Landesregierung über den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt ist, kann das Landesparlament im Rahmen der ihm obliegenden Kontrolle der Landesregierung in gewissem Umfang Einfluß auf deren Verhalten im Bundesrat nehmen und über diesen Weg (mittelbar) auch Bundesangelegenheiten erörtern (vgl. etwa Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, 2. Aufl. 1984, S. 738 f. m.w.N.; Scholz, Landesparlamente und Bundesrat, in Börner/Jahreiß/Stern Der in dem Antrag der Antragstellerin enthaltene Appell richtete sich indes nicht an die Landesregierung, um deren Verhalten im Bundesrat bei der Befassung mit dem entsprechenden Haushaltsgesetz zu beeinflussen, sondern unmittelbar “an die Mitglieder des Deutschen Bundestages”, die zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten bewegt werden sollten. Dies steht einem Landesparlament nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht zu. Die Zuständigkeit der Bundesorgane zur ausschließlich eigenverantwortlichen Bewältigung einer Sachaufgabe wird nicht erst dann von den Ländern beeinträchtigt, wenn sie ein Stück dieser Aufgabe dem Bund dadurch entziehen, daß sie es selbst sachlich regeln, sondern schon dann, wenn sie die Bundesorgane durch politischen Druck zwingen wollen, die von ihnen getroffenen Sachentscheidungen zu ändern, also einen Landesstaatswillen bilden, um ihn dem verfassungsmäßig gebildeten Bundesstaatswillen entgegenzusetzen (BVerfGE 8, 104, 117 f.). Dies gilt gleichermaßen dann, wenn der von einem Bundesland ausgehende Versuch der Einflußnahme nicht auf die Änderung einer bereits getroffenen Entscheidung ge-richtet ist, sondern - wie hier - das Bundesorgan bewegen soll, eine anstehende Entscheidung von vornherein in einem bestimmten Sinne zu treffen. cc. Soweit die Landesparlamente darüber hinaus in derstaatsrechtlichen Praxis für sich in Anspruch nehmen, sich auch außerhalb von Bundesratsangelegenheiten im Einzelfall mit Bundesthemen befassen zu dürfen, wenn sie das Bundesland in besonderer Weise berühren, ergibt sich hieraus ebenfalls nichts zu Gunsten der Antragstellerin (vgl. zu einer entsprechenden Praxis der Landtage die Leitlinien der Landtagspräsidenten-Konferenz, Kommissionsbericht vom 29. September 1983, dazu Böhringer, Die Konferenz der Präsidenten der deutschen Landesparlamente, in Busch b. Die beanstandete Entscheidung des Landtags verletzt auch nicht das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit (Art. 56 Abs. 2 Satz 2 LV) und auf Schutz der parlamentarischen Minderheit. Diese Rechte können hier nicht weitergehen als das Initiativrecht aus Art. 56 Abs. 2 Satz 1 LV, welches sich bezogen auf den hier in Rede stehenden Aspekt der parlamentarischen Mitarbeit als Konkretisierung dieser allgemeinen Grundsätze darstellt (s.o. II.1.c.). Soweit die Antragstellerin auf die frühere Behandlung von Beratungsgegenständen mit bundesrechtlichen Bezügen im Landtag hinweist, vermittelt ihr auch dies unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit noch keinen Anspruch, die Drucksache 2/4569 im Landtag über den geschehenen Umfang hinaus beraten zu lassen. Der Grundsatz der Chancengleichheit beinhaltet das Recht, die gegebenen parlamentarischen Befugnisse unbeschadet der Zugehörigkeit zur parlamentarischen Mehrheit oder Minderheit ausüben zu können (vgl. BVerfGE 80, 188, 220 f.). Er vermittelt dagegen nicht die Befugnis, angesichts eventueller früherer Kompetenzüberschreitungen durch den Landtag neuerliche Kompetenzüberschreitungen verlangen zu können. Ein solches “Recht” kann es mit Blick auf Art. 2 Abs. 5 Satz 2 1. Hs LV nicht geben. Unbeschadet dessen sind die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang herangezogenen Landtagsbeschlüsse mit dem hier in Rede stehenden Beratungsgegenstand nur bedingt vergleichbar. Der Antrag zum Transplantationsgesetz (LT-Drs. 2/3489) beinhaltet sinngemäß eine Aufforderung an die Landesregierung, sich im Bundesrat bei den Gesetzesberatungen für bestimmte Regelungen stark zu machen. Dies bewegt sich innerhalb der Befassungskompetenz des Landtags (vgl. oben II.2.a.bb.). Gleiches gilt für die Beratungen im Landtag über den Bombenabwurfplatz bei Wittstock (LT-Drs. 1/1939, 2/45, 2/915, 2/5831-B). Auch insoweit zielte der Beratungsgegenstand auf eine Bundesratsinitiative der Landesregierung. Der Antrag zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes (LT-Drs. 2/2920) richtete sich zwar unmittelbar “an die Bonner CDU/CSU/F.D.P.-Koalition” und forderte sie auf, von der geplanten Gesetzesänderung Abstand zu nehmen. Die entsprechende Bundesangelegenheit hat aber - anders als die Anschaffung von Kampfflugzeugen für die Bundeswehr - einen spezifischen Bezug zu Brandenburg als einem der neuen Bundesländer, das unmittelbar von dem Gesetz betroffen ist. So gesehen ist der Beschluß des Landtags zum Landwirtschaftsanpassungsgesetz mit der Auseinandersetzung um den “Eurofighter” nicht vergleichbar. Auch deshalb liegt eine Verletzung der Chancengleichheit bzw. des parlamentarischen Minderheitenschutzes nicht vor. | ||||||||||||||
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