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VerfGBbg, Beschluss vom 25. September 2002 - VfGBbg 67/02 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97; LV, Art. 98
- VerfGGBbg, § 51 Abs. 1; VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2;
  VerfGGBbg, § 51 Abs. 2; VerfGGBbg, § 22 Abs. 1
- Gemeindestrukturgesetz, Art. 2 Nr. 2a);
  Gemeindestrukturgesetz, Art. 2 Nr. 3a)
- AmtsO, § 3 Abs. 1
Schlagworte: - Begründungserfordernis
- Beschwerdefrist
- Fristversäumung
- Gemeindegebietsreform
nichtamtlicher Leitsatz: In der kommunalen Verfassungsbeschwerde müssen die Bestimmungen, durch die die Kommune ihre Rechte verletzt sieht, im einzelnen bezeichnet sein.
Fundstellen: - LVerfGE 13, 177 (nur LS)
- LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 13, 163
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 25. September 2002 - VfGBbg 67/02 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 67/02



IM NAMEN DES VOLKES

B E S C H L U S S

In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

Gemeinde Mellen,
vertreten durch den ehrenamtlichen Bürgermeister,
Siedlungsweg 1,
19357 Mellen,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S.

betreffend Artikel 2 Nr. 2 lit. a des Gesetzes zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13.3.2001 (GVBl. I S. 30)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel, Prof. Dr. Schröder, Weisberg-Schwarz und Prof. Dr. Will

am 25. September 2002

b e s c h l o s s e n :

Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

A.
I.

Die Beschwerdeführerin hält mit ihrer am 13. März 2002 erhobenen kommunalen Verfassungsbeschwerde die Herstellung von „Mindestverwaltungseinheiten mit einer verwalteten Bürgermannschaft von 5000 Einwohnern“ für willkürlich und sieht sich hierdurch in ihrem Selbstverwaltungsrecht nach Art. 97 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) verletzt. Wenn einzelne Aufgaben durch kleine Gemeinden nicht ordnungsgemäß erfüllt würden, müßten die Aufgaben den Gemeinden entzogen werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbiete es, in einem solchen Fall unter Bildung größerer Verwaltungseinheiten die Gemeinden aufzulösen.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

Art. 2 Nr. 2 a) des Gesetzes zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft im Land Brandenburg als gegen die Verfassung des Landes Brandenburg gerichtet für nichtig zu erklären.

II.

Dem Landtag Brandenburg, der Landesregierung und dem Städte- und Gemeindebund Brandenburg ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Nach Ansicht der Landesregierung ist die kommunale Verfassungsbeschwerde unzulässig. Die Beschwerdeführerin sei schon nicht ordnungsgemäß vertreten. Soweit sie sich gegen Art. 2 Nr. 2a) des Gesetzes zur Reform der Gemeindestruktur und zur Stärkung der Verwaltungskraft der Gemeinden im Land Brandenburg vom 13. März 2001 (GVBl. I S.30; im folgenden: Gemeindestrukturgesetz) wende („Das Amt richtet zur Durchführung seiner Aufgaben eine eigene Verwaltung ein“), sei sie nicht beschwerdebefugt. Schon bisher habe das Amt Lenzen-Elbtalaue, dem die Beschwerdeführerin angehöre, eine eigene Verwaltung besessen. Dies solle auch so bleiben. Im Hinblick auf die Regel-Mindesteinwohnerzahl für das Amt sei die Verfassungsbeschwerde ebenfalls unzulässig, diese Soll-Grenze bestehe schon seit 1991.

B.

Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie den Begründungsanforderungen des § 51 Abs. 1, 20 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) nicht genügt (1.). Soweit sich aus der Beschwerdeschrift eine Regelung als angegriffen erschließen läßt, ist die Jahresfrist des § 51 Abs. 2 VerfGGBbg versäumt (2.).

1. Mit der kommunalen Verfassungsbeschwerde kann nicht undifferenziert ein ganzes Gesetzeswerk angegriffen werden. Vielmehr müssen die Bestimmungen, durch die die Gemeinde ihre Rechte verletzt sieht, im einzelnen bezeichnet sein (vgl. für die Individualverfassungsbeschwerde: Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 21. April 1998 – 1 BvR 1086/92 -, NVwZ 1998, 1287; Kley, in: Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 1992, § 92 Rn. 12; Schmidt-Bleibtreu, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 92 Rn. 2). Daran fehlt es hier. Zwar nennt die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag Artikel 2 Nr. 2 a) des Gemeindestrukturgesetzes („Das Amt richtet zur Durchführung seiner Aufgaben eine eigene Verwaltung ein“). Es ist aber nicht erkennbar, daß und aus welchem Grunde die Beschwerdeführerin gerade diese Norm angreifen will. In der Begründung der Verfassungsbeschwerde findet sich hierzu kein Wort. Die Kritik an „Mindestverwaltungseinheiten mit einer verwalteten Bürgermannschaft von 5000 Einwohnern“ zielt eher gegen Artikel 2 Nr. 3 a) Gemeindestrukturgesetz, wonach das Amt nicht weniger als 5000 Einwohner und nicht weniger als drei und nicht mehr als sechs Gemeinden umfassen soll. Auf die Anregung des Gerichtes, den Antrag zu überdenken, hat die Beschwerdeführerin indes nicht reagiert. Aber selbst wenn man gleichwohl davon ausgeht, die Beschwerdeführerin greife Art. 2 Nr. 3 a) Gemeindestrukturgesetz an, erschließt sich nicht, was aus ihrer Sicht an der Soll-Untergrenze von drei oder der Soll-Obergrenze von sechs Gemeinden pro Amt auszusetzen sein soll. Am ehesten ist greifbar, daß eine „Mindestverwaltungseinheiten mit einer verwalteten Bürgermannschaft von 5000 Einwohnern“ als willkürlich empfunden wird. Allenfalls in diesem Punkt entspricht die kommunale Verfassungsbeschwerde den Begründungsanforderungen.

2. Soweit es um die Soll-Mindestgröße von 5000 Einwohnern je Amt geht, ist die kommunale Verfassungsbeschwerde aber unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Jahresfrist des § 51 Abs. 2 VerfGGBbg erhoben worden ist. Zwar ist sie innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gemeindestrukturgesetzes beim Verfassungsgericht eingegangen. Jedoch sah bereits § 3 Abs. 1 AmtsO vom 19. Dezember 1991 (GVBl. S. 682) in gleicher Formulierung vor, daß jedes Amt nicht weniger als 5000 Einwohner haben „soll“; die Neufassung der Amtsordnung im Jahre 1993 hat hieran nichts geändert. Daß die Regelung jetzt – nochmals – in ein Änderungsgesetz eingeflossen ist, setzt für sich allein die Frist des § 51 Abs. 2 VerfGGBbg nicht erneut in Lauf (vgl. zu § 93 Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz zuletzt: BVerfG, NVwZ-RR 2002, 321 = DVBl 2002, 548; zuvor etwa BVerfGE 80, 137, 149 = NJW 1989, 2525 m.w.N.). Die Frist beginnt nur dann neu, wenn sich - etwa in Verbindung mit Neuregelungen des Änderungsgesetzes - für die beschwerdeführende Gemeinde eine neue belastende Wirkung ergibt (BVerfGE 78, 350, 356; Majer, in: Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 1992, § 93 Rn. 32; Schmidt-Bleibtreu, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 93 Rn. 47). Dies ist hier jedoch nicht erkennbar. Die Soll-Mindesteinwohnerzahl gilt unverändert und unabhängig von der neu eingeführten Regel-Mindest- und Höchstzahl der Gemeinden pro Amt. Dementsprechend hat etwa der Abgeordnete Petke in der abschließenden Lesung des Gemeindestrukturgesetzes darauf hingewiesen, daß es die 5000-Einwohner-Grenze bereits in der „bestehenden“ Amtsordnung gebe (vgl. Landtag Brandenburg, Plenarprotokoll 3/31, S. 1901).

C.

Das Gericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, vgl. § 22 Abs. 1 VerfGGBbg.
 

Dr. Macke Prof. Dr. Harms-Ziegler
 
Havermann Dr. Jegutidse
 
Dr. Knippel Prof. Dr. Schröder
 
Weisberg-Schwarz Prof. Dr. Will