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VerfGBbg, Beschluss vom 25. Februar 1999 - VfGBbg 52/98 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3
- GG, Art. 103 Abs. 1
- ZPO, § 495a
Schlagworte: - Zivilprozeßrecht
- Bundesrecht
- Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts
- Prüfungsmaßstab
- rechtliches Gehör
- Zivilrecht, materielles
amtlicher Leitsatz:
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 25. Februar 1999 - VfGBbg 52/98 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 52/98



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

F.,

Beschwerdeführerin,

gegen das Urteil des Amtsgerichts F. vom 29. Oktober 1998

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Knippel, Prof. Dr. Mitzner, Prof. Dr. Schöneburg, Prof. Dr. Schröder und Prof. Dr. Will

am 25. Februar 1999

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Amtsgerichts F., das sie zur Zahlung von Werklohn verpflichtet. Sie rügt, das Amtsgericht habe ihre tatsächlichen Ausführungen nicht zur Kenntnis genommen und dadurch ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt.

I.

Die Beschwerdeführerin beauftragte die Klägerin des Ausgangsverfahrens, ein Membranausdehnungsgefäß in ein Wohnhaus einzubauen. Zwischen den Parteien war die Anwendung der Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) vereinbart. Die Klägerin baute das Ausdehnungsgefäß ein und entfernte zusätzlich undichte Heizkörper, ohne daß hierzu ein Auftrag vorlag. Die Rechnung für diese Arbeiten ist der Beschwerdeführerin am 19. März 1996 zugegangen. Sie zahlte den geforderten Betrag nicht. Mit Schreiben vom 20. März 1996 rügte sie die Mangelhaftigkeit des eingebauten Ausdehnungsgefäßes. Sie ist daraufhin vor dem Amtsgericht F. auf Zahlung von Werklohn in Höhe von 1.001,92 DM für den Einbau des Ausdehnungsgefäßes und den Ausbau der Heizkörper verklagt worden. Mit ihrer Klageerwiderung hat sie geltend gemacht, sie habe die Mangelhaftigkeit der ausgeführten Arbeiten binnen weniger Werktage gerügt; nach § 12 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B trete die Abnahmefiktion nicht ein, wenn ein Mangel binnen 12 Werktagen nach Fertigstellung gerügt werde. Gegen die Restforderung der Klägerin rechnete sie mit Schadensersatzforderungen auf und legte hierzu Rechnungen und Schadensaufstellungen vor. Die Zinsforderung ist von der Beschwerdeführerin gleichfalls bestritten worden.

Das Amtsgericht F. hat der Beschwerdeführerin mit Hinweis- und Beweisbeschluß vom 30. April 1998 aufgegeben, binnen zwei Wochen einen Auslagenvorschuß in Höhe von 1.200,-- DM für ein Sachverständigengutachten über die Mangelhaftigkeit des Ausdehnungsgefäßes einzuzahlen. Im gleichen Beschluß wies das Amtsgericht die Beschwerdeführerin darauf hin, daß die von ihr erklärte Aufrechnung unwirksam sein dürfte, da nicht ersichtlich sei, mit welcher konkreten Gegenforderung aufgerechnet werde.

Die Beschwerdeführerin zahlte den Auslagenvorschuß nicht. Nachdem Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 29. Oktober 1998 anberaumt worden war, machte ihr Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom 5. Oktober 1998 geltend, eine fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B sei nicht eingetreten. Er führte dazu aus: “Die Beklagte (Beschwerdeführerin) hat nach dem Eingang der Rechnung der Klägerin vom 16.3.96 sofort, am 20. und 21.3.96, durch ihren Bevollmächtigten die abgerechnete Leistung rügen und die Abnahme insgesamt verweigern lassen.”. Durch Schriftsatz vom 28. Oktober 1998 trug der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin weiter vor, daß sich die Klägerin am Tag der Werkausführung (28. Februar 1996) mit ihm telefonisch in Verbindung gesetzt habe. Bei dieser Gelegenheit sei “die Klägerin ... von dem Bevollmächtigten informiert” worden, “daß die Beklagte (Beschwerdeführerin) die an dem Tag erbrachte Leistung ohne Besichtigung nicht abnehmen werde. Zuvor hatten die Parteien vereinbart, daß die Abnahme in einem gemeinsamen Ortstermin erfolgen soll.”

Das Amtsgericht F. hat die Beschwerdeführerin mit Urteil vom 29. Oktober 1998 zur Zahlung des Werklohns für den Einbau des Ausdehnungsgefäßes verurteilt und die Klage im übrigen - hinsichtlich des Ausbaus der Heizkörper - abgewiesen. Die Klägerin habe einen Anspruch auf den Werklohn für den Einbau des Ausdehnungsgefäßes, weil die Beschwerdeführerin hinsichtlich der behaupteten Mängel beweisfällig geblieben sei. Die Aufrechnung der Klägerin mit Schadensersatzansprüchen gehe ins Leere, weil nicht ersichtlich sei, mit welcher konkreten Gegenforderung aufgerechnet werden solle. Als Entscheidung in einem sogenannten Bagatellverfahren nach § 495 a ZPO wurden die Gründe des Urteils in das Protokoll aufgenommen.

II.

Die Beschwerdeführerin hat am 24. Dezember 1998 Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts F. erhoben. Sie ist der Ansicht, in ihrem Recht auf rechtliches Gehör verletzt zu sein, weil das Amtsgericht F. ihren Vortrag nicht berücksichtigt habe. Für die Mangelhaftigkeit des Ausdehnungsgefäßes habe nicht sie, vielmehr für die Mängelfreiheit die Klägerin die Beweislast getragen. Zwar sei die Anwendung der VOB/B vereinbart worden. Indes habe ihr Bevollmächtigter am Tag des Einbaus telefonisch mitgeteilt, daß auf die Abnahme des Werks nicht verzichtet werde. Eine Abnahme habe sie wegen der Mängel verweigert. Weiter seien die - ihrer Ansicht nach - vom Amtsgericht zu schätzenden Kosten für den Einbau zumindest eines Heizkörpers von der Klägerin zu tragen. Schließlich habe das Gericht ihre Einwände hinsichtlich der Zinshöhe nicht beachtet.

B.

I.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist nach Art. 6 Abs. 2, 113 Nr. 4 Landesverfassung (LV), §§ 12 Nr. 4, 45 ff. Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zulässig. Die Beschwerdeführerin macht gemäß § 45 Abs. 1 VerfGGBbg geltend, durch das Urteil des Amtsgerichts F. in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt zu sein.

2. Der Rechtsweg zu den Fachgerichten ist ausgeschöpft (§ 45 Abs. 2 VerfGGBbg). Gegen das Urteil des Amtsgerichts F. ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Berufungssumme des § 511 a Abs. 1 Zivilprozeßordnung (ZPO) wird nicht erreicht.

3. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, daß sich die Beschwerdeführerin gegen eine gerichtliche Entscheidung wendet, die in einem bundesrechtlich - durch die Zivilprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz - geordneten Verfahren ergangen ist. Die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 15. Oktober 1997 (BVerfGE 96, 345 ff.) solchenfalls für eine Landesverfassungsbeschwerde aufgestellt hat, liegen vor; das erkennende Gericht hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (siehe Beschluß vom 16. April 1998 - VfGBbg 1/98 -, vorgesehen zur Veröffentlichung in LVerfGE 8, Teil Brandenburg, Entscheidung Nr. 2).

a. Es geht nicht um materielles Bundesrecht, sondern um die Anwendung von (Bundes-)Verfahrensrecht (vgl. zu dieser Voraussetzung BVerfG, a. a. O.). Dessen Handhabung erschöpft sich hier nicht in der bloßen Umsetzung - als solcher von dem Landesverfassungsgericht nicht überprüfbarer - Prozeßvorschriften des Bundes, sondern läßt eine Wertung zu. Sie öffnet sich damit der Kontrolle am Maßstab der Landesverfassung.

b. Das als verletzt gerügte Landesgrundrecht deckt sich mit dem entsprechenden Recht des Grundgesetzes (vgl. hierzu bereits Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, a. a. O.). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs aus Art. 52 Abs. 3 LV entspricht insoweit Art. 103 Abs. 1 GG. Die genannten Rechte sind in diesem Sinne inhaltsgleich.

II.

Die Verfassungsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu prüfen ist allein, ob die Beschwerdeführerin durch das Amtsgericht F. im Sinne des Art. 6 Abs. 2 LV in einem in der Verfassung gewährleisteten Grundrecht verletzt worden ist (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 19. Mai 1994 - VfGBbg 6/93- 6/93 EA -, LVerfGE 2, 105, 110); dagegen ist es nicht die Aufgabe des Verfassungsgerichts, das Urteil des Amtsgerichts F. nach Art eines Rechtsmittelgerichts auf die zutreffende Anwendung des einfachen Rechts hin zu überprüfen (vgl. BVerfGE 1, 82, 85). Hiernach gilt:

1. Das Urteil des Amtsgerichts F. verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 LV, Art. 103 Abs. 1 GG. Diese Verfassungsbestimmungen gewähren den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, sich zu den entscheidungserheblichen Fragen vor Erlaß der Entscheidung zu äußern (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 15. September 1994 - VfGBbg 10/93 -, LVerfGE 2, 179, 182; BVerfGE 67, 90, 95). Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (BVerfG in st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 27, 248, 250; 70, 288, 293). Insoweit ist grundsätzlich davon auszugehen, daß das Gericht das ihm unterbreitete Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Betracht zieht. Es ist aber nicht verpflichtet, sich mit jeglichem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen, sondern kann sich auf die Bescheidung der ihm wesentlich erscheinenden Tatsachenbehauptungen beschränken. Insbesondere verwehrt es der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht, den Vortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts, zum Beispiel wegen sachlicher Unerheblichkeit, ganz oder teilweise außer Betracht zu lassen (BVerfG in st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 27, 248, 251 f.; 54, 117, 123; 60, 305, 310; 88, 366, 375 f.; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 16. Oktober 1997 - VfGBbg 25/97 -, S. 8 f. des Umdrucks; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 17. September 1998 - VfGBbg 26/98 -, S. 7 f. des Umdrucks; vgl. weiter Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 18. Juni 1996 - VfGBbg 20/95 -, LVerfGE 4, 201, 205; BVerfGE 42, 363, 367 f.). Dies alles gilt grundsätzlich auch - und gerade auch - dann, wenn nach § 495 a ZPO verfahren wird.

2. Hiervon ausgehend ist nicht zu erkennen, daß das Amtsgericht F. das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin verletzt hat. Sie hatte ausreichend Gelegenheit, sich in dem Verfahren zu äußern. Sie hat insgesamt sieben Schriftsätze zu den Akten gereicht und ist in zwei Terminen zur mündlichen Verhandlung durch einen Bevollmächtigten vertreten gewesen. Dafür, daß das Amtsgericht das Vorbringen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen hätte, ergeben sich weder aus dem Urteil des Amtsgerichts noch aus der Verfahrensakte hinreichende Anhaltspunkte. Daß das Amtsgericht die Beweislast für Mängel an dem Ausdehnungsgefäß bei der Beschwerdeführerin gesehen hat, bedeutet nicht, daß es die erstmals in den Schriftsätzen vom 5. und 28. Oktober 1998 vorgebrachten Behauptungen, die Abnahme sei ausdrücklich vereinbart, aber aufgrund der Mängel von der Beschwerdeführerin verweigert worden, unbeachtet gelassen hat. Anerkanntermaßen treten bei einer endgültigen und ernsthaften Verweigerung der Abnahme die Wirkungen der Abnahme ein (vgl. BGHR, BGB § 641, Fälligkeit 2; Riedl, in: Heiermann/Riedl/Rusam [Hrsg.], Handkommentar zur VOB Teile A und B, 7. Aufl. 1994, B § 12.1 Rn. 30; Soergel, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 638 Rn. 41) und kann unmittelbar auf Zahlung geklagt werden. Von einer endgültigen Verweigerung der Abnahme in diesem Sinne ist auszugehen, wenn der Werkunternehmer durch die Nichtabnahme erkennbar nicht zu einer Mängelbeseitigung bewegt werden soll (vgl. Riedl, a. a. O.). Einen solchen Fall hat das Amtsgericht offenbar angenommen. In der Tat hat die Beschwerdeführerin nicht vorgetragen, von der Klägerin Nachbesserung verlangt zu haben, vielmehr ausschließlich Gewährleistungsansprüche geltend gemacht. Insbesondere in ihren - zu den Akten gereichten - Schreiben an die Klägerin hat sie sich nicht auf ihren Erfüllungsanspruch berufen, sondern Mängel gerügt und Minderung des Werklohns angekündigt. Vor diesem Hintergrund konnte das Amtsgericht ungeachtet der Abnahmeverweigerung von der Beweislast der Beschwerdeführerin für von ihr aus Mängeln des Ausdehnungsgefäßes hergeleitete Rechte ausgehen, und läßt dies jedenfalls nicht den Schluß zu, daß das Amtsgericht das die Abnahmeverweigerung betreffende Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis genommen hätte. Die Beurteilung der Frage der Beweislast selbst fällt in den Bereich der Anwendung des einfachen Rechts und ist vom Verfassungsgericht nicht zu überprüfen. Daß das Amtsgericht zu dieser Frage in verfassungswidriger Weise geradezu willkürlich entschieden hätte, ist nicht erkennbar.

3. Auch hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzforderung ist das Recht auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Das Amtsgericht F. hat die Beschwerdeführerin hierzu durch Beschluß vom 30. April 1998 darauf hingewiesen, daß ihr Vorbringen zu einer etwaigen Aufrechnung nicht substantiiert genug sei. Die Beschwerdeführerin hat ihre Gegenforderungen jedoch auch in den beiden Schriftsätzen aus Oktober 1998 nicht hinreichend konkretisiert.

4. Soweit es um die Höhe der Zinsen geht, hat das Amtsgericht das diesbezügliche Bestreiten der Beschwerdeführerin ersichtlich als nicht erheblich bewertet. Da die Klägerin die Höhe der Zinsforderung in der Klageschrift näher begründet hat, ist diese Einschätzung des Gerichts jedenfalls nicht willkürlich.

Das amtsgerichtliche Urteil verstößt - soweit ersichtlich - auch nicht aus anderen Gründen gegen die Landesverfassung.

5. Auch die Nichtberücksichtigung der Schadensersatzforderung wegen der ausgebauten Heizkörper ist nicht zu beanstanden. Es wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, diese Forderung genau zu bezeichnen und der Höhe nach darzutun. Dem ist sie nicht nachgekommen.

Dr. Macke Dr. Knippel
Prof. Dr. Mitzner Prof. Dr. Schöneburg
Prof. Dr. Schröder Prof. Dr. Will