VerfGBbg, Beschluss vom 24. März 2017 - VfGBbg 48/16 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 52 Abs. 3 Satz 1; LV, Art. 52 Abs. 4 Satz 1 - ZPO, § 114 Abs. 1 Satz 1 - SGG, § 73a Abs. 1 - SGB V, § 13 Abs. 3a Satz 6 |
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Schlagworte: | - erfolgreiche Verfassungsbeschwerde - Prozesskostenhilfe - Rechtsschutzgleichheit - Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung - Überspannung - Eilrechtsschutzverfahren - gesetzliche Krankenversicherung - nicht rechtzeitige Entscheidung über Leistungsantrag - Genehmigungsfiktion - zügiges Verfahren - Subsidiarität - Verzögerungsrüge |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 24. März 2017 - VfGBbg 48/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 48/16
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
T.,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigter: Anwaltsbüro
G. & G.
wegen Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. August 2016 (L 1 KR 340/16 B ER PKH)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 24. März 2017
durch die Verfassungsrichter Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt
beschlossen:
Der Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. August 2016 (L 1 KR 340/16 B ER) verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gericht aus Art. 52 Abs. 3 1. Alt. Verfassung des Landes Brandenburg. Der Beschluss wird hinsichtlich der Entscheidung zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben. Die Sache wird insoweit zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.
Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg.
I.
Der Beschwerdeführer ist gesetzlich krankenversichert bei der Barmer GEK (zugleich Gegnerin des Ausgangsverfahrens) und aufgrund einer chronischen Schmerzerkrankung im Besitz einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtmG) zum Erwerb von Medizinal-Cannabisblüten. Anfang Februar 2016 stellte er bei der Krankenkasse unter Beifügung eines fachärztlichen Berichtes seiner behandelnden Ärztin vom 28. Oktober 2015 einen Antrag auf Kostenübernahme für die Versorgung mit Medizinalhanf. Unter dem 14. März 2016 verfügte die Krankenkasse eine Ablehnung dieses Antrags, gegen den der Beschwerdeführer Widerspruch mit der Begründung einlegte, seinem Antrag sei bereits wegen der Fiktionswirkung des § 13 Abs. 3a Satz 6 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) stattgegeben. Die Krankenkasse erklärte daraufhin mit Bescheid vom 17. März 2016, dass dementsprechend zwar für den Zeitraum vom 23. Februar bis 17. März 2016 eine Kostenübernahme möglich sei, verfügte jedoch am 29. März 2016 sowohl die Aufhebung dieses Bescheides als auch der fiktiven Bewilligung nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V. Danach sollte allein die ablehnende Entscheidung vom 14. März 2016 Bestand haben. Der Beschwerdeführer erhob am 18. März 2016 Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. März 2016 und am 14. April 2016 auch Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. März 2016.
Im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 7. April 2016 erwarb der Beschwerdeführer Medizinal-Cannabis im Wert von 2.100,26 Euro. Am 14. April 2016 machte er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) mit dem Ziel anhängig, die Krankenkasse zu verpflichten, ihn vorläufig ab dem 14. April 2016 entsprechend der ärztlichen Dosierungsanleitung mit Medizinal-Cannabisblüten als Sachleistung zu versorgen. Er führte aus, es bestehe ein Anspruch auf Versorgung nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V, da die Krankenkasse nicht rechtzeitig über seinen Antrag entschieden habe. Die Genehmigungsfiktion sei auch nicht von vornherein auf Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) beschränkt. Er habe die Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten für erforderlich und nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegend gehalten. Die von der Krankenkasse verfügte Aufhebung der fiktiven Leistungsgewährung komme unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht in Betracht, da es insoweit nicht auf den materiellen Leistungsanspruch ankomme. Die Kosten für die Versorgung könne der Beschwerdeführer auch nicht aus eigenen Mitteln aufbringen.
Das Sozialgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 7. Juni 2016 ab und führte zur Begründung aus, für die Zeit vor Antragstellung bis zum 14. April 2016 fehle es bereits am Anordnungsgrund. Für die Zeit ab dem 14. April 2016 sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, da die beantragten Leistungen offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lägen und bezog sich dabei auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 8. März 2015 - B 1 KR 25/15 R -, wonach Medizinal-Cannabisblüten weder als zugelassenes Fertigarzneimittel noch als zulassungsfreies Rezepturarzneimittel in Verkehr gebracht werden dürften. Ein Ausnahmetatbestand für notstandsähnliche, lebensbedrohliche Erkrankungen oder eine vergleichbare Situation liege nicht vor.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) mit dem Beschwerdeführer am 30. August 2016 zugestelltem Beschluss vom 25. August 2016 als unbegründet zurück und lehnte zugleich den zusammen mit der Beschwerde gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, es bestehe kein Anordnungsanspruch für die Versorgung mit Arzneimitteln, deren Abgabe verboten sei. Zudem fehle es an der nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderlichen Therapieempfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Auch aus § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V ergebe sich kein Anordnungsgrund, da nach dieser Vorschrift nur die Versorgung mit solchen Medikamenten begehrt werden könne, die dem Grunde nach zum Leistungsumfang der GKV gehören. Der Beschwerdeführer gehe fehl in der Annahme, diese Begrenzung des Leistungsanspruchs sei im Rahmen von § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V nur beim Verlangen auf Kostenerstattung, nicht jedoch beim Sachleistungsanspruch zu beachten. Vertrauensschutzgesichtspunkte rechtfertigten keine andere Entscheidung.
Zur Ablehnung des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe führte das Gericht sinngemäß aus, es habe zu keinem Zeitpunkt die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht für das mit der Beschwerde verfolgte Begehren bestanden.
II.
Der Beschwerdeführer hat am 21. September 2016 Verfassungsbeschwerde erhoben. Er macht im Wesentlichen geltend, das LSG habe ihn durch den Beschluss zur Prozesskostenhilfe vom 25. August 2016 in seinem Grundrecht auf Rechtsschutzgleichheit der Landesverfassung verletzt. Dieses Grundrecht vermittle einen Anspruch auf weitgehende Angleichung beim Zugang zu Rechtsschutzmöglichkeiten für Unbemittelte und Bemittelte. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe dürfe zwar davon abhängig gemacht werden, dass die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg habe und nicht mutwillig sei, doch müsse die Prüfung der Erfolgsaussichten summarisch erfolgen. Die umfassende rechtliche Prüfung sei allein dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Das Verfahren der Prozesskostenhilfe solle nicht selbst Rechtsschutz bieten, sondern diesen ermöglichen. Demzufolge sei Verfassungsrecht verletzt, wenn die gerichtliche Entscheidung Fehler erkennen lasse, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Rechtsschutzgleichheit beruhten. Prozesskostenhilfe sei danach immer dann zu bewilligen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhänge. Das LSG habe vorliegend jedoch eine schwierige, noch nicht abschließend geklärte Rechtsfrage, nämlich den Umfang der Genehmigungsfiktion in § 13 Abs. 3a SGB V, zu entscheiden gehabt. Dazu würden in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedliche Auffassungen vertreten. Die bislang vorliegende Judikatur des Bundessozialgerichts könne nicht dahingehend verstanden werden, dass nur solche Leistungen von der Genehmigungsfiktion erfasst seien, die dem Leistungskatalog der GKV entsprächen. Dass das LSG dabei eine grundsätzlich vertretbare Rechtsauffassung zugrunde gelegt habe, ändere nichts daran, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne der Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe anzunehmen sei.
III.
Die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg und die Krankenkasse haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten. Die Verfahrensakten des Ausgangsverfahrens sind beigezogen worden.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist überwiegend zulässig und insoweit auch begründet.
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist überwiegend zulässig.
1. Hinsichtlich der sinngemäß vorgetragenen Rüge der überlangen Dauer des Prozesskostenhilfeverfahrens ist die Verfassungsbeschwerde wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, nachdem das Verfahren bereits vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde abgeschlossen war (vgl. Beschluss vom 20. September 2013 - VfGBbg 62/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Es ist nicht feststellbar, dass der Grundsatz der Subsidiarität beachtet worden ist. Nach diesem im Gebot der Rechtswegerschöpfung des § 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) verankerten Grundsatz muss der Beschwerdeführer das ihm Mögliche tun, damit eine Grundrechtsverletzung im fachgerichtlichen Instanzenzug unterbleibt oder beseitigt wird (st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 29. November 2013 - VfGBbg 48/13 -, Beschluss vom 19. September 2014 - VfGBbg 19/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Der Beschwerdeführer hat vorliegend nicht dargelegt, dass er um Rechtsschutz nach § 202 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. §§ 198 ff Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nachgesucht hat. Die genannten Vorschriften eröffnen die Möglichkeit, bei dem mit der Sache befassten Fachgericht die lange Dauer eines Gerichtsverfahrens zu rügen und einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG geltend zu machen. Dies gilt ausdrücklich auch für Prozesskostenhilfeverfahren (§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG). Die Wahrnehmung dieser Rechtsschutzmöglichkeit war daher unter Subsidiaritätsgesichtspunkten geboten (vgl. Beschlüsse vom 21. September 2012 - VfGBbg 43/12 -, vom 21. Februar 2014 - VfGBbg 54/13 - und vom 15. Mai 2014 - VfGBbg 49/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
2. Ob aus den vorgenannten Gründen auch die weitere Rüge des Beschwerdeführers unzulässig ist, das LSG habe über den Prozesskostenhilfeantrag erst zusammen mit der Hauptsache entschieden, kann dahinstehen. Denn der Beschwerdeführer hat entgegen dem Begründungserfordernis nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg keine prozessualen oder sonstigen Nachteile angeführt, die ihm durch die beanstandete Vorgehensweise entstanden sein könnten. Eine mögliche Grundrechtsverletzung ist in diesem Zusammenhang weder dargetan worden noch sonst ersichtlich.
3. Im Übrigen ist der Rechtsweg erschöpft (§ 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg). Der Beschwerdeführer war nicht gehalten, gegen den Beschluss des LSG Anhörungsrüge gem. § 178a SGG einzulegen. Ein Gehörsverstoß wird von ihm weder ausdrücklich noch der Sache nach geltend gemacht, die Verfassungsbeschwerde hat vielmehr ausschließlich die Verletzung der Rechtsschutzgarantie zum Gegenstand (vgl. Beschluss vom 18. März 2010 - VfgBbg 46/09 -).
4. Der Beschwerdeführer ist auch beschwerdebefugt. Er hat substantiiert und schlüssig einen Sachverhalt unterbreitet, der zu dem behaupteten Verstoß gegen das Grundrecht der Rechtsschutzgleichheit aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV führen kann. Dass er sich dabei zur Begründung nicht auf Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV, sondern auf Normen der Landesverfassung bezogen hat, die entweder keine mit der Verfassungsbeschwerde rügefähigen Grundrechte beinhalten (Art. 5 Abs. 1 LV) oder durch die speziellere Gewährleistung verdrängt werden (Art. 12 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 LV), steht dem nicht entgegen. Maßgeblich ist nicht, welches Grundrecht der Beschwerdeführer ausdrücklich benennt, sondern welche grundrechtliche Gewährleistung mit der Beschwerdeschrift der Sache nach ersichtlich als verletzt gerügt wird (vgl. Beschlüsse vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 21/13 -, vom 29. August 2014 - VfGBbg 1/14 -; und vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 41/15 -; www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Das ist vorliegend die spezielle Gewährleistung der Rechtsschutzgleichheit in Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV.
5. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer lediglich die Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren angreift. Eine solche kann selbständiger Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, wenn sich der geltend gemachte Verfassungsverstoß ausschließlich auf die Prozesskostenhilfe und nicht auch auf die Entscheidung in der Sache bezieht. In einem solchen Fall besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für dessen verfassungsgerichtliche Überprüfung. Anderenfalls wäre der verfassungsgerichtliche Rechtsschutz lückenhaft, denn der Betroffene hätte keine Möglichkeit, sich gegen eine selbständig in einer Entscheidung zur Prozesskostenhilfe enthaltene Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte zur Wehr zu setzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die beanstandete PKH-Entscheidung isoliert oder in Zusammenhang mit einer Sachentscheidung ergangen ist (vgl. Beschluss vom 17. April 2015 - VfGBbg 56/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 74, 78, 89 f; BVerfGK 5, 10, 12; BVerfG NJW 2010, 1349, 1350; NJW 2016, 861, 862). Gemessen daran besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde. Der vom Beschwerdeführer behauptete Verfassungsverstoß bezieht sich unabhängig von der Entscheidung zur Sache ausschließlich auf die zu seinen Lasten ergangene Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren.
6. Schließlich steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, dass der Beschluss, gegen den sie sich richtet, auf der Grundlage von Verfahrensrecht des Bundes ergangen ist. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen (vgl. LVerfGE 8, 82, 84; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - VfGBbg 18/10 -, LKV 2011, 124 f) sind erfüllt.
II.
In ihrem zulässigen Umfang ist die Verfassungsbeschwerde auch begründet. Das LSG verkennt in dem angegriffenen Beschluss den Gehalt der Rechtsschutzgleichheit und verletzt den Beschwerdeführer hierdurch in seinem Grundrecht aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV.
1. Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV enthält mit dem Gebot, dass alle Menschen vor dem Gericht gleich sind, in Bezug auf die Auslegung der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe die Verpflichtung zur weitgehenden Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Personen bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Es ist zwar verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Prozesskostenhilfe darf verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Das Recht auf Rechtsschutzgleichheit verpflichtet die zur Anwendung und Auslegung der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe (hier: § 73a Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO)) zuvörderst berufenen Fachgerichte jedoch dazu, das Erfordernis der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht zu überspannen, um einer unbemittelten Partei die gerichtliche Durchsetzung ihrer Rechte im Verhältnis zu einer bemittelten Partei nicht unverhältnismäßig zu erschweren; denn der Zweck der Prozesskostenhilfe ist es, dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen (Beschlüsse vom 26. August 2004 - VfGBbg 10/04 -, LVerfGE 15, 110, 113 f, und vom 15. März 2013 - VfGBbg 49/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; vgl. BVerfGE 81, 347, 356, 358; Ernst, in: Lieber/Iwers/Ernst, Kommentar zur Landesverfassung, 2012, Art. 52 Nr. 4.2). Der Unbemittelte ist im Wesentlichen dem gleichzustellen, der als Bemittelter Chancen und Risiken der Rechtsverfolgung vernünftig abwägt; dieser zieht auch die Erhebung einer Klage oder das Einlegen eines Rechtsmittels ernstlich in Betracht, deren Erfolg zwar nicht gewiss ist, aber doch auch nicht fernliegend erscheint. Das ist etwa der Fall, wenn der Erfolg eines Begehrens von höchstrichterlich noch nicht geklärten und umstrittenen Rechtsfragen abhängt. Es steht mit dem Zweck der Prozesskostenhilfe nicht im Einklang, wenn derartige Zweifelsfragen im nur summarischen Bewilligungsverfahren „durchentschieden“ werden (vgl. Beschlüsse vom 26. August 2004 - VfGBbg 10/04 -, LVerfGE 15, 110, 114, 15. März 2013 - VfGBbg 49/12 und vom 15. April 2016 - 55/15 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG NJW 2015, 2173, 2174). Prozesskostenhilfe braucht allerdings nicht schon dann gewährt zu werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder durch die in der bereits vorliegenden Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen als nicht „schwierig“ erscheint.
2. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtswahrnehmungsgleichheit wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht. Das LSG hat die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Anordnungsverfahren überspannt und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe verfehlt.
a. Das LSG hat zur Ablehnung des Prozesskostenhilfegesuchs ausgeführt, „zu keinem Zeitpunkt“ habe „die nach den §§ 73a SGG, 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht für das mit der Beschwerde verfolgte Begehren“ bestanden. Der Sache nach hat es sich damit auf die von ihm vertretene Auffassung bezogen, der mit der Rechtsverfolgung erstrebte Anordnungsanspruch ergebe sich nicht aus der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V.
b. Insoweit hat das LSG zwar in der Rechtsfrage der einfachrechtlichen Interpretation des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V - im Einklang mit anderen obergerichtlichen Entscheidungen (etwa LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. September 2016 - L 4 KR 320/16) sowie weiten Teilen des Schrifttums (vgl. die Übersicht bei Schifferdecker, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 13, Rn. 135-139) - einen vertretbaren Standpunkt eingenommen. Es hat bei seiner Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch aber vernachlässigt, dass die Frage, ob die Krankenkasse nach Eintritt der Genehmigungsfiktion mit allen Einwendungen ausgeschlossen ist, so dass auch Leistungen zu erbringen sind, die nicht zum Leistungskatalog gehören, in Rechtsprechung und Schrifttum durchaus uneinheitlich beurteilt wird (vgl. LSG Saarland vom 17. Juni 2015 - L 2 KR 180/14; SG Dortmund vom 22. Januar 2016 - S 8 KR 435/14 SG Detmold vom 18. Juni 2015 - S 3 KR 93/14; SG Köln vom 21. Dezember 2015 - S 12 KR 460/15, Rn. 20; Noftz, in: Hauck/Noftz, § 13 Rn. 58l; Vogl NZS 2014, 210, 210). Auch das Bundessozialgericht hat in einer - vom LSG selbst zitierten - Entscheidung ausgeführt (Urteil vom 8. März 2016 - B 1 KR 25/15 R), im Rahmen der Genehmigungsfiktion komme es auf die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen des Naturalleistungsanspruchs nicht an (Rn. 32, Juris) und die Genehmigungsfiktion trete nur dann nicht ein, wenn dadurch solche Leistungsgrenzen der GKV überwunden würden, die jedem Versicherten (subjektiv) klar sein müssten (Rn. 26, Juris). Das LSG hat damit bei seiner Prozesskostenhilfeentscheidung lediglich sein eigenes Verständnis vom Inhalt der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde gelegt (eine Abweichung von der Rechtsprechungslinie des Bundessozialgerichts sieht etwa Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 13 SGB V, Rn. 71 ff). Dass die streitentscheidende Frage zwingend zum Nachteil des Beschwerdeführers zu beantworten war, ist damit aber nicht zu begründen.
3. Der angegriffene Beschluss beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das LSG zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es die sich aus dem Grundrecht auf Gleichheit vor Gericht ergebenden Anforderungen an das Prozesskostenhilfeverfahren beachtet hätte.
III.
Der Beschluss vom 25. August 2016 ist hiernach gemäß § 50 Abs. 3 VerfGGBbg im Hinblick auf die Entscheidung zur Gewährung von Prozesskostenhilfe aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LSG Berlin-Brandenburg zurückzuverweisen.
C.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg.
Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf 10.000,00 Euro festzusetzen. Dies entspricht der ständigen Praxis des Verfassungsgerichts bei erfolgreichen Verfassungsbeschwerden.
Dr. Becker | Dielitz |
Dresen | Dr. Fuchsloch |
Dr. Lammer | Partikel |
Schmidt | |