VerfGBbg, Urteil vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 2/13 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 12 Abs. 1; LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 - EMRK, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 - StrRehaG, § 10; StrRehaG, § 11; StrRehaG, § 13; StrRehaG, § 16 Abs. 2; StrRehaG, § 17; StrRehaG, § 17a; StrRehaG, § 25 |
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Schlagworte: | - rechtliches Gehör - effektiver Rechtsschutz - Willkürverbot - Amtsermittlungsgrundsatz - persönliche Anhörung - DDR-Akten - Beweiskraft - Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit - Spitzeltätigkeit - Freiwilligkeit - Inhaftierung - Kapitalentschädigung - Besondere Zuwendung für Haftopfer - Rückforderung |
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nichtamtlicher Leitsatz: | Im Rahmen der nach § 11 Abs. 3 StrRehaG zu treffenden Ermessensentscheidung, ob eine mündliche Erörterung anberaumt wird, haben die Gerichte maßgeblich die prozessualen Grundrechte in den Blick zu nehmen. Dabei ist auch die Mündlichkeitsgarantie aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zu berücksichtigen, wenn das Verfahren die Aufhebung und Zurückforderung sozialer Ausgleichsleistungen i. S. d. § 16 Abs. 1 StrRehaG betrifft. | |
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Urteil vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 2/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 2/13
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IM NAMEN DES VOLKES
U r t e i l
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
O.,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Z.,
wegen des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 11. November 2011 – BRH (OP) 13/10 – und des Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29. August 2012 (1 Ws 6/12)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2014
für R e c h t erkannt:
1. Der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 11. November 2011 – BRH (OP) 13/10 – verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten auf rechtliches Gehör und effektiven Rechtsschutz. Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlan- desgerichts vom 29. August 2012 (1 Ws 6/12) verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten auf rechtliches Gehör, effektiven Rechtsschutz und Gleichheit vor dem Gesetz. Soweit in diesen Beschlüssen nicht die Verjährung bis zum 9. Dezember 2006 geltend gemachter Zinsansprüche festgestellt wird, werden sie aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurück verwiesen. Damit ist der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. Januar 2013 gegenstandslos.
2. Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu ersetzen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Entscheidungen über die Rücknahme von Bescheiden über Entschädigungsleistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG).
I.
1. Der seinerzeit siebzehnjährige Beschwerdeführer wurde im Juni 1972 wegen des Verdachts des versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) festgenommen und befand sich bis zum 25. Oktober 1972 in Untersuchungshaft. Im Zuge einer Amnestie wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt und der Beschwerdeführer aus der Untersuchungshaft entlassen. Mit Urteil des Kreisgerichts Brandenburg vom 19. September 1973 wurde der mittlerweile 18-Jährige wegen eines weiteren versuchten ungesetzlichen Grenzübertritts zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt, die er bis zum 23. Dezember 1974 in der Strafvollzugseinrichtung (StVE) Cottbus verbüßte.
Am 23. Mai 1975 verhängte das Kreisgericht Brandenburg gegen den Beschwerdeführer eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten wegen Diebstahls und Erpressung. Während der Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe in der StVE Berlin-Rummelsburg verpflichtete sich der Beschwerdeführer, als inoffizieller Mitarbeiter die Abteilung K 1 der Kriminalpolizei zu unterstützen (31. August 1976), und wiederholte dies später mit Blick auf die Zeit nach der Haftentlassung. In der handschriftlichen Erklärung vom 12. September 1977 verpflichtete sich der Beschwerdeführer, nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug mit „der Kriminalpolizei“ zusammenzuarbeiten. In einem Bericht über die Anwerbung des Beschwerdeführers vom 1. September 1976 heißt es u. a., dass dieser in dem mit ihm geführten Werbungsgespräch „den Sachverhalt einer noch offenen, von ihm begangenen Straftat“ niederlegte. In diesem handschriftlich verfassten, auf den 30. August 1976 datierten Sachverhalt führt der Beschwerdeführer aus, für den Fluchtversuch aus dem Juni 1973 im Frühjahr des Jahres eine Schusswaffe (Kalaschnikow) vom Schießplatz Hohenstücken entwendet und vergraben zu haben. Er habe die später allein in Angriff genommene Flucht zunächst mit einem Bekannten geplant und diesem auch gezeigt, wo er die Waffe versteckt hatte. Kurz danach habe er die Waffe nicht mehr in dem Versteck vorgefunden. Wie sich später herausgestellt habe, habe sein Bekannter sie an sich genommen.
Nach seiner Verpflichtung als inoffizieller Mitarbeiter berichtete der Beschwerdeführer über Vorkommnisse und Äußerungen in der Haftanstalt. Auch nach der Haftentlassung im September 1977 berichtete er der Polizei weiter.
Ende 1979 versuchte der Beschwerdeführer erneut, aus der DDR zu fliehen, und wurde deshalb vom Kreisgericht Potsdam am 20. Dezember 1979 zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt, die er in den StVE Cottbus und Torgau verbüßte. Mit erneuter Inhaftierung endete die Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei wegen „Unehrlichkeit und Dekonspiration“. Im November 1982 kaufte ihn die Bundesrepublik aus der Haft frei. Dort engagierte er sich u. a. in der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte.
Das Bezirksgericht Potsdam rehabilitierte den Beschwerdeführer mit Beschluss vom 7. Juli 1993 und hob die gegen ihn im Jahre 1972 ergriffenen Zwangsmaßnahmen (Untersuchungshaft von Juni bis 25. Oktober 1972) und die beiden wegen Republikfluchtversuchs ergangenen Urteile als rechtstaatswidrig auf. Ihm wurden für die erlittene Freiheitsentziehung durch Bescheide des Präsidenten des Landgerichts Potsdam vom 25. Mai 1994 und 27. September 2000 Kapitalentschädigungen in Höhe von jeweils 18.000,00 DM sowie durch Bescheid vom 28. Oktober 2008 eine besondere (noch nicht zur Auszahlung gelangte) Zuwendung in Höhe von 250,00 Euro monatlich (sog. Opferpension) zuerkannt.
2. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2009 hob der Präsident des Landgerichts nach schriftlicher Anhörung des Beschwerdeführers die genannten Bescheide auf und forderte die Kapitalentschädigungen in Höhe von 18.406,50 Euro zuzüglich 13.720,68 Euro Zinsen zurück. Nach Auskunft der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) sei in den Akten eine intensive Zusammenarbeit des Beschwerdeführers mit den Sicherheitsorganen der DDR dokumentiert. Er habe über eine beabsichtigte Republikflucht, Westkontakte bestimmter Personen und (angebliches) verdächtiges Verhalten gegen eine Einrichtung der Sowjetarmee berichtet. Seine Informationen seien als stets zuverlässig und konkret eingeschätzt worden und er habe Zuwendungen in Höhe von insgesamt 70,00 Mark und ein Präsent erhalten. Damit hätten hinsichtlich der Entschädigungsleistungen die Voraussetzungen eines Ausschlussgrundes nach § 16 Abs. 2 StrRehaG (Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit) vorgelegen, so dass sie rechtswidrig bewilligt worden und zurückzufordern seien.
Gegen diesen am 18. Januar 2010 zugestellten Bescheid stellte der Beschwerdeführer bald darauf Antrag auf gerichtliche Entscheidung, wobei er anregte, ihn persönlich anzuhören; zudem legte er eine Stellungnahme der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur vom 14. Juni 2010 vor. Von einer freiwilligen und gezielten Mitarbeit könne nicht ausgegangen werden. Er sei damals gerade einmal 22 Jahre alt gewesen und habe davon mehr als drei Jahre in DDR-Haftanstalten verbracht. Wegen des Waffendiebstahls habe eine Freiheitsstrafe von 10 Jahren wie ein Damoklesschwert über ihm geschwebt. Mit Beschluss vom 11. November 2011 wies das Landgericht den Antrag als unbegründet zurück. Es gebe „keine Anhaltspunkte“, dass der Beschwerdeführer durch konkrete Drohungen mit unzumutbaren Folgen unter Druck gesetzt worden sei, und zwar weder in seinem Vorbringen noch in den vorliegenden Unterlagen der BStU.
Nachdem der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt hatte, bat er erneut vergeblich, ihn persönlich anzuhören. Hinsichtlich eines Teils der Zinsforderung (Verjährung bis zum 9. Dezember 2006 entstandener Zinsansprüche) war die Beschwerde erfolgreich; im Übrigen und damit ganz überwiegend wies sie das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 29. August 2012 zurück. Die Zusammenarbeit des Beschwerdeführers mit den Sicherheitsorganen sei, so das Oberlandesgericht, nicht unfreiwillig erfolgt; insbesondere sei den Unterlagen nicht zu entnehmen, dass ihm über den Vorwurf des Waffendiebstahls bzw. –besitzes eine Verlängerung der Strafhaft oder eine neuerliche Bestrafung angedroht worden sei. Mit der Inhaftierung selbst und deren Belastungen sei eine die Freiwilligkeit der Verpflichtungserklärung ausschließende Zwangslage des Beschwerdeführers nicht verbunden gewesen, weil er wegen – auch in einem Rechtsstaat verfolgter - Straftaten allgemeiner Kriminalität und nicht aus politischen Gründen ins Gefängnis gekommen sei; ihn hätten daher „erhöhte Anforderungen“ getroffen, sich der Anwerbung durch die Kriminalpolizei zu widersetzen. Eine Anhörungsrüge wurde mit Beschluss vom 3. Januar 2013 (1 Ws 6/12) zurückgewiesen.
II.
1. Mit der am 22. Januar 2013 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, durch die gerichtlichen Entscheidungen in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 der Landesverfassung (LV) verletzt zu sein.
Die Gerichte hätten die Umstände seiner Anwerbung und seine damalige persönliche Lebenssituation nicht berücksichtigt. Er habe sich keineswegs freiwillig zur Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei verpflichtet. Vielmehr sei ihm eine (zusätzliche) langjährige Haftstrafe wegen des Waffendiebstahls aus dem Jahre 1973 angedroht worden. Dieser Diebstahl einer Maschinenpistole sei den Behörden im Zusammenhang mit einem gescheiterten Fluchtversuch seines Bekannten zur Kenntnis gelangt, bei dem dieser die „Kalaschnikow“ verwendet habe. Hierauf beruhe seine „Sachverhaltsdarstellung“ vom 30. August 1976, die er – mit teilweise vorgegebenen Formulierungen – unmittelbar vor seiner Verpflichtungserklärung habe verfassen müssen und ein jederzeit gegen ihn verwendbares Geständnis beinhalte. Dieses nach den zeitlichen Abläufen, der Aktenlage, aber auch der Stellungnahme der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur vom 14. Juni 2010 plausible Vorbringen hätten die Gerichte praktisch gar nicht gewürdigt. Soweit das Oberlandesgericht mit wenigen Worten darauf abstelle, eine Drohung im Hinblick auf den bekannt gewordenen Diebstahl der Maschinenpistole sei „den Unterlagen“ „nicht zu entnehmen“, verkenne es, dass derlei seinerzeit nun einmal nicht aktenkundig gemacht worden sei. Schließlich hätten die Gerichte seinen - für die Frage des ihm möglichen Widerstands gegen die Anwerbung durch die Kriminalpolizei - ebenfalls relevanten Vortrag nicht berücksichtigt, dass er zum Zeitpunkt der Anwerbung ein unsicherer, ja labiler junger Erwachsener gewesen sei, der schon in Kinder- und Jugendjahren in Kinderheimen bzw. bis kurz vor Erreichen der Volljährigkeit in einem Jugendwerkhof habe leben müssen.
Der Beschwerdeführer beantragt
festzustellen, dass der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 11. November 2011 – BRH (OP) 13/10 – und der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29. August 2012 (1 Ws 6/12) ihn in seinem Grundrecht aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV verletzen,
sowie
die Entscheidungen aufzuheben.
2. Die Präsidenten des Landgerichts und des Oberlandesgerichts hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV und effektiven Rechtsschutz. Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 29. August 2012 verletzt ihn darüber hinaus in seinem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz aus Art. 12 Abs. 1 LV.
I.
Land– und Oberlandesgericht sind in ihren angegriffenen Entscheidungen der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs und effektiven Rechtsschutzes nicht ausreichend nachgekommen.
1.a. Das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV verpflichtet das Gericht u. a., die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidung in Erwägung zu ziehen (st. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 25. Januar 2013 – VfGBbg 16/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; zum Bundesrecht: Bundesverfassungsgericht – BVerfG - E 42, 364, 367 f.). Eine Verletzung dieser Pflicht ist anzunehmen, wenn das Gericht in den Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des nicht offensichtlich unsubstantiierten Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht eingeht, die - auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Gerichts - für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist (Beschluss vom 25. Januar 2013, a. a. O.; BVerfGE 86, 133, 146); oder wenn die Nichtberücksichtigung bzw. Zurückweisung von Vorbringen oder von Beweisanträgen im jeweils anzuwendenden Prozessrecht keine Stütze mehr findet und sich hierin eine Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Gehörsgrundrechts manifestiert (vgl. Beschluss vom 13. April 2012 – VfGBbG 43/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2012 - 2 BvR 1013/11 -, zitiert nach juris Rn. 32).
b. In einem engen funktionalen Zusammenhang mit dem Recht auf rechtliches Gehör steht die Garantie effektiven Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 119, 292, 295 f; 107, 395, 409). Sie gibt dem Einzelnen einen Anspruch auf eine umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung im Sinne einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle des Verfahrensgegenstandes (Iwers, in: Lieber/Iwers/ Ernst, Kommentar zur Landesverfassung Brandenburg, Art. 6 Nr. 1.1; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 54, 277, 291). Ein wesentliches Element bei der Verwirklichung dieses Anspruchs ist die Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der Verfahrensbeteiligten, mithin die hinreichende Gewährung rechtlichen Gehörs (BVerfGE 81, 123, 129; BVerfG, Beschluss vom 18. August 2010 – 1 BvR 3268/07 -, BVerfGK 17, 479, 486 f). Dessen Verletzung bedeutet danach regelmäßig auch eine Einbuße an effektivem Rechtsschutz (vgl. BVerfK 17, 479, 487). Darüber hinaus ist die Rechtsschutzgarantie beeinträchtigt, wenn die Gerichte die prozessrechtlichen Möglichkeiten zur Sachverhaltsfeststellung so eng auslegen, dass ihnen eine angemessene sachliche Prüfung der zur Entscheidung anstehenden Fragen nicht möglich ist (vgl. BVerfGE 53, 115, 127 f; 101, 275, 294 f).
2.a. Das Landgericht hat die Darstellung des Beschwerdeführers, die eine konkrete Drohung für den Fall der Ablehnung einer Zusammenarbeit mit den Sicherheitsorgangen nachgerade zum Kern seines Vortrages macht, bei der Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen und damit sein Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt. Die Schilderung des Beschwerdeführers zu den Umständen seiner Anwerbung, er sei als Strafgefangener im Zusammenhang mit dem Diebstahl einer sowjetischen Maschinenpistole mit einer drakonischen weiteren Haftstrafe bedroht worden, ist vom Gericht übergangen worden. Dies ergibt sich aus seinem Beschluss vom 11. November 2011. Weder gibt das Landgericht den Vortrag wieder, noch geht es in der Entscheidungsbegründung an irgendeiner Stelle näher auf das (behauptete) Geschehen ein. Vielmehr stellt es im Rahmen der Beurteilung der Beweggründe des Beschwerdeführers für die inoffizielle Mitarbeit mit der Kriminalpolizei ausdrücklich fest, es gebe aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers „keine Anhaltspunkte“, durch konkrete Drohungen unter Druck gesetzt worden zu sein. Dies trifft offensichtlich nicht zu.
b. Das Oberlandesgericht hat zwar ausweislich seines Beschlusses vom 29. August 2012 diesen Vortrag des Beschwerdeführers zu seiner Anwerbung zur Kenntnis genommen. Es hat jedoch das Recht auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es diesen Vortrag allein unter Hinweis auf die von der BStU übermittelten Unterlagen zurückgewiesen hat. Zugleich ist das Oberlandesgericht damit seiner Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht geworden.
aa. Das Verfahren der gerichtlichen Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 StrRehaG richtet sich nach den Vorschriften des 2. Abschnitts des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (§§ 7 – 15 StrRehaG), § 25 Abs. 1 Satz 4 StrRehaG. Danach bestimmt das Gericht im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes seine Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 10 Abs. 1 StrRehaG), wobei Beweise nicht im Streng-, sondern im Freibeweisverfahren erhoben werden. Es entscheidet durch Beschluss (§ 12 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG) und in der Regel ohne eine mündliche Erörterung; es kann eine solche – wie auch das persönliche Erscheinen des Antragstellers – jedoch jederzeit anordnen, wenn es dies zur Sachverhaltsaufklärung oder aus anderen Gründen für erforderlich hält (§ 11 Abs. 3, 4 StrRehaG). Für die Beschwerde (§ 13 StrRehaG) gegen die erstinstanzliche gerichtliche Entscheidung gilt im Ergebnis nichts anderes (vgl. Pfister, in: Pfister/ Mütze, Rehabilitierungsrecht, Stand August 1993, § 13 StrRehaG Rn. 39 f; Mütze, a. a. O., § 25 StrRehaG Rn. 55). § 15 StrRehaG verweist insoweit auf §§ 306 bis 309 Strafprozessordnung (StPO). Nach diesen, im Lichte der Verfahrensordnung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes zu handhabenden Bestimmungen hat das Beschwerdegericht die erstinstanzliche Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen. Soweit für die Beurteilung der Begründetheit der Beschwerde erforderlich, muss es alle zur Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Ermittlungen von Amts wegen nach pflichtgemäßen Ermessen und ohne Bindung an Anträge durchführen (vgl. § 308 Abs. 2 StPO), wobei wiederum das Freibeweisverfahren zur Verfügung steht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2008 – 2 BvR 325/06 -, BVerfGK 13, 218, 226 f m. N.). Deshalb ist schon nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz ggf. auch im Beschwerdeverfahren eine mündliche Erörterung mit persönlicher Anhörung des Antragstellers nach § 11 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 StrRehaG durchzuführen (vgl. Wende, in: Herzler/Ladner/Peifer/Schware/Wende, Rehabilitierung, Potsdamer Kommentar, 2. Aufl. 1997, § 13 StrRehaG Rn. 20).
bb. Dass das Oberlandesgericht dem Vorbringen des Beschwerdeführers allein unter Hinweis auf die Aktenlage nicht gefolgt ist, findet in dem Verfahrensrecht keinerlei Rechtfertigung mehr. Das Gericht durfte den Vortrag des Beschwerdeführers nicht (ausschließlich) mit der Begründung zurückweisen, dass das Geschehen so nicht in den aus der DDR überkommenen Unterlagen dokumentiert ist.
Der Beschwerdeführer hat plausibel dargelegt, dass er durch die Drohung mit einer weiteren Haftstrafe wegen Waffendiebstahls zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei genötigt worden sei. Dieser Vortrag widerspricht nicht nur nicht den von der BStU übermittelten Unterlagen, sondern es fügt sich sogar in den schriftlich dokumentierten Geschehensablauf ein. Zwischen der Verpflichtungserklärung vom 31. August 1976 und der auf den 30. August 1976 datierten Sachverhaltsdarstellung, die das zur Ausübung von Druck auf den Beschwerdeführer taugliche Eingeständnis des Waffendiebstahls enthält, besteht neben dem engen zeitlichen auch ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang. Es wird offenkundig auf diese Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen, wenn im Bericht über die Werbung des Beschwerdeführers vom 1. September 1976 ausgeführt wird, er habe den „Sachverhalt einer noch offenen, von ihm begangenen Straftat schriftlich“ niedergelegt. Aus den Akten ergibt sich schließlich auch nicht, dass der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, die Behörden hätten von dem Waffendiebstahl infolge des gescheiterten Fluchtversuchs seines Bekannten gewusst und auf dieser Kenntnis beruhten seine damaligen schriftlichen Angaben, die Unwahrheit behauptet.
Wie sich von selbst verstehen dürfte, sind die DDR-Unterlagen nicht allein maßgeblich für die Prüfung, ob ein Antragsteller nach § 16 Abs. 2 StrRehaG gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat, sondern hierbei lediglich als eine von mehreren Erkenntnisquellen heranzuziehen (Mütze, a. a. O., § 16 StrRehaG Rn. 68). Die zentrale Verfahrensregelung des § 10 Abs. 1 StrRehaG reduziert die Ermittlungen und Beweiserhebungen des Gerichts nicht auf die Verwertung der durch die „Sicherheitsorgane“ gefertigten Aufzeichnungen. Diese sind – soweit sie nicht zu Gunsten des Antragstellers für eine rechtsstaatswidrige strafrechtliche Verurteilung im Sinne von § 1 StrRehaG streiten – im Gegenteil einer kritischen Würdigung zu unterziehen, weil Aufgabenstellung und Arbeitsweise der sog. „Sicherheitsorgane“ rechtsstaatlichen Erfordernissen der objektiven Sachverhaltsaufklärung in keiner Weise entsprochen haben. Dies übersieht das Oberlandesgericht, wenn es den Unterlagen unkritisch einen exklusiven Beweiswert beimisst. Den Aufzeichnungen staatlicher Stellen kommt indes keine negative Beweiskraft in dem Sinne zu, dass bestimmte vom Antragsteller behauptete Umstände nicht vorgelegen haben können, weil sich in den Akten keine Bestätigung für sie findet (vgl. Pfister, a. a. O., § 10 StrRehaG Rn. 82 f). § 10 Abs. 2 StrRehaG offenbart demgegenüber die Bedeutung, die im Rahmen der Sachaufklärung gerade dem Vortrag des Antragstellers zukommt. Die an die richterliche Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen werden der systembedingt entstandenen besonderen Beweisnot der Betreffenden wegen und mit Rücksicht auf die Schwierigkeit, länger zurückliegendes Geschehen zuverlässig zu ermitteln, vom Gesetz sogar vermindert, indem die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ausreichen kann. Dabei ist den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Angaben des Antragstellers umso mehr Gewicht im Verhältnis zu den behördlichen Unterlagen beizumessen, je weniger diese Akten eine neutrale Sachverhaltsdarstellung versprechen. Letzteres ist jedenfalls im Hinblick auf Umstände vorauszusetzen, welche – wie vorliegend - die Freiwilligkeit der Mitarbeit in Frage zu stellen geeignet wären, weil sie sich auf strafrechtlich relevantes Verhalten der Sicherheitsbehörden zum Nachteil des Angeworbenen (etwa Nötigung) beziehen; die Annahme einer negativen Beweiskraft der Aktenlage liegt hier besonders fern, worauf im Ergebnis auch die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur als mit den Verhältnissen vertraute Fachbehörde in ihrer Stellungnahme hingewiesen hat (s. S. 3: „Drohungen und Erpressungen … wurden in den Berichten des MfS unterschlagen, denn die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften galt auch für die IM-Werbung“). In derartigen Fällen dürfte der eigene, ggf. glaubhaft gemachte Vortrag regelmäßig die einzige Möglichkeit sein, die Gerichte von einem Zwang zur Mitarbeit zu überzeugen.
3. Davon unabhängig haben das Landgericht und in der Folge das Oberlandesgericht gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör verstoßen, weil sie den Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt mündlich angehört haben. Die Entscheidungen genügen auch in dieser Hinsicht nicht rechtsstaatlichen Mindestanforderungen.
Die Modalitäten der Gehörsgewährung sind weitgehend der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber in einfachrechtlichen Verfahrensordnungen überlassen (zu Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz: BVerfGE 89, 381, 391). Sehen diese eine mündliche Verhandlung vor und wird den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zur Äußerung in der Verhandlung dadurch versagt, dass das Gericht gesetzeswidrig ohne mündliche Verhandlung entscheidet, so begründet dies einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlich verbürgte Garantie rechtlichen Gehörs (Beschluss vom 14. Februar 2002 – VfGBbg 65/01 -, LVerfGE Suppl Bbg. zu Bd. 13, 51, 56; BVerfG, Beschluss vom 5. April 2012 – 2 BvR 2126/11 -, NJW 2012, S. 2262, 2263 zu § 495 S. 2 Zivilprozessordnung; vgl. Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, Stand April 2013, § 101 Rn. 25a). Nur wenn entsprechende gesetzliche Regelungen fehlen, besteht von Verfassungs wegen kein genereller Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf eine mündliche Verhandlung oder persönliche Anhörung (BVerfGE 112, 185, 203 f; st. Rspr.). Gleichwohl kann auch dann im Einzelfall eine persönliche Anhörung verfassungsrechtlich geboten sein (vgl. Degenhart, in: Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl., Art. 103 Rn. 22).
Einfachgesetzlich hat der Bundesgesetzgeber in § 11 Abs. 3 StrRehaG die Durchführung einer mündlichen Erörterung nicht als Regelfall vorgeschrieben, aber – mit Blick auf das Erfordernis der Sachverhältsaufklärung oder sonstiger Gründe - in das pflichtgemäß auszuübende Ermessen des Gerichts gestellt. Für die gerichtlichen Anfechtungsverfahren gegen die Rücknahme von Bescheiden nach § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) bzw. § 45, § 48 Sozialgesetzbuch X (SGB X) über das Vorliegen der Voraussetzungen von § 16 Abs. 2 StrRehaG kommen prozess- ökonomische Gesichtspunkte nicht in gleicher Weise zur Geltung wie in den früheren Rehabilitierungsverfahren. Denn es geht hier um den Entzug bereits bewilligter sozialer Ausgleichsleistungen; diese Verfahren sind gerade nicht darauf gerichtet, dem Antragsteller möglichst schnell Genugtuung für ihm zugefügtes Unrecht, also eine Vergünstigung, zu verschaffen. Zudem führt der Leistungsentzug nicht nur zu einer materiellen Einbuße, sondern ist auch mit einer gewissen ideellen Entwertung des dem Antragsteller durch die Rehabilitierung zuerkannten Status verbunden. Bei ihrer Entscheidung, ob mündlich erörtert werden soll, haben die Gerichte dabei maßgeblich auch die prozessualen Grundrechte in den Blick zu nehmen (zur möglichen Ermessensreduzierung im Rahmen von § 11 Abs. 3 StrRehaG vgl. auch Wassmuth, ZOV 2009, 168, 172). Dabei ist die Mündlichkeitsgarantie aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) vorrangig zu berücksichtigen. Anders als die primäre Rehabilitierungsentscheidung betreffen die Aufhebung und Zurückforderung von Leistungen nach § 48 VwVfG, § 45 SGB X oder § 48 SGB X nämlich Ansprüche im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, sie ziehen unmittelbare wirtschaftliche Folgen nach sich (vgl. zur konventionsrechtlich gebotenen weiten Auslegung des Begriffs „zivilrechtliche“ Ansprüche in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK: Dolderer, in: Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, 3. Aufl., § 101 Rn. 9; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 6 Rn. 17; s. auch Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, a. a. O., § 84 Rn. 6).
Vorliegend durften danach das Landgericht und im Weiteren das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer die – sogar wiederholt ausdrücklich begehrte - persönliche Schilderung der Umstände seiner Werbung in der Strafvollzugseinrichtung nicht verwehren. Die angemessene Berücksichtigung seines entsprechenden Vortrags im Rahmen der gebotenen gerichtlichen Sachaufklärung war für die Gewährung rechtlichen Gehörs und effektiven Rechtsschutzes von entscheidender Bedeutung (s. zu 2.b.bb.). Im Hinblick darauf hätte dem in nicht übersehbarer besonderer Beweisnot befindlichen Beschwerdeführer die Gelegenheit gegeben werden müssen, insbesondere die Umstände seiner Verpflichtung in der Strafvollzugseinrichtung Rummelsburg und den weiteren Gang der Dinge bis zum Ende seiner Zuarbeit wegen „Unehrlichkeit und Dekonspiration“ mündlich darzulegen und zu erläutern. Auch hätte es nahegelegen, auf das zwischenzeitliche (aktenkundige) Bemühen des Beschwerdeführers einzugehen, sich von der Zusammenarbeit mit der Abteilung K 1 der Kriminalpolizei zu lösen. Ob das Gericht bislang von falschen Annahmen ausgegangen ist, weiteren Ermittlungsbedarf übersehen oder auch bestimmte Umstände nicht angemessen berücksichtigt oder bewertet hat, muss sich jedenfalls an einer persönlichen Schilderung der Verhältnisse im DDR-Strafvollzug messen lassen können; die dialogische Gesprächssituation einer Erörterung eignet sich am besten, die notwendige Erkenntnisgrundlage für die Entscheidung zu gewährleisten. Nicht zuletzt verschafft eine mündliche Anhörung dem Gericht einen unmittelbaren Eindruck vom Antragsteller und seiner Glaubwürdigkeit.
II.
Das Oberlandesgericht hat mit seiner Entscheidung außerdem gegen Art. 12 Abs. 1 LV in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür verstoßen, indem es im Hinblick auf die Haftsituation bei Abgabe der Verpflichtungserklärung eine die Freiwilligkeit ausschließende Zwangslage des Beschwerdeführers mit der Begründung verneint hat, dessen Inhaftierung habe auf Straftaten allgemeiner Kriminalität beruht.
1. Objektiv willkürlich ist eine Entscheidung erst dann, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar ist. Sie muss Ausdruck einer Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Bewertungsspielraum überschreitet und damit sachlich unhaltbar erscheint (vgl. Beschluss vom 19. Juni 2013 – VfGBbg 61/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).
2. Nach diesem Maßstab ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts objektiv willkürlich. Ob die Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei „freiwillig“ war und welches Maß an Widerstand gegen das Ansinnen zur verdeckten Zusammenarbeit mit den „Sicherheitsorganen“ erwartet werden konnte, kann unter Geltung des Gleichheitssatzes – entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts - nicht vom damaligen Haftgrund abhängen. Das Gesetz knüpft allein an eine Zwangslage an, nicht daran, auf welcher Art Straftaten die eine Zwangslage begründende Inhaftierung beruhte (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Ds 12/1608, S. 24).
Der Ansatz des Oberlandesgerichts, den vom DDR-Strafvollzug Betroffenen ein unterschiedliches Maß an Abwehr abzuverlangen, ist mit der lebensfremd anmutenden Vorstellung verbunden, einzelne Gefängnisinsassen seien zu einem Mehr an Widerstand allein deshalb in der Lage gewesen, weil sie „herkömmliche“ Straftaten begangen haben. Für diese Differenzierung gibt es keinerlei Anknüpfungspunkt im Gesetz. Das Oberlandesgericht hat auch nicht den Versuch unternommen, eine solche Ungleichbehandlung mit den herkömmlichen und anerkannten Auslegungsmethoden in vertretbarer Weise aus dem Gesetz abzuleiten (vgl. zu diesem, auch aus kompetenzrechtlichen Gründen bestehenden Erfordernis BVerfGE 128, 193, 210 f; 122, 248, 257 f; BVerfG, Beschluss vom 8. November 2010 – 1 BvR 1595/10 -, zitiert nach juris Rn. 8). Zudem wäre die vom Oberlandesgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen Straftaten allgemeiner Delinquenz und politischer motivierter Definition in der gebotenen Klarheit auch gar nicht möglich. Ein normativ zumutbares Maß des von dem Angeworbenen zu leistenden Widerstands dürfte im Übrigen willkürfrei kaum zu ermitteln sein, wenn der Haft verschiedene, ggf. sogar in Tateinheit begangene, Straftaten zugrunde lagen - wie zum Beispiel im Fall der ersten Verurteilung des Beschwerdeführers wegen versuchter Republikflucht und Diebstahls – oder wenn traumatische Folgen, psychische Beeinträchtigungen oder körperliche Schäden einer Inhaftierung aus politischen Gründen bei einer späteren Haft aus anderen Gründen fortwirkten.
III.
Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den dargelegten Grundrechtsverstößen (vgl. zu diesem Erfordernis: Beschluss vom 15. März 2013 – VfGBbg 42/12 -, www.verfassungsgericht. brandenburg.de).
C.
Die Entscheidung über die Aufhebung und Zurückverweisung folgt aus § 50 Abs. 3 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg). Das Gericht verweist die Sache nach § 50 Abs. 3 Halbsatz 2 VerfGGBbg an „ein“ zuständiges Gericht zurück. Danach waren die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen aufzuheben, soweit sie nicht den Beschwerdeführer begünstigen, und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts über die Anhörungsrüge vom 3. Januar 2013 ist gegenstandslos.
Die Auslagenerstattung beruht auf § 32 Abs. 7 Satz 1 VerfGGBbg. Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf 10.000,00 Euro festzusetzen.
D.
Das Urteil ist hinsichtlich des festgestellten Gleichheitsverstoßes mit 8 zu 1 Stimmen und im Übrigen einstimmig ergangen. Es ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielitz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |
Nitsche | Partikel |
Schmidt |