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VerfGBbg, Beschluss vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 15/13 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 9 Abs. 1
- StGB, § 63; StGB, § 67d
- StPO, § 463 Abs. 4
Schlagworte: - Maßregelvollzug
- Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
- Fortdauer der Unterbringung
- externes Sachverständigengutachten
- Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
- Anforderungen an die Entscheidungsbegründung
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 15/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 15/13




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

     H.,

 

                                          Beschwerdeführer,

 

Verfahrensbevollmächtigte:  Rechtsanwältin B.,

                  

 

 

wegen des Beschlusses des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Oktober 2012 (26 StVK 133/12 G) und des Beschlusses des Bran­den­bur­­­gischen Oberlandesgerichts vom 8. Januar 2013 (2 Ws 242/12)

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dre­sen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

am 24. Januar 2014 

 

b e s c h l o s s e n:

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen

 

 

G r ü n d e:

 

A.

Der im September 1964 geborene Beschwerdeführer wendet sich gegen gerichtliche Entschei­dun­­gen über die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psy­chi­­a­trischen Krankenhaus.

 

I.

1. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Potsdam vom 29. Oktober 1993 wurde der Beschwerdeführer wegen Diebstahls in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Vom Vorwurf der sexuellen Nöti­gung zu Lasten eines Fünfzehnjährigen und der Kör­per­ver­­let­­­zung sprach das Bezirksgericht ihn frei, weil es nicht aus­schließen konnte, dass er zum Tatzeitpunkt wegen einer Alko­ho­li­sierung von 2,67 Promille sowie einer abnormen Per­sön­lich­­keits­­struktur schuldunfähig war. Gleichzeitig ordnete das Bezirks­ge­­richt in sei­nem Urteil die Maßregel der Unter­­­bringung in einem psy­chi­a­tri­schen Krankenhaus an (§ 63 Strafgesetzbuch - StGB -). Der Beschwer­deführer war bereits in den Jahren 1987 bis 1989 wegen der Begehung von Sexualdelikten an Jugend­­­­lichen und Kindern zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Seit dem 6. Nov­ember 1993 ist er zum Zwecke des Maß­re­­­gel­vollzugs in psychiatrischen Kran­­ken­häusern unter­ge­bracht, der­zeit im Martin Gropius Kran­ken­haus Ebers­­­walde – Kli­­­nik für For­en­­sische Psychiatrie (nach­fol­gend: Klinik).

 

2. Die letzte Begutachtung des Beschwerdeführers durch einen kli­­­­­­­­­nik­­­externen Sachverständigen erfolgte zu Beginn des Jahres 2011. Nach dem Gutachten vom 23. Februar 2011 leidet der Beschwer­deführer – wegen seiner sexuel­len Orien­tie­rung auf puber­­­­­tierende und präpubertäre Jun­gen – weiterhin an einer Pädo-Hebe­phi­lie, einer kombinierten Persönlich­keits­stö­rung mit vor­­wiegend schi­­­­­­zoiden und dissozialen Anteilen, einer Alko­­­­­­­hol­ab­­h­­än­­gig­keit (absti­­nent in geschützter Umgebung) und unter­­­­­­durch­­schnitt­li­cher Intelligenz. Hieraus ergebe sich ein hohes Risi­ko, dass der Beschwerdeführer außer­­halb des Maß­re­gel­­­­voll­zugs erneut Sexualdelikte begehen werde. Der Sach­ver­stän­­­­dige empfahl die Fortsetzung der zwisch­en­zeit­lich begon­­­­­ne­nen sexu­al­­de­liktsspezifischen Thera­pie, die Ver­legung des Beschwer­­­de­füh­rers auf die Behand­lungs­sta­tion und die Ein­nahme sex­u­al­­­­trieb­hemmender Medikamente. Nachdem der Beschwer­de­füh­rer kurz darauf auf die Behandlungsstation verlegt worden war, erklärte er im Sep­­­tember 2011 anlässlich einer Anhörung durch die Straf­­voll­stre­ck­ungskammer des Landgerichts erstmals seine Bereit­­­­schaft, sich einer trieb­­­däm­­pfenden Medi­kation zu unter­zie­­­hen. Das Land­ge­richt ordnete unter dem 4. Oktober 2011 die Fort­­dauer der Unterbringung im psy­­chi­atri­schen Krankenhaus nach § 63 StGB an und nahm hierbei Bezug auf die Ein­­schätzung der Klinik von August 2011, der Beschwerde­füh­rer habe the­ra­peu­­­ti­sche Fortschritte gemacht, die Legal­­prognose sei aber – auch mit Blick auf das Gut­ach­ten vom 23. Februar 2011 - in der Gesamt­­schau noch als ungün­­stig zu bewerten.

 

3. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 29. Oktober 2012 lehnte das Landgericht nach Anhörung des Beschwer­de­füh­­­­­­­rers dessen Antrag auf Erle­­­­­­­digt­­erklärung der Maßregel ab und ordnete wie­de­­rum die Fort­­­­­­­­dauer der Unterbringung an. Der Beschwer­­deführer sei wegen sei­­n­­­­­er Erkrankung wei­­­ter­­hin hoch gefähr­­­­­lich und bedürfe th­­e­­­­­­­­­ra­peu­­­­ti­scher Behandlung im Maß­re­gel­voll­­zug. Eine bedingte Ent­las­­sung (§ 67d Abs. 2 StGB) bzw. die bean­­­tragte Erle­­­digt­er­klä­rung der Maßregel kämen daher nicht in Betracht; das Sicher­heits­­interesse der Allgemeinheit, ins­be­son­­­dere der Kinder und Jugend­­lichen, habe Vorrang. Aus der gut­­ach­ter­li­chen Stel­lung­­­nahme der Kli­nik vom 19. Juli 2012 ergebe sich, dass beim Beschwer­­de­führer nach wie vor eine Pädo­­­­philie, eine kom­­­­bi­nierte Persönlichkeitsstörung mit dis­so­zi­a­len und impul­si­ven Merk­malen sowie Alko­hol­ab­­hän­gig­­­­­­­keit vor­lä­­gen. Diese psy­chi­­­schen Störungen begründeten sowohl bei der Anwen­­­­­dung sta­ti­st­­­i­scher Prognoseinstrumente als auch in der gebo­­­­­­­tenen Ein­zel­fall­­­­­­be­trachtung ein hohes Rückfallrisiko hin­sich­t­­­­­­lich der Bege­­­­­­­hung von Sexual- wie auch allgemeinen Gewalt­­­­­delikten. Eine Fort­­­­­­­­­­setzung der Therapie sei der­­zeit aus­­­­sichts­los. Denn im Feb­­­­ruar 2012 sei offenbar geworden, dass der Beschwer­deführer kurz nach der Ver­­­legung auf die Behand­­lungs­sta­­­tion im Februar 2011 erneut eine sexu­­el­le Bezie­hung zu einem Mit­pa­tien­ten auf­ge­nom­men und dies ver­schwie­gen habe. Im Vor­­feld der Ver­­­­legung habe er dem­­gegen­über noch be­teu­ert, Distanz zu die­sem Patien­ten hal­ten und durch Offen­heit gegen­­­über der Kli­nik Ver­trauen her­­stellen zu wollen, um die Locke­­r­ungs­stufe „unbe­glei­­te­ten Aus­­gang“ zu errei­chen. Weil der Beschwer­deführer damit einen für sich auf Locke­­­­rungen vor­be­rei­­tende Sexualstraftäter ganz ent­scheidenden Umstand, den aktu­el­len Umgang mit der eigenen Sexu­a­lität, ver­heim­­­­­licht habe, fehl­­­ten gegenwärtig die Voraus­setzungen für seine weite­re Behan­­dlung und Erprobung. Die Kam­mer schließe sich diesen Ein­­schät­­­­­zungen und der Empfehlung der Kli­­nik, die Fort­­dauer der Unter­­bringung anzu­ordnen, nach kri­­­­tischer Über­prü­fung an.

 

Der Beschwerdeführer legte gegen den Beschluss rechtzeitig sofor­­tige Beschwerde ein, die er ent­­ge­gen sei­­ner Ankün­digung aber nicht begründete.

 

Mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 8. Januar 2013 (Zugang: 17. Januar 2013) ver­­­­­­warf das Oberlandesgericht im Wesent­­lichen unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Ent­­scheidung die sofortige Beschwerde als unbe­­­­­­­­­­grün­det.

 

II.

Der Beschwerdeführer rügt mit der am Montag, den 18. März 2013 erho­­­­benen Verfassungsbeschwerde die Verletzung seines Frei­­­­­­­­­­­­­­heits­­­grundrechts aus Art. 9 Abs. 1 der Landesverfassung (LV).

 

Die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Kran­­­­­­­­­­­kenhaus sei unverhältnismäßig. Die Gerichte hätten Bedeu­tung und Tragweite seines Freiheitsgrundrechts verkannt. Die ange­­­­­­­­griffenen Entscheidungen ließen eine hinreichende rich­ter­li­­­che Sachaufklärung vermissen und hätten in tat­säch­li­cher Hin­­­­­­­sicht keine ausreichende Grundlage. Das Landgericht habe eine kri­­­­­­­­­­tische Würdigung der gutachterlichen Stellungnahme der Kli­n­ik nicht vor­­­­­­­genommen und in seinem Beschluss nicht einmal das im letzten Jahr erstellte externe Gut­achten erwähnt. Es gehe – wie auch das Ober­lan­des­­gericht - von seiner fortbeste­he­­n­­den Gefähr­lich­keit aus, ohne insoweit, etwa durch Einholung eines (weiteren) Gut­ach­tens zu dieser Frage, die erforderliche Sach­­­­­­­­auf­­­klä­rung betrie­­ben zu haben. Eine inten­­­­­sive Auseinan­der­set­­­zung mit der Stel­lung­nahme der Kli­­­nik sei gerade mit Blick darauf zwingend gewe­­sen, dass er sich bereits in Locke­­rungen erprobt habe, frei­­willig triebhemmende Medikamente einnehme und die sexuelle Bezie­hung zu einem erwachsenen Mit­pa­tien­­­ten hin­sicht­lich der seine Pädophilie betreffenden Gefahrprognose posi­­­tive Aspekte auf­­weise. Schließ­lich hät­ten die gut­­ach­­­­terlichen Fest­stel­lungen einer beson­­ders gründlichen Kon­trolle bedurft, weil die Kli­nik, von der sie stammten, ein privat­wirt­schaft­lich geführ­tes Unter­nehmen sei.

 

III.

Die Präsidenten des Landgerichts und des Oberlandesgerichts sowie die Staatsanwaltschaft Potsdam hat­­­­­ten Gele­gen­heit zur Stel­­­lungnahme. Die Akten des Ausgangs­ver­­­fah­rens und das Voll­stre­ckungsheft wur­den beigezogen.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Dahinstehen kann, ob sie bereits unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Ver­­­­­­­­­­fassungsbeschwerde unzulässig ist, weil der Beschwer­­­­de­füh­rer das Rechtsmittel gegen den erstin­stanz­­­lichen Beschluss des Land­gerichts nicht einmal überschlägig – etwa mit den später in der Beschwerdeschrift dem Verfassungsgericht vor­ge­tra­ge­nen Argu­­menten - begrün­­det hat (vgl. hierzu Beschluss vom       18. Okto­­­ber 2013 – VfGBbg 72/12 -, wwww.verfassungsge­richt. bran­­­­­den­­­burg.de). Die Ver­fas­sungs­be­schwerde ist jedenfalls un­be­­­­­grün­­­­det, weil die angegriffenen Ent­­scheidungen den Beschwer­­­de­füh­­­rer nicht in seinem Grundrecht der Freiheit der Per­­son aus Art. 9 Abs. 1 LV verletzen.

 

I.

Das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 1 LV darf wegen seines hohen Rangs nur aus besonders wichtigen Grün­­­­­­­­den ein­ge­schränkt wer­den; zu diesen zählt der Schutz der All­­­­­­gemeinheit, wie er durch das Straf- und das Straf­ver­fah­rens­­­recht bezweckt wird (vgl. zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grund­ge­setz: Bun­des­ver­fas­sungs­ge­­­richt – BVerfG - E 58, 208, 224 f). Ent­scheidun­gen über die An­ord­­­­­­nung und Fortdauer einer Unter­brin­­gung im psychi­a­tri­schen Kran­­­­­­kenhaus nach § 63, § 67d Abs. 2 StGB betreffen die Frei­­heits­­­­­­­­­­­entziehung und berühren damit das Frei­heits­grund­­recht unmi­t­­­telbar (Beschlüsse vom 18. Sep­tember 2003 – VfGBbg 178/03 – und vom 19. Oktober 2013 – VfGBbg 72/12 -, www.verfas­sungs­ge­richt. bran­­den­­burg.de).

 

Sie bedürfen daher zurei­­chender rich­terlicher Sach­­­­auf­­­klä­­rung und einer in tat­säch­­licher Hin­sicht genügenden Grund­­­­lage (BVerfGE 58, 208, 222, 230; Beschluss vom 19. Juni 2012 – 2 BvR 2521/11 -, NStZ 2013, 116, 117 f). Hierzu gehört regel­mäßig die Einholung sach­ver­stän­di­­ger, vom Gericht selb­stän­­dig zu wür­­digender Ein­schät­­zun­gen, soweit in Prog­­­no­se­­ent­­schei­­­dun­gen – wie vor­­­liegend hin­sicht­lich der Gefahr künftiger Straf­fäl­­ligkeit des Beschwer­­­deführers nach § 67d Abs. 2, 6 StGB – gei­­­st­ige oder see­lische Anomalien zu beur­tei­len sind (BVerfGE 70, 297, 309 f; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2013 – 2 BvR 371/12 -, zitiert nach juris Rn. 42). Solche Entscheidungen müs­­­­sen zudem den Grund­satz der Ver­hält­­nis­­­mäßigkeit beach­ten, indem sie den – mit zunehmender Dauer der Unter­bringung bedeut­­­­­­­­samer wer­den­den – Frei­heits­an­­spruch des Unter­­gebrachten und das Schutz­be­dürf­­­nis der All­ge­­mein­­heit, ausgedrückt durch das Maß der vom Unter­­­gebrachten aus­gehenden Gefahr, gegen­ein­an­­der abwä­gen (BVerfGE 70, 297, 311 ff). Dabei darf in die Abwä­­­gung nur die Gefahr solcher rechts­­­wi­dri­gen Taten ein­ge­­stellt werden, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach auch die Anord­nung der Unter­brin­gung nach § 63 StGB recht­fertigen kön­nen; ferner ist der Grad der Wahr­schein­lichkeit zu bestimmen, dass sich diese Gefahr reali­siert (BVerfG, Beschlüsse vom   26. August 2013 – 2 BvR 371/12 -, zitiert nach juris Rn. 44 f und vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 2957/12 -, zitiert nach juris Rn. 26 f). Mit der Dauer der Unter­bringung erhöhen sich zudem die ver­­­fas­sungs­ge­richt­liche Kon­troll­dichte und infolgedessen auch die Anfor­­­­derungen, die an eine Ent­schei­­dungs­­begründung zu stel­­len sind, mit der im Ra­­­h­men der Ver­­­­hält­nismäßigkeits­prü­fung dem Schutz der All­­­­ge­­mein­­heit der Vorrang vor dem Frei­heits­­anspruch ein­ge­räumt und die Aus­s­et­zung der Maß­re­gel­­voll­zie­hung nach § 67d Abs. 2 StGB abge­lehnt werden (BVerfGE 70, 297, 315 f). In der Anord­nung der Unter­­bringungs­fort­dauer ohne eine diese Anfor­­­­de­run­gen erfül­­­­­­­­­lende Begründung manifestiert sich eine Verkennung der Trag­weite des Freiheitsgrundrechts und des Grundsatzes der Ver­hältnismäßigkeit; eine solche Anord­­nung rechtfertigt daher eine weitere Frei­heits­ent­zie­­­­hung nicht und ver­letzt den Unter­ge­brach­ten in sei­nem Frei­heits­­­­grund­­­recht (BVerfGE 70, 297, 314 f, 316 f; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2013, a. a. O., Rn. 48 f).

 

II.

Die angegriffenen Entscheidungen werden den vorstehend auf­ge­zeig­ten Sach­auf­klä­rungs- und Begrün­dungs­er­for­­dernissen gerecht und verstoßen daher nicht gegen das Grund­­­­recht des Beschwer­de­füh­rers aus Art. 9 Abs. 1 LV.

 

1. Das Landgericht hat die Fortdauer der Unterbringung auf der Grund­­­­lage einer sachverständigen Einschätzung, der Stel­lung­nahme der Klinik vom 19. Juli 2012, angeordnet. Das letzte externe Gutachten vom 23. Februar 2011 hatte das Land­­ge­­richt bereits für seinen Beschluss vom 4. Oktober 2011, auf den es in dem angegriffenen Beschluss verweist, verwendet. Da die Stel­­lung­nahme der Klinik vom 19. Juli 2012 Bezug auf die­­­­­­­­­ses Gut­achten nimmt (insbesondere hinsichtlich der Gefähr­­­­­­­­­lich­­­keits­ein­schät­zung), hat es auch auf diesem Wege Ein­­­gang in den Beschluss vom 29. Oktober 2012 gefun­den. Unab­­­hän­­gig davon durfte das Land­ge­­­richt in die­­sem Be­schluss ganz über­wiegend auf die Stel­lungnahme vom 19. Juli 2012 abstellen. Bei dieser han­delte es sich um die aktuelle sachverständige Ein­­schätzung des Beschwer­­­­­de­füh­rers, in der auch die Ent­wick­lun­g seit der letz­­ten Ent­­­­­schei­dung über die Fortdauer der Unte­r­bringung (Offen­­­bar­wer­­­­den einer ver­­­heim­­­lichten sexuellen Beziehung des Beschwerdeführers zu einem Mit­pa­­­­­­tien­­ten) in den Blick genommen wurde, die in dem Gutachten vom 23. Feb­­ruar 2011 naturgemäß noch keine Be­rück­­­sich­ti­gung fin­­­den konnte.

 

Ihre Ent­­­­­scheidung auf ein neues externes Gut­­­­ach­­­ten zu stützen, waren Landgericht und Oberlandesgericht verfassungsrechtlich nicht verpflichtet. § 463 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO sieht vor, dass für die Ent­schei­­­dung über die Fortdauer der Unter­brin­gung das Gutachten eines externen Sach­ver­stän­di­gen ein­ge­holt wird, wenn seit der let­­zten auf einer externen Begut­­­­­­­ach­tung beru­hen­den Anordn­ung der Unterbringungs­fort­­dauer fünf Jahre vergangen sind (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner, Kom­­­­mentar zur StPO, 56. Aufl. 2013, § 463 Rn. 10). Die Ein­hal­tung die­­­ser Vor­­gaben soll der Gefahr repe­­titiver Rou­ti­ne­be­ur­tei­­­lun­gen vor­beu­­gen (BVerfGE 117, 71, 105 f) und ist ein das Frei­­­­­­heits­­­grund­­recht schüt­z­en­des Ver­fas­sungs­­gebot, dessen Miss­ach­­­­­tung der Betroffene mit der Ver­fas­sungs­beschwerde rügen kann (BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2012, a. a. O., S. 117). Das letzte externe Gutachten vom 23. Feb­­­­­­ru­ar 2011 war im Zeit­punkt der angegriffenen Ent­schei­dungen etwa 20 Monate (Land­ge­richt) bzw. 23 Monate (Ober­lan­desgericht) alt; zwischen diesen und dem Beschluss vom    4. Okto­­­­ber 2011, für den das Gutachten erstellt worden war, liegt ledig­­­lich etwa ein Jahr bzw. 1 ¼ Jahre. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass (auch) aus ver­­­­­fas­sungsrechtlichen Gründen die – vom Beschwerdeführer im Übrigen zu kei­­­nem Zeitpunkt bean­tragte – Ein­­holung eines externen Gut­ach­tens im Einzelfall aus­nahms­weise bereits nach Ablauf eines so kur­­­zen Zeit­raums geboten sein kann; insoweit ist das Vorliegen beson­derer Umstände hier aber nicht ersichtlich, und zwar auch mit Blick auf die privatrechtliche Organisiertheit der Klinik.

 

2. Die angegriffenen Entscheidungen werden ferner dem Grund­satz der Ver­hält­­­­­nis­mä­ßigkeit gerecht und weisen insoweit auch eine den ver­­­­fas­­sungs­rechtlichen Anforderungen genügende Be­grün­­­­­­­­­­­dung auf.

 

a. Das Landgericht hat in seinem Beschluss eine Abwägung zwi­schen dem Frei­heits­grund­recht des Beschwerdeführers und dem Sicher­­­heits- und Schutz­be­dürf­nis der Allgemeinheit, ins­be­son­dere der Kin­­­­­­der und Jugendlichen, vorgenommen. Es hat in diese Abwä­­gung die Gefahr eingestellt, dass der Beschwerdeführer ent­­­­sprechend sei­­­­­­­­­­­ner festgestellten psychischen Störung (u. a. Pädo­philie) erneut ein Sexu­al­delikt mit massiver Gewalt­­­­an­wen­­dung begeht, wie es seinerzeit Anlass für die Anord­­nung der Unter­­­bringung war (Sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Auch auf die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass der Beschwerdeführer schwere Sexualstraftaten begeht, wenn er frei­­­­­­kommt, geht die Kammer in dem Beschluss ein, indem sie – im Einklang mit den sachverständigen Einschätzungen - eine kran­­k­­­heits­be­dingt hohe Gefährlichkeit bzw. ein hohes Rück­­­fall­ri­­siko feststellt. Ein sol­­­ches ist nach gefe­st­ig­ter höchst­­­­­­­­­rich­­­­terlicher Recht­­­­sprechung aus­­­reichend für die Anord­nung der Unter­­­­­bringung nach § 63 StGB (vgl. Bun­des­ge­richts­hof, Beschlüsse vom 17. Februar 2009 – 3 StR 27/09 -, NStZ-RR 2009, 306, 307 und vom 27. Juni 2007 – 2 StR 135/07 -, zitiert nach juris Rn. 6: die Wahr­schein­­lichkeit muss nicht hoch, sondern ledig­­­lich höhe­­­­­ren Gra­des sein). Dem der­art fest­ge­stell­ten Maß der vom Be­schwer­de­füh­rer ausgehenden Gefähr­­lich­­­­keit hat die Kam­­­­­­mer des­­­­­sen Frei­heits­­­­­­­­anspruch gegen­über­ge­stellt und dabei aus­­­­drück­lich befunden, die Fort­­­­dauer der Unter­­bri­n­­­­­­­­gung sei ver­­­­­­hältnismäßig, „obwohl diese bereits fast 20 Jahre“ andau­ere.

 

Die Begründung, mit der das Landgericht die widerstreitenden Belange zugunsten des Sicherheitsbedürfnisses der All­ge­mein­heit gewichtet hat, ist auch mit Rücksicht auf den erheb­li­chen Zeit­raum der Unterbringung des Beschwerdeführers von Ver­fas­sungs wegen nicht zu beanstanden. Es sind keine Anhalts­­­­punkte dafür ersichtlich, dass das Landgericht ledig­lich der abschlie­­­ßen­­den Empfeh­­lung in der Stellungnahme der Klinik vom 19. Juli 2012 gefolgt sein könnte, ohne die­se selb­stän­dig zu wür­­­­digen. Viel­­mehr hat die Kammer die Stellungnahme in ihrem Beschluss aus­­­­­­­führ­­lich wiedergegeben und anschließend aus­drück­lich eine eigene Bewer­tung des Sach­ver­halts und Abwägung dahin­­gehend vorgenommen, die Vor­­­­­­aus­­­setzungen für eine Fort­dauer der Unterbringung lägen weiter­hin vor; dabei hat sie beson­­deres Augen­merk auf das Maß der vom Beschwerdeführer aus­ge­­­­hen­den Gefähr­lich­­keit - den Typus der drohenden Straf­­­taten sowie deren Wahr­schein­lichkeit - gelegt. Nach ver­fas­­­­­­sungs­recht­­­­li­chen Maßstäben war auch mit Blick auf die wei­te­re Ent­wick­lung seit dem Beschluss des Land­­gerichts vom 4. Okto­­­ber 2011 eine besonders ­in­tensive Aus­ein­an­der­set­zung mit der Stel­lung­­­nahme vom 19. Juli 2012 nicht zwingend erfor­der­­lich. Im Vor­­­jahr hatte die Kam­­mer dem Beschwer­de­füh­rer in Über­­ein­stim­mung mit der Ein­schät­­zung der Klinik – trotz gewis­­ser aus­drück­­­lich gewürdigter the­­­­­ra­peu­ti­scher Fortschritte - eine (noch) nega­tive Legal­pro­g­no­se gestellt. Es liegt auf der Hand, dass die Klinik diese Prog­nose nicht zugun­sten des Beschwer­de­füh­­­rers abgeändert hat, viel­­­­­mehr die posi­tiven Ansät­ze (Inan­spruch­­nahme von Behand­lungs­an­ge­bo­ten, Einnahme trieb­­­hemmender Medi­kamente) hinterfragen musste, als sie von de­s­­­­­sen sexuel­ler Bezie­­­­­­­­­­hung zu einem Mit­­­pa­­­­­­tien­ten Kenntnis erlangte; und zwar vor allem, weil der Beschwer­de­füh­rer diese Be­ziehung zu keinem Zeitpunkt offengelegt, sondern im Gegen­teil anläss­lich der zu therapeutischen Zwecken erfolg­ten Ver­­le­­gung auf die Behand­­­­­­­­­lungs­­station noch beteuert hatte, sie nicht wieder auf­neh­­men zu wollen.

 

b. Ohne Verstoß gegen die Landesverfassung durfte schließlich das Ober­lan­des­gericht auf den mit der Beschwer­­­­­de­entscheidung bestä­­tigten Beschluss des Land­gerichts Bezug neh­­men. Für wei­ter­­­gehende Ausführungen bestand schon deshalb keine Ver­an­las­sung, weil der Beschwerdeführer seinerseits die Beschwerde gegen die ange­foch­tene Entscheidung nicht begründet hatte.

 

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielietz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Nitsche Partikel
   
Schmidt