VerfGBbg, Beschluss vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 15/13 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 9 Abs. 1 - StGB, § 63; StGB, § 67d - StPO, § 463 Abs. 4 |
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Schlagworte: | - Maßregelvollzug - Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - Fortdauer der Unterbringung - externes Sachverständigengutachten - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - Anforderungen an die Entscheidungsbegründung |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 15/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 15/13
IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
H.,
Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin B.,
wegen des Beschlusses des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. Oktober 2012 (26 StVK 133/12 G) und des Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. Januar 2013 (2 Ws 242/12)
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
am 24. Januar 2014
b e s c h l o s s e n:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen
G r ü n d e:
A.
Der im September 1964 geborene Beschwerdeführer wendet sich gegen gerichtliche Entscheidungen über die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
I.
1. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Potsdam vom 29. Oktober 1993 wurde der Beschwerdeführer wegen Diebstahls in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Vom Vorwurf der sexuellen Nötigung zu Lasten eines Fünfzehnjährigen und der Körperverletzung sprach das Bezirksgericht ihn frei, weil es nicht ausschließen konnte, dass er zum Tatzeitpunkt wegen einer Alkoholisierung von 2,67 Promille sowie einer abnormen Persönlichkeitsstruktur schuldunfähig war. Gleichzeitig ordnete das Bezirksgericht in seinem Urteil die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an (§ 63 Strafgesetzbuch - StGB -). Der Beschwerdeführer war bereits in den Jahren 1987 bis 1989 wegen der Begehung von Sexualdelikten an Jugendlichen und Kindern zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Seit dem 6. November 1993 ist er zum Zwecke des Maßregelvollzugs in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht, derzeit im Martin Gropius Krankenhaus Eberswalde – Klinik für Forensische Psychiatrie (nachfolgend: Klinik).
2. Die letzte Begutachtung des Beschwerdeführers durch einen klinikexternen Sachverständigen erfolgte zu Beginn des Jahres 2011. Nach dem Gutachten vom 23. Februar 2011 leidet der Beschwerdeführer – wegen seiner sexuellen Orientierung auf pubertierende und präpubertäre Jungen – weiterhin an einer Pädo-Hebephilie, einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit vorwiegend schizoiden und dissozialen Anteilen, einer Alkoholabhängigkeit (abstinent in geschützter Umgebung) und unterdurchschnittlicher Intelligenz. Hieraus ergebe sich ein hohes Risiko, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs erneut Sexualdelikte begehen werde. Der Sachverständige empfahl die Fortsetzung der zwischenzeitlich begonnenen sexualdeliktsspezifischen Therapie, die Verlegung des Beschwerdeführers auf die Behandlungsstation und die Einnahme sexualtriebhemmender Medikamente. Nachdem der Beschwerdeführer kurz darauf auf die Behandlungsstation verlegt worden war, erklärte er im September 2011 anlässlich einer Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts erstmals seine Bereitschaft, sich einer triebdämpfenden Medikation zu unterziehen. Das Landgericht ordnete unter dem 4. Oktober 2011 die Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB an und nahm hierbei Bezug auf die Einschätzung der Klinik von August 2011, der Beschwerdeführer habe therapeutische Fortschritte gemacht, die Legalprognose sei aber – auch mit Blick auf das Gutachten vom 23. Februar 2011 - in der Gesamtschau noch als ungünstig zu bewerten.
3. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 29. Oktober 2012 lehnte das Landgericht nach Anhörung des Beschwerdeführers dessen Antrag auf Erledigterklärung der Maßregel ab und ordnete wiederum die Fortdauer der Unterbringung an. Der Beschwerdeführer sei wegen seiner Erkrankung weiterhin hoch gefährlich und bedürfe therapeutischer Behandlung im Maßregelvollzug. Eine bedingte Entlassung (§ 67d Abs. 2 StGB) bzw. die beantragte Erledigterklärung der Maßregel kämen daher nicht in Betracht; das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit, insbesondere der Kinder und Jugendlichen, habe Vorrang. Aus der gutachterlichen Stellungnahme der Klinik vom 19. Juli 2012 ergebe sich, dass beim Beschwerdeführer nach wie vor eine Pädophilie, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und impulsiven Merkmalen sowie Alkoholabhängigkeit vorlägen. Diese psychischen Störungen begründeten sowohl bei der Anwendung statistischer Prognoseinstrumente als auch in der gebotenen Einzelfallbetrachtung ein hohes Rückfallrisiko hinsichtlich der Begehung von Sexual- wie auch allgemeinen Gewaltdelikten. Eine Fortsetzung der Therapie sei derzeit aussichtslos. Denn im Februar 2012 sei offenbar geworden, dass der Beschwerdeführer kurz nach der Verlegung auf die Behandlungsstation im Februar 2011 erneut eine sexuelle Beziehung zu einem Mitpatienten aufgenommen und dies verschwiegen habe. Im Vorfeld der Verlegung habe er demgegenüber noch beteuert, Distanz zu diesem Patienten halten und durch Offenheit gegenüber der Klinik Vertrauen herstellen zu wollen, um die Lockerungsstufe „unbegleiteten Ausgang“ zu erreichen. Weil der Beschwerdeführer damit einen für sich auf Lockerungen vorbereitende Sexualstraftäter ganz entscheidenden Umstand, den aktuellen Umgang mit der eigenen Sexualität, verheimlicht habe, fehlten gegenwärtig die Voraussetzungen für seine weitere Behandlung und Erprobung. Die Kammer schließe sich diesen Einschätzungen und der Empfehlung der Klinik, die Fortdauer der Unterbringung anzuordnen, nach kritischer Überprüfung an.
Der Beschwerdeführer legte gegen den Beschluss rechtzeitig sofortige Beschwerde ein, die er entgegen seiner Ankündigung aber nicht begründete.
Mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 8. Januar 2013 (Zugang: 17. Januar 2013) verwarf das Oberlandesgericht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung die sofortige Beschwerde als unbegründet.
II.
Der Beschwerdeführer rügt mit der am Montag, den 18. März 2013 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung seines Freiheitsgrundrechts aus Art. 9 Abs. 1 der Landesverfassung (LV).
Die Fortdauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sei unverhältnismäßig. Die Gerichte hätten Bedeutung und Tragweite seines Freiheitsgrundrechts verkannt. Die angegriffenen Entscheidungen ließen eine hinreichende richterliche Sachaufklärung vermissen und hätten in tatsächlicher Hinsicht keine ausreichende Grundlage. Das Landgericht habe eine kritische Würdigung der gutachterlichen Stellungnahme der Klinik nicht vorgenommen und in seinem Beschluss nicht einmal das im letzten Jahr erstellte externe Gutachten erwähnt. Es gehe – wie auch das Oberlandesgericht - von seiner fortbestehenden Gefährlichkeit aus, ohne insoweit, etwa durch Einholung eines (weiteren) Gutachtens zu dieser Frage, die erforderliche Sachaufklärung betrieben zu haben. Eine intensive Auseinandersetzung mit der Stellungnahme der Klinik sei gerade mit Blick darauf zwingend gewesen, dass er sich bereits in Lockerungen erprobt habe, freiwillig triebhemmende Medikamente einnehme und die sexuelle Beziehung zu einem erwachsenen Mitpatienten hinsichtlich der seine Pädophilie betreffenden Gefahrprognose positive Aspekte aufweise. Schließlich hätten die gutachterlichen Feststellungen einer besonders gründlichen Kontrolle bedurft, weil die Klinik, von der sie stammten, ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen sei.
III.
Die Präsidenten des Landgerichts und des Oberlandesgerichts sowie die Staatsanwaltschaft Potsdam hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des Ausgangsverfahrens und das Vollstreckungsheft wurden beigezogen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Dahinstehen kann, ob sie bereits unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde unzulässig ist, weil der Beschwerdeführer das Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Beschluss des Landgerichts nicht einmal überschlägig – etwa mit den später in der Beschwerdeschrift dem Verfassungsgericht vorgetragenen Argumenten - begründet hat (vgl. hierzu Beschluss vom 18. Oktober 2013 – VfGBbg 72/12 -, wwww.verfassungsgericht. brandenburg.de). Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet, weil die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht der Freiheit der Person aus Art. 9 Abs. 1 LV verletzen.
I.
Das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 1 LV darf wegen seines hohen Rangs nur aus besonders wichtigen Gründen eingeschränkt werden; zu diesen zählt der Schutz der Allgemeinheit, wie er durch das Straf- und das Strafverfahrensrecht bezweckt wird (vgl. zu Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz: Bundesverfassungsgericht – BVerfG - E 58, 208, 224 f). Entscheidungen über die Anordnung und Fortdauer einer Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nach § 63, § 67d Abs. 2 StGB betreffen die Freiheitsentziehung und berühren damit das Freiheitsgrundrecht unmittelbar (Beschlüsse vom 18. September 2003 – VfGBbg 178/03 – und vom 19. Oktober 2013 – VfGBbg 72/12 -, www.verfassungsgericht. brandenburg.de).
Sie bedürfen daher zureichender richterlicher Sachaufklärung und einer in tatsächlicher Hinsicht genügenden Grundlage (BVerfGE 58, 208, 222, 230; Beschluss vom 19. Juni 2012 – 2 BvR 2521/11 -, NStZ 2013, 116, 117 f). Hierzu gehört regelmäßig die Einholung sachverständiger, vom Gericht selbständig zu würdigender Einschätzungen, soweit in Prognoseentscheidungen – wie vorliegend hinsichtlich der Gefahr künftiger Straffälligkeit des Beschwerdeführers nach § 67d Abs. 2, 6 StGB – geistige oder seelische Anomalien zu beurteilen sind (BVerfGE 70, 297, 309 f; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2013 – 2 BvR 371/12 -, zitiert nach juris Rn. 42). Solche Entscheidungen müssen zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, indem sie den – mit zunehmender Dauer der Unterbringung bedeutsamer werdenden – Freiheitsanspruch des Untergebrachten und das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit, ausgedrückt durch das Maß der vom Untergebrachten ausgehenden Gefahr, gegeneinander abwägen (BVerfGE 70, 297, 311 ff). Dabei darf in die Abwägung nur die Gefahr solcher rechtswidrigen Taten eingestellt werden, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach auch die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigen können; ferner ist der Grad der Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, dass sich diese Gefahr realisiert (BVerfG, Beschlüsse vom 26. August 2013 – 2 BvR 371/12 -, zitiert nach juris Rn. 44 f und vom 5. Juli 2013 – 2 BvR 2957/12 -, zitiert nach juris Rn. 26 f). Mit der Dauer der Unterbringung erhöhen sich zudem die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte und infolgedessen auch die Anforderungen, die an eine Entscheidungsbegründung zu stellen sind, mit der im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem Schutz der Allgemeinheit der Vorrang vor dem Freiheitsanspruch eingeräumt und die Aussetzung der Maßregelvollziehung nach § 67d Abs. 2 StGB abgelehnt werden (BVerfGE 70, 297, 315 f). In der Anordnung der Unterbringungsfortdauer ohne eine diese Anforderungen erfüllende Begründung manifestiert sich eine Verkennung der Tragweite des Freiheitsgrundrechts und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit; eine solche Anordnung rechtfertigt daher eine weitere Freiheitsentziehung nicht und verletzt den Untergebrachten in seinem Freiheitsgrundrecht (BVerfGE 70, 297, 314 f, 316 f; BVerfG, Beschluss vom 26. August 2013, a. a. O., Rn. 48 f).
II.
Die angegriffenen Entscheidungen werden den vorstehend aufgezeigten Sachaufklärungs- und Begründungserfordernissen gerecht und verstoßen daher nicht gegen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 9 Abs. 1 LV.
1. Das Landgericht hat die Fortdauer der Unterbringung auf der Grundlage einer sachverständigen Einschätzung, der Stellungnahme der Klinik vom 19. Juli 2012, angeordnet. Das letzte externe Gutachten vom 23. Februar 2011 hatte das Landgericht bereits für seinen Beschluss vom 4. Oktober 2011, auf den es in dem angegriffenen Beschluss verweist, verwendet. Da die Stellungnahme der Klinik vom 19. Juli 2012 Bezug auf dieses Gutachten nimmt (insbesondere hinsichtlich der Gefährlichkeitseinschätzung), hat es auch auf diesem Wege Eingang in den Beschluss vom 29. Oktober 2012 gefunden. Unabhängig davon durfte das Landgericht in diesem Beschluss ganz überwiegend auf die Stellungnahme vom 19. Juli 2012 abstellen. Bei dieser handelte es sich um die aktuelle sachverständige Einschätzung des Beschwerdeführers, in der auch die Entwicklung seit der letzten Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung (Offenbarwerden einer verheimlichten sexuellen Beziehung des Beschwerdeführers zu einem Mitpatienten) in den Blick genommen wurde, die in dem Gutachten vom 23. Februar 2011 naturgemäß noch keine Berücksichtigung finden konnte.
Ihre Entscheidung auf ein neues externes Gutachten zu stützen, waren Landgericht und Oberlandesgericht verfassungsrechtlich nicht verpflichtet. § 463 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO sieht vor, dass für die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung das Gutachten eines externen Sachverständigen eingeholt wird, wenn seit der letzten auf einer externen Begutachtung beruhenden Anordnung der Unterbringungsfortdauer fünf Jahre vergangen sind (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 56. Aufl. 2013, § 463 Rn. 10). Die Einhaltung dieser Vorgaben soll der Gefahr repetitiver Routinebeurteilungen vorbeugen (BVerfGE 117, 71, 105 f) und ist ein das Freiheitsgrundrecht schützendes Verfassungsgebot, dessen Missachtung der Betroffene mit der Verfassungsbeschwerde rügen kann (BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2012, a. a. O., S. 117). Das letzte externe Gutachten vom 23. Februar 2011 war im Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidungen etwa 20 Monate (Landgericht) bzw. 23 Monate (Oberlandesgericht) alt; zwischen diesen und dem Beschluss vom 4. Oktober 2011, für den das Gutachten erstellt worden war, liegt lediglich etwa ein Jahr bzw. 1 ¼ Jahre. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass (auch) aus verfassungsrechtlichen Gründen die – vom Beschwerdeführer im Übrigen zu keinem Zeitpunkt beantragte – Einholung eines externen Gutachtens im Einzelfall ausnahmsweise bereits nach Ablauf eines so kurzen Zeitraums geboten sein kann; insoweit ist das Vorliegen besonderer Umstände hier aber nicht ersichtlich, und zwar auch mit Blick auf die privatrechtliche Organisiertheit der Klinik.
2. Die angegriffenen Entscheidungen werden ferner dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht und weisen insoweit auch eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Begründung auf.
a. Das Landgericht hat in seinem Beschluss eine Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschwerdeführers und dem Sicherheits- und Schutzbedürfnis der Allgemeinheit, insbesondere der Kinder und Jugendlichen, vorgenommen. Es hat in diese Abwägung die Gefahr eingestellt, dass der Beschwerdeführer entsprechend seiner festgestellten psychischen Störung (u. a. Pädophilie) erneut ein Sexualdelikt mit massiver Gewaltanwendung begeht, wie es seinerzeit Anlass für die Anordnung der Unterbringung war (Sexuelle Nötigung nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Auch auf die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass der Beschwerdeführer schwere Sexualstraftaten begeht, wenn er freikommt, geht die Kammer in dem Beschluss ein, indem sie – im Einklang mit den sachverständigen Einschätzungen - eine krankheitsbedingt hohe Gefährlichkeit bzw. ein hohes Rückfallrisiko feststellt. Ein solches ist nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ausreichend für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 17. Februar 2009 – 3 StR 27/09 -, NStZ-RR 2009, 306, 307 und vom 27. Juni 2007 – 2 StR 135/07 -, zitiert nach juris Rn. 6: die Wahrscheinlichkeit muss nicht hoch, sondern lediglich höheren Grades sein). Dem derart festgestellten Maß der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährlichkeit hat die Kammer dessen Freiheitsanspruch gegenübergestellt und dabei ausdrücklich befunden, die Fortdauer der Unterbringung sei verhältnismäßig, „obwohl diese bereits fast 20 Jahre“ andauere.
Die Begründung, mit der das Landgericht die widerstreitenden Belange zugunsten des Sicherheitsbedürfnisses der Allgemeinheit gewichtet hat, ist auch mit Rücksicht auf den erheblichen Zeitraum der Unterbringung des Beschwerdeführers von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Landgericht lediglich der abschließenden Empfehlung in der Stellungnahme der Klinik vom 19. Juli 2012 gefolgt sein könnte, ohne diese selbständig zu würdigen. Vielmehr hat die Kammer die Stellungnahme in ihrem Beschluss ausführlich wiedergegeben und anschließend ausdrücklich eine eigene Bewertung des Sachverhalts und Abwägung dahingehend vorgenommen, die Voraussetzungen für eine Fortdauer der Unterbringung lägen weiterhin vor; dabei hat sie besonderes Augenmerk auf das Maß der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährlichkeit - den Typus der drohenden Straftaten sowie deren Wahrscheinlichkeit - gelegt. Nach verfassungsrechtlichen Maßstäben war auch mit Blick auf die weitere Entwicklung seit dem Beschluss des Landgerichts vom 4. Oktober 2011 eine besonders intensive Auseinandersetzung mit der Stellungnahme vom 19. Juli 2012 nicht zwingend erforderlich. Im Vorjahr hatte die Kammer dem Beschwerdeführer in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Klinik – trotz gewisser ausdrücklich gewürdigter therapeutischer Fortschritte - eine (noch) negative Legalprognose gestellt. Es liegt auf der Hand, dass die Klinik diese Prognose nicht zugunsten des Beschwerdeführers abgeändert hat, vielmehr die positiven Ansätze (Inanspruchnahme von Behandlungsangeboten, Einnahme triebhemmender Medikamente) hinterfragen musste, als sie von dessen sexueller Beziehung zu einem Mitpatienten Kenntnis erlangte; und zwar vor allem, weil der Beschwerdeführer diese Beziehung zu keinem Zeitpunkt offengelegt, sondern im Gegenteil anlässlich der zu therapeutischen Zwecken erfolgten Verlegung auf die Behandlungsstation noch beteuert hatte, sie nicht wieder aufnehmen zu wollen.
b. Ohne Verstoß gegen die Landesverfassung durfte schließlich das Oberlandesgericht auf den mit der Beschwerdeentscheidung bestätigten Beschluss des Landgerichts Bezug nehmen. Für weitergehende Ausführungen bestand schon deshalb keine Veranlassung, weil der Beschwerdeführer seinerseits die Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung nicht begründet hatte.
C.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dielietz | Dresen |
Dr. Fuchsloch | Dr. Lammer |
Nitsche | Partikel |
Schmidt |