VerfGBbg, Beschluss vom 23. August 2024 - VfGBbg 26/24 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1 | |
Schlagworte: | - Verfassungsbeschwerde unzulässig - Rechtsweg nicht ausgeschöpft |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 23. August 2024 - VfGBbg 26/24 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 26/24

IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
VfGBbg 26/24
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren
S.,
Beschwerdeführer,
Beweisbeschluss des Amtsgerichts Bad Freienwalde (Oder) vom 15. März 2024 ‑ 20 C 63/23
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 23. August 2024
durch die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter Möller, Dr. Finck, Heinrich‑Reichow, Kirbach, Richter und Sokoll
beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
A.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen einen Beweisbeschluss des Amtsgerichts Bad Freienwalde vom 15. März 2024 im zivilgerichtlichen Ausgangsverfahren zum Aktenzeichen 20 C 63/23. Mit diesem Beweisbeschluss hat das Amtsgericht eine Beweisaufnahme über das Vorliegen oder Fehlen der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers angeordnet.
I.
Der Beschwerdeführer scheint mehrere zivilrechtliche Verfahren am Amtsgericht Bad Freienwalde zu betreiben. Zum einen handelt es sich um das hier gegenständliche Ausgangsverfahren 20 C 63/23. Zum anderen führt der Beschwerdeführer nach eigener Darstellung ein weiteres zivilrechtliches Verfahren am Amtsgericht Bad Freienwalde (20 C 27/24), welches er als Nichtigkeitsklage zum Urteil im Verfahren zum Aktenzeichen 22 C 97/04 bezeichnet. Den Gegenstand des hier maßgeblichen Ausgangsverfahrens bezeichnet der Beschwerdeführer als „eine Vollstreckungsabwehrklage wegen Inkassobüro“. Auch scheint der Beschwerdeführer mehrere Anträge bei der Vollstreckungsabteilung des Amtsgerichts gestellt zu haben.
Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt setzte der Beschwerdeführer das Amtsgericht mittels eines amtsärztlichen Gutachtens vom 27. März 2023 über seinen Gesundheitszustand in Kenntnis. Dieses Gutachten attestierte dem Beschwerdeführer, dass ein medikamentös behandelter Bluthochdruck vorliege und er sich deshalb auch mehrfach in die Rettungsstelle habe begeben müssen. Im Jahr 2014 sei eine stationäre Aufnahme wegen kurzzeitiger Durchblutungsstörung des Gehirns erforderlich gewesen. Ferner habe er unter anderem über akut auftretende Herzschmerzen, Brustkorbenge und Herzrhythmusstörungen bei Panikattacken berichtet. Psychischer Stress verbunden mit einer Angststörung könne beim Beschwerdeführer zu funktionellen Herzbeschwerden führen, welche er von lebensbedrohlichen Herzbeschwerden nicht unterscheiden könne.
Außerdem diagnostizierte das amtsärztliche Gutachten Angst und Depressionen, gemischt im Sinne einer Anpassungsstörung und Panikstörung und empfahl eine leitliniengerechte Therapie aus Medikamenten und Psychotherapie. Die Angst- bzw. Panikstörung führe in Verbindung mit Gerichtsterminen zum Auftreten bzw. zur Verstärkung der Symptome, wobei bereits eine Terminsladung als Auslöser ausreichend sein könne. Insgesamt könne der Beschwerdeführer nur als eingeschränkt verhandlungsfähig eingeschätzt werden. Es werde eine Anpassung des Verhandlungstempos mit großzügigeren Pausen und die Anwesenheit eines Arztes empfohlen.
In Kenntnis der vorgenannten Informationen beschloss das Amtsgericht am 15. März 2024 ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers, ein Sachverständigengutachten über dessen Prozessfähigkeit einzuholen. Zwar sei die Prozessfähigkeit die Regel. Wenn hinreichende Anhaltspunkte für die Prozessunfähigkeit vorlägen, habe das Gericht jedoch von Amts wegen zu ermitteln. Diese Anhaltspunkte sehe das Amtsgericht unter anderem darin, dass der Beschwerdeführer mehrere Verfahren am Amtsgericht führe, welche sich letztlich alle gegen das Urteil im Verfahren zum Aktenzeichen 22 C 97/04 richten würden. Im Laufe des Rechtsstreits habe der Beschwerdeführer auch eine unzulässige Berufung eingelegt und seine Schriftsätze seien durch eine Vielzahl von Anträgen dominiert. Die Zwangsvollstreckungsabteilung verzeichne ebenfalls eine Vielzahl von Verfahren des Beschwerdeführers. Außerdem habe er vorgetragen, er leide an wiederkehrenden Depressionen, und er habe von einem psychiatrischen Gutachten berichtet.
Hiergegen wendete sich der Beschwerdeführer mit einer Beschwerde. Er rügte, die Beweisaufnahme sei offensichtlich von dem Gedanken getragen, ihm die Geschäftsfähigkeit abzusprechen und so alle Klage- und Zwangsvollstreckungsverfahren am Amtsgericht einfach zu erledigen. Dies stelle jedoch Willkür und einen Verstoß gegen Art. 101 Grundgesetz (GG) dar. Der Beschwerdeführer rügte auch, dass die beabsichtigte Beweisaufnahme einen Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei, und zog die Beschlussbegründung in Zweifel. Eine isolierte Anfechtbarkeit des Beweisbeschlusses müsse ausnahmsweise möglich sein, da nur so ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden könne.
Mit Terminsverfügung vom 24. Juni 2024 wies das Gericht unter anderem darauf hin, dass der Erlass eines Beweisbeschlusses über die Prozessfähigkeit einer Partei ohne deren vorherige Anhörung diese in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletze. Ein solcher Beweisbeschluss könne mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Das Gericht beabsichtige, im Rahmen des Anhörungstermins am 29. August 2024 den Beschwerdeführer anzuhören und dann über die Fortsetzung der Beweisaufnahme zu entscheiden.
II.
Im verfassungsgerichtlichen Verfahren vertieft der Beschwerdeführer sein Vorbringen aus dem fachgerichtlichen Verfahren. Das Amtsgericht verkenne, dass der Beschwerdeführer zwar mehrere Verfahren führe, diese aber nicht denselben Gegenstand beträfen würden. Die Anordnung der Beweisaufnahme sei von der Motivation getragen, zu klären „ob Schellin nicht alle Tassen im Schrank hätte“ und so die „Abweisung der Klage wegen fehlender Geschäftsfähigkeit“ zu erreichen. Er rügt einen Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 7 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), Art. 10 LV und Art. 12 LV. Ferner trägt er vor, dass er das amtsärztliche Gutachten dem Amtsgericht nur zur Kenntnis gegeben habe, damit dieses seine Verhandlungsführung anhand dessen ausrichten könne, nicht um eine Beweisaufnahme über seine Prozessfähigkeit zu erreichen. Seine Beschwerde sei auch außerhalb des Anspruchs auf rechtliches Gehör zulässig.
Der Beschwerdeführer beantragt,
„1. Feststellung des Verfassungsverstoßes durch den angefochtenen Beweisbeschluss, als auch durch die Nichtgewährung der Beschwerde als Rechtsmittel gegen den Verstoß durch das Amtsgericht Bad Freienwalde.
2. Aufhebung des hier angefochtenen Beweisbeschluss 15.03.24 wegen des Verfassungsverstoßes.
3. Hilfsweise Aussetzung oder Aufhebung im erstweiligen Rechtsschutz, falls das Verfassungsgericht eine Entscheidung bis zum 29.08.2024 nicht möglich ist.“
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen. Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht ausgeschöpft § 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGbg).
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg hat ein Beschwerdeführer zunächst die ihm gesetzlich zur Verfügung stehenden, nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfe zu ergreifen und eine Entscheidung abzuwarten. Das ist Ausdruck der notwendigen verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung zwischen den Fachgerichten und der Verfassungsgerichtsbarkeit. Nach der in der Landesverfassung angelegten Kompetenzverteilung obliegt es zunächst den Fachgerichten, die Grundrechte zu wahren und durchzusetzen.
Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg nicht ausgeschöpft. Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass ein Beweisbeschluss grundsätzlich nicht isoliert angefochten, in besonderen Ausnahmefällen hiervon aber abgewichen werden könne. Ferner hat das Amtsgericht ausgeführt, dass im Abhilfeverfahren zunächst die notwendige Anhörung durchgeführt werden solle und dann über den Fortgang der Beweisaufnahme entschieden werde.
Ein Beweisbeschluss ist nur in besonderen Fällen isoliert anfechtbar, etwa bei Verletzungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung oder Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12. Januar 2011 ‑ 1 BvR 2539/10 ‑, juris, Rn. 26 ff.; vom 26. Januar 2005 ‑ 2 BvR 1899/04 ‑, juris, Rn. 18 ff.; BGH, Beschluss vom 28. Mai 2009 ‑ I ZB 93/08 ‑, juris, Rn. 6). Daher ist bei fehlender Anhörung gerichtlicher Rechtschutz zunächst vor den Fachgerichten zu suchen. Angesichts der Tatsache, dass das Amtsgericht die notwendige Anhörung im Rahmen des Abhilfeverfahrens nachholen und dann über den Fortgang der Beweisaufnahme entscheiden möchte, ist der Rechtsweg nicht ausgeschöpft. Eine Entscheidung, ob der sofortigen Beschwerde des Beschwerdeführers abgeholfen wird, liegt bisher nicht vor. Auch eine bei einer Nichtabhilfe erforderliche Entscheidung des Beschwerdegerichts (vgl. § 572 Abs. 1 ZPO) fehlt. Darüber hinaus erscheint es in Anbetracht des Wechsels des zuständigen Richters und der Hinweise des Amtsgerichts denkbar, dass nach der Anhörung der streitgegenständliche Beweisbeschluss aufgehoben wird.
Eine Aufhebung des Beweisbeschlusses durch das Verfassungsgericht kommt aus den vorgenannten Gründen ebenso wenig in Betracht wie der Erlass einer einstweiligen Anordnung.
C.
Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller |
Dr. Finck |
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Heinrich-Reichow |
Kirbach |
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Richter |
Sokoll |