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VerfGBbg, Beschluss vom 22. April 2004 - VfGBbg 7/04 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 2
- BGB, § 1004 Abs. 1
Schlagworte: - Zivilrecht, materielles
- rechtliches Gehör
- Rechtswegerschöpfung
- Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts
- Prüfungsmaßstab
- Subsidiarität
- Vorabentscheidung
- zügiges Verfahren
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 22. April 2004 - VfGBbg 7/04 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 7/04



IM NAMEN DES VOLKES
 
B E S C H L U S S
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

1. E. B.,

2. A. B.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt W,

gegen den Beschluß des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 16. Juni 2003 und die Urteile des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 07. Juli 2003 sowie des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. November 2003

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Knippel, Havemann, Dr. Jegutidse, Prof. Dr. Schröder, Weisberg-Schwarz und Prof. Dr. Will

am 22. April 2004

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen den Beschluß des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 16. Juni 2003 und die Urteile des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 07. Juli 2003 sowie des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. November 2003, durch welche ihnen der Sache nach die Nutzung eines Waldweges untersagt wird.

I.

Die Parteien des Ausgangsverfahrens streiten um die Nutzungsberechtigung an einem Stück eines Waldweges, der das Grundstück der Beschwerdeführer – Verfügungsbeklagte des Ausgangsverfahrens – mit den öffentlichen Wegen verbindet und über den Grund und Boden der Verfügungskläger des Ausgangsverfahrens verläuft. Die Einzelheiten der geltendgemachten Ansprüche gehen bis auf die Jahre 1874 / 1880 zurück.

Den Beschwerdeführern wurde im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes untersagt, das näher bezeichnete Grundstück der Verfügungskläger „zu begehen, zu befahren oder anderweitig zu nutzen“. Das Amtsgericht und ihm folgend das Landgericht erachten den Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch für gegeben. Den Beschwerdeführern stehe weder ein Recht zum Besitz an dem Teil des Weges, der auf dem Grundstück der Verfügungskläger liegt, noch ein Notwegerecht zu. Für das Hauptsacheverfahren könne eine Neuvermessung der Grundstücke in Betracht kommen.

II.

Mit der am 02. Februar 2004 eingelegten Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 Verfassung des Landes Brandenburg - LV -) sowie ihrer Grundrechte aus Art. 41 (Eigentum), 42 (Wirtschaft), 49 (Berufsfreiheit), 8 Abs. 1 (Recht auf Leben), 7 (Schutz der Menschenwürde) LV. Die Beschwerdeführer sehen im Kern aufgrund der eingeschränkten Zugangsmöglichkeit die wirtschaftliche Existenz des Beschwerdeführers zu 2. gefährdet, da er das eigene Grundstück nicht mehr mit Fahrzeugen erreichen kann. Ferner sei die Ver- und Entsorgung des Grundstücks nicht gewährleistet.

III.

Die Präsidenten des Amtsgerichts Fürstenwalde und des Landgerichts Frankfurt (Oder) sowie die Verfügungskläger des Ausgangsverfahrens haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

I.

Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdeführer überhaupt beschwerdebefugt (§ 45 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg - VerfGGBbg -) sind. Soweit sie sich in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sehen, könnte zunächst das Verfahren der Gehörsrüge vor den Fachgerichten durchzuführen sein (für dieses Erfordernis im Berufungsverfahren: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 16. Oktober 2003 - VfGBbg 228/03 - und vom 22. Januar 2004 - VfGBbg 285/03). Im übrigen erscheint eine Verletzung der Beschwerdeführer in ihren Grundrechten fraglich. Selbst eine - unterstellte - fehlerbehaftete Anwendung des einfachen Rechts geht nicht zwingend mit einem Verstoß gegen die Landesverfassung einher; das Landesverfassungsgericht ist kein Rechtsmittelgericht im üblichen Sinn (vgl. etwa Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 21. August 2003 - VfGBbg 206/03 - und vom 19. Juni 2003 - 113/02 - m.w.N.).

II.

Jedenfalls steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg) entgegen.

1. Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt von einem Beschwerdeführer, daß er vor Anrufung des Verfassungsgerichts – über eine Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus – alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende unternommen hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder zu verhindern. Er muß alle nach Lage der Dinge ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung ergreifen. Eine Verfassungsbeschwerde ist daher unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität regelmäßig auch dann unzulässig, wenn trotz Erschöpfung der Rechtsweges im einstweiligen fachgerichtlichen Verfahren in zumutbarer Weise Rechtsschutz auch noch im fachgerichtlichen Hauptsacheverfahren erlangt werden kann (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg in st. Rspr., vgl. etwa Beschluß vom 16. November 2000 – VfGBbg 49/00 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 198, 201 f. m.w.N.). So liegt der Fall hier. Überdies kommt nach Auffassung des Landgerichts für das Hauptsacheverfahren eine Neuvermessung der Grundstücke in Betracht (vgl. Urteil vom 27. November 2003, UA S. 7). Dann aber ist eine Entscheidung in der Hauptsache erst recht nicht entbehrlich, da es vorrangig den Fachgerichten und nicht dem erkennenden Gericht obliegt, einfachrechtliche Vorschriften auszulegen, die zur Anwendung der Vorschriften erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und den so ermittelten Sachverhalt tatsächlich und rechtlich zu würdigen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 16. November 2000 – VfGBbg 49/00 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 198, 202 f. m.w.N.).

Das Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist auch nicht unzumutbar. Dem steht auch nicht die von den Beschwerdeführern befürchtete Dauer des Hauptsacheverfahrens entgegen. Die zumutbare Dauer eines gerichtlichen Verfahrens läßt sich nicht allgemein bestimmen, sondern hängt von den Besonderheiten des Einzelfalls ab (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 20. März 2003 - VfGBbg 108/02 -, LKV 2003, 427). Es verbietet sich, von vornherein von einem Verfassungsverstoß durch das erkennende Fachgericht auszugehen. Überdies wäre das Verfassungsgericht in einem solchen Fall auf die Feststellung des Verfassungsverstoßes beschränkt; ein „Durchentscheiden“ kommt nicht in Betracht (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg a.a.O.).

2. Eine Vorabentscheidung des Verfassungsgerichts vor abschließender Entscheidung der Fachgerichte im Hauptsacheverfahren in analoger Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg scheidet hier ebenfalls aus. Diese kann - und zwar im Sinne einer zusätzlichen Voraussetzung - nur „im Ausnahmefall“ ergehen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 21. August 2003 – VfGBbg 196/03 - m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor. Auch die weiteren Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die vorliegende Streitigkeit ist nicht von allgemeiner Bedeutung. Vielmehr handelt es sich um einen Einzelfall. Es ist auch nicht ersichtlich, daß den Beschwerdeführern durch das Abwarten einer fachgerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstehen würde (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 16. November 2000 – VfGBbg 49/00 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 198, 204). Hierzu wird auf den Beschluß des erkennenden Gerichts vom 26. Februar 2004 - VfGBbg 3/04 EA -, sowie ergänzend auf den Beschluß des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 15. September 2003 - 15 S 208/03 - Bezug genommen.


 
Dr. Knippel Havemann
   
Dr. Jegutidse Prof. Dr. Schröder
   
Weisberg-Schwarz Prof. Dr. Will