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VerfGBbg, Beschluss vom 22. April 2004 - VfGBbg 182/03 -

 

Verfahrensart: Kommunalverfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 97; LV, Art. 98 Abs. 1; LV, Art. 98 Abs. 2 Satz 3
- VerfGGBbg, § 22 Abs. 1 Alt. 2
Schlagworte: - Gemeindegebietsreform
- kommunale Selbstverwaltung
- Beschwerdebefugnis
- Beteiligtenfähigkeit
- Anhörung
- Verhältnismäßigkeit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 22. April 2004 - VfGBbg 182/03 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 182/03



IM NAMEN DES VOLKES
 
B E S C H L U S S
In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren

Gemeinde Basdorf,
vertreten durch das Amt Rheinsberg,
dieses vertreten durch den Bürgermeister der Stadt Rheinsberg,
Seestraße 21,
16831 Rheinsberg,

Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwaltin M.,

kommunale Neugliederung;
hier: Eingemeindung der Gemeinde Basdorf (Amt Rheinsberg) in die Stadt Rheinsberg

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Knippel, Havemann, Dr. Jegutidse, Prof. Dr. Schröder, Weisberg-Schwarz und Prof. Dr. Will

am 22. April 2004

b e s c h l o s s e n :

Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird teils verworfen, im übrigen zurückgewiesen.

G r ü n d e :

A.

Die Beschwerdeführerin, eine bisher dem Amt Rheinsberg angehörende Gemeinde, wehrt sich gegen ihre Auflösung durch Eingliederung in die Stadt Rheinsberg.
 

I.

1. Die Beschwerdeführerin liegt ungefähr 14 km westlich der Stadt Rheinsberg im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Sie grenzt westlich an die Gemeinde Gadow (Amt Wittstock-Land), süd-östlich an die amtsfreie Stadt Neuruppin und nördlich an die Gemeinde Wallitz, die bislang ebenfalls dem Amt Rheinsberg angehörte, welches sich halbkreisförmig um die (dem Amt ebenfalls angehörende) Stadt Rheinsberg zog. Das Amt besaß bislang keine eigene (hauptamtliche) Verwaltung, vielmehr wurde diese von der Stadt Rheinsberg zur Verfügung gestellt (sog. Amtsmodell 2). Einige Gemeinden des Amtes mit zusammen ca. 900 Einwohnern (Braunsberg, Luhme, Schwanow, Wallitz und Zühlen) sowie die Stadt Rheinsberg (mit ca. 5100 Einwohnern) schlossen sich vertraglich zum 26. Oktober 2003 zu der neuen Stadt Rheinsberg zusammen. In den verbleibenden zehn Gemeinden des Amtes leben ca. 2500 Einwohner (s. LT-Drucksache 3/5020, S. 414), davon auf dem Gebiet der Beschwerdeführerin ungefähr 30. Weitläufige Wälder und zahlreiche Seen prägen das ca. 90 km nördlich von Berlin gelegene, landschaftlich reizvolle Gebiet, das seit langem beliebtes Ausflugs- und Ferienziel ist. Rheinsberg ist daneben bekannt durch sein friderizianisches Schloß.

2. Anfang Mai 2002 versandte das Ministerium des Inneren Anhörungsunterlagen für eine Anhörung der Beschwerdeführerin zu der beabsichtigten kommunalen Neugliederung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. In den ersten beiden Maiwochen wurden auch die Anhörungsunterlagen für die Anhörung der Bevölkerung an den Landrat des Landkreises Ostprignitz-Ruppin versandt. Die Anhörung der Bürger sollte für die Dauer eines Monats erfolgen und vor dem Ende der Gemeindeanhörung abgeschlossen werden.

3. Im September desselben Jahres brachte die Landesregierung sechs Gesetzentwürfe zur landesweiten Gemeindegebietsreform in den Landtag ein. § 22 des Entwurfes zum Fünftes Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform betreffend die Landkreise Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Prignitz, Uckermark (5. GemGebRefGBbg) sah u.a. die Eingliederung der Beschwerdeführerin und weiterer Gemeinden des Amtes Rheinsberg in die neu gebildete Stadt Rheinsberg vor. Der Innenausschuß des Landtages, an den die Gesetzentwürfe nach der ersten Lesung verwiesen worden waren, führte am 23. Oktober 2002 vorab eine Anhörung zu grundsätzlichen Fragen durch. Für den 8. Januar 2003 erging zur Anhörung der Beschwerdeführerin eine Einladung an ihren ehrenamtlichen Bürgermeister, der zu dem Termin erschien und vor dem Ausschuß Stellung zu dem Vorhaben nahm. Das Gesetz wurde sodann im Frühjahr 2003 vom Landtag verabschiedet. § 21 des 5. GemGebRefGBbg vom 24. März 2003 (GVBl I S. 82), am Tag der landesweiten Kommunalwahlen (26. Oktober 2003) in Kraft getreten (s. § 48 Satz 1 des 5. GemGebRefGBbg), lautet:
 

§ 21

Verwaltungseinheit Amt Rheinsberg und
Gemeinde Flecken Zechlin des Amtes Wittstock/Land


(1) Die Gemeinden Basdorf, Dierberg, Dorf Zechlin, Großzerlang, Heinrichsdorf,Kagar, Kleinzerlang, Linow, Zechlinerhütte und Zechow des Amtes Rheinsberg sowie die dem Amt Wittstock-Land angehörende Gemeinde Flecken Zechlin werden in die zum Tag der nächsten landesweiten Kommunalwahlen neu gebildete Stadt Rheinsberg eingegliedert.

(2) Das Amt Rheinsberg wird aufgelöst. Die Stadt Rheinsberg ist amtsfrei.  

II.  

Die Beschwerdeführerin hat am 17. Juni 2003 kommunale Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie macht geltend, ihre Eingliederung in die Stadt Rheinsberg sei schon deshalb verfassungswidrig, weil weder die Bevölkerung des unmittelbar betroffenen Gebietes noch sie selbst (als Gemeinde) ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Anhörungsfehler seien „absolute Nichtigkeitsgründe“. Auf Fragen der Kausalität komme es nicht an. Daß sich von 302 Gemeinden, die der Gesetzgeber aufzulösen versucht habe, 250 mit kommunalen Verfassungsbeschwerden dagegen zu Wehr setzten, sei bereits „ernstes Indiz für die verfassungswidrige Gewalt der gesetzlichen Regelung“. Es fehle an dem Nachweis, daß die Beschwerdeführerin ungeeignet sei, den Anforderungen moderner Selbstverwaltung zu entsprechen. Der Abwägungsvorgang sei fehlerhaft.

Die Beschwerdeführerin beantragt festzustellen:

§ 21 des Fünften Gemeindegebietsreformgesetzes Brandenburg verletzt die Beschwerdeführerin in ihren verfassungsmäßigen Rechten und ist deshalb nichtig.  

III.

Der Landtag Brandenburg, die Landesregierung, der Städte- und Gemeindebund Brandenburg und die neu gebildete Stadt Rheinsberg hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.  

B.

Die weitgehend zulässige kommunale Verfassungsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.  

I .  

Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist insofern unzulässig, als sie sich, wie die Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin zu gleichartigen kommunalen Verfassungsbeschwerden anderer Gemeinden des bisherigen Amtes Nauen-Land klargestellt hat, auch gegen die (hier in § 21 Abs. 2 des 5. GemGebRefGBbg bestimmte) Auflösung des bisherigen Amtes sowie zugleich gegen die Eingliederung der anderen Gemeinden des früheren Amtes Rheinsberg in die Stadt Rheinsberg richten soll. Insoweit ist die Beschwerdeführerin nicht beschwerdebefugt. Eine amtsangehörige Gemeinde kann nach der Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichtes, die entsprechend der (bloßen) verwaltungsmäßigen Hilfsfunktion des - wie immer zustandegekommenen bisherigen - Amtes für jedwede spätere Änderung der Amtszuordnung zu gelten hat, lediglich beanspruchen, daß ihr überhaupt eine geeignete (Amts-)Verwaltung, nicht aber, daß sie ihr in der bisherigen Form und in dem bisherigen Zuschnitt zur Verfügung steht (Beschluß vom 16. Mai 2002 - VfGBbg 57/01 -, LKV 2002, 515 sowie Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, LKV 2002, 573, 574). Soweit sich die kommunale Verfassungsbeschwerde einer amtsangehörigen Gemeinde als begründet erweist und sie (folglich) als amtsangehörige Gemeinde fortbesteht, hat das Land dafür zu sorgen, daß ihr eine Verwaltung – durch Zuordnung zu einem Amt oder Bildung eines neuen Amtes, notfalls auch unter Wiederbelebung der früheren Amtsmodelle 2 oder 3 - zur Verfügung steht. Je nach Art der dann getroffenen Regelung, die also gegebenenfalls abzuwarten bleibt, mag Anlaß für eine darauf bezogene gerichtliche Überprüfung bestehen. Festhalten an dem einmal gefundenen Zuschnitt der Amtsverwaltung kann die einzelne Gemeinde das Land aber grundsätzlich nicht.

Im übrigen ist die kommunale Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin gemäß Art. 100 Verfassung des Landes Brandenburg (LV), §§ 12 Nr. 5, 51 Verfassungsgerichtsgesetz des Landes Brandenburg (VerfGGBbg) statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin ungeachtet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens der Neuregelung beteiligtenfähig. Eine Gemeinde gilt nach feststehender Rechtsprechung für die Dauer des gegen ihre Auflösung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahrens als fortbestehend. Ebenso wird die Beschwerdeführerin im kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren weiter durch das bisherige Amt vertreten. Die fortbestehende Beteiligtenfähigkeit erstreckt sich folgerichtig auf die Vertretungsverhältnisse.  

II.  

Die kommunale Verfassungsbeschwerde erweist sich aber in der Sache selbst als unbegründet. Die Auflösung von Gemeinden durch den Staat ist, wie sich unmittelbar aus Art. 98 Abs. 1 und 2 LV ergibt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die dafür ebenfalls nach Art. 98 Abs. 1 sowie Abs. 2 LV gezogenen Grenzen sind hier nicht verletzt. Die nach der Landesverfassung geltenden Anhörungserfordernisse sind eingehalten worden (s. dazu im folgenden 1.). Auch materiell ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Rheinsberg mit der Landesverfassung vereinbar (s. dazu nachfolgend 2.).

1. Die Verfassung des Landes Brandenburg verlangt vor einer Gemeindeauflösung die Anhörung sowohl der Bevölkerung als auch der Gemeinde als solcher. Beide Anhörungen sind ohne Verstoß gegen die Landesverfassung durchgeführt worden.

a) Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV schreibt vor, daß vor einer Änderung des Gemeindegebietes die Bevölkerung der unmittelbar betroffenen Gebiete gehört werden muß. „Änderung des Gemeindegebietes“ in diesem Sinne ist auch die hier in Frage stehende Auflösung einer Gemeinde unter (gänzlichem) Wegfall eines eigenen Gemeindegebietes (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 16. Oktober 2003 - VfGBbg 67/03 -; vgl. auch Beschlüsse vom 15. April 2003 - VfGBbg 6/03 - und vom 6. August 2003 - VfGBbg 199/03 EA -). Die demzufolge erforderliche Anhörung der Einwohner der Beschwerdeführerin ist ordnungsgemäß erfolgt.

aa) Soweit die Beschwerdeführerin die Anhörung der Bevölkerung schon deshalb für fehlerhaft hält, weil die diese Anhörung regelnde Verordnung vom 3. Januar 2002 (GVBl II S. 99) nichtig sei, greift dies verfassungsrechtlich zu kurz. Die an eine Anhörung im Sinne von Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV zu stellenden Anforderungen sind aus dieser Verfassungsbestimmung heraus und unabhängig von der Rechtslage nach einfachem Recht zu bestimmen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 15. April 2003 - VfGBbg 6/03 -). Die Landesverfassung aber macht zu den Anhörungsmodalitäten keine näheren Vorgaben. Weder nimmt sie einfachrechtliche Verfahrensregelungen - anders als etwa bei Art. 9 Abs. 1 LV (Einschränkung der Freiheit der Person nur unter Beachtung der im Gesetz „vorgeschriebenen Formen“) – gleichsam in die Verfassung hinüber noch erlangen die Regelungen, die sie – in Art. 98 Abs. 5 LV - dem Gesetz vorbehält, ihrerseits Verfassungsrang. Maßgeblich bleibt vielmehr die Verfassungsregelung des Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV als solche. Sie beschränkt sich darauf, daß vor einer Änderung des Gemeindegebietes die Bevölkerung zu hören ist, und läßt damit Raum für jedwedes Anhörungsverfahren, sofern es sicherstellt, daß die Bevölkerung Gelegenheit erhält, ihre Meinung zu der Gebietsänderung zum Ausdruck zu bringen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 - VfGBbg 27/97 -, LVerfGE 8, 99, 168; vom 14. Juli 1994 - VfGBbg 4/93 -, LVerfGE 2, 125, 133 und vom 15. September 1994 - VfGBbg 3/93 -, LVerfGE 2, 143, 156; Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Ziff. 4 zu Art. 98; zu Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz – GG -: BVerfG, zuletzt Beschluß vom 19. November 2002 - 2 BvR 329/97 -, NVwZ 2003, 850 = DÖV 2003, 589 = DVBl 2003, 919; Knemeyer, in: Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teilband 3, S. 159 m.w.N.). Es genügt, wenn ihr in sachgerechter Weise die Möglichkeit eröffnet wird, sich zu der Gebietsänderung, hier: durch Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Rheinsberg unter Wegfall eines eigenständigen Gemeindegebietes, zu Wort zu melden und das Ergebnis dem Entscheidungsträger, im Fall der Auflösung einer Gemeinde also dem Gesetzgeber (Art. 98 Abs. 2 Satz 2 LV), zur Kenntnis gebracht wird. Das war hier der Fall. Es bestand für die Bevölkerung die geordnete Möglichkeit, ihre Meinung zur Frage der Auflösung der Beschwerdeführerin durch Eingliederung in die Stadt Rheinsberg kundzutun. Die Bürger waren davon unterrichtet, daß hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme bestehe und Unterlagen über das Neugliederungsprojekt auslägen. Das Ergebnis der Anhörung hat sodann dem Landtag vorgelegen und ist damit in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen.

bb) Der Beschwerdeführerin kann weiter nicht darin gefolgt werden, daß die Anhörung die verfassungsrechtlichen Anforderungen auch deshalb verfehle, weil es sich bei den - ihren Angaben zufolge - mehr als 1000 Seiten umfassenden Anhörungsunterlagen um eine undurchdringliche „Überinformation“, ein „Geröll von Bedeutungslosigkeiten“, gehandelt habe. Es ist nicht zu beanstanden, wenn bei der Anhörung für Interessierte auch allgemeines oder auch ins einzelne gehendes Material bereitgehalten wird. Unbeschadet dessen lagen die Kernfragen - nämlich: Soll die Beschwerdeführerin ihre Selbständigkeit verlieren und gegebenenfalls nach Rheinsberg eingegliedert werden? – offen zutage.

cc) Das Gericht vermag der Beschwerdeführerin auch darin nicht beizupflichten, daß es die Verfassung verbiete, die Anhörung der Bevölkerung dem Landrat und damit, wie die Beschwerdeführerin meint, dem „Verständnishorizont der unteren Landesbehörden“ zu überlassen. Mit der Durchführung der Anhörung kann die staatliche Verwaltung betraut werden (ebenso für die Anhörung der Gemeinden: VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. April 1969 - VGH 2/69 -, DÖV 1969, 560; VerfGH für das Land NRW, Urteil vom 12. Juli 1975 - VerfGH 21/74 -[Neubeckum]), ohne daß zwischen oberen und unteren Landesbehörden zu differenzieren ist. Es genügt, daß die bei der Anhörung zutage getretenen Gesichtspunkte und Argumente, auch das „Stimmungsbild“, dem Entscheidungsträger, im Falle einer Eingemeindung gegen den Willen der Kommune also dem Landesgesetzgeber, für seine Abwägungsentscheidung zur Verfügung stehen. Das war der Fall.

dd) Auch daß hier die Anhörung der Bevölkerung bereits vor Beginn der parlamentarischen Beratungen stattgefunden hat, ist unschädlich. Zum Gesetzgebungsverfahren im weiteren Sinne gehört auch schon die Erarbeitung des Gesetzentwurfes durch den Gesetzesinitiativberechtigten (vgl. Starck, in: Praxis der Verfassungsauslegung, S. 253 f.). Eine in dieser Phase erfolgte Anhörung ist deshalb als noch zeitnah genug (vgl. hierzu etwa Hoppe/Rengeling, Rechtschutz bei der kommunalen Gebietsreform, S. 159 m.w.N.; aus jüngerer Zeit: SächsVerfGH LKV 2000, 25, 26) dem Gesetzgebungsverfahren zuzurechnen, jedenfalls wenn der förmliche Gesetzesentwurf nicht mehr lange auf sich warten gelassen hat. So war es hier.

ee) Die Anhörung der Bevölkerung ist hier auch nicht deshalb obsolet geworden, weil es danach zu einer Änderung des Gesetzentwurfes gekommen ist. Eine erneute Anhörung ist nur geboten, wenn es zu einer wesentlichen Änderung kommt (vgl. BVerfGE 50, 195, 203; SächsVerfGH LVerfGE 11, 356, 386; NdsStGH NJW 1979, 2301; StGH BW DÖV 1976, 245; VerfGH NW OVGE 26, 306). Das war hier nicht der Fall. Die Beschwerdeführerin hat schon nicht, wie in der Beschwerdebegründung angekündigt, die Einzelheiten der von ihr - ohne nähere Erläuterung - beanstandeten „rechtserheblichen Differenz“ dargestellt. Sie teilt demgegenüber später mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2003 zunächst mit, es solle mit der vorgelegten Begründung sein Bewenden haben, mit Schriftsatz vom 17. Februar 2004 wiederum, die Begründung des Gesetzes weiche in einer „ungezählten Anzahl“ von Begründungsbestandteilen ab, die der Bevölkerung zur Kenntnis gegeben worden sind. Unabhängig davon sind für das Verfassungsgericht wesentliche Änderungen des Gesetzgebungsvorhabens nicht ersichtlich. Soweit etwa davon abgerückt worden ist, daß der Hauptverwaltungsbeamte eines Amtes, das aufgelöst wird, als Beigeordneter bis zum Ende seiner Amtszeit in den Dienst der aufnehmenden Körperschaft zu übernehmen sei, erachtet das Landesverfassungsgericht diese Änderung - wie auch die Veränderungen in der Begründung des Gesetzes – als für das Schicksal der Beschwerdeführerin unbedeutend.

b) Weiter hat die Beschwerdeführerin (als Gemeinde) im Gesetzgebungsverfahren in gehöriger Weise Gelegenheit zur Stellungnahme im Rahmen einer Anhörung erhalten. Eine solche Anhörung der Gemeinde ist, wenn auch nicht ausdrücklich in der Verfassung verankert, der durch Art. 97 Abs. 1 LV geschützten kommunalen Selbstverwaltung geschuldet und dient ihrer prozeduralen Absicherung. Der Gemeinde ist deshalb im Gesetzgebungsverfahren Gelegenheit zu geben, ihre Belange darzulegen und zu den Vor- und Nachteilen der Neugliederungsmaßnahme Stellung zu nehmen. Diese Gelegenheit bestand hier. Der Ausschuß für Inneres des Landtages hat der Beschwerdeführerin am 8. Januar 2003 Gelegenheit gegeben, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Die Beanstandungen, die sie gegen das (parlamentarische) Anhörungsverfahren erhebt, erweisen sich als unberechtigt. Die Beschwerdeführerin ist zu Recht in der Person ihres ehrenamtlichen Bürgermeisters und nicht über das Amt Rheinsberg und dessen Amtsdirektor, den Bürgermeister der Stadt Rheinsberg (alt), beteiligt worden. Das Landesverfassungsgerichtes hat hierzu in seinen Urteilen vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 - und - VfGBbg 97/03 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de ausgeführt:

„Zwar wird eine amtsangehörige Gemeinde in Rechts- und Verwaltungsgeschäften (§ 67 Abs. 1 Gemeindeordnung - GO -, § 4 Abs. 3 Amtsordnung für das Land Brandenburg – AmtsO -) vom Amt vertreten. Vorliegend geht es jedoch nicht um ein Rechts- und Verwaltungs„geschäft“ der Gemeinde (vgl. hierzu: Muth, Kommunalrecht in Brandenburg, AmtsO, § 4 Rn. 7), sondern um ein Gesetzgebungsverfahren des Landtages und in diesem Rahmen um die Anhörung der Gemeinde zur unmittelbaren Information des Gesetzgebers über die Sicht und die Argumente der Gemeinde zu den Vor- und Nachteilen einer sie betreffenden Neugliederungsmaßnahme. In diesem Zusammenhang ist der ehernamtliche Bürgermeister der originäre („geborene“) Vertreter der Gemeinde. Geht es in einem Gesetzgebungsverfahren um das „Wohl und Wehe“ der Gemeinde und die Anhörung hierzu im parlamentarischen Bereich, ist aufgrund seiner Legitimation durch Wahl der Bürgermeister – und nur er – berufen, für die Gemeinde aufzutreten. Dies gilt um so mehr, als er über die örtlichen Belange sowie die Empfindungen, Vorschläge und Sorgen der Einwohner aus unmittelbarer Erfahrung „vor Ort“ naturgemäß besser Bescheid weiß als der Amtsdirektor. Hiernach war es richtig, daß der Innenausschuß des Landtages den ehrenamtlichen Bürgermeister zu der Anhörung eingeladen hat.

Zu demselben Ergebnis käme man im übrigen auch für den Fall, daß man den Kreis der Rechts- und Verwaltungsgeschäfte weiter zöge und „an sich“ auch die Abwehr der Auflösung der Gemeinde darunter fallen ließe. Gemäß § 4 Abs. 3 Halbsatz 2 AmtsO greift die Vertretung durch das Amt nicht Platz, „wenn das Amt selbst Verfahrensbeteiligter ist oder andere dem Amt angehörende Gemeinden am Prozeß beteiligt sind“. Das ist über den engeren Wortsinn hinaus dahin auszulegen, daß eine amtsangehörige Gemeinde nicht vom Amtsdirektor, sondern von ihrem Bürgermeister vertreten wird, wenn der Amtsdirektor in Interessenkollisionen geraten könnte (Urteil des erkennenden Gerichtes vom 15. Dezember 1994 – VfGBbg 14/94 EA -, LVerfGE 2, 214 [amtl. Leitsatz], 218 f; vgl. auch Urteil vom 17. Juli 1997 – VfGBbg 1/97 -, LVerfGE 7, 74, 83 f; s. auch Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschluß vom 23. März 2003 – 1 B 399/02 -; Bracker, in: Bracker/Schumacher/Scheiper, Amtsordnung für das Land Brandenburg, Stand Juni 2002, § 4 Ziff. 4.4). Eine solche Interessenkollision lag hier vor.“

An dieser Auffassung hält das Verfassungsgericht nach nochmaliger Überprüfung ausdrücklich fest.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin war die Anhörung vor dem Innenausschuß auch nicht im Hinblick darauf fehlerhaft, daß die Beschwerdeführerin nicht informiert worden war, in welchem Zusammenhang die parlamentarische Anhörung im Januar 2003 mit einer vorherigen ersten Anhörung durch das Innenministerium (im Frühsommer 2002 zu einem Referentenentwurf) stehe. Einer dahingehenden Belehrung bedurfte es nicht. Es verstand sich von selbst, daß es sich bei der Anhörung im parlamentarischen Raum zu dem inzwischen förmlich eingebrachten Gesetzentwurf um etwas anderes – gewissermaßen um die entscheidende „letzte Runde“ – handelte.

Der Anhörungstermin vom 8. Januar 2003 war nicht zu kurz angesetzt.

Zum einen brauchte der Anhörung keine Unterrichtung der Beschwerdeführerin über das Ergebnis der Anhörung der Bevölkerung (nach Art. 98 Abs. 2 Satz 3 LV) voranzugehen. Beide Verfahren können unabhängig voneinander laufen. Unbeschadet dessen ist der ehrenamtliche Bürgermeister über die Stimmung und Situation „vor Ort“ ohnehin im wesentlichen im Bilde.

Zum anderen war auch die Zeit für die Vorbereitung auf den Anhörungstermin am 8. Januar 2003 hinreichend. Zwischen der Ladung zu dem Anhörungstermin und dem Anhörungstermin selbst lagen mehr als sechs Wochen. Die erforderlichen Informationen standen vollständig zur Verfügung und das Neugliederungsvorhaben war deutlich genug beschrieben. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß das Neugliederungsvorhaben mit, was die Eingemeindung nach Rheinsberg anbelangt, unverändertem Inhalt schon lange angekündigt war, also nicht überraschend kam und die Beschwerdeführerin bereits im Vorfeld der Gesetzesinitiative der Landesregierung angehört und damit befaßt worden war. Sie hat bereits im Frühsommer 2002 Gelegenheit gehabt, binnen eines Monats zu Gegenstand, Zielsetzung und Inhalt des damaligen Gesetzentwurfes Stellung zu nehmen, und hierzu entsprechendes Material erhalten.

Das Gericht teilt auch nicht die Einschätzung der Beschwerdeführerin, daß am 8. Januar 2003 für die Anhörung vor dem Innenausschuß zu wenig Zeit zur Verfügung gestanden hätte. Ausweislich des Sitzungsprotokolls war für die Anhörung der 11 Gemeinden des Amtes, deren Eingliederung nach Stadt Rheinsberg beabsichtigt war, die Zeit von 14.00 bis 16.45 Uhr vorgesehen (Ausschußprotokoll 3/700, S. 1). Erforderlichenfalls hätte diese Zeit noch überzogen werden können (und ggf. müssen).

ee) Es besteht ferner kein faßbarer Grund für die Annahme, daß die Anhörung vor dem Innenausschuß des Landtages nicht ergebnisoffen und nur „pro forma“ durchgeführt worden wäre. Daß es, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, aus den Ausschußberatungen zu den Neugliederungsgesetzen heraus kaum zu Änderungen an dem Gesetzentwurf gekommen sei, trifft in dieser Form nicht zu (siehe dazu für das 5.GemGebRefGBbg: §§ 2 Abs. 2; 3; 6 Abs. 2 und 3; 14; 15; 16 des Entwurfs der Landesregierung [Synopse der Änderungen in LT-Drucksache 3/5550, S. 93 ff]). Im übrigen ergäbe sich daraus, daß es vergleichsweise wenige Änderungen gegeben hat, lediglich, daß die Abgeordneten keinen Anlaß zu Änderungen gesehen haben, nicht aber, daß sie zu Änderungen von vornherein nicht bereit gewesen wären.

ff) Ob bei der Anhörung, wie die Beschwerdeführerin meint, tatsächlich nicht einmal die Hälfte der in den Innenausschuß berufenen Abgeordneten anwesend war, wirkt sich auf das Gesetzgebungsverfahren nicht aus. Die Niederschriften über die Sitzungen des Ausschusses standen auch den zeitweise nicht anwesend gewesenen Parlamentariern zur Verfügung. Im übrigen vollzieht sich die Arbeit des Ausschusses im Vorfeld und im Dienste des endgültigen Gesetzesbeschlusses, für den den daran beteiligten Abgeordneten die Beschlußempfehlung des Ausschusses und bei Bedarf die weiteren Ausschußunterlagen zur Verfügung stehen. Das 5. GemGebRefGBbg ist auf dieser Grundlage ohne Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Anhörungsrecht zustandegekommen.

2. Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Rheinsberg bleibt auch in der Sache selbst im Einklang mit der Landesverfassung.

a) In das Gebiet einer Gemeinde sowie - erst recht - in ihre körperschaftliche Existenz kann zufolge Art. 98 Abs. 1 LV nur aus Gründen des öffentlichen Wohls eingegriffen werden. Der Inhalt des Begriffes „öffentliches Wohl“ ist dabei im konkreten Fall vom Gesetzgeber auszufüllen, dem in dieser Hinsicht grundsätzlich – in dem von der Verfassung gesteckten Rahmen – ein Beurteilungsspielraum und politische Gestaltungsfreiheit in dem Sinne zukommt, daß er Ziele, Leitbilder und Maßstäbe selbst festlegen kann. Die Ausfüllung dieser gesetzgeberischen Spielräume unterliegt nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Das Verfassungsgericht darf sich hierbei nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen und hat seine Nachprüfung darauf zu beschränken, ob die Zielvorstellungen, Sachabwägungen, Wertungen und Einschätzungen des Gesetzgebers offensichtlich fehlerhaft, lückenhaft oder eindeutig widerlegbar sind oder der verfassungsmäßigen Wertordnung widersprechen. Das Verfassungsgericht überprüft den Abwägungsvorgang darauf, ob der Gesetzeber den entscheidungsrelevanten Sachverhalt umfassend ermittelt, seiner Regelung zutreffend zugrundegelegt und die mit ihr einhergehenden Vor- und Nachteile in vertretbarer Weise gewichtet und in die Abwägung eingestellt hat. Die Bevorzugung einzelner und die gleichzeitige Hintanstellung anderer Belange bleibt dem Gesetzgeber so weit überlassen, als das mit dem Eingriff in den Bestand der Kommunen verbundene Abwägungsergebnis zur Erreichung der verfolgten Zwecke nicht offenkundig ungeeignet oder unnötig ist oder zu den angestrebten Zielen deutlich außer Verhältnis steht und frei von willkürlichen Erwägungen und Differenzierungen ist. Es ist dabei nicht die Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber die beste und zweckmäßigste Neugliederungsmaßnahme getroffen hat (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 1998 – VfGBbg 27/97 –, LVerfGE 8, 97, 169 f. m.w.N. und vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –, UA S. 20, LKV 2002, 573, 575; ständige Rechtspr., zuletzt Urteil vom 18. Dezember 2003 – VfGBbg 101/03 -, a.a.O.).

b) Nach diesen Grundsätzen hat sich hier der Gesetzgeber fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß für die Eingliederung der Beschwerdeführerin Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, und auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Regelung getroffen. Im einzelnen:

aa) Der Gesetzgeber hat sich ausreichend mit den tatsächlichen Verhältnissen befaßt.

(1) Der Gesetzgeber hat als einen Grund für die Auflösung des Amtes Rheinsberg und die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Rheinsberg angeführt, nach dem Leitbild seien im äußeren Entwicklungsraum bei Vorliegen von „Zentralort-Umland-Verflechtungen“ amtsfreie Gemeinden zu bilden. Solche Verflechtungen seien u.a. regelmäßig bei Grundzentren gegeben, die in ihrer Ausstattung „den Grundzentren mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums nahe kommen und die eine vergleichsweise hohe, von den übrigen dem Amt angehörenden Gemeinden deutlich unterschiedliche Einwohnerzahl aufweisen“ (LT-Drucksache 3/5020, S. 36 zu 2 a) bb) des Leitbildes). Zur Beantwortung der Frage, ob ein derartiges Grundzentrum vorliegt, bezieht sich der Gesetzgeber nicht auf Raumordnungspläne, sondern ermittelt und beschreibt selbst empirisch zentrale Funktionen und stellt auf die gegenwärtig tatsächlich vorhandenen Verflechtungen ab.

Die hiernach interessierenden örtlichen Verhältnisse sind in den Gesetzesunterlagen zutreffend angesprochen (s. die Beschreibung der Gemeinde im „Neugliederungssachverhalt“ in LT-Drucksache 3/5020, S. 401 ff). Die Verhältnisse der Stadt Rheinsberg und der anderen zur Eingemeindung in die Stadt Rheinsberg vorgesehenen Gemeinden sind noch zureichend einbezogen (LT-Drucksache 3/5020, S. 403 ff). Nicht zu beanstanden ist, daß der Gesetzgeber dabei teilweise auf alle Umlandgemeinden umfassende Daten abgestellt hat, etwa darauf, daß die Kleinstgemeinden des Amtes schwache Steuerkraft aufwiesen oder daß in Rheinsberg eine mit einer gymnasialen Oberstufe ausgestattete Gesamtschule, eine Grundschule und eine Förderschule „vorhanden“ seien, was nach dem Kontext nur bedeuten kann, daß die Schulen auch von Kindern der Umlandgemeinden besucht werden (LT-Drucksache 3/5020, S. 403). Der Gesetzgeber brauchte auch nicht zu ermitteln, wie viele Bewohner der Beschwerdeführerin wie oft die in Rheinsberg vorgehaltenen anderen öffentlichen Einrichtungen (etwa Tucholsky Literaturmuseum, Bibliothek, Sporthallen etc.) nutzen. Es liegt auf der Hand, daß solche Einrichtungen von Bewohnern aus dem Umland in Anspruch genommen werden. Ebenso mußte nicht näher untersucht werden, wer die von der Stadt jedenfalls mitgetragenen Veranstaltungen besucht (etwa solche der Musikakademie Rheinsberg GmbH - die Stadt ist hier Mehrheitsgesellschafterin - bzw. der Kammeroper, Lesungen des „Stadtschreibers“ o.ä.). Diese städtischen Aktivitäten kommen Rheinsberg und dem gesamten Umland zugute, Einwohnern, Urlaubern und Tagesbesuchern. Schon wegen der Existenz dieser Einrichtungen in der Stadt Rheinsberg ist die Einstufung des Ortes als Grundzentrum, das „einem Grundzentrum mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums nahe kommt“, nachvollziehbar.

Auch der in dem Gebiet nach dem Leitbild vom Gesetzgeber als erforderlich angesehene hohe Unterschied in der Besiedlungsdichte zwischen Stadt und Umland ist von ihm zutreffend ermittelt worden. Von den 8557 Einwohnern im Amt Rheinsberg lebten mehr als die Hälfte (5103) in der bisherigen Stadt Rheinsberg.

(2) Soweit er seine Abwägungsentscheidung weiter maßgeblich darauf gestützt hat, daß die Beschwerdeführerin die Mindesteinwohnerzahl von 500 Einwohnern unterschreite (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 406 sowie Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 22 des 5. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550), werden die der Entscheidung des Gesetzgebers zugrundeliegenden Daten von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt.

bb) Dem Gesetzgeber stehen im Sinne von Art. 98 Abs. 1 LV Gründe des öffentlichen Wohls zur Seite. Er beruft sich ausweislich der Gesetzesbegründung und der Beschlußempfehlung des Innenausschusses für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Rheinsberg wesentlich auf die geringe Einwohnerzahl der Beschwerdeführerin und auf den Änderungsbedarf der brandenburgischen Gemeindestruktur im Umland regionaler Zentren.

(1) Gegen die vom Gesetzgeber im Leitbild (unter 2 b] cc], LT-Drucksache 3/5020, S. 24 f) gewählte Regel-Mindestgröße einer amtsangehörigen Gemeinde von 500 Einwohnern ist von Verfassungs wegen nichts einzuwenden.

Allerdings begegnen der im Leitbild vertretenen Ausfassung, die Regelmindestgröße diene der „Verwirklichung des für die Länder verbindlichen Gebotes der Homogenitätsvorschrift des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG“ („In den ... Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist“), Bedenken. Die Vorschrift hat weder unmittelbar noch mittelbar eine bestimmte körperschaftliche Struktur oder Gemeindegröße im Blick, sondern stellt grundlegende Anforderungen an demokratische Wahlen und bindet die Länder im Bereich des Landeswahlrechtes (BVerfGE 4, 31, 45; Tettinger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG Kommentar, 4. Aufl., Art. 28 Abs. 1 Rn. 83). Überdies geht Art. 28 Abs. 1 Satz 4 GG, wonach in Gemeinden an die Stelle einer „gewählten Körperschaft“ die Gemeindeversammlung treten kann, von der Möglichkeit kleiner, überschaubarer Gemeinden aus. Die Vorschrift ist gerade in Hinsicht auf Kleinstgemeinden in das Grundgesetz aufgenommen worden (zur Entstehungsgeschichte s. Dreier, Grundgesetz Kommentar, 1998, Art. 28 Rn. 20 a.E.).

Dem muß jedoch nicht näher nachgegangen werden, denn das Verfassungsgerichtes hat mit Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 -, LKV 2002, 573, 574 bereits entschieden, daß die Regel-Mindestgröße einer amtsangehörigen Gemeinde von 500 Einwohnern als ein gesetzgeberisches Kriterium für die Gemeindegebietsreform verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. In dem Urteil heißt es:

Die Landesverfassung steht der Einschätzung, daß sich aus einer geringen Einwohnerzahl der Gemeinde typisierend Rückschlüsse auf die (verminderte) Leistungsfähigkeit der Gemeinde ergeben, nicht entgegen. Der Rückgriff auf die Einwohnerzahl als Indiz für die Leistungsfähigkeit der Gemeinde ist auch bei amtsangehörigen Gemeinden unbeschadet dessen statthaft, daß eine amtsangehörige Gemeinde – jedenfalls im Land Brandenburg – nicht selbst Träger der „eigentlichen“ Verwaltung ist. Die Gemeindevertretung auch der amtsangehörigen Gemeinde bleibt ungeachtet der administrativen Umsetzung durch das Amt für alle Angelegenheiten der Gemeinde zuständig. Nicht das Amt, sondern die einzelne Gemeinde ist Träger der gemeindlichen Einrichtungen und für den Unterhalt dieser Einrichtungen zuständig. Solche Einrichtungen können im Regelfall sinnvoll nur von bestimmten gemeindlichen Mindestgrößen an betrieben werden.

Daran wird festgehalten.

(2) Auch daß die Behebung von Strukturproblemen im Stadtumland ein Grund des öffentlichen Wohls ist, der eine kommunale Neugliederung zu rechtfertigen vermag, hat das Landesverfassungsgerichtes in seinen Urteilen vom 18. Dezember 2003 - VfGBbg 101/03 - und - VfGBbg 97/03 - (in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Landesverfassungsgerichte, s. etwa SächsVerfGH, SächsVBl 1999, 236, 239; ThürVerfGH, NVwZ-RR 1997, 639, 643) bereits entschieden. Auch im Schrifttum wird dies grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen (s. etwa Hoppe/Stüer, DVBl 1992, 641, 642 f.; v. Unruh/Thieme/Scheuner, Die Grundlagen der kommunalen Gebietsreform, 1981, S. 116, 118 f.). Das Stadt-Umland-Verhältnis wirft eine Reihe schwieriger Abklärungs- und Koordinationsfragen auf. Planung und Betrieb öffentlicher Einrichtungen - Kindergärten und –krippen, Schulen (einschließlich weiterführender Schulen), Horte, Sportstätten, Bibliotheken, Schwimmbäder, Feuerwehren, Kultureinrichtungen (etwa: Kulturhäuser, Heimatmuseen) - erfordern Abstimmung und Absprache. Auch für Infrastrukturausbau, Wirtschafts- oder Fremdenverkehrsförderung, Abfall- und Abwasserbeseitigung sowie Trinkwasserversorgung empfiehlt sich eine gemeinsame Herangehensweise.

(3) Dem steht auch nicht entgegen, daß die Stadt-Umland-Verflechtung im Bereich der Beschwerdeführerin vergleichsweise unbeträchtlich sein dürfte. Auch im Gebiet mit eher gering ausgeprägter Stadt-Umland-Beziehung ist die Bildung amtsfreier Gemeinden durch hinreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigt.

Der Gesetzgeber ging bei der Gemeindegebietsreform von einem zusammenhängenden, geschlossenen Konzept aus. Im äußeren Entwicklungsraum sollte nach dem Leitbild bei Mittelzentren und größeren Grundzentren („Grundzentrum mit Teilfunktion eines Mittelzentrums“) stets, bei Kleinzentren nie von einer „Zentralörtlichkeit“ ausgegangen werden. In Grundzentren, „die in ihrer Ausstattung den Grundzentren mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums nahe kommen“, sollten dann amtsfreie Gemeinden gebildet werden, wenn sich (zusätzlich) die Einwohnerzahl des Zentralortes vergleichsweise deutlich von der der übrigen amtsangehörigen Gemeinden unterschied (s. Gesetzesbegründung zum 5. GemGebRefGBbg, LT-Drucksache 3/5020, S. 36).

Dieses Gliederungsprinzip ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der gewählte Ordnungsrahmen ermöglicht, Mittelzentren und die verschieden großen Grundzentren differenziert zu behandeln und konkretisiert das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf der Ebene des Leitbildes. Bei dem sich aus dem Nebeneinander der Gemeindeformen "Einheitsgemeinde" und "amtsangehörige Gemeinde" ergebenden Abgrenzungserfordernis durfte der Gesetzgeber trotz vergleichsweise geringfügiger Vorteilen für die von ihm verfolgten Ziele bei kleineren Orten (Grundzentren ohne Teilfunktion eines Mittelzentrums) als zusätzliches Kriterium auf das Gefälle in der Bevölkerungsdichte abstellen, denn typischerweise deutet dies sowohl auf eine zentralörtliche Raumstruktur als auch auf die leichtere Herausbildung örtlicher Verbundenheit im Gesamtraum hin. Die Entscheidung des Gesetzgebers, auch in derartigen Fällen amtsfreie Gemeinden zu bilden, ist nicht offensichtlich fehlsam und hält verfassungsgerichtlicher Nachprüfung stand.

(4) Demgegenüber hatte die Tatsache, daß das Amt bisher keine eigene Amtsverwaltung besaß, sondern durch den Bürgermeister der Stadt Rheinsberg geführt wurde (sog. Amtsmodell 2), keine ausschlaggebende Bedeutung für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers. Nach den Gesetzesmaterialien war vielmehr die Stellung der Stadt Rheinsberg als Zentralort bestimmend für die Eingliederung (LT-Drucksache 3/5020, S. 406 unter Verweis auf 2 a) bb) des Leitbildes, LT-Drucksache 3/5020, S. 23 f). Keine Auswirkungen auf die Neugliederung der Beschwerdeführerin hatte demgegenüber, daß auch ohne ausgeprägten Zentralort im Bereich eines bisherigen Amtes nach Modell 2 grundsätzlich die Bildung einer Einheitsgemeinde angestrebt wurde (s. 2 a) cc) des Leitbildes, LT-Drucksache 3/5020, a.a.O.). Diese Vorgabe kam ausdrücklich nur subsidiär zur Geltung und blieb bei der Abwägung, die ja gerade von der Stadt Rheinsberg (alt) als Zentralort ausging, unberücksichtigt.

cc) Zur Bewältigung der angesprochenen Strukturfragen ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Rheinsberg nicht offensichtlich ungeeignet. Das Landesverfassungsgericht vermag nicht zu erkennen, daß das Ziel einer Bereinigung der Strukturprobleme im Rheinsberger Stadt-Umland-Bereich durch die Zusammenführung in einen einheitlichen Aufgaben- und Verwaltungsraum eindeutig verfehlt würde. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Verflechtungen in einem strukturschwachen, dünnbesiedelten Raum schwächer ausgeprägt sind als in Verdichtungsräumen. Zudem besteht nach der vertretbaren Einschätzung des Gesetzgebers im Hinblick auf den Fremdenverkehr erhöhter Koordinierungsaufwand („touristische Verflechtungsbeziehungen“, Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 22 des 5. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550, S. 3).

dd) Die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Rheinsberg ist nicht unverhältnismäßig.

So lassen sich die hier in Frage stehenden Stadt-Umland-Probleme entgegen der Einschätzung der Beschwerdeführerin nicht etwa ebenso gut durch interkommunale Zusammenarbeit bewältigen. Interkommunale Zusammenarbeit, in welcher Form auch immer (in Gestalt von Zweck- oder Planungsverbänden, Arbeitsgemeinschaften oder Kapitalgesellschaften oder durch öffentlich-rechtliche Kooperationsverträge), kann typischerweise jeweils nur einen Teilbereich der Probleme lösen helfen. Sie wirft zudem ihrerseits Abstimmungs- und Kooperations- sowie Rechts- und Personalfragen auf. Im Vergleich zu einer gemeindlichen Neuordnung ist die interkommunale Zusammenarbeit schwächer und instabiler.

Auch ansonsten ist eine geeignetere Alternative zu der Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Rheinsberg nicht auszumachen. Der Gesetzgeber hat die damit verbundenen Vor- und Nachteile in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen und ist zu einem verfassungsrechtlich vertretbaren Ergebnis gelangt.

Weiterhin ist die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Rheinsberg auch im Hinblick auf die mit 14 km relativ weite Entfernung nicht unverhältnismäßig. Dieselbe Entfernung besteht bisher zu dem Amtssitz. Daß städtebaulich keine Verflechtung mit der Stadt Rheinsberg besteht, steht einer Eingemeindung ebenfalls nicht entgegen.

Freilich verlangt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, daß die für eine Auflösung der Gemeinde sprechenden Gründe des öffentlichen Wohls gegenüber den für den Fortbestand der einzugliedernden Gemeinde sprechenden Gründe erkennbar überwiegen (vgl. hierzu BayVerfGH BayVBl 1981, 399, 400 f.; s. auch NdsStGH OVGE 33, 497, 503; StGH BW NJW 1975, 1205, 1211). Dies ist hier jedoch - nach der vertretbaren Wertung des Gesetzgebers - der Fall. Richtig ist, daß die kommunale Selbstverwaltung auch dazu dient, die Bürger zu integrieren, den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl („Heimat“) zu vermitteln und damit die Grundlagen der Demokratie zu stärken. Von daher ist die Reform der Gemeindestruktur nicht ausschließlich an Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz der Verwaltungsorganisation zu messen. Eine Gemeinde darf deshalb nicht ohne Berücksichtigung von Besonderheiten allein aus Gründen der Strukturbereinigung aufgelöst werden. Andernfalls kann der Eingriff in die Existenz einer Gemeinde und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der örtlichen Verbundenheit außer Verhältnis zu dem angestrebten Vorteil geraten (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 - VfGBbg 34/01 - [Kreuzbruch], UA S. 23, LKV 2002, 573 = NJ 2002, 642).

Vorliegend erlangen indes nach der vertretbaren Abwägung des Gesetzgebers die für die Eingliederung der Beschwerdeführerin in die Stadt Rheinsberg sprechenden Gründe das größere Gewicht. Dem Gesetzgeber war die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung gegenwärtig und er hat die Belange der Einwohner durchaus im Blick gehabt und sich damit, ablesbar aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s. LT-Drucksache 3/5020, S. 406 ff; s. auch S. 73 ff, 84 f) und den Beratungen im Landtag und seinen Ausschüssen (Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 22 des 5. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550, S. 3 ff), auseinandergesetzt. Auf der anderen Seite hat er jedoch als gegenläufige Belange in zulässiger und vertretbarer Weise außer der Bereinigung der Stadt-Umland-Probleme im Raum Rheinsberg namentlich die Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung durch die Zusammenführung in eine einheitliche Kommune sowie Gesichtspunkte der Raumordnung in seine Abwägung eingestellt und ihnen die größere Bedeutung beigemessen (vgl. LT-Drucksache 3/5020, S. 406 ff sowie S. 3 der Beschlußempfehlung des Innenausschusses zu § 22 des 5. GemGebRefGBbg, Anlage 2 zu LT-Drucksache 3/5550).

ee) Auch im übrigen läßt die Abwägung des Gesetzgebers keine seine Entscheidung in Frage stellenden Defizite erkennen. So hat er denkbare Neugliederungsalternativen ermittelt und geprüft. Nach der amtlichen Begründung des Gesetzes (LT-Drucksache 3/5020, S. 409 f.) wäre zwar die Bildung größerer Orte denkbar, die die Mindesteinwohnerzahl von 500 Einwohnern überschritten, die raumstrukturellen Probleme des Gebietes löste dies jedoch nicht (vgl. LT-Drucksache 3/5020, a.a.O.). Diese Sicht ist auch in Bezug auf die Beschwerdeführerin mit ihrer äußerst geringen Einwohnerzahl vertretbar.

C.

Das Verfassungsgericht hat einstimmig eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten, § 22 Abs. 1 2. Alt. VerfGGBbg. Der Beschluß ist unanfechtbar.


 
Dr. Knippel Havemann
   
Dr. Jegutidse Prof. Dr. Schröder
   
Weisberg-Schwarz Prof. Dr. Will