VerfGBbg, Beschluss vom 22. März 2019 - VfGBbg 64/18 -
Verfahrensart: |
Kommunalverfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 97 Abs. 1; LV, Art. 97 Abs. 3 Satz 2; LV, Art. 99 Satz 2; LV, Art. 100 - VerfGGBbg, § 12 Nr. 5; VerfGGBbg, § 51 Abs. 1 - BbgStrG, § 7 Abs. 2; BbgStrG, § 3 Abs. 3 Nr. 2 |
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Schlagworte: | - Kommunalverfassungsbeschwerde unzulässig - unstatthaft - Beschwerdegegenstand - Beschwerdefrist - Gesetz - Urteil - Auslegung durch Gericht - Gesetzesanwendung - Einzelfall - Herabstufung einer Straße - Selbstverwaltungsrecht |
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nichtamtlicher Leitsatz: | 1. Gerichtsentscheidungen sind gemäß Art. 100 LV, § 51 Abs. 1 VerfGGBbg kein statthafter Beschwerdegegenstand einer Kommunalverfassungsbeschwerde. 2. Durch die einzelfallbezogene Gesetzesauslegung und -anwendung durch ein Gericht beginnt die Beschwerdefrist des § 51 Abs. 2 VerfGGBbg nicht erneut zu laufen, auch wenn die Gemeinde dadurch erstmals in ihren verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten betroffen sein kann (offen gelassen). |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 22. März 2019 - VfGBbg 64/18 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 64/18
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IM NAMEN DES VOLKES
B e s c h l u s s
In dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren
Gemeinde Rietz-Neuendorf,
vertreten durch den Bürgermeister,
Fürstenwalder Straße 1,
15848 Rietz-Neuendorf,
Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Z.,
wegen | Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. März 2018 (VG 1 K 133/12); Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Oktober 2018 (OVG 1 N 24.18); § 7 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 2 BbgStrG |
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
am 22. März 2019
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Kirbach, Partikel und Dr. Strauß
beschlossen:
Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe:
A.
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Kommunalverfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) und einen die Berufungszulassung ablehnenden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg sowie mittelbar gegen § 7 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 2 Brandenburgisches Straßengesetz (BbgStrG).
Die Beschwerdeführerin griff in dem Ausgangsrechtsstreit die Herabstufung einer Kreis- zu einer Gemeindestraße auf ihrem Gemeindegebiet an. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) wies ihre Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ließ die Berufung nicht zu.
Die Beschwerdeführerin hat am 13. Dezember 2018 Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie ist der Meinung, dass die von den Gerichten vorgenommene Auslegung der § 7 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 2 BbgStrG sie in ihrem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf kommunale Selbstverwaltung gemäß Art. 97 Abs. 1 Landesverfassung (LV) in Gestalt des Konnexitätsprinzips (Art. 97 Abs. 3 Satz 2 LV) und in dem Recht auf eine angemessene Finanzausstattung (Art. 99 Satz 2 LV) verletze. Zudem änderten diese Normen durch die seitens der Gerichte vorgenommene Definition des Begriffs des „Ortsteils“ ihren Inhalt bzw. ihr materielles Gewicht.
Sie beantragt,
festzustellen, dass das Urteil des VG Frankfurt (Oder) vom 21.03.2018, Az.: VG 1 K 133/12, und der Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 09.01.2018, Az.: OVG 1 N 24.18, rechtswidrig sind und diese aufzuheben. |
Auf einen Hinweis des Gerichts hat sie mit Schriftsatz vom 16. Januar 2019 klargestellt, dass es sich ausschließlich um eine Kommunalverfassungsbeschwerde handele.
B.
Die kommunale Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) als unzulässig zu verwerfen.
1. Die gemäß Art. 100 LV i. V. m. §§ 12 Nr. 5, 51 Abs. 1 VerfGGBbg erhobene Kommunalverfassungsbeschwerde ist unstatthaft. Soweit sich die Kommunalverfassungsbeschwerde unmittelbar gegen die Gerichtsentscheidungen des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. März 2018 und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Oktober 2018 richtet, ist dies kein zulässiger Beschwerdegegenstand. Die Beschwerdeführerin behauptet damit nicht schlüssig, dass sie ein Gesetz des Landes in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt, Art. 100 LV, §§ 12 Nr. 5, 51 Abs. 1 VerfGGBbg. Schon ausweislich des Wortlauts dieser Normen können Gemeinden nur Gesetze des Landes angreifen. Gerichtsentscheidungen können dem Verfassungsgericht in diesem Verfahren nicht zur Überprüfung vorgelegt werden (vgl. bereits Beschluss vom 21. Oktober 1999 - VfGBbg 26/99 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Die Beschwerdeführerin beanstandet in ihrer Verfassungsbeschwerde an zahlreichen Stellen die Auslegung der Vorschriften der § 7 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 2 BbgStrG durch das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht. In der Sache behauptet sie eine verfassungswidrige Gesetzesanwendung durch die Fachgerichte, was sich auch in ihrem Antrag widerspiegelt, der darauf gerichtet ist, das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufzuheben. Die Beschwerdeführerin selbst führt insoweit u. a. aus, dass die „Überlegungen“ des Oberverwaltungsgerichts zu den hier relevanten Normen „nicht durch die Anordnung des Gesetzgebers gedeckt“ seien. Bei einer Auslegung des Begriffs „Ortsteil" im bauplanungsrechtlichen Sinne würde § 7 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 2 BbgStrG das Recht der Beschwerdeführerin auf kommunale Selbstverwaltung nicht verletzen. Sie wendet sich demnach in der Sache nicht gegen das Gesetz, sondern allein gegen dessen Anwendung im Einzelfall.
Soweit die Beschwerdeführerin der Meinung ist, der „Normgehalt“ von § 7 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 2 BbgStrG, ihr „materielle[s] Gewicht“ bzw. ihr „Inhalt“ würden durch die Auslegung verändert, weshalb die Kommunalverfassungsbeschwerde statthaft sei, sind diese Ausführungen angesichts der Gewaltenteilung zwischen Legislative und Judikative und den Wirkungen der fachgerichtlichen Urteile unzutreffend. Die fachgerichtliche Auslegung einer Norm im Einzelfall ist kein legislativer Akt, weshalb sie nicht Gegenstand der kommunalen Verfassungsbeschwerde sein kann.
2. Soweit sich die kommunale Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen § 7 Abs. 2 i. V. m. § 3 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 2 BbgStrG richtet, ist sie verfristet. Denn sie ist nicht innerhalb der Jahresfrist des § 51 Abs. 2 VerfGGBbg ab dem Inkrafttreten der Rechtsvorschriften erhoben worden. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, die Frist sei vorliegend deshalb nicht abgelaufen, weil sie erstmalig durch die angegriffene Umstufungsverfügung und die gerichtliche Auslegung, durch die eine Änderung des Normgehaltes eingetreten sei, in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt werde, überzeugen aus den vorgenannten Gründen nicht.
Das Verfassungsgericht hat eine mündliche Verhandlung einstimmig für nicht erforderlich gehalten (§ 22 Abs. 1 VerfGGBbg). Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.
Möller | Dr. Becker |
Dresen | Dr. Finck |
Kirbach | Partikel |
Dr. Strauß | |