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VerfGBbg, Beschluss vom 21. November 2014 - VfGBbg 20/14 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 47 Abs. 3
- LWaldG, § 2
Schlagworte: - Begründungserfordernis
- Beschwerdebefugnis
- Subsidiaritätsgrundsatz
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. November 2014 - VfGBbg 20/14 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 20/14




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

     1. H. B.,

        

     2. M. B.,

        

Beschwerdeführer zu 1. und 2.,

 

 

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S.,

                          

wegen der Bescheide des Landesbetriebs Forst Brandenburg vom 7. November 2011 und 26. Januar 2012, dem  Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 10. Oktober 2013 (Az.: VG 4 K 1660/12) und der Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Januar 2014 und 26. Februar 2014 (Az.: OVG 11 N 25.13 und OVG 11 RN 2.14) sowie gegen § 2 Abs. 3 Nr. 2 des Waldgesetzes des Landes Brandenburg vom 20. April 2004 (GVBl. I S. 137), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. Juli 2014 (GVBl I Nr. 33)

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

 

am 21. November 2014

 

b e s c h l o s s e n :

 

    Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

G r ü n d e :

 

A.

I.

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der Flurstücke 117 bis 119 und 123 bis 135 der Flur x in der Gemarkung y. Auf den Flurstücken 127 bis 129 befinden sich ein Wohnhaus sowie ein größeres Nebengelass.

 

Im Oktober 2011 wandten sich die Beschwerdeführer an den Landesbetrieb Forst Brandenburg – Untere Forstbehörde - und baten um Prüfung, ob für die vorgenannten Flurstücke die Waldeigenschaft vorliege. Mit Bescheid vom 7. November 2011 stellte die Untere Forstbehörde fest, dass die Flurstücke 117 bis 119 kein Wald, die Flurstücke 123 bis 135 dagegen Wald im Rechtssinne seien. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch der Beschwerdeführer stellte die Untere Forstbehörde mit „Abhilfebescheid“ vom 26. Januar 2012 fest, dass die Flurstücke 118, 119 und 127 bis 129 kein Wald seien, weil es sich um bebaute Flächen, eine dem Wohnbereich zugehörige Parkanlage und gärtnerisch gestaltete Bereiche handele. Die Flurstücke 117, 123 bis 126 und 130 bis 135 seien hingegen Wald i. S. d. § 2 Waldgesetz des Landes Brandenburg (LWaldG). Es handle sich um mit Forstpflanzen bestockte Grundflächen, wobei die Prüfung auf das Vorliegen der Waldeigenschaft über die Grenzen des einzelnen Flurstücks hinweg unter Mitbetrachtung der angrenzenden Flurstücke zu erfolgen habe. Auch wenn die Grundstücksflächen der einzelnen Flurstücke unter 2000 m2 lägen, sei deshalb hier maßgeblich, dass sie dem Eindruck nach Teil eines zusammenhängenden Waldgrundstücks seien.

 

Nachfolgend erhoben die Beschwerdeführer Klage beim Verwaltungsgericht Potsdam. Die Flurstücke 117, 123 bis 126 und 130 bis 135 hätten keine Waldeigenschaft. Sie bildeten vielmehr eine Parkanlage zu ihrem Wohnhaus. Auf dem – teilweise umfriedeten - Gelände befänden sich Baumgruppen und Rasenflächen, die gemäht und gepflegt würden. Das Merkmal „zum Wohnbereich gehörend“ i. S. d. § 2 Abs. 3 Nr. 2 LWaldG stehe in engem Zusammenhang mit Art. 13 GG und erfasse Parkanlagen, die einer bestimmten Wohnstätte räumlich zugeordnet werden könnten. Dies gelte auch für größere, parkartige Grundstücksflächen, die allgemeine Wohnbereiche auflockerten und die Wohnqualität eines Gebietes verbesserten.

 

Das Verwaltungsgericht Potsdam wies die Klage mit Urteil vom 10. Oktober 2013 ab. Die Klage sei zwar als Verpflichtungsklage auf (negative) Feststellung der Waldeigenschaft zulässig, aber nicht begründet. Die Ablehnung einer derartigen Feststellung sei rechtmäßig und verletze die Beschwerdeführer folglich nicht in ihren Rechten. An der Waldeigenschaft der streitgegenständlichen Flurstücke bestünden nach den vor Ort getroffenen Feststellungen keine Zweifel. Die Flurstücke 123 bis 126 und 130 bis 135 wiesen einen dichten und durchgängigen Bewuchs mit Forstpflanzen auf. Nur ganz vereinzelt würden sich waldfremde Nutzungen (z. B. die Errichtung einer garagenähnlichen baulichen Anlage oder die Ablagerung von Baumaterialien) finden. Von den bebauten Flurstücken 127 bis 129 seien sie durch eine Zaunanlage abgegrenzt, die eine deutliche Zäsur zu den anschließenden bestockten Grundstücken vermittle und sichtbar mache, dass die im unmittelbaren Umkreis der Wohnstätte befindliche Fläche eigenständiger Natur sei. Im Gegensatz zu den Flurstücken 127 bis 129 mache die nachfolgende Grundfläche einen verwilderten und sich selbst überlassenen Eindruck. Das Vorhandensein einer Parkanlage könne nicht bejaht werden. Eine planmäßige gartenbauliche Gestaltung der an die bebauten Flurstücke anschließenden Bereiche sei nicht einmal in Ansätzen auszumachen. Die für Parks typische Wechselbeziehung von Forstpflanzen, Rasenflächen und Blumenbeeten fehle vollständig. Die danach zu bejahende Waldeigenschaft widerspreche auch nicht verfassungsrechtlichen Vorgaben. Dass die bestockte Grundfläche zu einem Wohnbereich gehören und damit dem Schutzbereich des Art. 13 GG unterfallen könnte, sei aus den vorgenannten Gründen nicht zu erkennen. Die den Grundeigentümer von Wald treffenden Beschränkungen seien Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, die sich im Rahmen einer zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art. 14 Abs. 1 GG bewege. Entsprechendes gelte auch für das Flurstück 117. Zwar weise dieses keinen Bewuchs mit Waldsträuchern mehr auf. Es erscheine aber (noch) als Bestandteil des großflächig nach Nordwesten angrenzenden Waldes.

 

Gegen das Urteil vom 10. Oktober 2013 beantragte die Beschwerdeführer die Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht habe die tatsächlichen Gegebenheiten nicht berücksichtigt. Seine Entscheidung verkenne, dass die um ihr Wohnhaus gelegenen Flurstücke zum privaten Wohnbereich gehörten, auch wenn sie zum Teil mit Waldbäumen bestockt seien. Die Feststellung der Waldeigenschaft überschreite die Grenze zwischen Sozialbindung und Enteignung und verletze ihre berechtigten Wohnbedürfnisse nach Art. 14 GG.

 

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 28. Januar 2014 ab. Die Beschwerdeführer hätten sich nicht substantiiert mit der schlüssigen Begründung des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt. Entgegen dem Rechtsmittelvorbringen habe das Verwaltungsgericht auf die tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abgestellt. Auch verkenne der Vortrag der Beschwerdeführer zur Sozialpflichtigkeit des Grundeigentums, dass die in Rede stehenden Flächen nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts gerade nicht zum Wohnbereich gehörten. Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Flurstück 117 gehe die Rechtsmittelbegründung überhaupt nicht ein.

 

Die gegen den Beschluss vom 28. Januar 2014 erhobene Anhörungsrüge der Beschwerdeführer wies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 26. Februar 2014 zurück.

 

II.

Mit ihrer am 28. März 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 52 Abs. 3 (rechtliches Gehör), Art. 10 (Persönlichkeitsrecht), Art. 15 Abs. 1 (Unverletzlichkeit der Wohnung) sowie Art. 41 Abs. 1 (Eigentum) der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) geltend. Die fachgerichtliche Feststellung der Waldeigenschaft der betreffenden Flurstücke stelle einen Eingriff in Art. 15 Abs. 1 LV dar. Das Merkmal der Waldeigenschaft werde zu weit ausgelegt, wenn man – wie es das Verwaltungsgericht getan habe – allein auf den zusammenhängenden Bewuchs mit Forstpflanzen abstelle. Die Fachgerichte hätten verkannt, dass § 2 Abs. 3 Nr. 2 LWaldG die Unverletzlichkeit der Wohnung und die freie Entfaltung der Persönlichkeit sanktionieren wolle. Zudem sei zu beanstanden, dass die genannte Bestimmung keine explizite Negativfeststellung der Waldeigenschaft im Wohnbereich beinhalte. Damit greife auch § 2 LWaldG in die Grundrechte aus Art. 10 und 15 Abs. 1 LV ein und genüge als eingreifende Regelung nicht den Anforderungen, die sich aus dem Zitiergebot nach Art. 5 Abs. 2 Satz 3 LV ergeben würden; die Vorschrift sei daher nichtig. Indem die Fachgerichte schließlich die Feststellung der Waldeigenschaft mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gerechtfertigt hätten, sei auch der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.  

 

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

 

1. Soweit die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen § 2 Abs. 3 Nr. 2 LWaldG gerichtet ist, folgt ihre Unzulässigkeit bereits daraus, dass die Frist des § 47 Abs. 3 VerfGGBbg nicht beachtet worden ist. Danach können Verfassungsbeschwerden gegen Rechtsvorschriften, gegen die ein Rechtsweg nicht offensteht, nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten der Rechtsvorschrift erhoben werden. Die angegriffene Bestimmung ist am 22. April 2004 in Kraft getreten (vgl. § 39 LWaldG) und seither unverändert geblieben.

 

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil es an einer dem Begründungserfordernis nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg entsprechenden Darlegung der Beschwerdebefugnis fehlt, also der Möglichkeit, durch die angegriffenen Entscheidungen in den in der Beschwerdeschrift angeführten Grundrechten verletzt zu sein.

 

Eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wird von den Beschwerdeführern nicht aufgezeigt. Der Hinweis auf die Ausführungen der Fachgerichte zu der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist zur Darlegung einer Gehörsverletzung von vornherein ungeeignet. Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV schützt die Verfahrensbeteiligten gerade nicht davor, dass das Gericht ihre Rechtsauffassungen und rechtlichen Beurteilungen nicht teilt (st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 15. Mai 2013 – VfGBbg 49/13 -, www.verfassungs-gericht.brandenburg.de).

 

Auch der Vortrag der Beschwerdeführer zu den weiteren, als verletzt gerügten Grundrechten genügt offenkundig nicht den Mindestanforderungen, die an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde zu stellen sind. Die Beschwerdeschrift setzt sich weder mit dem besonderen Prüfungsmaßstab des Verfassungsgerichts bei der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen auseinander, noch legt sie ansatzweise dar, dass die Fachgerichte den Schutzbereich der Grundrechte nach Art. 10, 15 Abs. 1 oder 41 Abs. 1 LV grundsätzlich verkannt haben könnten. Hierfür ist auch sonst nichts erkennbar. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar ausgeführt, dass die Feststellung der Waldeigenschaft im vorliegenden Fall nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben verstößt (Urteilsausführungen S. 7 f). Die dieser rechtlichen Bewertung zugrunde liegenden Tatsachenermittlungen und Sachverhaltsfeststellungen sind eine Frage der Anwendung des einfachen Rechts, die den Fachgerichten obliegt (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 29. August 2014 – VfGBbg 63/13 -, www.verfassungsgericht.de); verfassungsrechtlich relevante Verfahrensverstöße sind von den Beschwerdeführern insoweit nicht geltend gemacht worden.

 

Schließlich werden auch die – rechtlich kaum nachvollziehbaren – Ausführungen der Beschwerdeführer zu einem Verstoß des § 2 LWaldG gegen das Zitiergebot nach Art. 5 Abs. 2 Satz 3 LV nicht dem Begründungserfordernis nach § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg gerecht. Im Hinblick auf das Zitiergebot genügt die Verfassungsbeschwerde zudem nicht dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität. Dieser Grundsatz besagt, dass der Beschwerdeführer vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde über die formale Erschöpfung des Rechtswegs hinaus alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu ergreifen hat, um eine etwaige Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beheben (st. Rspr., vgl. etwa Beschlüsse vom 15. März 2013, - VfGBbg 32/12 - und vom 27. Mai 2011 – VfGBbg 20/10 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Grundsätzlich muss er deshalb diejenigen - für seine Rechtsverfolgung vor den Fachgerichten relevanten – Gesichtspunkte und Argumente, in deren Anbetracht die beanstandete hoheitliche Maßnahme einen Grundrechtsverstoß darstellen soll, jedenfalls in ihrem Kern bereits in das fachgerichtliche Verfahren eingeführt haben (vgl. Beschluss vom 18. Oktober 2013 – VfGBbg 72/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Ein solcher Vortrag ist insbesondere dann geboten, wenn – wie hier – der Ausgang des Verfahrens von der (behaupteten) Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift abhängt (vgl. BVerfGE 112, 50, 62) oder die fachgerichtliche Verfahrensordnung rechtliche Darlegungen verlangt (vgl. zum Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung: Beschluss vom 29. August 2014 – VfGBbg 63/13 -, a. a. O.). Diesen Anforderungen ist vorliegend nicht entsprochen worden. Die Beschwerdeführer haben im verwaltungsgerichtlichen Verfahren weder einen Verstoß des § 2 LWaldG gegen das landesverfassungsrechtliche Zitiergebot geltend gemacht noch sonst Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift geäußert.

 

 

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Nitsche Partikel
   
Schmidt