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VerfGBbg, Beschluss vom 21. November 2014 - VfGBbg 15/14 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - VerfGGBbg, § 20 Abs. 1 Satz 2; VerfGGBbg, § 46
Schlagworte: - Begründungserfordernis
- Zuständigkeitsstreitwert
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. November 2014 - VfGBbg 15/14 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 15/14




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

   H.,

       

Beschwerdeführer,

 

 

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt H.,

                         

 

 

wegen der Beschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 19. November 2013 und 19. Dezember 2013 (6 W 174/13)

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

am 21. November 2014

b e s c h l o s s e n :

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zurückweisung einer sofortigen Beschwerde durch das Brandenburgische Oberlandesgericht in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

I.

Der Beschwerdeführer erhielt im September 2013 unverlangt eine gewerbliche E-Mail an seine private E-Mail-Adresse. Die Anbieterin der darin beworbenen Dienstleistung, eine GmbH, hatte mit dem Versand eine andere GmbH beauftragt, die sich dazu einer weiteren GmbH bediente. Der Beschwerdeführer nahm die drei Gesellschaften vor dem Landgericht Potsdam auf Unterlassung in Anspruch, wobei er den Streitwert auf  9.000,00 € bezifferte (2 O 464/13). Nach Anhörung setzte das Gericht den Streitwert mit eingehend begründetem Beschluss vom 30. Oktober 2013 auf 1.000,00 € fest. Nachdem der Beschwerdeführer es abgelehnt hatte, einen Verweisungsantrag zu stellen, wies das Landgericht Potsdam sodann den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 5. November 2013 unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 30. Oktober 2013 als unzulässig zurück. Der Beschwerdeführer legte sofortige Beschwerde ein und trug vor, der Zuständigkeitsstreitwert betrage mindestens 9.000,00 €. Die ungewöhnlich niedrige Wertfestsetzung durch das Landgericht weiche in willkürlicher Weise von im Einzelnen konkret bezeichneter obergerichtlicher und höchstrichterlicher, aber auch eigener Rechtsprechung der Kammer des Landgerichts ab, zumal § 5 ZPO anzuwenden sei. Das Brandenburgische Oberlandesgericht wies die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 19. November 2013 unter Bezugnahme auf den angefochtenen Beschluss zurück (6 W 174/13). Die Festsetzung des Streitwerts auf 1.000,00 € begegne keinen rechtlichen Bedenken. Die vom Beschwerdeführer herangezogene Streitwertrechtsprechung des Oberlandesgerichts selbst betreffe nur Wettbewerbsstreitigkeiten gewerblich tätiger Personen und Unternehmen. Der Beschwerdeführer erhob am 3. Dezember 2013 Gehörsrüge, die das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 19. Dezember 2013, am 28. Dezember 2013 zugestellt, als unzulässig zurückwies.

II.

Mit der am 1. März 2014 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, die Beschlüsse des Brandenburger Oberlandesgerichts vom 19. November und 19. Dezember 2013 verstießen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Artikel 52 Abs. 3 Alt. 2 der Landesverfassung (LV), derjenige vom 19. November 2013 auch gegen das Willkürverbot aus Artikel 52 Abs. 3 1. Alt. LV.

Der Beschwerdeführer hat nach Zugang der Eingangsmitteilung am 17. März 2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Er habe die Beschwerdeschrift am 24. Februar 2014 in den Briefkasten vor seinem Potsdamer Wohnsitz eingeworfen. Dennoch sei diese erst am 1. März 2014 bei Gericht eingegangen, womit er nicht habe rechnen müssen.

In der Sache verletze der Beschluss über die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Er sei in der Beschwerdeschrift ausführlich auf die bisherige Spruchpraxis des Landgerichts Potsdam und deren überraschende Änderung in Bezug auf die Festsetzung eines Gesamtstreitwerts und die unterlassene Anwendung von § 5 ZPO sowie die Höhe des Einzelstreitwerts eingegangen. Dazu habe er umfangreiche Fundstellen zu obergerichtlichen und BGH-Entscheidungen angegeben, die sämtlich vom Oberlandesgericht nicht erwogen worden seien. Das Oberlandesgericht verweise lediglich auf die Gründe des erstinstanzlichen Beschlusses, der zur Höhe des Streitwertes keine Begründung enthalte. Weiter führe das Oberlandesgericht lediglich negativ aus, dass eine Übertragung seiner wettbewerbsrechtlichen Streitwertrechtsprechung auf den privaten Bereich ausscheide, ohne anzugeben, warum ein Streitwert von 1.000,00 € angemessen und § 5 ZPO unanwendbar sei. Das lege den Schluss nahe, dass seine Argumentation nicht erwogen worden sei. Dafür spreche auch, dass das Oberlandesgericht es in dem Beschluss vom 19. Dezember 2013 als nicht vom Grundsatz des rechtlichen Gehörs umfasst gesehen habe, seinen Vortrag in Erwägung ziehen zu müssen. Die vom Oberlandesgericht angestellten Erwägungen im Zusammenhang mit der unterstellten Gegenvorstellung führten nicht weiter. Den Verstoß gegen das Willkürverbot erblickt der Beschwerdeführer darin, dass das Oberlandesgericht von der vorherrschenden Streitwertpraxis der anderen Obergerichte und des Bundesgerichtshofs abgewichen sei, ohne dafür eine nachvollziehbare Begründung zu geben. Wenn das Oberlandesgericht im Bereich der Wettbewerbssachen maßgeblich auf die Bedeutung der Streitwertfestsetzung für die Gerichts- und Anwaltsgebühren abstelle, sei nicht nachvollziehbar, warum das nicht auch bei einem Unterlassungsbegehren im privaten Bereich in Betracht komme. Einen sachlichen Grund für die Differenzierung gebe das Oberlandesgericht nicht an. Überhaupt enthalte der Beschluss keine positive Begründung, warum der Streitwert in der genannten Höhe festgesetzt worden sei. Zwar erzeuge die von ihm zitierte Rechtsprechung keine Bindungswirkung, doch müsse diese angemessen berücksichtigt werden, wenn ein Verfahren – wie vorliegend – keine individuellen Besonderheiten aufweise. Zudem sei nicht erkennbar, warum ein einheitlicher Gesamtstreitwert bestimmt worden sei und § 5 ZPO keine Anwendung gefunden habe. Tatsächlich habe das Oberlandesgericht unter Vermeidung der Verfassungsverletzungen zu einem günstigeren Ergebnis gelangen können.

Die Akten des Ausgangsverfahrens sind beigezogen worden.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) zu verwerfen; sie ist unzulässig.

I.

Dem Beschwerdeführer fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19. Dezember 2013 richtet, mit dem dieses die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 19. November 2013 zurückgewiesen hat. Die Zurückweisung der Gehörsrüge ist mit der Verfassungsbeschwerde nicht angreifbar, denn sie schafft keine eigenständige Beschwer. Sie lässt allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbstkorrektur durch das Fachgericht unterbleibt. Ein schutzwürdiges Interesse an einer – zusätzlichen – verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidung besteht nicht (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 29. August 2014 – VfGBbg 63/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

 

II.

In Bezug auf den weiter angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts vom 19. November 2013 genügt die Verfassungsbeschwerde nicht dem Begründungserfordernis der § 46, § 20 Abs. 1 Satz 2 VerfGGBbg. Nach diesen Vorschriften ist es Sache des Beschwerdeführers, dem Gericht substantiiert und schlüssig einen Sachverhalt zu unterbreiten, der zu dem behaupteten Grundrechtsverstoß führen kann. Es ist im Einzelnen darzulegen, welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme nicht genügt und inwieweit dadurch das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll. Das setzt unter anderem eine geordnete und vollständige Darstellung der maßgeblichen äußeren Umstände des zur Überprüfung gestellten Einzelfalls voraus, die der Beschwerdeführer seinen Erwägungen zugrunde zu legen hat (Hömig, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 92 Rn. 37). Gerichtsentscheidungen sind entweder vorzulegen oder wenigstens in ihrem wesentlichen Inhalt wiederzugeben (Beschluss vom 19. Juni 2013 – VfGBbg 39/12 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Vorliegend hat der Beschwerdeführer in genügender Weise weder dargelegt, dass die genannte Entscheidung des Oberlandesgerichts ihn in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 2. Alt. LV) verletzt habe, noch dass diese willkürlich (Art. 52 Abs. 3 1. Alt. LV) gewesen sei. Der Beschwerdeführer legt zwar die beiden Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 19. November 2013 und 19. Dezember 2013 sowie den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 5. November 2013 vor, übergeht aber den in den genannten Beschlüssen in Bezug genommenen Streitwertbeschluss vom 30. Oktober 2013. Dieser die Streitwertfestsetzung einzelfallbezogen begründende Beschluss wird weder vorgelegt noch inhaltlich wiedergegeben oder sonst zum Gegenstand der Ausführungen des Beschwerdeführers gemacht. Die Darlegung eines behaupteten Verstoßes einer gerichtlichen Entscheidung gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 2. Alt. LV) bzw. gegen das aus Art. 52 Abs. 3 1. Alt. LV, dem gerichtlichen Gleichheitssatz, abgeleitete Willkürverbot, setzt aber voraus, dass die tragenden Gründe der angegriffenen gerichtlichen Entscheidung wiedergegeben, zumindest jedoch die diese Gründe enthaltende Entscheidung der Verfassungsbeschwerde beigefügt werden. Daran mangelt es vorliegend.

III.

Mit Rücksicht auf die vorstehenden Ausführungen bedarf die Frage, ob dem Beschwerdeführer wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, keiner Entscheidung.

 

C.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Nitsche Partikel
   
Schmidt