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VerfGBbg, Beschluss vom 21. September 2018 - VfGBbg 27/17 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 2 Alt. 1; LV, Art. 52 Abs. 2 Alt. 2
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1
Schlagworte: - prozessuale Überholung
- Rechtswegerschöpfung
- Anhörungsrüge
- Rechtliches Gehör der Sache nach
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. September 2018 - VfGBbg 27/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 27/17




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

D.

Beschwerdeführer,

 

 

wegen            Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. April 2016, Az.: 11 O 117/15; Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 10. April 2017, Az.: 5 U 54/16

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 21. September 2018

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Partikel und Schmidt

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt (Oder) und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in einem nachbarrechtlichen Verfahren.

I.

Aufgrund eines Vorfalls im August 2014 wurde der Beschwerdeführer von seinem Nachbarn, dem Kläger des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Kläger), auf Zahlung von Schadensersatz für die Beschädigung einer Gartenhecke sowie darauf in Anspruch genommen, das Betreten des Nachbargrundstückes zu unterlassen.

Mit Urteil vom 13. April 2016 wies das Landgericht Frankfurt (Oder) die Klage im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch für die Beschädigung der Hecke als unbegründet ab. Eine schadensersatzpflichtige Handlung des Beschwerdeführers sei nach der Beweisaufnahme nicht bewiesen. Der Kläger habe jedoch einen Unterlassungsanspruch und einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beschwerdeführer das Grund-stück des Klägers betreten und dort Zweige und Äste von einer Hecke abgeschnitten habe. Dies ergebe sich aus der insoweit glaubhaften Erklärung des Klägers und der Aussage der vom Landgericht vernommenen Zeugin.

Die gegen dieses Urteil am 18. Mai 2016 durch den Beschwerdeführer eingelegte Berufung wies das Brandenburgische Oberlandesgericht nach weiterer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Ehefrau des Beschwerdeführers und Anhörung des Klägers mit Urteil vom 24. März 2017 als unbegründet zurück. Zu Recht habe das Landgericht einen Unterlassungsanspruch angenommen. Das Gericht sei davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer das Grundstück der Kläger betreten habe, um Anpflanzungen zurückzuschneiden. Dies ergebe sich aus den insoweit glaubhaften Ausführungen der Zeugin, die auch durch die Aussage der weiteren im Termin vernommenen Zeugin, der Ehefrau des Beschwerdeführers, nicht entkräftet worden seien. Zur Duldung seien die Kläger nicht verpflichtet. Dementsprechend sei auch der Anspruch auf Erstattung der Rechtsverfolgungskosten begründet.

II.

Der Beschwerdeführer hat am 8. Juni 2017 Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung des Grundrechts auf Gleichheit vor Gericht in seiner Ausprägung als Willkürverbot. Während das Landgericht im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzanspruches die Aussage der Zeugen noch ausführlich gewürdigt und einen Anspruch dadurch als nicht erwiesen angesehen habe, fehle eine solche Prüfung in Bezug auf den Unterlassungsanspruch völlig. Obwohl sich Zweifel am Wahrheitsgehalt angesichts widersprüchlicher Angaben aufgedrängt hätten, werde die Glaubhaftigkeit der Aussage ohne weitere Herleitung angenommen. Auch sei die persönliche Anhörung des Klägers anders als die Parteivernehmung kein taugliches Beweismittel. Die gesetzlichen Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruches nach §§ 823, 1004 BGB seien willkürlich angenommen worden. Die Verurteilung zur Zahlung von Anwaltskosten sei ohne Antrag des Klägers erfolgt.

Das Oberlandesgericht habe die fehlerhafte Beweiswürdigung weitergeführt. Es erfolge keine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den widersprüchlichen Aussagen der maßgeblichen Zeugin. Die Ausführungen im Urteil stünden im Widerspruch zum protokollieren Inhalt der mündlichen Verhandlung. Das Oberlandesgericht habe einen Unterlassungsanspruch angenommen, obwohl Aussagen zu künftigen Beeinträchtigungen gänzlich fehlten. Die Urteilsbegründung sei hinsichtlich der Verletzungshandlung in sich widersprüchlich. Die Erstattung von Anwaltskosen sei nicht beantragt worden und könne dementsprechend auch nicht ausgeurteilt werden.

III.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens sowie das Landgericht Frankfurt (Oder) und das Brandenburgische Oberlandesgericht haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. In Bezug auf das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. April 2016 (11 O 117/15) ist die Verfassungsbeschwerde schon wegen prozessualer Überholung unzulässig. Denn das Urteil ist durch die nachfolgende Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts vom 24. März 2017 inhaltlich bestätigt worden (vgl. Beschlüsse vom 14. Oktober 2016 - VfGBbg 82/15 - und vom 16. Dezember 2016 - VfGBbg 30/16 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; BVerfGK 10, 134, 138; BVerfG, NJW 2011, 2497, 2498; BVerfG, Beschluss vom 21. November 2012 - 1 BvR 1711/09 -, juris Rn. 10).

2. Darüber hinaus und in Bezug auf die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 10. April 2017 ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht erschöpft hat.

Ist Gegenstand der Verfassungsbeschwerde (auch) die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV ist,  so gehört die Anhörungsrüge zum Rechtsweg im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg (vgl. Beschlüsse vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 21/13 -; vom 19. September 2014 - VfGBbg 18/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). In der Sache rügt der Beschwerdeführer eine Gehörsverletzung, hat aber entsprechend seiner eigenen Ausführungen in der Beschwerdefrist keine Anhörungsrüge erhoben.

Zwar benennt der Beschwerdeführer in seiner Verfassungsbeschwerde nicht ausdrücklich den Anspruch auf rechtliches Gehör, er macht vielmehr eine Verletzung des Anspruchs auf Gleichheit vor Gericht in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür geltend. Den grundrechtsgleichen Anspruch auf rechtliches Gehör nennt er in diesem Zusammenhang nicht, sondern führt aus, einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO habe es vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht bedurft, weil das Oberlandesgericht rechtliches Gehör gewährt habe. Entscheidend ist aber nicht, welches Grundrecht ein Beschwerdeführer benennt, sondern welches er objektiv der Sache nach rügt. Ergibt sich aus seinem Vorbringen (auch) die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs, dann bedarf es zur Erschöpfung des Rechtsweges der Erhebung der Anhörungsrüge vor dem zuständigen Fachgericht (vgl. Beschlüsse vom 24. März 2017 - VfGBbg 27/16 -, vom 19. September 2014 - VfGBbg 18/14, vom 29. August 2014 - VfGBbg 1/14 -, vom 24. Januar 2014 - VfGBbg 21/13 - und vom 21. September 2012 - VfGBbg 43/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; zum Bundesrecht vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 2008 - 1 BvR 27/08 -, juris; Beschluss vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 1468/11 -, juris; Beschluss vom 16. Juli 2013 - 1 BvR 3057/11 -, NJW 2013, 3506).

Vorliegend macht der Beschwerdeführer zweifelsfrei auch eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. So trägt er in der Beschwerdeschrift unter anderem vor, weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht hätten sich mit dem Umstand befasst, ob eine weitere Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers zu besorgen gewesen sei. Auf die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des Unterlassungsanspruchs, namentlich die in § 1004 BGB geforderte Wiederholungsgefahr, sei nicht näher eingegangen worden, obwohl er ausdrücklich vorgetragen habe, einen Zaun zum Nachbarn errichtet zu haben. Auch habe das Oberlandesgericht nicht gewürdigt, dass der Kläger versucht habe, auf die Aussage der Zeugin Einfluss zu nehmen, obwohl ihm dieser Umstand vorgelegen habe. Das Gericht befasse sich nicht mit den offensichtlichen Ungereimtheiten der Zeugenaussage und lasse den Umstand außer Betracht, dass die Zeugin nachträglich versuche, die örtlichen Gegebenheiten und den tatsächlichen Geschehensablauf plausibel zu machen. Auch verhalte sich das Oberlandesgericht nicht zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten Lichtbildern und den vorhandenen Anpflanzungen, die den von der Zeugin geschilderten Geschehensablauf unwahrscheinlich machten. Schließlich habe der Beschwerdeführer auf den fehlenden Prozessantrag zu den vorgerichtlichen Anwaltskosten in der Berufungsbegründung hingewiesen, das Gericht sei darauf aber nicht eingegangen.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Ausführungen auf das in Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV enthaltene Grundrecht auf Gleichheit vor Gericht bezieht, ändert daher nichts daran, dass es sich der Sache nach um eine Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV) handelt. Die unterbliebene Erhebung der statthaften Anhörungsrüge hat zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf eine etwaige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern insgesamt unzulässig ist (st. Rspr., vgl. etwa Beschluss vom 22. Februar 2013 - VfGBbg 33/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; zum Bundesrecht vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, www.bundesverfassungsgericht.de)

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Partikel Schmidt