VerfGBbg, Beschluss vom 21. August 1997 - VfGBbg 15/97 -
Verfahrensart: |
Verfassungsbeschwerde Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 52 Abs. 3; LV; Art. 12 Abs. 1 Satz 1; LV, Art. 12 Abs. 1 Satz 2; LV, Art. 53 Abs. 2; LV, Art. 52 Abs. 4; LV, Art. 10 - VerfGGBbg, § 46; VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1 |
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Schlagworte: | - Begründungserfordernis - Subsidiarität - Bundesrecht - Strafprozeßrecht - Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts - Willkür - Strafrecht, materielles - Unschuldsvermutung - faires Verfahren - freie Entfaltung der Persönlichkeit |
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amtlicher Leitsatz: | ||
Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Beschluss vom 21. August 1997 - VfGBbg 15/97 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 15/97

B E S C H L U S S | ||||||||||||
In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren R., Beschwerdeführer, betreffend eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs (Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 22. Januar 1997 und Beschluß des Landgerichts Potsdam vom 15. April 1997) hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg am 21. August 1997 b e s c h l o s s e n : Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen. G r ü n d e : A. Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen seine strafgerichtliche Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs. I. Am 11. Juli 1994 wurde der Beschwerdeführer - gemeinsam mit drei weiteren Personen, darunter dem Beschwerdeführer des Verfahrens VfGBbg 13/97 - jedenfalls auf dem Grundstück, nach den Feststellungen der von dem Beschwerdeführer angegriffenen Entscheidungen auch in dem Gebäude K.-Straße 21 in Potsdam angetroffen. Eigentümer von Grundstück und Gebäude, das einige Monate zuvor schon einmal als “besetzt” geräumt worden war, ist das Land Brandenburg. Bei Antreffen des Beschwerdeführers war das Gebäude unbewohnt und in sanierungsbedürftigem Zustand; das Schloß an der Eingangstür war aufgebrochen. Das Gebäude soll später - nach Sanierung - wieder als Wohnheim genutzt werden. Nach Aufforderung eines von der Polizei herbeigerufenen Mitarbeiters des zuständigen Wissenschaftsministeriums verließen der Beschwerdeführer und die übrigen Personen das Gebäude. Der Mitarbeiter des Wissenschaftsministeriums stellte Strafantrag. Das Amtsgericht erließ im April 1995 zunächst Strafbefehl wegen gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung, gegen den der Beschwerdeführer Einspruch einlegte. Diesen verwarf das Amtsgericht zunächst, weil der Beschwerdeführer zu dem darauf anberaumten Termin am 15. November 1995 nicht erschienen war. Später - im Oktober 1996 - gewährte das Amtsgericht wegen Bedenken an der Ordnungsgemäßheit der Ladung zum Termin am 15. November 1995 auf Antrag des Beschwerdeführers Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Auf die sodann am 22. Januar 1997 durchgeführte Hauptverhandlung verurteilte das Amtsgericht den Beschwerdeführer, nachdem die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Sachbeschädigung fallengelassen hatte, wegen gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 15.- DM. Die darauf eingelegte Berufung nahm das Landgericht nicht an, weil es diese als offensichtlich unbegründet beurteilte; in seinem Beschluß vom 15. April 1997 heißt es, das Urteil des Amtsgerichts sei sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden. II. Der Beschwerdeführer hat am 16. Juni 1997 Verfassungsbeschwerde eingelegt. Er rügt sinngemäß eine Verletzung der Art. 52 Abs. 3, 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Landesverfassung - LV - (Willkürverbot), des Art. 53 Abs. 2 LV (Unschuldsvermutung) und des Art. 52 Abs. 4 LV (faires Verfahren). Darüber hinaus rügt er - ausdrücklich - eine Verletzung auch der Art. 52 Abs. 5 (Verbot einer Selbstbelastungspflicht) und 53 Abs. 1 LV (Rückwirkungsverbot) sowie der Art. 10 (freie Entfaltung der Persönlichkeit) und Art. 12 LV (Gleichheit). Er macht geltend: Am 11. Juli 1994 sei er von Vertretern des Eigentümers und von Polizeibeamten angetroffen worden, und zwar außerhalb des Gebäudes auf dem Grundstück. Erst die Polizeibeamten hätten ihn “genötigt”, mit ihnen zusammen das Haus zu betreten. In der Sache liege dem Urteil des Amtsgerichts “offenbar der juristisch unhaltbare Gedanke zugrunde, daß der Aufenthalt in leerstehenden Häusern bereits das Eingedrungensein voraussetzt”. Er habe sich weder gewaltsam Zutritt zum Haus verschafft noch sich nach Aufforderung der Vertreter des Eigentümers zum Verlassen des Hauses weiterhin darin aufgehalten. Auch hätten Ermittlungen zu der Frage, worin ein dem Betreten des Hauses entgegenstehender Wille des Berechtigten für ihn habe sichtbar gewesen sein sollen, nicht stattgefunden. Es sei nicht einmal geprüft worden, ob überhaupt ein taugliches Tatobjekt vorhanden gewesen sei. Das ungenutzte Gebäude habe mindestens ein riesiges Loch in der Außenwand und zudem mehrere Löcher im Zaun aufgewiesen; von einer “Einfriedung” habe seinerzeit nicht die Rede sein können. Schließlich habe er zum Zeitpunkt des Betretens des Hauses noch gar nicht gewußt, wer Hausrechtsinhaber sei. Schließlich gehe es nicht an, daß der “private Besuch” in einem besetzten Haus der Strafverfolgung ausgesetzt sein solle, während der Besuch öffentlicher Veranstaltungen in besetzten Häusern in Potsdam nicht nur geduldet, sondern teilweise sogar durch öffentliche Zuschüsse unterstützt werde; überhaupt sei ihm nicht bekannt, daß es sich um eine Straftat handeln solle. Auch die Verfahrensweise und der Ermittlungsablauf hätten ihn in seinen Grundrechten verletzt. Er habe auf eine Zusage der Eigentümervertreter vertraut, daß man von einer Anzeige absehen wolle. Er sei sodann ohne vorherige Anhörung zu Gericht geladen worden. Zur Hauptverhandlung vom 22. Januar 1997 sei er erst am 8. Januar 1997 geladen worden, nachdem er über ein Jahr von dem Gericht nichts mehr gehört habe. B. Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. I. Sie ist teilweise bereits unzulässig. 1. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, die “Art der Ermittlungen und der Verfahrensdurchführung” verletze (auch) Art. 52 Abs. 5 und Art. 53 Abs. 1 LV, genügt die Verfassungsbeschwerde schon nicht den Anforderungen, die § 46 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) an die Begründung der Beschwerde stellt. Es ist nicht dargetan, auch nicht erkennbar, inwieweit hier gegen das Verbot einer Selbstbelastungspflicht (Art. 52 Abs. 5 LV) oder das Rückwirkungsverbot (Art. 53 Abs. 1 LV) verstoßen worden sein sollte. Soweit der Beschwerdeführer gesondert Art. 12 LV (Gleichheit) als verletzt bezeichnet, versteht das Gericht sein Vorbringen dahin, daß er hiermit eine Verletzung des Willkürverbots, Art. 52 Abs. 3, 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 LV, belegen will; für eine eigenständige Rechtsbetroffenheit im Sinne von Art. 12 LV bleibt insoweit nach den Umständen des Falles kein Raum. 2. Die Verfassungsbeschwerde ist ferner unzulässig, soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er sei nicht in dem Gebäude, sondern lediglich auf dem Grundstück K.-Straße 21 angetroffen worden und zum Betreten des Hauses durch die anwesenden Polizeibeamten “genötigt” worden. Insoweit steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, weil der Beschwerdeführer dies jedenfalls in dieser Form nicht schon in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht vorgebracht und auch in seiner Berufungsschrift nicht einmal ansatzweise zur Sprache gebracht hat. Der sich aus rechtsanaloger Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) ergebende Subsidiaritätsgrundsatz dient einer sachgerechten Aufgabenverteilung zwischen Verfassungsgericht und Fachgerichten. Danach obliegt es vorrangig den Fachgerichten, einfachrechtliche Vorschriften auszulegen und den ihnen unterbreiteten Sachverhalt tatsächlich und rechtlich zu würdigen (ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes, vgl. Beschluß vom 20. Oktober 1994 - VfGBbg 12/94 - LVerfGE 2, 193, 197 f.; vom 21. November 1996 - VfGBbg 17/96, 18/96 und 19/96 - NVwZ-Beilage 7/1997, 49, zur Veröffentlichung in LVerfGE 4 Teil Brandenburg Nr. 17 vorgesehen). Der Grundsatz der Subsidiarität verlangt deswegen von einem Beschwerdeführer, daß er - über eine, hier von dem Beschwerdeführer mit der Anrufung des Landgerichts an sich erfüllte Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus - alles im Rahmen seiner Möglichkeiten Stehende unternimmt, um eine etwaige Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder zu verhindern. Er ist auf alle nach Lage der Dinge ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Vermeidung oder Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu verweisen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 17. März 1994 - VfGBbg 11/93 - LVerfGE 2, 85, 87; zuletzt Beschluß vom 15. Mai 1997 - VfGBbg 4/97, 6/97 -, S. 8 des Umdrucks, zur Veröffentlichung in LVerfGE 5 Teil Brandenburg vorgesehen). Eine Verfassungsbeschwerde ist in erweiternder Anwendung dieser Grundsätze regelmäßig auch dann unzulässig, wenn der Beschwerdeführer - wie hier - zwar den Rechtsweg ausgeschöpft hat, er dort jedoch Einwände und Gesichtspunkte, die im späteren Verfassungsbeschwerdeverfahren vorgetragen werden, nicht geltend gemacht hat (vgl. auch BVerfGE 64, 135, 143; 66, 337, 364; 68, 384, 389; 81, 97, 102; zum Ganzen auch Umbach/ Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Mitarbeiterkommentar, 1992, § 90 BVerfGG, Rdn. 96). So liegen die Dinge hier: Der jetzige Vortrag des Beschwerdeführers, wonach er durch die vor Ort befindlichen Polizeibeamten “genötigt” worden sein will, das Gebäude K.-Straße zu betreten, ist in dieser Form neu. Eine zunächst fachrichterliche Würdigung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hierzu, wie sie der Subsidiaritätsgrundsatz nach den vorbezeichneten Maßgaben verlangt, hat nicht stattfinden können, weil der Beschwerdeführer diese Gesichtspunkte nicht in das Verfahren eingeführt hat, obwohl ihm dies ohne weiteres möglich gewesen wäre und das Gericht auch in einem Verfahren wie dem Strafverfahren, in dem der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, erwarten darf und gegebenenfalls darauf angewiesen ist, von den Verfahrensbeteiligten, auch von dem Angeklagten selbst, auf besondere Umstände aufmerksam gemacht zu werden. Daß der Beschwerdeführer die hier in Frage stehenden Gesichtspunkte jetzt vor den Fachgerichten nicht mehr vortragen kann, steht der Anwendung des Subsidiaritätsgrundsatzes nicht im Wege (vgl. hierzu schon Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 30. November 1993 - VfGBbg 7/93 - LVerfGE 1, 213, 214). II. Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Das Gericht läßt hierbei wie schon in früheren Entscheidungen ausdrücklich offen, ob Grundrechtsverletzungen, die im Rahmen eines bundesrechtlich geordneten Verfahrens - hier der Strafprozeßordnung - erfolgt sein sollen, von dem erkennenden Gericht am Maßstab der brandenburgischen Landesverfassung gemessen werden können (siehe dazu Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 15. September 1994 - VfGBbg 10/93 - LVerfGE 2, 179, 182; speziell zum Verfahren der Strafprozeßordnung Beschluß vom 17. Oktober 1996 - VfGBbg 19/95 - NJW 1997, 451, zur Veröffentlichung in LVerfGE 4 Teil Brandenburg Nr. 14 vorgesehen). Das Gericht hat auch hier keine Veranlassung, zu dieser Frage eingehend und abschließend Stellung zu nehmen. Denn die von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Landesgrundrechte wären, ihre Anwendbarkeit als Prüfungsmaßstab in dem vorliegenden Verfahren unterstellt, durch die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts und des Landgerichts nicht verletzt. 1. Die Entscheidungen verstoßen nicht gegen das landesverfassungsrechtliche Willkürverbot gemäß Art. 52 Abs. 3, 12 Abs. 1 Satz 1 und 2 LV. Danach ist ein Richterspruch dann willkürlich, wenn er unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar ist und sich deshalb der Schluß aufdrängt, er beruhe auf sachfremden Erwägungen (ständ. Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg, vgl. Beschluß vom 20. April 1995 - VfGBbg 11/94 - LVerfGE 3, 141, 145; Beschluß vom 23. Mai 1996 - VfGBbg 11/95 -, S. 6 des Umdrucks, zur Veröffentlichung in LVerfGE 4 Teil Brandenburg Nr. 9 vorgesehen; s. auch Beschluß vom 14. August 1996 - VfGBbg 23/95 -, S. 8 f. des Umdrucks, zur Veröffentlichung in LVerfGE 4 Teil Brandenburg Nr. 13 vorgesehen). Von richterlicher Willkür in diesem Sinne kann bei den angegriffenen Entscheidungen nicht die Rede sein. a. Das Amtsgericht ist, auch wenn es in den Urteilsgründen nur von einem “Gebäude” spricht, offenkundig davon ausgegangen, daß das leerstehende Gebäude K.-Straße bei Antreffen des Beschwerdeführers ein “befriedete(s) Besitztum” im Sinne von § 123 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) dargestellt hat. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es handelt sich insoweit um eine Frage der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts. Zwar ist in der Strafrechtsliteratur zum Teil die Ansicht vertreten worden, leerstehende Gebäude, in denen sich generell nichts mehr “abspiele”, müßten als Tatobjekt eines Hausfriedensbruchs grundsätzlich ausscheiden (vgl. Engels, Demokratie und Recht 1981, 293; Küchenhoff, Demokratie und Recht 1981, 300; Schön, NJW 1982, 1126; zu einer gegf. korrektiven Berücksichtigung einer “sozialen Funktion” der geschützten Räumlichkeiten insb. Schall, Die Schutzfunktionen der Strafbestimmung gegen den Hausfriedensbruch, 1974, insb. S. 135). Diese Auffassung hat sich allerdings in der Rechtsprechung und überwiegend auch im Schrifttum nicht durchsetzen können (vgl. OLG Hamm NJW 1982, 1824; OLG Köln, NJW 1982, 2674; Hamm, NJW 1982, 2676; Stuttgart, NStZ 1983, 123; AG Wiesbaden, NJW 1991, 188; ferner auch BGH NJW 1975, 985; aus dem Schrifttum etwa Schönke/Schröder-Lenckner, Strafgesetzbuch, Kommentar, 25. Aufl. 1997, § 123 StGB, Rdn. 6 a m.w.N.). Das Amts- und das Landgericht waren verfassungsrechtlich nicht gehindert, sich in dieser einfachrechtlichen Frage - nämlich derjenigen, ob auch ein leerstehendes Gebäude Objekt eines Hausfriedensbruchs sein kann - der herrschenden Auffassung anzuschließen. b. Der fachrichterlichen Einschätzung des Amtsgerichts, es habe sich um ein “befriedetes Besitztum” gehandelt, kann verfassungsrechtlich auch nicht entgegengehalten werden, daß, wie der Beschwerdeführer ausführt, das Gebäude ein Loch in der Außenwand aufgewiesen habe und zudem in dem Zaun des Grundstücks mehrere Löcher gewesen seien. Das Tatbestandsmerkmal “befriedetes Besitztum” ist nach ganz überwiegender fachrichterlicher Rechtsprechung gegeben, wenn ein Grundstück von dem Berechtigten in äußerlich erkennbarer Weise mittels zusammenhängender Schutzwehren gegen das beliebige Betreten durch andere gesichert ist (vgl. nur OLG Hamm, NJW 1982, 1824 m.w.N.). Eine Einfriedung in diesem Sinne muß nach der Rechtsprechung keinesfalls lückenlos sein, sondern kann Löcher aufweisen (deutlich insb. OLG Köln, NJW 1982, 2674, 2676). Sogar eine Ruine wird von fachrichterlicher Seite teilweise als taugliches Tatobjekt eines Hausfriedensbruchs angesehen (LG Bückeburg, NStZ 1982, 71). Nach alledem waren, selbst wenn der von dem Beschwerdeführer beschriebene Zustand des Gebäudes den Tatsachen entsprochen haben sollte, die Einschätzungen des Amtsgerichts und diesem folgend die des Landgerichts fachricherlich mindestens vertretbar. c. Das Urteil des Amtsgerichts und der Beschluß des Landgerichts sind auch insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, als der Beschwerdeführer geltend macht, er habe sich weder gewaltsam Zutritt zum Haus verschafft noch sich nach der Aufforderung der Vertreter des Eigentümers darin weiterhin aufgehalten. Die angegriffenen Entscheidungen gehen offenkundig von der 1. Alternative der in § 123 Abs. 1 StGB unter Strafe gestellten Tathandlungen, dem widerrechtlichen Eindringen, aus. Eindringen in diesem Sinne bedeutet das Gelangen in die geschützten Räume gegen den Willen des Berechtigten (vgl. schon RGSt 39, 440, 441; Schönke/Schröder-Lenckner, a.a.O., 25. Aufl. 1997, § 123 StGB, Rdn. 11 m.w.N. auch zu im wissenschaftlichen Schrifttum vertretenen Nuancierungen). Eine Gewaltanwendung beim In-die-Räume-Gelangen ist hiernach schon einfachrechtlich (vgl. nur Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil, 8. Aufl. 1995, S. 306) nicht erforderlich. Daß, wie der Beschwerdeführer weiter ausführt, keine Ermittlungen zu der Frage stattgefunden hätten, worin der dem Betreten des Hauses entgegenstehende Wille des Berechtigten habe sichtbar gewesen sein sollen, gibt gleichfalls keinen Anlaß zu verfassungsrechtlichen Bedenken. Liegt - wovon Amts- und Landgericht hier in vertretbarer Weise ausgegangen sind - ein befriedetes Besitztum vor, kann sich der dem Betreten entgegengesetzte Wille des Berechtigten in allgemeiner Form schon aus den äußeren Umstände, insbesondere den zur Sicherung des Gebäudes getroffenen Maßnahmen, ergeben (vgl. etwa Schäfer, in: Leipziger Kommentar, 10. Aufl. 1988, § 123 StGB, Rdn. 25). Daß einer dahingehenden Annahme hier etwa vorhandene Löcher in der Wand des Gebäudes bzw. im Zaun des Grundstücks nicht entgegenstehen, ist bereits ausgeführt (s. zu b.). d. Ferner ist, ebenfalls schon einfachrechtlich, der weitere Einwand des Beschwerdeführers unbeachtlich, er habe im Zeitpunkt des Betretens des Hauses nicht gewußt, wer Hausrechtsinhaber sei. Das Amtsgericht hat in von Verfassungs wegen nicht zu beanstandender Weise angenommen, daß sich der Beschwerdeführer darüber, wie es in dem Urteil heißt, “im klaren” war, daß er sich in dem Gebäude nicht aufhalten durfte, und er damit im strafrechtlichen Sinne vorsätzlich gehandelt hat. Eine Kenntnis (auch) darüber, wem bzw. welcher Person das Hausrecht im einzelnen zusteht, ist für das Bewußtsein, gegen den Willen des Berechtigten zu handeln, nach § 123 StGB nicht erforderlich. Es ist auch nicht ersichtlich, daß das Amtsgericht Potsdam und ihm folgend das Landgericht Anlaß gehabt hätten, sich damit zu befassen, ob der Beschwerdeführer sein Tun etwa irrigerweise generell für erlaubt gehalten habe. Ob er seinerzeit davon ausgegangen ist, der, wie sich der Beschwerdeführer ausdrückt, “private Besuch in einem besetzten Haus” sei straffrei, obliegt der tatrichterlichen Wertung. Daß diese hier sachfremd vorgenommen worden wäre, ist nicht erkennbar. 2. Ist nach alledem die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Hausfriedensbruchs verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, ergibt sich auch keine Verletzung der Unschuldsvermutung im Sinne von Art. 53 Abs. 2 LV. 3. Soweit schließlich der Beschwerdeführer auch Beanstandungen gegen die Verfahrensweise und den Ermittlungsablauf erhebt, ist auch daraus eine Verletzung des Willkürverbots ebensowenig zu ersehen wie ein Verstoß gegen das Grundrecht auf ein faires Verfahren vor Gericht (Art. 52 Abs. 4 LV). Was die Einlassung des Beschwerdeführers angeht, er habe auf eine Zusage der Eigentümervertreter vertraut, daß man von einer Anzeige absehen wolle, wäre eine solche Erklärung - abgesehen davon, daß eine Nichteinhaltung derselben keinen mit der Verfassungsbeschwerde angreifbaren Akt der öffentlichen Gewalt darstellte (§ 45 Abs. 1 VerfGGBbg) - nicht bindend; es gibt keinen Grund, einer solchen Erklärung bei einem Strafdelikt den Schutz der Rechtsordnung zugute kommen zu lassen. Soweit der Beschwerdeführer weiter bemängelt, er sei ohne vorherige Anhörung zu Gericht geladen worden, ist in den durch das erkennende Gericht beigezogenen Gerichtsakten zwar ein Zustellungsnachweis über die Vorladung zur Vernehmung im Ermittlungsverfahren nicht enthalten. Der Beschwerdeführer hatte aber jedenfalls Gelegenheit, mit seinem Einspruch gegen den zunächst ergangenen Strafbefehl und später in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht ausführlich Stellung zu nehmen. Daß dem Beschwerdeführer die Ladung zu der Hauptverhandlung vom 22. Januar 1997 erst am 8. Januar 1997 zugestellt worden ist, löst verfassungsrechtlich ebenfalls keine Bedenken aus. Die schon am 15. Oktober 1996 verfügte Ladung zur gemeinsamen Hauptverhandlung konnte dem Beschwerdeführer zunächst nicht zugestellt werden, weil er zwischenzeitlich von Berlin nach Potsdam verzogen war; die sodann nach Einholung einer Melderegisterauskunft am 8. Januar 1997 erfolgte Zustellung vom 8. Januar 1997 hält die in der Strafprozeßordnung in § 217 Abs. 1 vorgesehene Ladungsfrist von mindestens einer Woche ein. Hiernach ist das Verfahren schon einfachrechtlich in Ordnung. 4. Auch eine Verletzung des Art. 10 LV (freie Entfaltung der Persönlichkeit) ist nicht festzustellen. Art. 10 LV gewährleistet die freie Entfaltung der Persönlichkeit nur, soweit nicht die Rechte anderer verletzt werden. Zu den Bestimmungen, die die “Rechte anderer” im Sinne von Art. 10 LV konkretisieren, gehören auch die Vorschriften des Strafgesetzbuchs und der Strafprozeßordnung (entsprechend bereits für Art. 41 LV Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 17. Oktober 1996 - VfGBbg 19/95 - NJW 1997, 451, 452). Diese Vorschriften sind hier - wie ausgeführt - von Amts- und Landgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angewendet worden. | ||||||||||||
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