VerfGBbg, Urteil vom 21. Juli 2017 - VfGBbg 21/16 -
Verfahrensart: |
Organstreit Hauptsache |
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entscheidungserhebliche Vorschriften: | - LV, Art. 56 Abs. 1; LV, Art. 56 Abs. 2; LV, Art. 56 Abs. 3; LV, Art. 56 Abs. 4; LV, Art. 75; LV, Art. 94; LV, Art. 113 Nr. 1 - VerfGGBbg, § 12 Nr. 1; VerfGGBbg, § 35; VerfGGBbg, § 36 Abs. 1 - BbgVergG, § 7 Abs. 1; BbgVergG, § 7 Abs. 2 - BbgVergGKV, § 1 Abs. 1; BbgVergGKV, § 1 Abs. 2; BbgVergGKV, § 3 Abs. 1; BbgVergGKV, § 3 Abs. 2; BbgVergGKV, § 3 Abs. 3 |
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Schlagworte: | - Akteneinsicht - Abgeordneter - Freies Mandat - Mindeslohnkommission - Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung - Ablehnung - Begründung - Sondervotum |
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nichtamtlicher Leitsatz: | 1. Die Kontrollkompetenz des Parlaments und einzelner Abgeordneter enthält nicht die Befugnis, begleitend in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen. Entsprechende Akteneinsichtsbegehren sind schon dem Grunde nach nicht von Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV gedeckt und auch nicht Gegenstand einer nach Art. 56 Abs. 4 LV vorzunehmenden Abwägung. 2. Die nach § 7 Abs. 2 BbgVergG eingerichtete Mindestlohnkommission ist eine der Landesregierung zugeordnete Einrichtung und unterfällt damit grundsätzlich dem Anwendungsbereich von Art. 56 Abs. 3 LV. 3. Vor Abschluss des regierungsinternen Willensbildungsprozesses kann das Ein-sichtsbegehren eines Abgeordneten mit Hinweis auf den Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung abgelehnt werden. Der Begründungspflicht ist ausreichend Rechnung getragen, wenn die Gründe, aus denen heraus die angeforderten Dokumente (noch) diesem Willensbildungsprozess zuzuordnen sind, in der ablehnenden Entscheidung genannt werden. 4. Auch nach Abschluss des Willensbildungsprozesses im Kabinett kann der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung grundsätzlich zur Begründung der Ablehnung eines Akteneinsichtsbegehrens herangezogen werden. Es bedarf in diesem Fall jedoch einer eingehenden Ermittlung, Gewichtung und Abwägung der widerstreitenden Gesichtspunkte. Die Begründung für eine ablehnende Entscheidung muss auf den Einzelfall bezogen sein und dem Gewicht der von der Verfassung geschützten Rechte des Abgeordneten hinreichend Rechnung tragen. |
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Fundstellen: | - DVBl 19/2017, S. 1232 ff. - NVwZ-RR 2018, Heft 3, S. 81 ff. |
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Zitiervorschlag: | VerfGBbg, Urteil vom 21. Juli 2017 - VfGBbg 21/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de |
DES LANDES BRANDENBURG
VfGBbg 21/16
IM NAMEN DES VOLKES
U r t e i l
In dem Organstreitverfahren
Dierk Homeyer, MdL,
Alter Markt 1,
14467 Potsdam,
Antragsteller,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte H.-Z.,
gegen
Regierung des Landes Brandenburg,
vertreten durch den Ministerpräsidenten,
Heinrich-Mann-Allee 107,
14473 Potsdam,
Antragsgegnerin,
wegen | Versagung der Akteneinsicht in Unterlagen des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie betreffend die Befassung der nach § 4 Abs. 2 des Brandenburgischen Gesetzes über Mindestanforderungen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen (Brandenburgisches Vergabegesetz - BbgVergG -, vom 21. September 2011 (GVBl. I Nr. 19), geändert durch Gesetz vom 11. Februar 2014 (GVBl. I Nr. 6)) errichteten Kommission zur Anpassung des Entgeltsatzes nach § 3 Abs. 3 BbgVergG |
hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 21. April 2017
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt
für Recht erkannt:
Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin mit ihrer Antwort vom 19. September 2016 auf das Akteneinsichtsgesuch vom 29. Juni 2016 gegen Art. 56 Abs. 3 Satz 2 Verfassung des Landes Brandenburg (LV) verstoßen hat. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Gründe:
A.
Der Antragsteller wendet sich gegen mehrfache Versagungen der Akteneinsicht in Unterlagen des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie betreffend die Befassung der Kommission zur Anpassung des Entgeltsatzes nach § 3 Abs. 3 Brandenburgisches Gesetz über Mindestanforderungen für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen (BbgVergG) (im Folgenden: Mindestlohnkommission).
I.
1. Gemäß § 3 Abs. 3 BbgVergG erfolgt die Vergabe eines Auftrages der öffentlichen Hand an einen Bieter nur, wenn dieser sich zur Zahlung eines Entgelts an seine Beschäftigten in bestimmter Höhe verpflichtet. Dieser sogenannte Mindestlohn, der bei Inkrafttreten des BbgVergG im Jahre 2012 zunächst 8,00 Euro/Stunde betrug, wird gemäß § 4 Abs. 1 BbgVergG durch die Landesregierung regelmäßig darauf überprüft, ob er angesichts veränderter sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse anzupassen ist. Die Landesregierung berücksichtigt bei dieser Prüfung den Vorschlag einer gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 BbgVergG auf verordnungsrechtlicher Grundlage errichteten Mindestlohnkommission und unterbreitet dem Landtag gegebenenfalls einen Gesetzentwurf zur Anpassung des Mindestlohns.
§ 4 BbgVergG lautet:
„§ 4 Anpassung des Entgeltsatzes
(1) Die Landesregierung überprüft den in § 3 Absatz 3 genannten Entgeltsatz regelmäßig, mindestens aber alle zwei Jahre und legt dem Landtag einen Entwurf zur Anpassung an eine Änderung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor, soweit dies erforderlich ist. Bei der Überprüfung und Anpassung des Entgeltsatzes berücksichtigt die Landesregierung den Vorschlag der Kommission nach Absatz 2. Die Landesregierung ist an den Vorschlag der Kommission nicht gebunden.
(2) Die Landesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung eine Kommission unabhängiger Mitglieder zur Anpassung des Entgeltsatzes nach § 3 Absatz 3 einzurichten. Die Kommission besteht aus insgesamt neun Mitgliedern, davon je zwei Mitglieder aus den Gruppen der abhängig Beschäftigten, der Arbeitgeber und der Wissenschaft sowie je einer Vertreterin oder einem Vertreter der für Wirtschaft und für Arbeit zuständigen Ministerien sowie einer vorsitzenden Person. Die Landesregierung wirkt darauf hin, dass die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und von Männern gewährleistet ist.
(3) Das für Arbeit zuständige Mitglied der Landesregierung beruft die Mitglieder der Kommission, die Hälfte der einfachen Mitglieder und deren Vertrete-rinnen und Vertreter auf Vorschlag des für Wirtschaft zuständigen Mitglieds der Landesregierung. Weitere Einzelheiten zur Zusammensetzung und Berufung der Kommission sowie zum Verfahren kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung regeln.
(4) Die Landesregierung kann die Ermächtigungen nach den Absätzen 2 und 3 ganz oder teilweise durch Rechtsverordnung auf ein Mitglied der Landesregierung oder auf verschiedene Mitglieder der Landesregierung übertragen.“
Mit der „Verordnung zur Einrichtung einer Kommission gemäß § 4 Absatz 2 und 3 des BbgVergG (Brandenburgische Vergabegesetz-Kommissionsverordnung - BbgVergGKV)“ (vom 6. Juli 2012, GVBl II Nr. 57) hat der Minister für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie die Mindestlohnkommission eingerichtet; das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGFF) führt hiernach die Geschäfte und nimmt den Vorsitz der Kommission durch seine Staatssekretärin wahr.
Das Verfahren der Überprüfung des Mindestlohns ist in § 3 BbgVergGKV geregelt:
„§ 3 Verfahren
(1) Die Kommission ist bei Bedarf oder auf Verlangen von mindestens drei Mitgliedern von dem für Arbeit zuständigen Ministerium einzuberufen.
(2) Die Sitzungen sind nicht öffentlich. Die Kommission ist entscheidungsfähig, wenn alle Mitglieder anwesend oder vertreten sind. Sie entscheidet über ihren Vorschlag zur Anpassung des Entgeltsatzes durch die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Der Vorschlag ist schriftlich zu begründen. Kommt keine Mehrheit zustande, sind stattdessen die unterschiedlichen Positionen ausführlich schriftlich darzulegen.
(3) Das für Arbeit zuständige Ministerium legt im Rahmen der Geschäftsführung für die Kommission deren Vorschlag der Landesregierung zur Entscheidung gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 des Brandenburgischen Vergabegesetzes vor.“
2. Auf Grundlage eines entsprechenden Vorschlags der Mindestlohnkommission wurde der Mindestlohn erstmals durch das 1. Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Vergabegesetzes (vom 11. Februar 2014, GVBl I Nr. 6) auf 8,50 Euro/Stunde erhöht. Die Mindestlohnkommission sprach sich sodann in ihrer Sitzung am 5. Juni 2015 durch Beschluss für eine weitere Erhöhung auf 9,00 Euro/Stunde aus, die zum 1. Januar 2016 in Kraft treten sollte.
Die interne Zusammenfassung dieser Sitzung durch die Geschäftsstelle für die Ministerin (Leitungsvorlage) hat, soweit vorliegend von Interesse, neben den hier nicht aufgeführten handschriftlichen Zusätzen folgenden Inhalt:
„MASGF Potsdam, 5. Juni 2015
Bearb.:Frau G. L.
GeschZ.31-MLK 31-MLK
Tel.:5331
V
1.)
Ministerin
Über StSin
über Kabinettreferat
auf dem Dienstweg
Informations- und Entscheidungsvorlage
Beschluss der Brandenburger Mindestlohnkommission am 5. Juni 2015
I. Anlass/Sachverhalt
Am 5. Juni 2015 hat die Brandenburger Mindestlohnkommission nach dem BbgVergG unter dem Vorsitz von StSin H.-T. mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen folgenden Beschluss gefasst:
- Erhöhung des vergabespezifischen Mindestlohns auf 9,00 € ab dem 1.1.2016
- Laufzeit 1 Jahr ab dem 1.1.2016
- Nächste Sitzung der Mindestlohnkommission im Herbst 2016 (unter Be-rücksichtigung der Entscheidung der Mindestlohnkommission des Bundes sowie einer möglichen Synchronisation des vergabespezifischen Mindestlohns mit dem gesetzlichen Mindestlohn)
II. Stellungnahme:
1. Entscheidungsgrundlagen
Maßgebliche Entscheidungsgrundlagen waren
- Die Entwicklung der relevanten Indikatoren (s. Anlage)
- Die Aussagen des Koalitionsvertrages über die angestrebte Synchronisierung von Vergabemindestlohn und gesetzlichem Mindestlohn
- Das Verhältnis zum bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn allgemein
- Forderung der Gewerkschaften einer Anhebung auf das Tarifniveau des TVöD (9,67 €)
- Forderung der Arbeitgeberseite, den Vergabemindestlohn in der Höhe sofort mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu synchronisieren und die 8,50 € beizubehalten
- Die Lokomotiv- und Vorbildfunktion des vergabespezifischen Mindestlohns auf das Lohngefüge in BB insgesamt
- Die Ausführungen des IAB zur Betroffenheit speziell Ostdeutschlands von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns (24 % der Betriebe zahlten bisher Löhne unter 8,50 €)
- Vergabemindestlöhne in den anderen Ländern: von 11 Ländern gelten in 4 Ländern (alles Westdeutschland) mehr als 8,50 €, davon 1 über 9,00 €
- Schwierigkeiten der Unternehmen, bis zu 4 verschiedene Lohnstrukturen im Unternehmen vorzufinden (gesetzlicher Mindestlohn, branchenspezifischer Mindestlohn, alter Vergabemindestlohn bei Alt-Verträgen, aktueller Vergabemindestlohn für Neu-Vergaben)
- Problem der Unternehmen bei kurzen Laufzeiten des Vergabemindestlohns.
2. Abstimmungsverhalten
(Wichtig: Ist vertraulich und nur zur hausinternen Hintergrundinformation der Hausleitung; vgl. § 3 Abs. 2 BbgVergG-Kommissionsverordnung des MASGF)
Es wurden 4 verschiedene Beschlussmodelle diskutiert:
- Erhöhung auf 8,75 €, Laufzeit 2 Jahre xxx
- Keine Erhöhung in 2016, dafür in 2017 auf 9,00 € xxx
- Erhöhung auf 9,00 €, Laufzeit 2 Jahre xxx
- Erhöhung auf 9,00 €, Laufzeit 1 Jahr; erneute Überprüfung bereits im Herbst 2016 unter Berücksichtigung Entscheidung Bundes-MLK und etwaiger Synchronisierung
3. Weiteres Verfahren
a) Gemäß § 3 Abs. 3 BbgVergG-Kommissionsverordnung legt das für Arbeit zuständige Ministerium im Rahmen der Geschäftsführung für die Kommission deren Vorschlag der Landesregierung zur Entscheidung vor.
Bei der letzten Erhöhung bestanden zunächst Unstimmigkeiten darüber, welches Ressort für die Fertigung der erforderlichen Kabinettvorlage zuständig ist. Nach einigem Hin und Her haben sich MASGF und MWE zur Vermeidung „eventueller Verzögerungen durch ein mögliches Auseinanderfallen der Zuständigkeiten für die Herbeiführung eines Kabinettsbeschlusses zur Anpassung des Mindestarbeitsentgeltes (FF MASGF) und für die Änderung des BbgVergG“ (FF MWE) auf eine gemeinsame Kabinettvorlage geeinigt, in der beide Punkte zusammengefasst werden. Die förmliche Erarbeitung dieser KV liegt dann in der Zuständigkeit des MWE. Es wird vorgeschlagen, dieses Verfahren beizubehalten.
Denkbar wäre ergänzend, das Kabinett vorab im Wege einer reinen Unterrichtungsvorlage MASGF zeitnah über das Ergebnis der Sitzung der Mindestlohnkommission zu informieren. KPR wird um Prüfung gebeten, ob dies angezeigt ist; die PM des MASGF vom 5.6.2015 enthält bereits eine knappe Information über die Höhe des künftigen Vergabemindestlohns und den Zeitpunkt der nächsten Sitzung.
b) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BbgVergG legt die Landesregierung dem Landtag einen Entwurf zur Anpassung des Vergabemindestlohns „an eine Änderung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor, soweit dies erforderlich ist" Dabei berücksichtigt die Landesregierung den Vorschlag der Kommission (§ 4 Abs. 1 Satz 2 BbgVergG), ohne an diesen gebunden zu sein § 4 Abs. 1 Satz 3 BbgVergG).
Im vorliegenden Fall soll dem Votum der Mindestlohnkommission gefolgt werden.
Zur Erhöhung des Vergabemindestlohns ist eine Änderung des Vergabegesetzes selbst in einem parlamentarischen Verfahren erforderlich. In § 3 Absatz 3 BbgVergG muss die Höhe des derzeit 8,50 € betragenden Vergabemindestlohns auf 9,00 € geändert werden,
III. Votum
Bitte um zeitnahe
- Zustimmung, dem Vorschlag der Mindestlohnkommission zu folgen
- Zustimmung einer gemeinsamen KV mit MWE
- Entscheidung, ob vorab eine Unterrichtung des Kabinetts über Beschluss der MLK erfolgen soll.
IV. Beteiligungen
entfällt
gez. G. L.
2. per Mail a.d.D.
3. RL 31 wie besprochen cc z.K.
4. Info an KPR wegen Unterrichtungsvorlage
5. WV 31-GL“
3. Der Antragsteller ist Mitglied des Landtages. Er beantragte mit Schreiben vom 28. August 2015 beim MASGFF Akteneinsicht gemäß Art. 56 LV in „sämtliche Vermerke, Protokolle und Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Anfang Juni von der Mindestlohnkommission des Landes Brandenburg mehrheitlich getroffenen Empfehlung stehen, die Lohnuntergrenze bei öffentlichen Aufträgen im Land Brandenburg um 50 Cent auf 9,00 € pro Stunde zu erhöhen.“
Mit Schreiben vom 5. November 2015 gab das Ministerium dem Antrag nur insoweit statt, als Einsichtnahme in die Schreiben des Ministeriums an die Mindestlohnkommission gewährt wurde. Die Antragsablehnung im Übrigen begründete es angesichts der von § 3 Abs. 2 BbgVergGKV geforderten Nichtöffentlichkeit der Sitzungen der Mindestlohnkommission damit, dass weder ein Protokoll der Sitzung erstellt noch das Abstimmungsverhalten der einzelnen Mitglieder formell festgehalten worden sei. Der Einsichtnahme in Vermerke stehe der Schutz des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung entgegen. Dieser Kernbereich sei der parlamentarischen Auskunft entzogen und umfasse die Meinungsbildung, die Entscheidungsvorbereitung und die Verhandlung innerhalb der Landesregierung. Die Kontrollkompetenz des Parlaments beziehe sich also nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Der Willensbildungsprozess der Landesregierung zur Anpassung des Mindestlohns werde aber erst mit dem noch ausstehenden Kabinettsbeschluss seinen Abschluss finden.
Der Antragsteller erneuerte darauf seinen Antrag mit Schreiben vom 11. November 2015 und führte aus, der Verweis auf den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung gehe fehl. Es handele sich bei der Mindestlohnkommission um ein Gremium unabhängiger Mitglieder, das nicht an dem regierungsinternen Meinungsbildungsprozess teilnehme und an dessen Entscheidung die Landesregierung nicht gebunden sei. Die Sitzung der Kommission und ihr Vorschlag stellten daher gegenüber der hierauf erst gründenden Meinungsbildung der Landesregierung einen abgetrennten, abgeschlossenen Verfahrensbestandteil dar. Nachdem das MASGFF die Akteneinsicht am 3. Dezember 2015 unter Bezugnahme auf die bereits mitgeteilten Gründe abermals abgelehnt hatte, konkretisierte der Antragsteller mit Schreiben vom 10. Februar 2016 sein Begehren und verlangte unter Hinweis auf § 3 Abs. 2 Satz 4 BbgVergGKV Einsicht in die Unterlagen zum Votum der Mindestlohnkommission und zur schriftlichen Begründung desselben.
Das (federführende) Ministerium für Wirtschaft und Energie (MWE) übermittelte dem Landtag unter dem 12. Februar 2016 sodann gemäß Art. 94 LV den Gesetzentwurf für das Gesetz zur Änderung des Vergabegesetzes zum Zwecke der Unterrichtung. In der Gesetzesbegründung wurde zu der Anpassung des Mindestlohns wie folgt ausgeführt:
„Seit dem 1. Januar 2012 ist das Brandenburgische Vergabegesetz (Bbg-VergG) in Kraft. Seitdem gilt für alle Aufträge, die nicht in den Anwendungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes fallen oder Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs zum Gegenstand haben, ein Mindestarbeitsentgelt (§ 3 Absatz 3 Satz 1 BbgVergG). Dieses betrug bis zum 12. Februar 2014 8,00 €/Arbeitsstunde. Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Vergabegesetzes vom 11. Februar 2014 erfolgte eine Erhöhung auf 8,50 €/Arbeitsstunde. Das Mindestarbeitsentgelt ist an veränderte wirtschaftliche und soziale Veränderungen anzupassen. Hierbei werden der Landesregierung Vorschläge einer Kommission unabhängiger Mitglieder unterbreitet. Der vorliegende Vorschlag der Kommission sieht eine Erhöhung des Mindestarbeitsentgelts auf 9,00 €/Arbeitsstunde vor. Der Koalitionsvertrag der 6. Legislaturperiode sieht für spätestens 2019 eine Synchronisation mit dem bundeseinheitlichen Mindestlohn vor.“
Mit Schreiben vom 9. März 2016 teilte das MASGFF dem Antragsteller mit, dass der Vorschlag der Mindestlohnkommission gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 BbgVergGKV zwar schriftlich zu begründen sei, eine konkrete Festlegung, durch wen und in welcher Form dies zu erfolgen habe, aber nicht getroffen werde. Hintergrund der Begründungspflicht sei es lediglich, der Landesregierung eine nachvollziehbare Grundlage für ihre Entscheidung zur Verfügung zu stellen. In der Praxis habe es sich aufgrund der Größe und der Heterogenität der Mindestlohnkommission als sachdienlich erwiesen, die den Vorschlag der Kommission maßgeblich tragenden Erwägungen von ihrer Geschäftsstelle und nicht durch die Mitglieder selbst schriftlich festhalten zu lassen. Eine von der Mindestlohnkommission erstellte Begründung existiere daher nicht. Die der Entscheidung der Kommission zugrundeliegenden maßgeblichen Erwägungen seien hingegen in einer vom Tag der Sitzung datierenden Leitungsvorlage zusammengefasst und der Hausleitung des MASGFF übermittelt worden. Diese Leitungsvorlage aber diene unmittelbar der Vorbereitung der Entscheidung der Landesregierung durch das MASGFF. Auch nachdem das MWE dem Landtag den Gesetzentwurf der Landesregierung im Rahmen der Unterrichtung nach Art. 94 LV zugeleitet habe, sei der Willensbildungsprozess der Landesregierung nicht abgeschlossen und greife das Akteneinsichtsrecht weiterhin nicht. Das Kabinett stimmte der Erhöhung des Mindestlohns in seiner Sitzung vom 24. Mai 2016 zu, worauf die Landesregierung den Gesetzentwurf zur Änderung des Vergabegesetzes (LT-Ds. 6/4245) unter dem 27. Mai 2016 in den Landtag einbrachte. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es:
„Die Kommission bestimmt in eigener Verantwortung, welche Kriterien für sie bei der Überprüfung des Mindestentgeltes maßgeblich sind und wie sie diese gewichtet. Hierzu haben sich die Mitglieder der Kommission in den Sitzungen verständigt. Die Sitzungen der Kommission sind nicht öffentlich, d. h. Einzelheiten der Diskussion und der Abstimmung sind vertraulich. Daher kann über entscheidungsrelevante Überlegungen der Kommission hier nur in allgemeiner Form informiert werden. Folgende Überlegungen flossen in die Entscheidung der Kommission auf ihrer Sitzung am 5. Juni 2015 ein:
- Die Ausführungen des Koalitionsvertrages über die angestrebte Synchronisierung von Vergabemindestlohn und gesetzlichem Mindestlohn sowie das Verhältnis zum bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn im Allgemeinen.
- Die Forderung einer Anhebung des vergabespezifischen Mindestlohnes auf das Tarifniveau im öffentlichen Dienst (TV-L 9,24 €/TVÖD 9,61 €).
- Die Ausführungen des Koalitionsvertrages über die angestrebte Synchronisierung von Vergabemindestlohn und gesetzlichem Mindestlohn sowie das Verhältnis zum bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn im Allgemeinen.
- Die Ausgliederung von Aufgaben aus der Verwaltung und stattdessen deren Wahrnehmung durch private Unternehmen zu Löhnen unterhalb des Tarifniveaus im öffentlichen Dienst.
- Die Forderung, den Vergabemindestlohn in der Höhe sofort mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu synchronisieren und die 8,50 € beizubehalten.
- Die Lokomotiv- und Vorbildfunktion des vergabespezifischen Mindestlohns auf das Lohngefüge in Brandenburg insgesamt.
- Die Ausführungen des IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) zur Betroffenheit speziell Ostdeutschlands von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns (24 % der Betriebe in Brandenburg zahlten bisher Löhne unter 8,50 €).
- Vergabemindestlöhne in den anderen Ländern; in vier von elf Ländern lag der vergaberechtliche Mindestlohn bei mehr als 8,50 €, davon in einem über 9,00 €.
- Die Schwierigkeiten der Unternehmen, bis zu vier verschiedene Lohnstrukturen im Unternehmen vorzufinden (gesetzlicher Mindestlohn, branchenspezifischer Mindestlohn, alter Vergabemindestlohn bei Alt-Verträgen, aktueller Vergabemindestlohn für Neu-Vergaben).
- Anpassungsprobleme der Unternehmen bei kurzen Laufzeiten des Vergabemindestlohnes.
Den Mitgliedern der Kommission wurde für ihre Sitzung am 5. Juni 2015 zu-sätzlich ein umfangreiches Datenkompendium zu entscheidungsrelevanten Indikatoren zur Verfügung gestellt. Die Entwicklung der verschiedenen Indikatoren, die auf aktuellen Datenerhebungen basieren, ist in nachstehender Tabelle zusammengefasst.
Übersichts- Tabelle |
Veränderung in % |
Berech- nungs- grundlage |
Veränderung Mindestlohn
|
Veränderung Mindestlohn |
|
2012 Zu 2013 |
2013 Zu 2014 |
Mittelwert Verände- rung 2012 bis 2014 |
1. Jahr Lauf- Zeit |
2. Jahr Laufzeit |
|
Ausgangswert 08,50 € |
Mindestlohn neu |
||||
Verbraucher-preise im Land BB |
1,3 % |
1,0 € |
1,2 % |
+ 0,10 € 8,60 € |
+ 0,10 € 8,70 € |
Lohnentwick- lung im Land BB (VGR) |
4,2 % |
1,1 % |
2,7 % |
+ 0,23 € 8,73 € |
+ 0,23 € 8,95 € |
BIP im Land BB |
2,5 % |
2,6 % |
2,6 % |
+ 0,22 € 8,72 € |
+ 0,22 € 8,93 € |
Tarifentwick- lung in Ost- deutschland nach WSI |
3,2 % |
3,5 % |
3,4 % |
+ 0,28 € 8,78 € |
+ 0,23 € 9,07 € |
Tarifentwick- lung Neue Länder und Berlin-Ost nach Destatis |
2,6 % |
3,2 % |
2,9 % |
+ 0,25 € 8,75 € |
+ 0,25 € 8,99 € |
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen und den Datenerhebungen hat sich die Kommission mit Mehrheitsbeschluss für eine Erhöhung des Mindestarbeitsentgelts von 8,50 € auf 9,00 € ausgesprochen.“
Unter dem 29. Juni 2016 teilte der Antragsteller mit, sein Akteneinsichtsbegehren bestehe fort, worauf das MASGFF mit Schreiben vom 26. Juli 2016 eine Einsichtnahme nach einer hierzu noch durchzuführenden Kabinettsbefassung in Aussicht stellte und schließlich mit weiterem - nicht gezeichneten - Schreiben vom 24. August 2016 Akteneinsicht unter der Bedingung gewährte, dass sich der Antragsteller strafbewehrt zur Geheimhaltung des Beratungsverlaufs in der Mindestlohnkommission und des Abstimmungsverhaltens ihrer Mitglieder verpflichte. Der Antragsteller erwiderte am 31. August 2016, das ohne inhaltliche Begründung gebliebene ministerielle Schreiben werde mangels Unterschrift als bloßer Entwurf gewertet, dem wohl eine autorisierte Fassung nachfolgen solle.
Mit Schreiben vom 19. September 2016 führte das MASGFF aus, die fehlende Unter-zeichnung sei versehentlich unterblieben, dem Antragsteller werde vollständige Akteneinsicht unter der Maßgabe der Geheimhaltung eingeräumt. Begründet wurde dies damit, dass die Leitungsvorlage Ausführungen enthalte, die das Abstimmungsverhalten der Kommissionsmitglieder unmittelbar beträfen oder Rückschlüsse auf dieses zuließen. Hiervon seien etwa sechs Sätze betroffen. Das Abstimmungsverhalten sei vertraulich zu behandeln, da anderenfalls die vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb der Mindestlohnkommission, wenn nicht sogar ihr Bestand, gefährdet sein könnte. Bereits § 3 Abs. 2 BbgVergGKV gebe vor, dass Sitzungen der Kommission nicht öffentlich und damit insbesondere Abstimmungen vertraulich zu behandeln seien. Die Mitglieder der Kommission seien unabhängig und den sie entsendenden Institutionen nicht weisungsunterworfen. Ihnen sei die Vertraulichkeit von Anfang an persönlich zugesichert worden, damit sie offen diskutieren könnten. Daher seien auch die grundlegenden Erwägungen für die Entscheidung aus dem Verlauf der Kommissionssitzung in der Leitungsvorlage nur in allgemeiner Form und ohne Zuschreibung des konkreten Urhebers der Äußerung aufgeführt. Die Hausleitung des MASGFF sei ausdrücklich auf die Vertraulichkeit der Ausführungen zum Abstimmungsverhalten sowie darauf hingewiesen worden, dass diese nur der hausinternen Hintergrundinformation dienten. Tatsächlich seien die Informationen weder weiteren Mitgliedern der Landesregierung noch Abgeordneten der Regierungskoalition zugänglich gemacht worden. Schließlich hätten die entscheidungsrelevanten Erwägungen Eingang in den Gesetzentwurf der Landesregierung gefunden und seien dort näher ausgeführt.
Am 28. September 2016 wurde das Gesetz zur Änderung des BbgVergG in zweiter Lesung verabschiedet und trat am 1. Oktober 2016 in Kraft (GVBl. I Nr. 21 vom 29. September 2016).
Der hiernach unter dem 30. September 2016 schriftlich geäußerten Bitte des Antragstellers auf Überlassung einer bezüglich der als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Passagen geschwärzten Fassung der Leitungsvorlage kam das MASGFF unter dem 27. Oktober 2016 nach und übermittelte die oben bereits auszugsweise zitierte Fassung der Leitungsvorlage mit den entsprechenden Schwärzungen.
II.
In dem am 4. Mai 2016 eingeleiteten, mit Schriftsatz vom 16. November 2016 um die Anträge zu 2. und 3. erweiterten Organstreitverfahren, beantragt der Antragsteller
1. festzustellen, dass die Antragsgegnerin mit der Versagung der Akteneinsicht in das Votum der Mindestlohnkommission vom 5. Juni 2015 und in seine Begründung durch die Schreiben des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie vom 5. November 2015, vom 3. Dezember 2015 und vom 9. März 2016 gegen das Recht des Antragstellers auf Aktenvorlage und Akteneinsicht gemäß Art. 56 Abs. 3 LV verstoßen hat,
2. festzustellen, dass die Antragsgegnerin dadurch gegen das Recht des Antragstellers auf Aktenvorlage und Akteneinsicht gemäß Art. 56 Abs. 3 LV verstoßen hat, dass sie noch am 19. September 2016 dem Antragsteller die Akteneinsicht in die „Leitungsvorlage“ ohne Unterzeichnung einer Geheimhaltungserklärung versagte,
3. festzustellen, dass die Antragsgegnerin durch die Versagung der Akteneinsicht noch am 27. Oktober 2016 in ein ungeschwärztes Exemplar der „Leitungsvorlage“ gegen das Recht des Antragstellers auf Aktenvorlage und Akteneinsicht gemäß Art. 56 Abs. 3 LV verstoßen hat.
Die Ablehnung der Einsichtnahme verstoße gegen Art. 56 Abs. 3 LV, der den Abgeordneten eine herausgehobene Kontrollbefugnis gegenüber der Landesregierung vermittle. Dieser Kompetenz könne die Schrankenbestimmung des Art. 56 Abs. 4 LV nicht entgegen gehalten werden, da der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung vorliegend tatsächlich nicht berührt werde. Die Kontrollkompetenz des Parlaments bestehe zwar grundsätzlich nur für abgeschlossene Vorgänge, zwischen den Prinzipien der parlamentarischen Kontrolle einerseits und der exekutiven Eigenverantwortung andererseits müsse aber eine Abwägung getroffen werden. Zugunsten der Regierung sei der Schutz der Freiheit und der Offenheit der Willensbildung zu berücksichtigen, auf Seiten des Parlaments komme es auf das Gewicht des parlamentarischen Informationsinteresses an. Der Grundsatz der Gewaltenteilung gebiete im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung eine Auslegung der Verfassung in Richtung einer wirksamen parlamentarischen Kontrolle.
Sein Informationsinteresse habe hier schon vor der erfolgten Unterrichtung des Landtags überwogen, da es weder auf das Geschehen am Kabinettstisch noch auf den Prozess der Willensbildung und Entscheidungsfindung innerhalb der Landesregierung, sondern lediglich auf die Offenlegung der Begründung des Votums der Mindestlohnkommission als dessen Grundlage gerichtet gewesen sei. Die Mindestlohnkommission sei nicht Teil des regierungsinternen Willensbildungsprozesses, sie binde die Landesregierung mit ihrem Beschluss nicht, sondern sei diesem bloß vorgelagert. Zwar könnten auch Ausschussberatungen und -ergebnisse dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallen. Dies setze aber voraus, dass hiermit Entscheidungen des Kabinetts unmittelbar vorbereitet würden, was hier schon in zeitlicher Hinsicht ausscheide. Empfehlungen externer Gremien und die hierfür gegebenen Begründungen würden zudem typischerweise in sich anschließende Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Das Votum der Kommission diene somit im Ergebnis ebenso wenig der unmittelbaren Entscheidungsvorbereitung, wie dies etwa bei Gutachten oder Stellungnahmen externer Dritter der Fall sei. Die Frage, ob der Willensbildungsprozess der Landesregierung abgeschlossen gewesen sei, stelle sich vor diesem Hintergrund dagegen schon nicht.
Nach der Unterrichtung des Landtages gemäß Art. 94 LV habe dem - unter dem Gesichtspunkt der Ausarbeitung eines eigenen Gesetzentwurfs in einer für die Wirtschaftsstruktur Brandenburgs bedeutsamen Sachmaterie besonders gewichtigen - Informationsinteresse des Antragstellers erst recht Rechnung getragen werden müssen. Je weiter sich das Gesetzesinitiativverfahren auf das Parlament hin zu bewege, desto eher falle die Abwägung der widerstreitenden Belange zugunsten des Informationsrechts der Abgeordneten aus, da sich die Exekutive zunehmend der parlamentarischen Kontrolle zu stellen habe. Bereits mit der Unterrichtung nach Art. 94 LV sei die Willensbildung der Exekutive so weit abgeschlossen, dass der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung verlassen werde. Gerade in dieser Phase intensiver parlamentarischer Arbeit dürfe es nicht zu Informationsgefällen zwischen Landesregierung und Parlament oder im Verhältnis der Abgeordneten der Regierungsfraktionen einerseits und der Opposition anderseits kommen. Wenn daher Abgeordnete der Regierungsfraktionen mit Vertretern der Landesregierung ausweislich entsprechender Mitteilungen in den sogenannten sozialen Netzwerken spätestens seit Anfang April 2016 in Arbeitskreisen über den Gesetzesentwurf beraten hätten, habe dem Antragsteller als wirtschaftspolitischem Sprecher seiner Fraktion die Einsicht in die hierzu vorhandenen Grundlagen der Diskussion auch aus diesem Grunde nicht mehr verwehrt werden dürfen.
Sei die Einbringung des Gesetzentwurfs in den Landtag gemäß Art. 75 LV abgeschlossen, habe sich die Landesregierung in aller Regel ohne abwägungsrelevante Belange vollends der parlamentarischen Kontrolle zu stellen. Dann aber könne auch dem einzelnen Abgeordneten nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen, die von der Landesregierung nicht geltend gemacht würden und auch nicht erkennbar seien, die Akteneinsicht verweigert werden. Insbesondere folge aus der von § 3 Abs. 2 Satz 1 BbgVergGKV vorgesehenen Nichtöffentlichkeit der Sitzungen der Mindestlohnkommission nicht, dass auch das Abstimmungsverhalten vertraulich sei.
Nach der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes selbst rechtfertige auch eine Zuordnung einer Entscheidung zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung eine Geheimhaltung grundsätzlich nicht mehr. Ausnahmen vom Grundsatz der Einsichtsgewährung seien besonders begründungsbedürftig und nur etwa in Fällen der notwendigen Wahrung richterlicher Unabhängigkeit, bei fehlender Verbandskompetenz, zur Wahrung von Staatsgeheimnissen oder bei einer Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zulässig. Die von der Antragsgegnerin geltend gemachten privaten Interessen Dritter, der Mitglieder der Mindestlohnkommission, stünden derartigen öffentlichen Interessen aber nicht annähernd gleich, und eine Gefährdung der Verhandlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Kommission selbst sei nicht denkbar. Auch auf eine den Kommissionsmitgliedern etwa zugesicherte Vertraulichkeit könne sich die Antragsgegnerin nicht berufen. Vielmehr überwiege das Einsichtsrecht des Antragstellers die von der Antragsgegnerin angeführten Belange, da für ihn die Informationen aus der Leitungsvorlage mit Blick auf die politische Auseinandersetzung im Parlament bedeutsam seien. Die geschwärzte Fassung der Leitungsvorlage lasse ihn nicht erkennen, wie die einzelnen Beschlussmodelle diskutiert worden seien. Es liege daher nahe, dass die geschwärzten Passagen die jeweiligen Argumente der Kommissionsmitglieder enthielten. Für die politische Auseinandersetzung in der parlamentarischen Debatte sei es erforderlich zu wissen, wie die jeweiligen Kommissionsmitglieder argumentiert hätten. Dies sei gerade für die Kontroverse zwischen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite, die in der parlamentarischen Debatte des Mindestlohns entscheidend gewesen sei, nicht mehr nachvollziehbar. So habe der Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen den Mindestlohn behandelt, wozu es in der Kommission regen Austausch gegeben haben werde. Außerdem liege eine Verletzung seiner Rechte auch darin begründet, dass er die Kenntnisse, die ihm sukzessive durch Unterrichtung des Landtags nach Art. 94 LV, die Begründung des Gesetzentwurfs und schließlich die Zurverfügungstellung der geschwärzten Leitungsvorlage vermittelt worden seien, nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt erhalten habe.
III.
Die Antragsgegnerin ist den Anträgen entgegengetreten. Sie beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Die Organklage sei zum Teil bereits unzulässig, im Übrigen jedenfalls unbegründet.
Dem Antrag zu 3. fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller habe mit Schreiben vom 30. September 2016 um ein geschwärztes Exemplar der Leitungsvorlage gebeten, diesem Begehren sei vollständig entsprochen worden.
Im Übrigen seien die Anträge unbegründet.
In tatsächlicher Hinsicht sei darauf hinzuweisen, dass die Informations- und Entscheidungsvorlage (Leitungsvorlage) für die Hausleitung des Ministeriums unmittelbar nach der Sitzung von einer Beschäftigten eines Referats des MASGFF, die in anderer Eigenschaft auch für die Geschäftsstelle der Mindestlohnkommission tätig gewesen sei, erstellt worden sei. Ein Protokoll über den Sitzungsverlauf, die wesentlichen Standpunkte und das konkrete Abstimmungsverhalten der Mitglieder sei hingegen nicht gefertigt worden. Zwar sehe § 3 Abs. 2 Satz 2 BbgVergGKV vor, dass die Kommission ihren Vorschlag schriftlich begründen solle, hiervon sei die Kommission aber aus praktischen Erwägungen abgewichen, um die Vertraulichkeit der Beratung zu wahren. Die Leitungsvorlage sei mit dem ausdrücklichen Hinweis versehen worden, dass die Ausführungen vertraulich seien und nur der hausinternen Hintergrundinformation der Hausleitung dienten. Entsprechend sei diese auch nur der Ministerin selbst zugänglich gemacht worden.
Die Akteneinsicht habe bereits deshalb abgelehnt werden dürfen, weil dieses Recht aus Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV nur auf solche Akten oder sonstige amtliche Unterlagen bezogen sei, die in die Verbandskompetenz des Landes und in die Organkompetenz der Landesregierung fielen. Die Mindestlohnkommission stelle wegen des gemäß § 4 Abs. 1 BbgVergG beschränkten Auftrags, ihrer paritätischen Zusammensetzung und der Unabhängigkeit ihrer Mitglieder jedoch eine andere Stelle dar, deren Handeln oder Unterlassen - insbesondere auch das Versäumnis der schriftlichen Begründung nach § 3 Abs. 2 Satz 3 BbgVergGKV - nicht der Landesregierung angelastet werden könne.
Auch sei das Akteneinsichtsrecht durch den der parlamentarischen Ausforschung nicht zugänglichen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung begrenzt, zu dem die Willensbildung der Regierung selbst einschließlich der Entscheidungsvorbereitungen in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen und der Erörterung im Kabinett rechneten. Die Kontrollkompetenz des Parlaments erstrecke sich grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge, sodass die Regierung in der Regel nicht dazu verpflichtet sei, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung lägen, führen könne. Ein Zugriff eines Abgeordneten auf Informationen der Landesregierung im Vorfeld der parlamentarischen Gesetzgebung störe nicht nur empfindlich die Ordnung des Gesetzgebungsverfahrens, sondern lasse im schlechtesten Fall eine autonome Entscheidungsfindung nicht mehr zu.
Vor diesem Hintergrund verletzten zunächst die drei vor der Befassung des Kabinetts am 24. Mai 2016 erstellten Ministerschreiben das Aktenvorlagerecht des Antragstellers offensichtlich nicht. Das Geheimhaltungsinteresse der Landesregierung habe insbesondere auch dann noch bestanden, als das MWE dem Landtag unter dem 12. Februar 2016 den Referentenentwurf des Änderungsgesetzes übermittelt habe. Eine Kabinettsbefassung habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht stattgefunden, der Prozess der Entscheidungsfindung innerhalb der Landesregierung sei noch nicht einmal im Ansatz abgeschlossen gewesen, sondern habe sich noch in einem frühen Stadium befunden. Gemäß der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Brandenburg (GGO) seien nach Vorlage des Referentenentwurfs innerhalb der Landesregierung weitere, fristgebundene Abstimmungsschritte wie die formelle Ressortabstimmung und nachfolgend das Mitzeichnungsverfahren durchzuführen, um innerhalb der Landesregierung strittige Punkte abzuklären und einen gemeinsamen Standpunkt zu den Einzelheiten eines Gesetzgebungsvorhabens erarbeiten zu können. Erst am 24. Mai 2016 sei die Kabinettsbefassung erfolgt.
Die Landesregierung könne ihre Funktion zur Erstellung von Gesetzentwürfen, die nach Art. 75 LV zu einer ihrer Kernkompetenzen gehöre, nur auf der Grundlage eines freien Prüfungs-, Verhandlungs- und Abstimmungsprozesses wirksam erfüllen. Wenn Abgeordnete Zugriff auf unmittelbar der Vorbereitung einer noch ausstehenden Entscheidung der Landesregierung dienende Unterlagen erhielten, sei zu befürchten, dass entscheidungserhebliche Überlegungen zu einem Zeitpunkt in den öffentlichen Diskurs eingeführt würden, zu dem die Exekutive selbst noch nicht abschließend das Für und Wider konkreter Maßnahmen und der sie stützenden Argumente endgültig bewertet habe. Auch könnten Verhandlungen zwischen einzelnen Ressorts nicht mehr frei von äußeren Einflüssen geführt werden, sofern die denkbaren Hintergründe ihrer Entscheidung bekannt wären und die parlamentarische und mediale Öffentlichkeit Handlungsdruck in einer bestimmten Richtung aufbaue. Die Suche nach Kompromissen könne dadurch empfindlich erschwert werden.
Art. 94 LV sehe im Übrigen parallel zu Art. 56 LV in Bezug auf Gesetzentwürfe der Landesregierung ein spezielles parlamentarisches Informationsrecht vor und stelle ein Verfahren zur Verfügung, das bei strikter Wahrung der Gewaltenteilung eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament ermöglichen solle, ohne in den Kernbereich der jeweiligen Kompetenzen einzugreifen.
Die Verweigerung der uneingeschränkten Akteneinsicht mit Schreiben vom 19. September 2016 sei ebenfalls verfassungsgemäß. Mit der Beschlussfassung des Kabinetts am 24. Mai 2016 habe die regierungsinterne Willensbildung zwar ihren Abschluss gefunden, der begehrten unbeschränkten Akteneinsicht stehe jedoch der Schutz der eigenverantwortlichen exekutiven Willensbildung und letztlich die Funktionsfähigkeit der Mindestlohnkommission entgegen. Die Landesregierung sei auf die Unterbreitung eines ausgewogenen Vorschlags der Kommission angewiesen. Erst die Vertraulichkeit der Kommissionssitzungen gewährleiste eine sachliche Debatte und einen fairen Umgang innerhalb der Kommission; ein Bekanntwerden widerstreitender Positionen und konkreter Beratungsvorgänge gefährde dies und erschwere zudem grundsätzlich die Gewinnung von Mitgliedern für derartige Gremien insgesamt. Nur die Wahrung der Vertraulichkeit eröffne den Kommissionsmitgliedern auch die Option, zum Zwecke der Kompromissfindung anders abzustimmen, als dies von den jeweils entsendenden Verbänden und Einrichtungen nach außen politisch vertreten werde.
Auch Begründungspflichten habe die Antragsgegnerin nicht verletzt. Gesichtspunkte, die wiederkehrend aufträten und auf der Hand lägen, bedürften dabei keiner expliziten, letztlich nur formelhaften Erwähnung. Es sei unschädlich, dass in ihrem ablehnenden Schreiben vom 19. September 2016 nicht ausdrücklich auch auf das - ohnehin die Geschäftsgrundlage der Landesregierung bei der Behandlung aller auf Art. 56 LV gestützten Informationsbegehren bildende - hohe Gut der Akteneinsicht abgestellt worden sei, sondern sich die Begründung im Rahmen der individuellen Güterabwägung auf die Darstellung und Gewichtung der gegenstehenden Belange konzentriert habe.
IV.
Der Landtag hat gemäß § 37 Abs. 2 VerfGGBbg von dem Organstreitverfahren Kenntnis erhalten.
B.
I.
Der Antrag zu 1. ist darauf gerichtet festzustellen, dass die Versagung der Einsichtnahme durch die drei im einzelnen aufgeführten Schreiben des MASGFF in das „Votum der Mindestlohnkommission und in seine Begründung“ gegen Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV verstoßen habe. Da die Mindestlohnkommission zwar einen Beschluss zur Erhöhung des Mindestlohns gefasst, diesen jedoch nicht begründet hat, ist der Antrag auslegungsbedürftig. Die tragenden Gründe des Beschlusses der Mindestlohnkommission finden sich in der von einer Referentin des MASGFF gefertigten Leitungsvorlage. Der Antrag ist vor dem Hintergrund des vom Antragsteller vor Erhebung der Organklage gegenüber dem MASGFF durchgehend geäußerten Begehrens, Einsicht vor allem in die Begründung des Votums der Mindestlohnkommission zu erhalten, dahin auszulegen, dass streitgegenständlich die Verweigerung der Einsicht in diese Leitungsvorlage sein soll. In diesem Sinne sind die diversen Anträge des Antragstellers auf Akteneinsicht auch von der Antragsgegnerin ausweislich ihrer ablehnenden Schreiben verstanden worden. Im Antrag zu 2. und zu 3. konkretisiert der Antragsteller sein Begehren ebenfalls in diesem Sinne ausdrücklich bezogen auf die Leitungsvorlage.
Nicht streitgegenständlich ist hingegen, ob die Landesregierung möglicherweise durch eine zu zögerliche Bearbeitung des letzten Akteneinsichtsbegehrens Rechte des Antragstellers verletzt hat. Art. 56 Abs. 3 Satz 4 LV gewährleistet ein Recht auf „unverzügliche“ Akteneinsicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bei der Frist zur Erteilung von Auskünften auch darauf ankommt, ob und inwieweit Recherchen notwendig sind und Abstimmungsbedarf besteht, so dass sich die Frage, ob eine Auskunft in diesem Sinne unverzüglich gewährt wird, nicht absolut beantworten lässt (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1997 - VfGBbg 16/97 -, LVerfGE 7, 138, 140 f; Kirschniok-Schmidt, Das Informationsrecht des Abgeordneten nach der brandenburgischen Landesverfassung, 2010, S. 197). Die Landesregierung war hiernach verpflichtet, die (beschränkte) Einsicht ohne schuldhaftes Zögern zu erteilen. Eine Verletzung dieses Rechts könnte sich aus dem Umstand ergeben, dass der vierte Antrag des Antragstellers auf Akteneinsicht bereits am 29. Juni 2016 bei der Antragsgegnerin eingegangen, jedoch erst mit dem Schreiben des MASGFF vom 19. September 2016 und damit über zweieinhalb Monate nach Antragstellung abschließend beschieden worden ist. Seinem unter dem 30. September 2016 sodann geäußerten Ersuchen um Überlassung einer geschwärzten Fassung wurde wiederum erst vier Wochen später, mit Schreiben vom 27. Oktober 2016, entsprochen. Zwischenzeitlich war das parlamentarische Verfahren mit der Ausschussbefassung am 14. September 2016 in die entscheidende Phase eingetreten und letztlich mit der Beschlussfassung am 28. September 2016 abgeschlossen worden. Gründe für die deutliche Verzögerung der Behandlung des Antrags hat die Antragsgegnerin nur insoweit vorgetragen, als sie auf die Notwendigkeit einer Kabinettsbefassung verwies. Im Übrigen ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, aus welchen Gründen der Antrag nicht zügig behandelt wurde. Es handelte sich insbesondere nicht um einen besonders komplexen oder neu aufgeworfenen Vorgang.
Es kann jedoch dahinstehen, ob die Landesregierung „unverzüglich“ i. S. d. Art. 56 Abs. 3 S. 4 LV entschieden hat, denn der Antragsteller hat diesen Umstand weder gegenüber der Antragsgegnerin gerügt, noch ausdrücklich oder sinngemäß zum Gegenstand des Organstreitverfahrens gemacht. Sein Begehren bezieht sich ausweislich der am 18. November 2016 eingereichten Antragserweiterung ausschließlich darauf, dass die Landesregierung gegen Art. 56 Abs. 3 LV verstoßen habe, indem sie dem Antragsteller die Einsicht in die Leitungsvorlage ohne Unterzeichnung einer Geheimhaltungserklärung versagte. Entsprechend der oben vorgenommenen Auslegung des Antragsbegehrens kann daher nicht unterstellt werden, dass sein Antrag auch darauf zielt die Bearbeitungsfrist zum Gegenstand des Organstreitverfahrens zu machen.
II.
Die Anträge sind im Organstreitverfahren überwiegend zulässig (Art. 113 Nr. 1 LV; § 12 Nr. 1, §§ 35 ff VerfGGBbg). Der Antragsteller ist als Mitglied des Landtags gemäß § 35 i. V. m. § 12 Nr. 1 VerfGGBbg beteiligtenfähig. Er ist gemäß § 36 Abs. 1 VerfGGBbg antragsbefugt, soweit er geltend macht, durch die Weigerung der Antragsgegnerin, ihm die Leitungsvorlage zum Votum der Mindestlohnkommission ohne Einschränkungen zur Kenntnis zu geben, in seinem Aktenvorlage- und -einsichtsrecht aus Art. 56 Abs. 3 LV verletzt zu sein (vgl. Urteile vom 20. Juni 1996 - VfGBbg 3/96 -, LVerfGE 4, 179, 182; vom 20. November 1997 - VfGBbg 12/97 -, LVerfGE 7, 123, 128; vom 18. Dezember 1997 - VfGBbg 16/97 -, LVerfGE 7, 138, 140; und vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, LVerfGE 15, 124, 128).
Der Antrag zu 3. ist hingegen unzulässig, da nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar ist, inwiefern die Antragsgegnerin Rechte des Antragstellers verletzt haben könnte. Dieser hatte mit Schreiben vom 30. September 2016 ausdrücklich darum gebeten, ihm eine Fassung „der ´Leitungsvorlage´, in dem die aus Ihrer Sicht geheimhaltungsbedürftigen 6 Sätze geschwärzt sind“, zu übersenden. Dem ist die Antragsgegnerin vollumfänglich nachgekommen. Es bestanden damit zu dem maßgeblichen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller neben der Übersendung der geschwärzten Fassung der Leitungsvorlage an seinem ursprünglichen Begehren hatte festhalten wollen, unbeschränkte Einsicht zu erhalten. Auf Seiten der Antragsgegnerin durfte nach ihrem klarstellenden Schreiben vom 19. September 2016 davon ausgegangen werden, dass sich der ursprüngliche Antrag insoweit erledigt hatte.
Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers an der Klärung der von ihm aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen besteht trotz der ihm von der Antragsgegnerin zwischenzeitlich teilweise gewährten Akteneinsicht und der Einbringung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Vergabegesetzes durch die Landesregierung in den Landtag am 27. Mai 2016 sowie die Verabschiedung desselben am 28. September 2016 fort. Das Organstreitverfahren ist nicht auf die Durchsetzung bestimmter Auskunftsrechte eines Antragstellers, sondern auf die objektive verfassungsgerichtliche Klärung der zwischen den beteiligten Organen streitigen Fragen gerichtet. Anderenfalls besteht die Gefahr einer Wiederholung eines möglicherweise verfassungswidrigen Verhaltens der Antragsgegnerin in einer vergleichbaren Situation fort. Schon diese bestehende Wiederholungsgefahr und das Interesse des Antragstellers, den Umfang des Akteneinsichtsrechts für künftige Fälle klarzustellen, begründen sein Rechtsschutzbedürfnis (Beschluss vom 28. März 2001 - VfGBbg 46/00 -, LVerfGE 12, 92, 99, LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 12, 9, 19; Beschluss vom 16. November 2000 - VfGBbg 31/00 -, LVerfGE 11, 166, 168, LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 11, 183, 190; vgl. auch VerfGH Berlin DVBl 2015, 572; ThürVerfGH LVerfGE 19, 513, 532 m. w. Nachw.). Selbst wenn die Antragsgegnerin also die zuvor verweigerte Auskunftserteilung inzwischen vollständig nachgeholt hätte - was nicht der Fall ist -, wäre das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen.
Die Antragsgegnerin ist als Verfassungsorgan ebenfalls beteiligtenfähig (vgl. nur Urteil vom 18. Dezember 1997 - VfGBbg 16/97 -, LVerfGE 7, 138, 140). Die Antrags-frist, die für den Antrag zu 1. frühestens mit dem Schreiben des MASGFF vom 5. November 2015 und für die Anträge zu 2. und 3. frühestens mit dem Schreiben des MASGFF vom 19. September 2016 begann, ist gewahrt (§ 36 Abs. 3 VerfGGBbg; vgl. NdsStGH, Urteil vom 24. Oktober 2014 - StGH 7/13 -, Juris Rn. 46).
III.
Die Anträge haben, soweit sie zulässig sind, hinsichtlich der Schreiben des MASGFF vom 5. November 2015, vom 3. Dezember 2015 und vom 9. März 2016 keinen Erfolg. Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV gewährt dem Antragsteller nicht das geltend gemachte Recht auf uneingeschränkte Akteneinsicht, da seinem Verlangen der Schutz des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung der Landesregierung entgegensteht. Eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts liegt jedoch in der Behandlung des Akteneinsichtsgesuchs vom 29. Juni 2016, das mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 19. September 2016 abgeschlossen wurde.
1. a. Der Antrag des Antragstellers auf Akteneinsicht vom 28. August 2015 und seine diesen in zulässiger Weise vertiefenden und konkretisierenden (vgl. Urteil vom 1. März 2007 - VfGBbg 42/06 -, LVerfGE 18, 141, 146) Folgeanträge vom 11. November 2015, vom 10. Februar 2016, vom 29. Juni 2016 und vom 30. September 2016 sind als Anträge an die Landesregierung zu werten (Art. 56 Abs. 3 Satz 3 LV), obwohl er als Adressaten das „Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, Ministerin“ genannt hat. Die ausdrückliche Bezugnahme des Antragstellers auf Art. 56 Abs. 3 LV macht deutlich, dass er seinen Antrag über die Ministerin als Mitglied der Landesregierung an die Landesregierung selbst richten wollte. Damit entsprach er auch der Verfahrensregel in Nr. 1 b) Satz 1 der Anlage 7 (Verfahrensregelung zu Art. 56 Abs. 3 LV) zu § 20 Abs. 1 der GGO; inhaltsgleich Ziff. 1. a der Anlage 7 zu § 19 Abs. 1 der GGO vom 15. März 2016), wonach Anträge, die bei einem Fachressort eingehen, in Abschrift an die Staatskanzlei weiterzuleiten sind und die Landesregierung somit in ihren organisationsrechtlichen Vorschriften die Einleitung des Verfahrens nach Art. 56 Abs. 3 LV durch Einreichung eines Antrags bei einem Fachressort als möglich erachtet (vgl. Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, LVerfGE 15, 124, 128; Urteil vom 1. März 2007 - VfGBbg 42/06 -, LVerfGE 18, 141, 146).
b. Das Verfassungsgericht hat weiter bereits entschieden, dass zur Gewährung von Akteneinsicht allein die Landesregierung verpflichtet ist, nicht hingegen einzelne ihrer Mitglieder. Dies folgt aus Art. 56 Abs. 3 Satz 3 LV, wonach das Verlangen an die Landesregierung zu richten ist, und entspricht der Stellung der Landesregierung im Verfassungsgefüge Brandenburgs, da diese in ihrer Gesamtheit Adressat der Kontrollbefugnisse des Parlaments bzw. des einzelnen Abgeordneten ist (Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, LVerfGE 15, 124, 129; vgl. auch Urteil vom 18. Dezember 1997 - VfGBbg 16/97 -, LVerfGE 7, 138, 141).
Die Ablehnungen und die beschränkt eröffnete Akteneinsichtnahme sind gleichermaßen der Antragsgegnerin zuzurechnen. In ihrer schriftlichen Erwiderung der Organklage vom 29. Juli 2016 geht die Antragsgegnerin selbst davon aus, sie, die Landesregierung, habe die Akteneinsicht versagt und legt weiter dar, über den am 29. Juni 2016 erneut gestellten Akteneinsichtsantrag werde die Landesregierung zu entscheiden haben. Hinzu kommt, dass auch das Ausgangsschreiben der Ministerin vom 5. November 2015 auf Art. 56 Abs. 3 LV Bezug nimmt. Der Gewährung der (eingeschränkten) Akteneinsicht ging schließlich ein Beschluss des Kabinetts vom 23. August 2016 voraus.
2. Die Antragsgegnerin war berechtigt, die Akteneinsicht bis zum Kabinettsbeschluss über die Höhe des Mindestlohns am 24. Mai 2016 grundsätzlich zu verweigern.
a. Das Landesverfassungsgericht hat zu Inhalt und Reichweite des Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV bereits in seinem Urteil vom 9. Dezember 2004 (- VfGBbg 6/04 -, LVerfGE 15, 124, 129 f; bestätigt durch Urteil vom 15. März 2006 - VfGBbg 42/06 -, LVerfGE 18, 141, 146 f) ausgeführt:
„Mit Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV steht dem einzelnen Abgeordneten gegenüber der Landesregierung eine herausgehobene Kontrollbefugnis zur Seite. Das Vorlagerecht ist - neben dem Zugangsrecht (Art. 56 Abs. 3 Satz 1 LV) und den Minderheitenrechten (Art. 55 Abs. 2, 66 Abs. 1, 70 Abs. 2 Satz 2 und 3, 72 Abs. 1 LV) - zentrale Vorschrift der Landesverfassung für die effiziente Kontrolle der Regierungstätigkeit und dient einer umfassenden parlamentarischen Kontrolle (vgl. zu den Grundsätzen parlamentarischer Kontrolltätigkeit: BVerfGE 67, 100, 130). Das durch die Landesverfassung angelegte System der parlamentarischen Kontrolle, die nicht nur durch das Plenum, sondern insbesondere auch durch den einzelnen Abgeordneten erfolgt (vgl. zu Art. 38 Abs. 1 Grundgesetz: BVerfGE 70, 324, 356; 80, 188, 218), erfordert, den Kontrollbefugnissen größtmögliche Effizienz zu verleihen (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 16. November 2000 - VfGBbg 31/00 -, LVerfGE Suppl. Bbg. zu Bd. 11, 183, 192; vgl. auch VerfG MV NJW 2003, 815, 818). Das Kontrollrecht des einzelnen Abgeordneten aus Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV besteht aufgrund des Individualrechtscharakters unabhängig von den Rechten des Plenums. Es gewährleistet - im Textvergleich mit Art. 38 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Grundgesetz (GG) diesen erheblich übersteigend - eine umfassende Kontrolle und schließt neben der durch den Wortlaut verbürgten Aktenvorlage auch die Akteneinsicht ein (vgl. Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Nr. 3 zu Art. 56). (...) Das Aktenvorlage- und -einsichtsrecht aus Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV besteht unabhängig von der Materie und unabhängig von der betroffenen Behörde.“
Hieran ist festzuhalten.
Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip der Landesverfassung darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt. Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben (BVerfGE 139, 194, 224; 137, 185, 231; 67, 100, 130; 124, 78, 120; vgl. auch VerfGH Berlin NVwZ 2016, 688 f; VerfGH Berlin, Urteilt vom 14. Juli 2010 - VerfGH 57/08 -, Juris Rn. 99). Der Landesverfassungsgeber war daher bestrebt, einem zwischen Exekutive und Legislative und insbesondere zwischen Exekutive und Opposition zu beobachtenden informationellen Ungleichgewicht mit der Einräumung möglichst umfassender Informationsrechte jedes einzelnen Abgeordneten entgegenzuwirken. Wegen dieses Ziels kommt in Zweifelsfällen dem Informationsinteresse des Abgeordneten das höhere Gewicht zu (Beschluss vom 16. November 2000 - VfGBbg 31/00 -, LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 11, 183, 192).
Allerdings hat das Landesverfassungsgericht - und auch an diesen Grundsätzen wird festgehalten - weiter klargestellt, dass das Recht aus Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV nicht grenzenlos besteht, sondern im Lichte der anderen Verfassungsbestimmungen zu betrachten ist. Insbesondere ist der „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ der parlamentarischen Ausforschung nicht zugänglich und beschränkt das Akteneinsichtsrecht unabhängig davon, ob Akteneinsicht vom Parlament, einem Ausschuss oder einem einzelnen Abgeordneten begehrt wird (Urteile vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, LVerfGE 15, 124, 130; vom 20. November 1997 - VfGBbg 12/97 -, LVerfGE 7, 123, 133 f, m. w. Nachw.; sowie vom 20. Juni 1996 - VfGBbg 3/96 -, LVerfGE 4, 179, 182; vgl. auch Lieber, Verfassung des Landes Brandenburg, 2012, Art. 2 Anm. 5.1; vgl. Breidenbach/Kneifel-Haverkamp, Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, 1994, § 21 Rn. 35). Auch dies folgt aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz, der gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt unterschiedliche hoheitliche Befugnisse zuweist, entsprechend ihrer jeweils unterschiedlichen Aufgaben. Der Gewaltenteilungsgrundsatz ist damit zugleich Grund und Grenze parlamentarischer Informationsrechte (BVerfGE 137, 185, 233). Die Verantwortung der Exekutive gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen auch von Seiten des Parlaments grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsspielraum einschließt. Hierzu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Bei dem einer konkreten Positionierung vorgelagerten Willensbildungsprozess der Landesregierung handelt es sich um einen von verschiedenen politischen sowie innerorganschaftlichen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängigen Vorgang, der den Bereich der Landesregierung noch nicht verlässt und über den der Landtag von Verfassungs wegen grundsätzlich (noch) nicht zu informieren ist. Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen. Diese Gefahr besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (BVerfGE 110, 199, 214 f; 124, 78, 120; 131, 152, 206, 210 (zu Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG); 137, 185, 234; Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -; VerfGHNW, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 12/14 -, Juris Rn. 113; BayVerfGH NVwZ-RR 2011, 841, 842 m. w. Nachw.; ThürVerfGH LVerfGE 19, 513, 537 f). Die Kontrollkompetenz des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten erstreckt sich deshalb grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge und enthält nicht die Befugnis, begleitend in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen.
b. In Anwendung dieser Grundsätze war die Antragsgegnerin zunächst vor Fassung des Kabinettsbeschlusses vom 24. Mai 2016 zur Einbringung des Gesetzentwurfs zur Änderung des BbgVergG in den Landtag nicht zur Gewährung der verlangten Akteneinsicht verpflichtet. Die Rechte des Antragstellers aus Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV wurden dementsprechend nicht verletzt.
aa. Allerdings folgt dies nicht bereits daraus, dass die Leitungsvorlage nicht von einer Behörde oder Dienststelle des Landes im Sinne des Art. 56 Abs. 3 Satz 1 LV stammte. Sie ist dem MASGFF vielmehr entweder unmittelbar als originär eigenes oder zumindest mittelbar als von der Mindestlohnkommission zu verantwortendes Dokument zuzurechnen. Das MASGFF ist als Landesministerium Behörde im Sinne der Verfassungsbestimmung (vgl. bereits Urteil vom 20. Juni 1996 - VfGBbg 3/96 -, LVerfGE 4, 179, 182 f). Eine Mitarbeiterin des Ministeriums hat die Unterlage in dienstlicher Funktion und zur Unterrichtung der Hausleitung sowie im Hinblick auf die weiteren Überlegungen zum Verfahren und zur Willensbildung der Landesregierung tatsächlich erstellt, was ebenso für eine Zuordnung in den Verantwortungsbereich des Ministeriums spricht wie die gesamte Gestalt des als hausinterne „Informations- und Entscheidungsvorlage“ gefassten Papiers. Art. 56 Abs. 3 LV nimmt es sich zum Ziel, dem einzelnen Abgeordneten die Information zu sichern, derer er zur effektiven Mitwirkung an der dem Parlament obliegenden Kontrolle der Regierung bedarf. Geht es um die Aufklärung von in den Verantwortungsbereich der Regierung fallenden Vorgängen, muss der Abgeordnete grundsätzlich auch in Dokumente Einblick nehmen können, die im Zusammenhang mit Regierungsgeschäften stehen. Auch die Tatsache, dass die zusammenfassende Leitungsvorlage an die Stelle einer nach § 3 Abs. 3 Satz 4 BbgVergGKV von der Mindestlohnkommission zu protokollierenden Begründung getreten ist, ändert nichts daran, dass dieses Papier ein dem Ministerium zuzuordnendes Papier darstellt. Zum einen vermögen Mängel im verordnungsrechtlich vorgesehen Verfahren den Charakter als Information einer Behörde oder Dienststelle des Landes nicht zu verändern, darüber hinaus wird auch die Mindestlohnkommission als eine der Landesregierung zugeordnete Einrichtung von dem Anwendungsbereich des Art. 56 Abs. 3 LV erfasst. Ihre Aufgabe besteht - einzig - darin, einen Vorschlag zu erarbeiten, der von der Landesregierung bei ihrer Entscheidung über die Anpassung des Mindestlohns zu berücksichtigen ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 BbgVergG). Zu diesem Zweck ist sie auf Grundlage einer gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 BbgVergG (i. V. m. der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen nach dem Brandenburgischen Vergabegesetz vom 29. März 2012 (GVBl. II Nr. 22)) vom Minister für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie erlassenen Verordnung durch das MASGFF eingerichtet (§ 1 Abs. 1 Verordnung zur Einrichtung einer Kommission gemäß § 4 Abs. 2 und 3 des Brandenburgischen Vergabegesetzes (BbgVergGKV) vom 6. Juli 2012 (GVBl. II Nr. 57)) und ihm organisatorisch zugeordnet worden. Auch wenn die Einrichtung der Mindestlohnkommission gesetzlich vorgegeben ist, verbleibt es dabei, dass die Landesregierung kraft eigener (verordnungsgebender) Kompetenz maßgeblich Einfluss auf das Verfahren der Mindestlohnkommission behält. Das Ministerium bestellt die Mitglieder der Kommission, beruft die Kommission ein, nimmt den Vorsitz wahr, führt ihr die Geschäfte und übermittelt schließlich der Landesregierung den erarbeiteten Vorschlag (§ 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1, Abs. 3 BbgVergGKV). Dass die Mitglieder der Kommission - von denen überdies zwei von den an dem Verfahren der Überprüfung des Mindestlohns beteiligten Ministerien entsendet werden - von Gesetzes wegen unabhängig handeln (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BbgVergG) und die Kommissionssitzungen nicht öffentlich sind (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BbgVergGKV), ändert hieran nichts. Diese Regelungen betreffen allein die Erarbeitung des Kommissionsvorschlags, nicht hingegen die für die Auslegung des Art. 56 Abs. 3 LV ausschlaggebende organisationsrechtliche Stellung und Funktion der Kommission als solcher. Insoweit unterscheidet sich die Willensbildung nicht maßgeblich davon, dass es der Landesregierung freigestanden hätte, den von ihr für maßgeblich gehaltenen Sachverstand innerhalb eines informellen Beratungsprozesses durch das federführende Ressort oder innerhalb einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe einzuholen. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn der Gesetzgeber sich für eine verbindliche Verordnungsermächtigung entschieden hätte, die ihrerseits wiederum den Anforderungen an die Prinzipien der Gewaltenteilung genügen müsste, bedarf hier keiner Entscheidung.
bb. Das Recht auf Akteneinsicht bezieht sich auf „Akten und sonstige amtliche Unterlagen“ und damit auch auf die streitgegenständliche Leitungsvorlage. Der Begriff der von Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV erfassten Unterlagen ist nach der vom Verfassungsgeber bewusst umfassend angelegten Ausgestaltung der Bestimmung (vgl. Protokoll der 12. Sitzung des Verfassungsausschusses, UA II, vom 12. November 1991, Dokumentation zur Verfassung des Landes Brandenburg, Band 2 S. 983) nicht auf die Vorlage von „Akten“ beschränkt, sondern bezieht auch sonstige amtliche Unterlagen ein; erfasst werden prinzipiell alle Informationen, unabhängig von ihrer Form (Lieber, in: Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, 2012, Art. 56 Anm. 3; Kirschniok-Schmidt, Das Informationsrecht des Abgeordneten nach der brandenburgischen Landesverfassung, 2010, S. 199; Neßler, LKV 1995, 12, 13; kritisch Pieroth/Haghgu, Stärkung der Rechte der Abgeordneten und der Opposition im Landesverfassungsrecht, 2004, S. 69; zum - ebenfalls weiten - Aktenbegriff des Art. 24 Abs. 2 Satz 1 Niedersächsische Verfassung vgl. NdsStGH, Urteil vom 24. Oktober 2014 - StGH 7/13 -, Juris Rn. 62; vgl. auch Herbeck, DVBl 2015, 471, 472; zum materiellen Aktenbegriff allgemein Warg, NJW 2015, 3195, 3195 f).
Schließlich ist Art. 56 Abs. 3 LV nicht gegenständlich auf Akten und sonstige Unter-lagen der „Verwaltung“ beschränkt (so aber ausdrücklich Art. 38 Abs. 4 Verfassung von Berlin; hierzu VerfGH Berlin LKV 2010, 414, 415; Stollwerck, LKV 2016, 298, 299) und erfasst somit auch Regierungsunterlagen.
cc. Die Antragsgegnerin hat die Einsicht in die Leitungsvorlage jedoch zu Recht unter Berufung auf den ihr zustehenden Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung verweigert, da der Willensbildungsprozess der Landesregierung zur Vorbereitung der Gesetzesinitiative vor der Beschlussfassung durch das Kabinett am 24. Mai 2016 über die Einbringung des Gesetzentwurfs in den Landtag noch nicht abgeschlossen war (vgl. ThürVerfGH, LVerfGE 19, 513, 539 f) und die Leitungsvorlage einen zentralen Bestandteil dieser Willensbildung bildete. Damit ist der geltend gemachte Anspruch des Antragstellers nicht von Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV gedeckt, sein Begehren unterfällt schon nicht dem Schutzbereich der Norm und ist, anders als der Antragsteller annimmt, nicht Gegenstand einer nach Art. 56 Abs. 4 LV vorzunehmenden Abwägung.
(1) Zu dem geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung gehört das in der Staatspraxis Brandenburgs sehr gewichtige Gesetzesinitiativrecht der Landesregierung (Art. 75 LV). Dieses beinhaltet das Recht zur Erarbeitung eines Gesetzesvorschlags und das Einbringen eines (schriftlich) ausformulierten Gesetzentwurfs zur Befassung des Landtages. In der letzten abgeschlossenen 5. Legislaturperiode stammten von insgesamt 141 in den Landtag eingebrachten Gesetzesentwürfen 86 von der Landesregierung. In der 4. Legislaturperiode verantwortete die Landesregierung von insgesamt 189 Gesetzentwürfen 131 (vgl. Landtag Brandenburg, Statistische Angaben zum Landtag Brandenburg, Stand: 27. Juni 2013, abrufbar unter http://www.landtag.brandenburg.de/de/infothek/landesstatistik/396882). Dies belegt die große praktische Bedeutung des Gesetzesinitiativrechts.
Der auch der Vorbereitung von Gesetzesvorlagen vermittelte Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung (vgl. VerfGH NW, Urteilt vom 15. Dezember 2015 - 12/14 -, Juris Rn. 112) umfasst den gesamten Prozess der Vorbereitung der Gesetzesinitiative von der zunächst ressortintern erfolgenden Erarbeitung und Abstimmung des Entwurfs (Hausabstimmung) über die sich anschließenden ressortübergreifenden Abstimmungsprozesse (Ressortabstimmung und Mitzeichnungsverfahren) bis zur Erörterung und abschließenden Beschlussfassung im Kabinett nach Maßgabe der hierfür in der Geschäftsordnung der Landesregierung Brandenburg (vom 4. Juli 2000, GVBl. II S. 242, zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. März 2011, GVBl. II Nr. 16 (GOLReg)) und der GGO bestehenden Verfahrensregeln (insbesondere § 12 Abs. 1a GOLReg, § 12 Abs. 1 i. V. m. Anlage 4, § 21 GGO). Bereits in den Verfassungsberatungen wurde explizit auf den geschützten “Initiativ- und Beratungsbereich“ der Regierung hingewiesen (vgl. Protokoll der 12. Sitzung des Verfassungsausschusses, UA II, vom 12. November 1991, Dokumentation zur Verfassung des Landes Brandenburg, Band 2 S. 981).
(2) Das Einsichtsbegehren des Antragstellers wurde erstmals am 28. August 2015 gestellt und unter dem 11. November 2015 und dem 10. Februar 2016 wiederholt, und somit zu Zeitpunkten, zu dem noch nicht einmal die - interne oder formelle - Ressortabstimmung als des ersten Schrittes des Abstimmungsverfahrens eingeleitet worden war. Diese wurde erst mit den Schreiben des federführenden MWE vom 11. Februar 2016 und vom 1. April 2016 eröffnet. Auch die ablehnenden Schreiben der Antragsgegnerin datieren sämtlich vor dem Zeitpunkt jedenfalls der formellen Ressortabstimmung. Damit steht fest, dass der Antragsteller zu einem sehr frühen Zeitpunkt, zu dem der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Landesregierung mit der Erarbeitung des Gesetzesentwurfs durch das MWE erst aufgenommen worden war, Akteneinsicht in den noch laufenden Vorgang begehrte. Hierdurch aber wäre in besonderem Maße die Gefahr einer Beeinflussung der noch innerhalb der Landesregierung geführten Diskussion durch außenstehende Dritte begründet worden. Zu Beginn eines Gesetzgebungsvorhabens sind die Standpunkte der Beteiligten noch nicht gefestigt, da die hierauf bezogenen Kenntnisse tatsächlicher und rechtlicher Natur noch nicht vollständig vorliegen, die jeweilige interne Hausabstimmung noch läuft und auch die Abstimmung mit den übrigen Ministerien aussteht. Dementsprechend ist es besonders wichtig, dass die Meinungsbildung und Kompromissfindung ohne Beeinflussung Dritter oder öffentliche Einflussnahme in diesem Stadium ermöglicht wird.
(3) Die Befassung der Mindestlohnkommission stellt auch keinen abgeschlossenen, eigenständigen Komplex dar, der von dem Willensbildungsprozess der Landesregierung im Übrigen zu unterscheiden wäre und deshalb vom Schutz des exekutiven Kernbereichs nicht umfasst wäre.
Wie bereits ausgeführt (oben aa.), ist die Kommission der Landesregierung, speziell dem MASGFF, organisatorisch zugeordnet und hat ausschließlich die Aufgabe, einen begründeten (§ 3 Abs. 2 Satz 4 BbgVergGKV) Vorschlag zu einer etwaig erforderlichen Anpassung des Mindestlohns zu unterbreiten, der gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BbgVergG „der Landesregierung zur Entscheidung“ durch das MASGFF vorgelegt wird. Kann sich die Kommission nicht auf einen Vorschlag einigen, sind die unterschiedlichen Positionen „ausführlich schriftlich darzulegen“ (§ 3 Abs. 2 Satz 5 BbgVergGKV). Schon vom Verfahren her ist die Befassung der Kommission zuvörderst darauf ausgerichtet, der Entscheidung der Landesregierung eine inhaltliche Grundlage zu vermitteln. Sowohl der Vorschlag als auch die Begründung der Kommission stellen von Gesetzes wegen vorgegebene integrale Bestandteile des Meinungsbildungsprozesses der Entscheidung der Landesregierung dar, und zwar auch deshalb, weil die Landesregierung diesen Vorschlag gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BbgVergG bei der Überprüfung und Anpassung des Entgeltsatzes „berücksichtigt“, also in ihre Willensbildung aufnehmen muss, ohne dass sie daran gebunden wäre (§ 4 Abs. 1 Satz 3 BbgVergG). Die Befassung der Kommission, die nicht darauf beschränkt ist, nur Unterlagen zum Thema zu erstellen oder lediglich Handlungsalternativen im Sinne einer Folgenabschätzung aufzuzeigen, sondern die einen bestimmten Vorschlag unterbreiten soll (zu diesem Maßstab vgl. VerfGHNW Urteil vom 15. Dezember 2015 - 12/14 -, Juris Rn. 119, 131 f), hat somit unmittelbaren Bezug zur Willensbildung der Regierung und ist daher dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zuzurechnen (vgl. BVerfGE 137, 185, 240). Entsprechend hat auch das BVerfG die Entscheidungen des Bundeskabinetts vorbereitenden, keinerlei Bindungswirkung entwickelnden Beratungen und Ergebnisse von Kabinettsausschüssen ebenso dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterworfen wie eigene Vorbereitungshandlungen des Regierungskollegiums selbst (BVerfGE 139, 194, 231; 137, 185, 236 ff).
(4) Auch die Form der Leitungsvorlage und die auf die regierungsinterne Behandlung gerichteten Ausführungen machen deutlich, dass es sich nicht um ein Gutachten externer Sachverständiger handelt, das lediglich eine bloße Grundlage für den Entscheidungsfindungsprozess der Landesregierung darstellen soll. Nach der gesetzlichen Konstruktion ist vielmehr die Entscheidung der Kommission ein Teil der Entscheidungsfindung selbst und wird vom Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung erfasst. Die Mindestlohnkommission hat nicht den Status eines (externen) Dritten, sondern wird auf gesetzlicher Grundlage errichtet, ist organisatorisch der Landesregierung zugeordnet und soll mit ihrer Tätigkeit von Gesetzes wegen wichtige Aspekte der Entscheidungsfindung der Landesregierung vorprägen. Kern der Aufgabe sind die Entwicklung von Handlungsalternativen und eine klare Positionierung zu diesen Alternativen im Sinne einer Präferenz. Zu Recht haben auch andere Landesverfassungsgerichte bei der Abgrenzung des Kernbereichsschutzes von solchen Voten gegenüber allgemeinen Zusammenstellungen statistischen Erhebungen, Meinungsumfragen oder Gutachten von externen Dritten entscheidend darauf abgestellt, ob die Unterlagen Rückschlüsse auf die (absehbare) interne Meinungsbildung zulassen können, weil sie Präferenzen für eine oder mehrere Alternativen erkennen lassen (VerfGH NW, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 12/14 -, Rn. 119, betreffend eines von der Landesregierung zur Feststellung von Einsparmöglichkeiten im Haushalt eingesetzten „Effizienzteams“, Juris; vgl. auch BayVerfGH NVwZ-RR 2011, 841, 844, betreffend von der bayerischen Landesregierung in Auftrag gegebene Meinungsumfragen („Resonanzstudien“)).
Berechtigt weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass dies besonders wichtig in der Konstellation einer Koalitionsregierung ist, die aufgrund der differierenden Vorstelllungen der sie tragenden politischen Parteien strukturell eine geringere Einheitlichkeit der Willensbildung aufweisen und daher im Einzelfall stärker von außen beeinflussbar sein kann. Wie der Begründung des in den Landtag eingebrachten Gesetzentwurfs (LT-Ds. 6/4245; s. oben, A. I.) zu entnehmen ist, hatte sich die Kommission mit einer Vielzahl gewichtiger, für und gegen die Anpassung des Mindestlohns sprechender, im Streit stehender Forderungen und Gründe (Festlegungen des Koalitionsvertrages, Verhältnis zum bundeseinheitlichen Mindestlohn und zu Mindestlöhnen in anderen Bundesländern, Angleichung an das Tarifniveau im öffentlichen Dienst, Wirkungen des Mindestlohns für die öffentliche Hand und die (ostdeutsche) Wirtschaft, Umsetzungsprobleme der heimischen Unternehmen) zu befassen und die diesen zugrunde liegenden (wirtschafts-)politischen Einschätzungen zu bewerten. Die tragenden Erwägungen des von der Kommission letztlich gefassten Beschlusses einschließlich der Aspekte, die sich nicht durchgesetzt haben, waren daher von herausgehobenem politischem Interesse. Ihr vorzeitiges Bekanntwerden hätte dazu führen können, dass Abgeordnete der Opposition, wie hier der Antragsteller, oder Fraktionen sich einzelne Positionen der in der Kommissionsdiskussion vertretenen Auffassungen oder einzelne Aspekte der Begründung des schließlich unterbreiteten Vorschlags politisch zu eigen gemacht und diese unter Hinweis auf ihre (jeweilige) Urheberschaft in die parlamentarische und öffentliche Diskussion eingebracht hätten. Der offene und unverfälschte interne Willensbildungsprozess der Landesregierung wäre damit zumindest erheblich erschwert, wenn nicht sogar verhindert worden.
(5) Auch das vom Antragsteller erstmals ausdrücklich mit ergänzendem Schriftsatz vom 12. September 2016 vorgetragene Interesse, einen eigenen Gegenentwurf zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung erstellen zu wollen, wofür er Kenntnis von der Begründung des Vorschlags der Mindestlohnkommission habe erhalten müssen, vermag seinen Antrag nicht zu stützen. Das Gesetzesinitiativrecht der Landesregierung steht gemäß Art. 75 LV gleichberechtigt zu dem des Landtages. Eine unterschiedliche Wertigkeit der in Art. 75 LV gewährleisteten Initiativrechte des Inhalts, dass das parlamentarische dem Initiativrecht der Landesregierung vorginge und deshalb den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung von Verfassungs wegen limitieren und ein besonderes oder gar uneingeschränktes Einsichtsrecht des Parlaments oder einzelner Abgeordneter rechtfertigen könnte, besteht nicht (zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 1, 144, 161; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, Grundgesetz, 3. Aufl., Bd. 2, Art. 76 Rn. 49; Bryde, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz, 6. Aufl., Bd. 2, Art. 67 Rn. 5; Dietlein, in: Epping/Hillgruber, GG, 2. Aufl., Art. 76 Rn. 4; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl., Art. 76 Rn. 3a).
(6) Die Antragsgegnerin war schließlich auch nicht zum Zeitpunkt der nach Art. 94 LV mit Schreiben des MWE vom 12. Februar 2016 erfolgenden Unterrichtung des Landtages über den Gesetzentwurf zur Änderung des BbgVergG dazu verpflichtet, dem Antragsteller die begehrte Einsicht zu gewähren, da keine Pflicht der Landesregierung bestand, den Landtag nach Art. 94 LV zugleich über Inhalte der Leitungsvorlage zu unterrichten. Daher kann der Antragsteller aus dieser Bestimmung keine weiterreichenden Rechte für sein auf Art. 56 Abs. 3 LV gestütztes Begehren herleiten, als dies der Landtag selbst aus eigenem Recht hätte verlangen können (vgl. Urteil vom 20. November 1997 - VfGBbg 12/97 -, LVerfGE 7, 123, 134; Lieber, in: Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, 2012, Art. 56 Anm. 2.8).
dd. Die Versagung der Akteneinsicht vor Fassung des Kabinettsbeschlusses vom 24. Mai 2016 verstößt auch nicht wegen einer mangelhaften Begründung gegen die Landesverfassung.
Wenngleich Art. 56 Abs. 3 LV anders als Art. 56 Abs. 4 Satz 2 LV keine ausdrückliche Pflicht zur Begründung der Ablehnung eines Antrags auf Aktenvorlage enthält, ergibt sich diese Pflicht jedoch aus der in der Landesverfassung statuierten Pflicht der Regierung, parlamentarische Informationsansprüche zu erfüllen. Denn der Abgeordnete kann die auch ihm übertragene Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle der Regierung nur dann effektiv wahrnehmen, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessenen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, um sein Verlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen (zum Bundesrecht vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, Juris Rn. 143 f; BVerfGE 139, 194, 231; 124, 161, 193; 137, 185, 244; vgl. auch VerfGH Berlin, Urteil vom 14. Juli 2010 - 57/08 -, Juris Rn. 90 ff; SächsVerfGH, Urteil vom 29. September 2014 - VF 69-I-13 -, Juris Rn. 27; SächsVerfGH, Urteil vom 28. Januar 2016 - VF 63-I-15 -, Juris Rn. 47 f; BayVerfGH, NVwZ-RR 2011, 841, 843).
Im Falle eines noch nicht abgeschlossenen Willensbildungsprozesses der Regierung kann der Begründungspflicht bereits durch die Darlegung der Gründe, aus denen heraus die angeforderten Dokumente (noch) diesem Willensbildungsprozess zuzuordnen sind, genügt werden (vgl. VerfGHNW, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 12/14 -, Juris Rn. 128; Herbeck, DVBl 2015, 471, 474; Cancik, ZParl 2014, 885, 900: kein Kernbereichseinwand „ins Blaue hinein“; vgl. zur eingeschränkten Begründungspflicht nach Art. 56 Abs. 4 LV im Falle des Akteneinsichtsbegehrens eines nicht der Parlamentarischen Kontrollkommission angehörenden Abgeordneten in Unterlagen des Verfassungsschutzes Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, LVerfGE 15, 124, 139 f). Sofern nicht evident (BVerfGE 137, 185, 244; VerfGH Berlin DVBl. 2015, 572, 573), reicht es aus, die fehlende Abgeschlossenheit des Willensbildungsprozesses aufzuzeigen (vgl. NdsStGH, Urteil vom 24. Oktober 2014 - StGH 7/13 -, Juris Rn. 92; ThürVerfGH, LVerfGE 19, 513, 536 f).
Das MASGFF hat sich bereits mit seinem Ausgangsschreiben vom 5. November 2015 auf den Schutz des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung berufen und ausgeführt, der Willensbildungsprozess der Landesregierung sei in Bezug auf die gesetzliche Anpassung des Mindestlohns noch nicht abgeschlossen, da der hierfür erforderliche Kabinettsbeschluss noch ausstehe. Die Sitzung und der Vorschlag der Mindestlohnkommission hätten dagegen als Baustein des Gesamtprozesses erst den Beginn des Willensbildungsprozesses markiert.
Hiermit wurde dem Antragsteller die zur Erfüllung der Begründungspflicht erforderliche Information über die fehlende Abgeschlossenheit der Willensbildung der Landesregierung vermittelt. Die Antragsgegnerin wies zugleich darauf hin, dass der Vorschlag der Mindestlohnkommission bei der Erarbeitung des dem Landtag vorzulegenden Gesetzentwurfs nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BbgVergG zu berücksichtigen sei und somit unmittelbaren Bezug zu der Entscheidungsfindung aufweise. Soweit der Antragsteller Einsicht in „Vermerke“ beantragt hatte, bezog das MASGFF die Leitungsvorlage in seine Begründung mit ein und trug vor, diese werde Gegenstand des abschließenden Kabinettsbeschlusses sein. Damit wurde dem Antragsteller auch die Zugehörigkeit der Leitungsvorlage zum Willensbildungsprozess der Landesregierung dargelegt. In seinen Schreiben vom 3. Dezember 2015 und vom 9. März 2016 wiederholte und vertiefte das MASGFF seinen Vortrag und wies insbesondere explizit darauf hin, dass auch die der Entscheidung der Kommission zugrunde liegenden maßgeblichen Erwägungen Inhalte der Leitungsvorlage bildeten und unmittelbar der Vorbereitung der Entscheidung der Landesregierung dienten.
3. Das verfassungsrechtlich geschützte Akteneinsichtsrecht des Antragstellers wurde jedoch durch die Behandlung seines Gesuchs vom 29. Juni 2016, dem mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 19. September 2016 nur teilweise stattgegeben wurde, verletzt, denn jedenfalls genügt die von der Antragsgegnerin für die Ablehnung des Akteneinsichtsbegehrens vom 29. Juli 2016 vorgebrachte Begründung den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.
a. Soll die Akteneinsicht noch nach Abschluss der erfolgten Willensbildung versagt werden, sind die Anforderungen an die Begründungspflicht hoch. Es ist darzulegen, dass eine Abwägung mit dem Informationsinteresse des Abgeordneten stattgefunden hat und warum die Vorlage der Akten weiterhin unterbleiben soll. Die wesentlichen Gesichtspunkte, die die Verweigerung der Aktenvorlage objektiv tragen, sind zu benennen und in die Überlegungen einzubeziehen. Die Begründung darf nicht formelhaft sein, sondern muss unter möglichst weitgehender Bezugnahme auf die konkreten Umstände des Falls spezifischen Einzelfallbezug haben, überprüfbare Anknüpfungstatsachen benennen und insgesamt nachvollziehbar sein. Dem die Akteneinsicht beantragenden Abgeordneten muss auf dieser Basis die Möglichkeit eröffnet werden, die ablehnende Entscheidung auf ihre Tragfähigkeit sowie Plausibilität zu überprüfen (vgl. BVerfGE 124, 78, 128, 142 ff; VerfG MV, Beschluss vom 30. Juni 2016 - LVerfG 2/15 -, Juris Rn. 32; BayVerfGH NVwZ-RR 2011, 841, 844; NdsStGH, Urteil vom 24. Oktober 2014 - StGH 7/13 -, Juris Rn. 92).
b. Diesen Maßstäben wird die von der Antragsgegnerin gegebene Begründung nicht gerecht.
Mit seinem erneuerten Antrag vom 29. Juni 2016 hatte der Antragsteller einschränkungslos Akteneinsicht begehrt. Mit der Gewährung der Akteneinsicht nur unter dem Vorbehalt der Geheimhaltung bestimmter, das Abstimmungsverhalten der Kommissionmitglieder betreffender Passagen der Leitungsvorlage wird das Begehren teilweise abgelehnt, was begründungspflichtig ist. In seinem Schreiben vom 19. September 2016 führte das MASGFF aus, das Abstimmungsverhalten der Mitglieder der Mindestlohnkommission und Einzelheiten der Abstimmung müssten zum Zwecke der Ermöglichung einer in der Kommission offen geführten Diskussion vertraulich behandelt werden. Hierauf ziele § 3 Abs. 2 BbgVergGKV, wenn er die Nicht-Öffentlichkeit der Sitzungen vorsehe. Die Vertraulichkeit sei mit den Kommissionsmitgliedern auch vorab vereinbart worden. Es handele sich um den Schutz von Interessen Dritter, der erforderlich sei, da anderenfalls die vertrauliche Zusammenarbeit innerhalb der Mindestlohnkommission oder vergleichbarer Gremien gefährdet sein könnte.
Diese Begründung entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil die in Betracht kommenden verfassungsrechtlichen Grundlagen weder genannt noch inhaltlich wiedergegeben werden. Die Antragsgegnerin hat sich weder explizit auf die verfassungsunmittelbare Schranke des Kernbereichsschutzes des Art. 56 Abs. 3 LV oder auf die in Art. 56 Abs. 4 Satz 1 LV aufgestellten Beschränkungen des Akteneinsichtsrechts berufen, noch diese inhaltlich nachgezeichnet. An dieser fehlenden Bezugnahme auf die Schranken des Akteneinsichtsrechts leidet auch die (verfas- sungs-)rechtliche Einordnung der von der Antragsgegnerin vorgetragenen Sachargumente.
Zunächst reicht der dem Antragsteller gegebene Hinweis der Antragsgegnerin, zwischen der Landesregierung und den Mitgliedern der Kommission sei vorab „persönlich“ eine Vereinbarung zur Wahrung der Vertraulichkeit getroffen worden, nicht aus, die fehlende (verfassungsrechtlich) fundierte Begründung zu ersetzen. Angesichts des hohen Ranges des parlamentarischen Akteneinsichtsrechts können dieses verdrängende Rechte Dritter nicht durch möglicherweise "freigiebige" Zusicherungen der Landesregierung oder ihrer Mitglieder begründet werden. Eine derartige Vereinbarung müsste vielmehr bereits begründete, eine Einschränkung des Rechts aus Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV ihrerseits rechtfertigende Rechte aufgreifen. Damit sich die Antragsgegnerin hierauf aber berufen kann, müssen diese Rechte in der Begründung der Ablehnung der Akteneinsicht derart konkretisiert werden, dass der Antragsteller die getroffene Entscheidung nachvollziehen kann (vgl. VerfGH Sachsen, Urteil vom 28. Januar 2016 - VF 63-I-15 -, Juris Rn. 57, zum parlamentarischen Fragerecht). Daran fehlt es hier.
Der Hinweis auf die Gefährdung der „vertrauensvolle(n) Zusammenarbeit in der Mindestlohnkommission“ und ihres Bestandes (sowie des Bestandes weiterer, nicht näher bezeichneter Gremien) lässt unklar, ob hiermit der Sache nach auf den Schutz der Willensbildung der Landesregierung und den mit der Einbindung der Mindestlohnkommission in den Gesetzgebungsprozess überdies erhofften Erkenntnisgewinn abgestellt werden sollte. Diese verfassungsrechtlich vorliegend zentrale Rechtfertigung der Beschränkung der Akteneinsicht wird allenfalls angedeutet. Darüber hinaus wäre es zur Konkretisierung dieser darzustellenden Grundsätze nach Maßgabe der Umstände des Falles zumindest erforderlich gewesen, dem Antragsteller aufzuzeigen, dass die wesentlichen Erwägungen und das Abstimmungsverhalten der Kommissionsmitglieder unmittelbar Eingang in die Willensbildung der Hausleitung des MASGFF und mittelbar in die der Landesregierung gefunden hatten und dass verfassungsrechtlich auch die ressortintern erfolgende Abstimmung in den Kernbereichsschutz einbezogen ist, sofern sie die Willensbildung der Regierung vorbereiten oder beeinflussen soll. Auch ein Zusammenhang zwischen dem durch die Nichtöffentlichkeit geschützten Beratungs- und Abstimmungsverhaltens innerhalb der Mindestlohnkommission und der Qualität der Entscheidungsgrundlage der Landesregierung durch weitgehend ungefilterte externe Standpunkte ist nicht hergestellt worden. Soweit die Antragsgegnerin den „Schutz der Interessen Dritter“ in den Vordergrund gestellt hat, bleibt der verfassungsrechtliche Bezug dieser Argumentation ebenfalls offen und für den Antragsteller nicht nachvollziehbar. Unklar war sowohl, ob die Antragsgegnerin hiermit im Anschluss an ihre vor der Kabinettsbefassung gegebene Begründung weiterhin überhaupt noch auf den Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung abstellen oder aber zum Ausdruck bringen wollte, dass der Schutz der Vertraulichkeit den Mitgliedern der Kommission zumindest auch persönlich, nicht hingegen allein der mit der Mitgliedschaft verbundenen, dargestellten Funktion der Kommission zukommen sollte.
Die möglicherweise von der Antragsgegnerin geltend gemachten personalen Rechte der Kommissionsmitglieder wurden auch nicht weiter behandelt. Ob es sich um eigene (Grund-)Rechte der Mitglieder oder, soweit sie Verbänden oder anderen Institutionen angehören, um deren (Grund-)Rechte handeln soll, wurde ebenso wenig erläutert, wie die Grundlage derartiger Rechte oder ihre Voraussetzungen und Grenzen im konkreten Fall dargestellt werden.
Gleiches gilt für die Erwägung, mit § 3 Abs. 2 BbgVergGKV sei die Nicht-Öffentlichkeit der Sitzungen der Kommission festgeschrieben worden. Über die sehr allgemein gehaltene Behauptung hinaus, diese Formulierung werde „üblicherweise verwandt“, um die Vertraulichkeit von Abstimmungen sicherzustellen, fehlt es an der Darlegung insbesondere zu den verfassungsrechtlichen und einfach-gesetzlichen Grundlagen der Vorschrift, die den Schluss zugelassen hätte, diese könne, etwa als Konkretisierung vorgehender Rechte, auch dem durch Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV verbürgten Anspruch eines Mitglieds des Landtags entgegen gehalten werden (vgl. zu den insofern zu stellenden Anforderungen etwa Urteil vom 20. Juni 1996 - VfGBbg 3/96 -, LVerfGE 4, 179, 185 f; Kirschniok-Schmidt, Das Informationsrecht des Abgeordneten nach der brandenburgischen Landesverfassung, 2010, S. 353 f).
Die Begründung entbehrt schließlich der verfassungsrechtlich erforderlichen Abwägung. In ihrem Zentrum stehen ausschließlich von der Geheimhaltung geschützte Belange bzw. der nach Auffassung der Antragsgegnerin im Verhältnis zum Gesamtumfang der Leitungsvorlage lediglich geringe Umfang der Geheimhaltung. Eine wenigstens knappe Darstellung der zugunsten des Antragstellers einzustellenden Rechtsgüter unterbleibt. Auch eine Gewichtung der widerstreitenden Interessen fehlt. Insofern wird lediglich formelhaft darauf verwiesen, die Entscheidung sei „im Rahmen einer Abwägung der sich gegenüberstehenden betroffenen Rechtsgüter“ ergangen, ohne dass dieser Abwägungsvorgang näher erläutert oder substantiiert würde.
Eine derartige Abwägung war entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht verzichtbar, weil, wie sie ausführt, das hohe Gut des Akteneinsichtsrechts ohnehin die „Geschäftsgrundlage“ ihres Handelns darstelle. Die Berücksichtigung des von Fall zu Fall unterschiedlich zu gewichtenden Informationsinteresses hat konkret zu erfolgen und muss die spezifischen Besonderheiten des jeweiligen Sachverhaltes aufgreifen, um dem Abgeordneten eine nachvollziehbare Begründung der Ablehnung seines Begehrens zu vermitteln. Nähere Darlegungen können dabei nur hinsichtlich evidenter Sachverhalte - etwa einer ohne weiteres erkennbaren Geheimhaltungsbedürftigkeit (BVerfGE 137, 185, 244; 124, 161, 193; vgl. auch VerfGH NW, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 12/14 -, Juris Rn. 126 f) - oder in besonderen Fallgestaltungen (zur abgesenkten Begründungspflicht nach Art. 56 Abs. 4 LV im Falle des Akteneinsichtsbegehrens eines nicht der Parlamentarischen Kontrollkommission angehörenden Abgeordneten in Unterlagen des Verfassungsschutzes vgl. Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, LVerfGE 15, 124, 140) entbehrlich sein.
Damit aber wurde es dem Antragsteller nicht ermöglicht, die ihm gegebene Begründung auf ihre Tragfähigkeit und Plausibilität hin zu überprüfen. Er kann von der Landesregierung als der Antragsgegnerin jedoch erwarten, dass ihm eine sorgfältige, die rechtlichen Grundlagen beachtende und die tatsächlichen Gegebenheiten aufgreifende, seine Interessen berücksichtigende und mit den in Widerspruch stehenden Schutzgütern abwägende Begründung gegeben wird, zumal es sich um ein Anliegen handelt, das in der Bedeutung für den Antragsteller schon aus den vorangegangenen Akteneinsichtsgesuchen erkennbar war.
Die von der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren noch ergänzend mitgeteilten Begründungen sind dagegen von vornherein nicht geeignet, dieses Begründungsdefizit auszugleichen, da ein Nachschieben von Gründen im Organstreitverfahren unzulässig ist. Dieses dient allein der Nachprüfung, ob ein bestimmter, abgeschlossener Vorgang den Abgeordneten in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt. Die ordnungsgemäße Begründung der Ablehnung einer begehrten Akteneinsicht ist dem Abgeordneten, nicht dem Verfassungsgericht geschuldet. Im Organstreitverfahren nachgeschobene Gründe können daher eine bereits erfolgte Ablehnung der Akteneinsicht nicht rechtfertigen (vgl. nur Urteil vom 9. Dezember 2004 - VfGBbg 6/04 -, LVerfGE 15, 124, 137 f; VerfGH Berlin, Urteil vom 14. Juli 2010 - 57/08 -, Juris Rn. 102; VerfGH Berlin DVBl. 2015, 572, 573; SächsVerfGH, Urteil vom 29. September 2014 - VF 69-I-13, Juris Rn. 26, 40, m. w. Nachw.; BayVerfGH NVwZ-RR 2015, 81, 82, m. w. Nachw.; BayVerfGH, Entscheidung vom 20. März 2014 - Vf. 72-IVa-12 -, Juris Rn. 87; NdsStGH, Urteil vom 24. Oktober 2014 - StGH 7/13 -, Juris Rn. 90; VerfG MV, Beschluss vom 30. Juni 2016 - 2/15 -, Juris Rn. 35).
c. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung, ob und unter welchen materiellen Voraussetzungen die Landesregierung berechtigt sein könnte, auch nach der Befassung des Kabinetts am 24. Mai 2016 die begehrte Einsicht in die Leitungsvorlage weiterhin nur unter bestimmten Voraussetzungen oder unter Beschränkung im Hinblick auf den Beratungsverlauf und das Abstimmungsverhalten der Mitglieder der Kommission zu gewähren.
Die Landesregierung wird bei einer vergleichbaren Entscheidung im Rahmen der notwendig vorzunehmenden Abwägung einerseits zu berücksichtigen haben, dass sich die Kontrollkompetenz des Parlaments insbesondere auf abgeschlossene Vorgänge erstreckt. Die nötigen Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen dürfen dem Parlament nach Abschluss der Willensbildung nicht grundsätzlich verschlossen bleiben. Würde jeder der Regierung unerwünschte Einblick in das Zustandekommen von Regierungsentscheidungen grundsätzlich untersagt, unterlägen die Entscheidungen der Regierung dem parlamentarischen Kontrollrecht nur hinsichtlich des verlautbarten Entscheidungsinhalts und solcher Entscheidungsgrundlagen, die keine Rückschlüsse auf die Willensbildung innerhalb der Regierung zulassen. Weitere Hintergründe, etwa solche, ohne deren Kenntnis die getroffene Entscheidung politisch nicht beurteilt und die politische Verantwortung der Regierung für Fehler, die gerade das Zustandekommen ihrer Entscheidungen betreffen, nicht zur Geltung gebracht werden kann, könnten dagegen nach Belieben unzugänglich gehalten werden. Das Akteneinsichtsrecht liefe dann leer, die parlamentarische Kontrolle bliebe unwirksam.
Darüber hinaus spricht zugunsten des Begehrens des Antragstellers neben der großen politischen Bedeutung, die Fragen der Ausgestaltung des Mindestlohns in der Öffentlichkeit und in der parlamentarischen Debatte zugemessen wird, der Umstand, dass sich die begehrte Einsicht nicht unmittelbar auf das Abstimmungsverhalten der Mitglieder der Landesregierung oder auf in der Kabinettssitzung getätigte Äußerungen und somit nicht auf den innersten Bereich der Willensbildung bezieht. Isoliert betrachtet geht es um das Abstimmungsverhalten der Mitglieder einer diese Letztentscheidung vorbereitenden Kommission und somit um den vorgelagerten Bereich der gubernativen Entscheidungsfindung, der den parlamentarischen Informationsrechten in geringerem Maße entzogen ist.
Demgegenüber wird zugleich in den Blick zu nehmen sein, dass das Parlament speziell bei der Vorbereitung von Gesetzen selbst vielfältige Möglichkeiten besitzt, Tatsachen, die seiner Entscheidungsfindung als Grundlage dienen sollen, mit den Instrumenten parlamentarischer Arbeit selbst zu ermitteln. Jedenfalls aber dann, wenn die Letztentscheidung über den von der Landesregierung im Ergebnis ihrer Willensbildung vorgelegten Gesetzentwurf dem Abgeordneten im Rahmen seiner parlamentarischen Tätigkeit selbst vorbehalten bleibt, erscheint eine parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns auf diesen Feldern weitaus weniger dringlich als bei staatlichem Handeln, bei dem es um die Aufdeckung von möglichen Rechtsverstößen gehen könnte. Auch ist die Relevanz der vorliegend konkret geforderten Information zum Abstimmungsverhalten der Mitglieder der Mindestlohnkommission und ihrer hierfür jeweils gegebenen Begründung für den parlamentarischen Prozess vergleichsweise gering zu veranschlagen (vgl. zum fehlenden parlamentarischen Informationsinteresse an der Darlegung des Abstimmungsverhaltens der Mitglieder der Bundesregierung BVerfGE 137, 185, 269; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 -, Juris Rn. 180). Mit ihr könnten keine über die hier erkennbare bloße Meinungskundgabe hinausgehenden, das Für oder Wider der Erhöhung des Mindestlohns selbst betreffenden zusätzlichen Sachinformationen erlangt werden; die einzelnen, in der Sitzung entscheidungsrelevanten Parameter (die „maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen“) waren allen Abgeordneten bereits mit der Einbringung des Gesetzentwurfs in den Landtag durch die hierzu gegebene Gesetzesbegründung vermittelt worden.
Schließlich stellt die Sicherung der Freiheit und Offenheit des Willensbildungsprozesses der Landesregierung ein abwägungsrelevantes Gut von hohem Gewicht dar, soweit sich aus den Unterlagen Präferenzen der Verfasser für eine oder mehrere der in ihnen dargestellten politischen Handlungsalternativen ableiten lassen (vgl. VerfGH NW, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 12/14 -, Juris Rn. 119, 132, 140). Anderenfalls ließe sich aus einem Vergleich der verschiedenen, in der Unterlage votierten Alternativen einerseits und der auch auf ihrer Basis schließlich ergehenden Entscheidung der Landesregierung andererseits zwanglos die Willensbildung der Landesregierung insofern nachzeichnen, als deutlich würde, welcher Argumentation sie folgt und wessen Standpunkt sie favorisiert. Demgegenüber kann eine einengende Vorwirkung, die sich aus einem schrankenlosen parlamentarischen Anspruch auf Information aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen ergeben könnte, ein zulässiger Anknüpfungspunkt für eine Beschränkung des Akteneinsichtsrechts des einzelnen Abgeordneten sein. Zwar greift nach Abschluss der Willensbildung der Gesichtspunkt, dass die autonome Wahrnehmung der Regierungskompetenzen zu schützen ist, nicht mehr ein, wohl aber der Gesichtspunkt des Schutzes der funktionsnotwendigen freien und offenen Willensbildung innerhalb der Regierung (vgl. BVerfGE 110, 199, 216).
Hierbei wird besonders Augenmerk darauf zu legen sein, dass eine offene und kompromissbereite Arbeit des Gremiums im Falle einer Offenlegung des konkreten Beratungsverlaufs gefährdet sein könnte und damit das ausdrücklich durch Gesetz vorgesehene Ziel (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 BbgVergG), dass von öffentlicher Einflussnahme unverfälschte Standpunkte verschiedener wirtschafts- und sozialpolitischer Akteure und ein von diesen gegebenenfalls mehrheitlich hervorgebrachter Vorschlag in die Entscheidungsfindung des Gesetzgebers einbezogen werden sollen, ebenso beeinträchtigt werden könnte, wie die gesetzlich vorgesehene Unabhängigkeit der Mitglieder der Mindestlohnkommission (§ 4 Abs. 2 Satz 2 BbgVergG). Es erscheint jedenfalls plausibel, dass die Arbeit der Mitglieder der Mindestlohnkommission von einer zu erwartenden Offenlegung von Beratung und Abstimmungsverhalten nicht unbeeinflusst bleiben wird.
Möller Dr. Becker
Dielitz Dresen
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
Nitsche Partikel
Schmidt
Sondervotum des Richters Dr. Ulrich Becker
I.
Das Verfassungsgericht ist mehrheitlich der Ansicht, ein Abgeordneter habe bis zum Kabinettsbeschluss über den Gesetzentwurf zur Anpassung des Mindestlohns im Brandenburgischen Vergabegesetz keinen Anspruch auf Einsicht in eine Unterlage der Landesregierung, die den Beschluss der Mindestlohnkommission des Landes Brandenburg, deren Entscheidungsgrundlagen und die in der Kommission diskutierten Beschlussmodelle enthält. Diese Auffassung teile ich nicht.
II.
1. Den Abgeordneten ist Zugang zu den Behörden und Dienststellen des Landes zu gewähren. Diese haben ihnen auf Verlangen Auskünfte auch aus Dateien zu erteilen sowie Akten und sonstige amtliche Unterlagen vorzulegen, Art. 56 Abs. 3 Satz 1 und 2 LV.
Die Leitungsvorlage vom 5. Juni 2015 ist ein Dokument des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Es unterliegt als Teil einer ministeriellen Akte - dies nimmt auch die Mehrheitsmeinung an - grundsätzlich der Vorlagepflicht nach Art. 56 Abs. 3 Satz 2 LV.
2. Der Informationsanspruch aus Art. 56 Abs. 3 LV besteht allerdings nicht unbeschränkt. In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass aus dem Gewaltenteilungsprinzip ein Kernbereich exekutive Eigenverantwortung folgt (vgl. etwa Urteil vom 20. November 1997 - VfGBbg 12/97 - LVerfGE 7, 123 <135>; Beschluss vom 16. November 2000 - VfGBbg 31/00 - LVerfGE 11, 183 <191f.>). Dieser Kernbereich umfasst einen Initiativ-, Beratung- und Handlungsspielraum der Regierung, der grundsätzlich nicht vom Parlament ausgeforscht werden kann (vgl. so etwa BVerfGE 137, 185 <234>). Auch wenn die Landesverfassung den Informationsinteressen des Abgeordneten besonderes Gewicht zuweist (Beschluss vom 16. November 2000 - VfGBbg 31/00 - LVerfGE Suppl. Bbg zu Bd. 11, 183, 192), gelten sie nicht unbegrenzt. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Auskunftserteilung zu einem Eingriff in Entscheidungsabläufe der Regierung führen würde, mithin zu einem Eingriff, der einer freien und selbstverantwortlichen Willensbildung innerhalb der Landesregierung entgegenstehen und damit letztlich die verfassungsrechtlich geforderte Balance und Trennung zwischen Legislative und Exekutive verletzen würde. Parlamentarische Informationswünsche dürfen nicht zu einem „Mitregieren Dritter“ führen (BVerfGE 137, 185 <234>).
a. Die Mehrheitsmeinung geht davon aus, dass der besonders geschützte Bereich exekutiver Eigenverantwortung in einem Gesetzgebungsverfahrens zeitlich-formal bestimmt werden könne. Zum Schutz des Gesetzesinitiativrechts der Landesregierung sei es geboten, die im Zusammenhang mit einem Gesetzgebungsvorgang stehende Unterlagen der Landesregierung vom Zeitpunkt des Beginns des Entscheidungsfindungsprozesses der Landesregierung bis zum Kabinettsbeschluss dem Auskunftsanspruch des Abgeordneten zu entziehen. Die Einsicht in Leitungsvorlage sei zu Recht unter Berufung auf den Kernbereich exekutive Eigenverantwortung verweigert worden, da der Willensbildungsprozess der Landesregierung zur Vorbereitung der Gesetzesinitiative vor der Beschlussfassung durch das Kabinett am 24. Mai 2016 über die Einbringung des Gesetzentwurfes in den Landtag noch nicht abgeschlossen war und die Leitungsvorlage einen zentralen Bestandteil dieser Willensbildung darstellte.
Dem vermag ich mich nicht anzuschließen.
b. Schon der Blick auf Art. 94 LV und die dort geregelt frühzeitige Informationspflicht der Regierung gegenüber dem Landtag über die Vorbereitung von Gesetzen macht deutlich, dass die Landesverfassung keinen zeitlich definierten „Arkanbereich“ schafft, innerhalb dessen der Informationsanspruch des Abgeordneten gegenüber der Landesregierung voraussetzungslos außer Kraft gesetzt ist (vgl. hierzu sehr differenziert Kirschniock-Schmidt, Das Informationsrecht des Abgeordneten nach der brandenburgischen Landesverfassung, 1. Aufl. 2010, S. 230 ff). Eine formal-zeitliche Bestimmung des unausforschbaren Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung scheidet danach aus. Vielmehr bedarf es einer einzelfallbezogen Entscheidung, welche Vorgänge dem besonders geschützten Bereich eigenverantwortlicher Entscheidungsfindung der Regierung zuzuordnen sind und welche nicht dazu gehören.
Der betreffende Teil der Leitungsvorlage hat folgenden Inhalt:
„I. Anlass/Sachverhalt
Am 5. Juni 2015 hat die Brandenburger Mindestlohnkommission nach dem BbgVergG unter dem Vorsitz von StSin Hartwig-Tiedt mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen folgenden Beschluss gefasst:
- Erhöhung des vergabespezifischen Mindestlohns auf 9,00 € ab dem 1.1.2016
- Laufzeit 1 Jahr ab dem 1.1.2016
- Nächste Sitzung der Mindestlohnkommission im Herbst 2016 (unter Berücksichtigung der Entscheidung der Mindestlohnkommission des Bundes sowie einer möglichen Synchronisation des vergabespezifischen Mindestlohns mit dem gesetzlichen Mindestlohn)
II. Stellungnahme:
- Entscheidungsgrundlagen
Maßgebliche Entscheidungsgrundlagen waren
- Die Entwicklung der relevanten Indikatoren (s. Anlage)
- Die Aussagen des Koalitionsvertrages über die angestrebte Synchronisierung von Vergabemindestlohn und gesetzlichem Mindestlohn
- Das Verhältnis zum bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn allgemein
- Forderung der Gewerkschaften einer Anhebung auf das Tarifniveau des TVöD (9,67 €)
- Forderung der Arbeitgeberseite, den Vergabemindestlohn in der Höhe sofort mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu synchronisieren und die 8,50 € beizubehalten
- Die Lokomotiv- und Vorbildfunktion des vergabespezifischen Mindestlohns auf das Lohngefüge in BB insgesamt
- Die Ausführungen des IAB zur Betroffenheit speziell Ostdeutschlands von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns (24 % der Betriebe zahlten bisher Löhne unter 8,50 €)
- Vergabemindestlöhne in den anderen Ländern: von 11 Ländern gelten in 4 Ländern (alles Westdeutschland) mehr als 8,50 €, davon 1 über 9,00 €
- Schwierigkeiten der Unternehmen, bis zu 4 verschiedene Lohnstrukturen im Unternehmen vorzufinden (gesetzlicher Mindestlohn, branchenspezifischer Mindestlohn, alter Vergabemindestlohn bei Alt-Verträgen, aktueller Vergabemindestlohn für Neu-Vergaben)
- Problem der Unternehmen bei kurzen Laufzeiten des Vergabemindestlohns.
- Abstimmungsverhalten
(Wichtig: Ist vertraulich und nur zur hausinternen Hintergrundinformation der Hausleitung; vgl. § 3 Abs. 2 BbgVergG-Kommissionsverordnung des
MASGFF)
Es wurden 4 verschiedene Beschlussmodelle diskutiert:
- Erhöhung auf 8,75 €, Laufzeit 2 Jahre
- Keine Erhöhung in 2016, dafür in 2017 auf 9,00 €
- Erhöhung auf 9,00 €, Laufzeit 2 Jahre
- Erhöhung auf 9,00 €, Laufzeit 1 Jahr; erneute Überprüfung bereits im Herbst 2016 unter Berücksichtigung Entscheidung Bundes-MLK und etwaiger Synchronisierung.“
Inhaltlich handelt es sich um die - unkommentierte - Wiedergabe der Ergebnisse der Sitzung der Mindestlohnkommission vom 5. Juni 2015.
Dieser Teil der Leitungsvorlage ist nicht dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Landesregierung zuzurechnen. Denn die Mindestlohnkommission, deren Vorschlag und Modellüberlegungen in der Leitungsvorgabe abgebildet werden, ist
- erstens - nicht Teil der Landesregierung (nachfolgend aa); ihre Einbeziehung in das Verfahrens zur Überprüfung des im Brandenburgischen Vergabegesetz festgeschriebenen Mindestlohns beruht - zweitens - nicht auf einer Entscheidung der Landesregierung, sondern folgt einer normativen Vorgabe des Gesetzgebers (nachfolgend bb).
aa. Die Mindestlohnkommission nach § 4 BbgVergG ist nicht Teil der Landesregierung.
Dies legt bereits Art. 82 LV nahe. Nach dieser Norm besteht die Regierung des Landes aus dem Ministerpräsidenten und den Landesministern. Die einfachgesetzliche Regelung in § 4 BbgVergG über die Mindestlohnkommission bestätigt dies:
- Die Mitglieder der Kommission sind unabhängig, § 4 Abs. 2 Satz 1 BbgVergG. Diese Unabhängigkeit besteht auch für die zwei Mitglieder der Kommission, die als stimmberechtigte Mitglieder der für Wirtschaft und Arbeit zuständigen Ministerien in der Kommission entsandt werden. Selbst diese Mitarbeiter der Ministerien agieren, wie die Aussage der Landesregierung in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, in ihrer Funktion als Mitglied der Mindestlohnkommission frei von Weisungen durch die Leitung des entsendenden Ministeriums bzw. der Landesregierung.
- Gleichzeitig ist die Landesregierung an den Vorschlag der Kommission nicht gebunden, § 4 Abs. 1 Satz 3 BbgVergG.
Es besteht mit anderen Worten eine wechselseitige Unabhängigkeit zwischen Mindestlohnkommission und Landesregierung. Weisungsfreiheit der Kommission einerseits und mangelnde Bindung der Landesregierung an das Votum der Kommission andererseits machen deutlich, dass es sich bei der Kommission gerade nicht um einen Teil der Landesregierung handelt, sondern um ein sachverständiges Gremium außerhalb der Regierung. Allein die Benennung der Mitglieder der Kommission durch das Ministerium macht die Kommission nicht einem Teil des Ministeriums bzw. der Landesregierung. Der Gesetzgebers unterstreicht dies durch seine Wortwahl, in der er begrifflich zwischen Landesregierung und Kommission eindeutig trennt (so etwa in § 4 Abs. 1 Satz 3 BbgVergG).
Soweit die Mehrheitsmeinung ihre Auffassung einer Zuordnung der Mindestlohnkommission zur Landesregierung mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Einstufung von Kabinettsausschüssen stützt, vermag ich dem nicht beizupflichten. Denn die Mindestlohnkommission ist kein Kabinettsausschuss. Kabinettsausschüsse, auf die sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezieht, werden aus Mitgliedern des Bundeskabinett gebildet und regelmäßig vom Regierungschef geleitet (vgl. etwa die Ausführungen zum Bundessicherheitsrat in BVerfGE 137, 185 <192>). In Kabinettsausschüssen haben lediglich Mitglieder der Regierung Stimmrecht, der Mindestlohnkommission nach § 4
BbgVergG gehört überhaupt kein Regierungsmitglied mit Stimmrecht an. Weder in Zusammensetzung noch nach ihrer Funktion ist die Mindestlohnkommission einem Kabinettsausschuss vergleichbar.
bb. Sind das Votum der Mindestlohnkommission, dessen Begründung und die Darlegung ggf. unterschiedlicher Positionen innerhalb der Mindestlohnkommission für sich genommen keine Meinungsäußerung bzw. Meinungsbildung der Landesregierung, müssten Umstände hinzutreten, damit die Äußerungen der Mindestlohnkommission dem besonders geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zuzuordnen wären. Dies könnte etwa dann anzunehmen sein, wenn sich aus einer sachverständigen Stellungnahme eines externen Dritten Rückschlüsse ziehen ließen auf eine vorangehende oder aktuelle Willensbildung der Landesregierung. Gibt die Landesregierung beispielsweise im Rahmen eines von ihr initiierten Gesetzgebungsvorhabens ein externes Rechtsgutachten in Auftrag, so wird der Ersteller des Gutachtens damit zwar weder formal oder funktional zu einem Bestandteil der Landesregierung. Gleichwohl kann die gutachterliche Stellungnahme dem besonders geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zuzuordnen sein und zwar insbesondere dann, wenn sich schon aus der Fragestellung an den Gutachter bzw. dem Thema des Gutachtens Rückschlüsse auf Überlegungen der Landesregierung ziehen lassen.
Mit Blick auf das Votum der Mindestlohnkommission ist hierfür nichts ersichtlich.
Dies resultiert daraus, dass die Beteiligung der Mindestlohnkommission an dem Verfahren zur periodischen Überprüfung des Mindestlohns nicht auf einer Entscheidung der Landesregierung beruht. Vielmehr ist es der Gesetzgeber, der deren Beteiligung bindend vorschreibt.
Die Entscheidung über das „OB“ einer Kommission hat - wie auch die Mehrheitsmeinung erkennt - der Gesetzgeber verbindlich getroffen. Gleiches gilt für das „OB“ der Einbeziehung des Votums in den anschließenden Meinungsbildungsprozess der Landesregierung und das „WIE“ der Stellungnahme (Votum, ggf. abweichende Empfehlung mit Begründung). All dies ist gesetzlich vorgegeben und nicht die Gestaltungsidee der Landesregierung.
Das Votum der Mindestlohnkommission flankiert nach der gesetzlichen Konzeption des § 4 BbgVergG die Entscheidungsfindung der Landesregierung, es ist aber von Meinungsbildung der Landesregierung trennbar und zu trennen. Die Landesregierung hat den Vorschlag im Rahmen ihrer Überlegungen zu berücksichtigen. Sie ist aber vollkommen frei, sich hiervon zu distanzieren oder Anregung aus dem Votum oder abweichenden Begründungen der Kommission aufzugreifen. Weisungsfreiheit der Kommission und Entscheidungsfreiheit der Landesregierung entkoppeln die Empfehlung der Kommission von dem autarken Meinungsbildungsprozess der Landesregierung. Das Kommissionsvotum wird auch dann nicht Teil der besonders zu schützenden Entscheidungsfindung der Landesregierung, wenn es einschließlich abweichender Auffassungen und deren Begründung in einem Papier der Landesregierung wiedergegeben wird. Denn auch der Umstand, dass diese Äußerungen in die Entscheidungsfindung der Landesregierung einbezogen werden, ist bereits gesetzlich angelegt und lässt keine Rückschlüsse darauf zu, wie sich die Landesregierung zu dem Votum, abweichenden Meinungen und deren Begründung positioniert (vgl. zu diesem Aspekt VerfGH NW, Urteil vom 15. Dezember 2015 - 12/14 - Rdnr.119 - juris; BayVerfGH, NVwZ-RR 2011, 841 <844 l.Sp.>)
III.
Die Leitungsvorlage von 5. Juni 2015 in dem mit Schreiben vom 27. Oktober 2016 offen gelegten Umfang bezüglich der Ziffern I., II. 1. und 2. unterfällt daher meiner Auffassung nach nicht dem Bereich exekutiven Handelns, der dem Informationsanspruch des Abgeordneten entzogen ist. Eine Einsichtnahme hätte auch vor dem Kabinettsbeschluss vom 24. Mai 2016 nicht verweigert werden dürfen.
Dr. Becker