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VerfGBbg, Beschluss vom 21. Juni 2019 - VfGBbg 1/19 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - OWiG, § 62
- StPO, § 100 h
Schlagworte: - Verfassungsbeschwerde unzulässig
- Beschwerdebefugnis
- Ordnungswidrigkeit
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. Juni 2019 - VfGBbg 1/19 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 1/19




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

H.,

Beschwerdeführer,

wegen Beschlüsse des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. Juni 2018 und 29. Oktober 2018 (13 d Owi 235/18)

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

am 21. Juni 2019

durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dresen, Dr. Finck, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Dr. Strauß

beschlossen: 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe:

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen Beschlüsse des Amtsgerichts Oranienburg in einer Bußgeldsache.

I.

Die Stadt H. stellte am 17. Januar 2017 im Rahmen einer Geschwindigkeitskontrolle unter Fertigung eines Fotos vom Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers und der Person am Steuer eine Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 6 km/h in einer 30 km/h-Zone fest. Nachdem der Beschwerdeführer mit einer Verwarnung nicht einverstanden gewesen und zum Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit angehört worden war, erließ der Bürgermeister der Stadt H. unter dem 23. Februar 2017 einen Bußgeldbescheid.

Gegen den Bußgeldbescheid legte der Beschwerdeführer Einspruch ein und bestritt den Vorwurf. Zudem beantragte er mit Schreiben vom 2. März 2017 und vom 5. September 2017 unter Geltendmachung von Wiederholungsgefahr die gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), dass seine Anhörung mit der Bezeichnung „Betroffener“ sowie die Anfertigung und Verwertung des Beweisfotos vom Fahrer rechtswidrig seien. Die im Anhörungsformular enthaltene Beschuldigung, als Fahrzeughalter eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben, verstoße gegen die Unschuldsvermutung. Er habe zunächst als Zeuge angehört werden müssen. Solange die Bußgeldstelle ihre Anhörungsbögen nicht grundrechtskonform umformuliere, bestünde Wiederholungsgefahr. Es verstoße auch gegen Grundrechte und sei unverhältnismäßig, bei Bagatellverstößen in ein Auto frontal hinein zu fotografieren.

 

Nach Durchführung einer Hauptverhandlung sprach das Amtsgericht Oranienburg den Beschwerdeführer mit Urteil vom 20. November 2017 von dem in Rede stehenden Vorwurf frei, weil es nach Inaugenscheinnahme der Person des Beschwerdeführers und dem Abgleich mit dem Messfoto erhebliche Zweifel daran hatte, dass der Beschwerdeführer der Fahrzeugführer war.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2017 beantragte der Beschwerdeführer, nunmehr über seinen noch offenen Antrag nach § 62 Abs. 1 OWiG zu entscheiden. Er beantragte zudem die gerichtliche Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der Begründung seines Freispruchs. Dieser sei gerade nicht auf die Verfassungswidrigkeit des Beweisfotos gestützt worden.

Mit Beschluss vom 20. Juni 2018 verwarf das Amtsgericht Oranienburg den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig, soweit dieser gegen die Anhörung des Beschwerdeführers als Betroffener gerichtet war. Durch die abschließende Entscheidung im Hauptsacheverfahren sei die Beschwer nachträglich entfallen, sodass prozessuale Überholung vorliege.

Hiergegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30. Juni 2018 eine Anhörungsrüge. Diese begründete er unter anderem mit Ausführungen zum Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses wegen Wiederholungsgefahr. Mit Beschluss vom 29. Oktober 2018 wies das Amtsgericht Oranienburg die Anhörungsrüge zurück. Hinsichtlich des Personenfotos verneinte es einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff unter Bezugnahme auf die Ermächtigungsgrundlage des § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG, wonach Bildaufnahmen zur Erforschung eines Sachverhalts außerhalb von Wohnungen zulässig sind. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 10. November 2018 zugestellt.

II.

Der Beschwerdeführer hat am 8. Januar 2019 Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. Juni 2018 und 29. Oktober 2018 erhoben.

Er rügt im Hinblick auf seine Anhörung als Betroffener die Verletzung des Willkürverbots gemäß Art. 12 Abs. 1 Landesverfassung (LV) und seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 7 LV in Verbindung mit Art. 10 LV) und im Hinblick auf die Anfertigung und Verwertung des Lichtbildes die Verletzung eines sich analog aus Art. 15 Abs. 3 LV in Verbindung mit Art. 10 LV ergebenden Schutzrechts sowie seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 11 Abs. 1 LV). Weil das Amtsgericht auf sein zentrales Vorbringen im Rahmen seiner Anträge auf gerichtliche Entscheidung nicht eingegangen sei, rügt er auch die Verletzung seiner Grundrechte auf rechtliches Gehör und faires Verfahren (Art. 52 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 LV).

Er beantragt weiter die Feststellung gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg), dass jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahmen die Verfassung verletze.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 VerfGGBbg als unzulässig zu verwerfen.

1. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. Juni 2018 ist unzulässig.

Der Beschwerdeführer ist nicht beschwerdebefugt. Die Beschwerdebefugnis setzt einen Vortrag des Beschwerdeführers voraus, wonach dieser durch den angegriffenen Akt der öffentlichen Gewalt selbst, unmittelbar und gegenwärtig in seiner grundrechtlich geschützten Rechtsposition beeinträchtigt sein kann (vgl. Beschluss vom 21. September 2018 - VfGBbg 163/17 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de). Der Vortrag des Beschwerdeführers zeigt nicht auf, inwiefern der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. Juni 2018, der den Antrag nach § 62 Abs. 1 OWiG als unzulässig behandelt, den Beschwerdeführer in einem verfassungsbeschwerdefähigen Recht verletzt haben könnte. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, warum die Ansicht des Amtsgerichts, hinsichtlich der zugrundeliegenden Maßnahmen der Verwaltungsbehörde (formularmäßige Anrede als Betroffener, Fertigung und Verwertung des Personenfotos) liege prozessuale Überholung vor, gegen Art. 52 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 Alt. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 7, Art. 10, Art. 11 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 3 LV verstoßen haben könnte. Tatsächlich ist eine vom Beschwerdeführer behauptete Beschwer jedenfalls mit dem freisprechenden Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. November 2017 weggefallen. Da die Maßnahmen der Verwaltungsbehörde keine Rechtsfolgen mehr entfalten können, sind sie erledigt. Nach Wegfall der Beschwer entfällt regelmäßig auch das Rechtschutzbedürfnis für eine Entscheidung nach § 62 Abs. 1 OWiG (vgl. Bohnert, OWiG § 62 Rn. 17; Seitz in: Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, § 62 Rn. 10; KK OWiG-Kurz, § 62 Rn. 10). Denn die gerichtliche Entscheidung nach § 62 Abs. 1 OWiG gegen Maßnahmen der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren schließt ein Zwischenverfahren im Rahmen des Bußgeldverfahrens ab, das von der endgültigen gerichtlichen Entscheidung über das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit inhaltlich prozessual überholt wird (vgl. Seitz in: Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, § 62 Rn. 10 und 17 a; KK OWiG-Kurz, § 62 Rn. 10 und 21). Der Beschwerdeführer geht nicht näher darauf ein, warum der Beschluss des Amtsgerichts die von ihm als verletzt angesehenen Grundrechte auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr berührt haben könnte. Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG für das Fertigen von Personenfotos bei der Ermittlung von Ordnungswidrigkeiten durch Geschwindigkeitsüberschreitungen im Straßenverkehr bestehen keine Bedenken (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 5. Juli 2010 - 2 BvR 759/10 -, Juris, Rn. 8, 12 und 14, und vom 12. August 2010 - 2 BvR 1447/10 -, Juris, Rn. 9 und 14). Der Gestaltung des Anhörungsbogens und des Bußgeldbescheides ist immanent, dass der Angeschriebene möglicherweise nicht der Täter der vorgehaltenen Ordnungswidrigkeit ist. Im Hinblick auf die verfahrensrechtlich eröffneten Möglichkeiten zur Stellungnahme, Einstellung des Verfahrens und zur Einlegung des Einspruchs besteht kein Anhaltspunkt für die vom Beschwerdeführer gerügte Willkür.

2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 29. Oktober 2018 ist bereits deswegen unzulässig, weil sie über den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. Juni 2018 hinaus zwar eine Ergänzung der Begründung, aber keine eigenständige Beschwer enthält (vgl. Beschluss vom 16. März 2018 - VfGBbg 56/16 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.).

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dresen Dr. Finck
   
Dr. Lammer Nitsche
   
Partikel Dr. Strauß