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VerfGBbg, Beschluss vom 21. März 2014 - VfGBbg 43/13 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 2; LV, Art. 52 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2
- VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1
- ZPO, § 321a
Schlagworte: - rechtliches Gehör
- faires Verfahren
- Rechtswegerschöpfung
- Anhörungsrüge
- Fortsetzung des Verfahrens
- wiederholte Anhörungsrüge
- Zumutbarkeit
- Subsidiarität
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. März 2014 - VfGBbg 43/13 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 43/13




IM NAMEN DES VOLKES

B e s c h l u s s

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

 

     F.,

 

                                           Beschwerdeführer,

 

 

wegen der Urteile des Amtsgerichts Luckenwalde vom 20. Dez­em­ber 2012 und 19. Juni 2013 (12 C 394/11)

 

 

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Möller, Dr. Becker, Dielitz, Dresen, Dr. Fuchsloch, Dr. Lammer, Nitsche, Partikel und Schmidt

 

 

 

am 21. März 2014

 

b e s c h l o s s e n:

 

 

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

 

 

 

G r ü n d e :

 

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen seine amtsgerichtliche Verurteilung zur Geldzahlung.

 

I.

1. Der Beschwerdeführer wurde von seiner Rechts­schutz­ver­si­che­rung (nachfolgend: Klägerin) vor dem Amtsgericht Luckenwalde auf Zah­lung der Prämie für das Kalen­der­­­jahr 2011 in Höhe von 228,69 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlicher Mahn- und Anwalts­­­­kosten in Anspruch genom­­­men; er ver­tei­­­digte sich im Wesent­­­­li­chen mit einer Aufrechnung gegen die Klage und machte  als Gegen­forderung einen Deck­ungs­an­spruch gegen die Klägerin aus einem von seiner mitversicherten Ehe­frau betriebenen zivil­­­recht­li­chen Ver­­fahren der Nichtzulas­­sungs­­­­­­­beschwerde zum Bun­­desgerichtshof gel­tend.

 

2. Nach mündlicher Verhandlung vom 26. Oktober 2011 verkündete das Amtsgericht unter dem 25. November 2011 einen Hinweis­be­schluss und räumte Gelegenheit zur Stellungnahme ein, wovon  die Parteien Gebrauch machten. Unter dem 20. Dezember 2012 erließ das Amtsgericht „nach § 495a“ Zivilprozessordnung (ZPO) ein der Klage stattgebendes Urteil. Die zur Auf­rech­nung gestellte Gegenforderung auf Deckungsschutz betreffe nicht einen Rechtsstreit des Beschwerdeführers, sondern seiner Ehe­frau. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer nicht belegt, dass er der Klägerin die zur Prüfung des Deckungsschutzes erfor­­­der­lichen Unterlagen zur Verfügung gestellt habe. Gegen das Urteil erhob der Beschwerdeführer am 18. Januar 2013 Anhö­rungs­rüge. Sein Recht auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil das Urteil erst nach erneuter mündlicher Verhandlung oder nach einem Hinweis des Gerichts auf den Übergang in das Verfahren nach § 495a ZPO habe ergehen dürfen. Ferner habe das Gericht seinen Vortrag nicht berücksichtigt, dass er als Ver­si­che­rungs­­nehmer allei­ni­ger Gläubiger des Deck­ungsanspruchs sei, auch wenn dieser sich auf einen Rechtsstreit seiner mit­ver­si­cher­­ten Ehefrau beziehe. Unbe­­rücksichtigt geblieben sei schließ­­­­lich, dass er die Über­mit­t­­lung der Unterlagen für den Deck­­­ungsschutz im Einzelnen dar­­­­gelegt und belegt habe.

 

3. Daraufhin setzte das Amtsgericht das Verfahren fort und führte am 5. Juni 2013 eine mündliche Verhandlung durch. Unter dem 19. Juni 2013 verkündete es ein dem Beschwerdeführer am  4. Juli 2013 zugestelltes Urteil, mit dem es das Urteil vom 20. Dez­ember 2012 aufrechterhielt. Zur auf­ge­­­rech­ne­ten Gegen­for­­de­rung heißt es in dem Urteil, die Klä­ge­rin habe ein Scha­dens­­ab­wick­­lungsunternehmen im Sinne von § 126 Abs. 1 Ver­siche­rungs­ver­tragsgesetz (VVG) beauftragt. Etwaige Ansprüche wegen zu Unrecht nicht gewährten Deckungs­schut­zes für das Verfahren der Nicht­zulassungsbeschwerde könne der Beschwer­deführer nach § 126 Abs. 2 VVG daher nur gegen das Scha­­­­dens­abwick­lungs­unter­neh­­men richten.

 

II.

1. Mit der am 3. September 2013 erhobenen Verfassungsbe­schwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Rechts auf recht­­­­­liches Gehör und des Rechts auf ein faires Verfahren. Für das Urteil vom 20. Dezember 2012 bezieht er sich zur Be­grün­­­dung auf die Ausführungen in der Anhö­­­rungsrüge vom      18. Janu­ar 2013. Das Abstellen auf § 126 VVG im Urteil vom  19. Juni 2013 sei überraschend, weil das Gericht die­sen recht­li­­­chen Gesichts­punkt zu keinem Zeitpunkt ange­spro­chen habe, und dar­über hinaus auch rechtsfehlerhaft. Die Klä­ge­­rin habe gar kein Scha­dens­ab­wick­lungsunternehmen beauftragt. Mit seinem ent­­­­­­sprechenden Vortrag aus dem Schrift­satz vom 9. Mai 2012 habe sich das Gericht nicht ansatzweise aus­ein­an­der­ge­setzt. Das Amts­­gericht sei zudem insgesamt seiner Pflicht zur Gleich­stel­­lung der Parteien durch eine objektive und faire Ver­­fah­­rens­füh­­­rung nicht nachgekommen, was sich u. a. in der wie­­derholten Auf­­­forderung an ihn, die Klageforderung anzu­er­ken­nen, offen­bart habe.

 

2. Die Direktorin des Amtsgerichts Luckenwalde und die Klä­ge­rin des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stel­lung­nahme. Die Klägerin hält die Verfassungsbeschwerde für unbe­grün­det. Gehörsverstöße seien dem Amtsgericht nicht unter­lau­fen. Dessen Ent­­scheidung sei auch nicht willkürlich.

 

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 21 Satz 1 Verfassungs­ge­richts­gesetz Brandenburg (VerfGGBbg) als unzulässig zu ver­wer­fen.

 

I.

Der Beschwerdeführer hat, soweit er eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV geltend macht, entgegen § 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg den Rechts­weg nicht erschöpft, indem er es unter­las­sen hat, gegen das angegriffene Urteil vom 19. Juni 2013 die Anhö­­rungs­rüge zu erhe­­ben.

 

Die Anhörungsrüge war nicht offensichtlich unstatt­haft bzw. unzu­läs­sig. Bei dem genannten Urteil han­­delt es sich um eine mit Rechts­mit­teln nicht anfechtbare End­­­ent­schei­dung im Sinne von § 321a Abs. 1 ZPO; dass es nach einer erfolg­reichen Anhö­rungs­rüge ergan­gen ist, ändert hieran nichts (vgl. zu dieser Kon­­stel­lation Bayerischer Verfassungsgerichts­hof, Beschluss vom 29. Januar 2014 – Vf. 18-VI-12 -, zitiert nach juris). Der Beschwer­de­­füh­rer hätte in Bezug auf das Urteil vom 19. Juni 2013 auch eine neue und eigen­stän­dige Ge­hörs­­­­­­­ver­letzung gel­tend machen können und müssen (vgl. zu diesem Zulässigkeitserfor­der­nis: Voll­kom­mer, in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 30. Aufl., § 321a Rn. 8). Die mit der Anhö­rungsrüge gegen das Urteil vom 20. De­z­ember 2012 rekla­mierten Gehörs­verstöße hatte das Amts­ge­richt durch Fort­füh­rung des Ver­­­fah­rens beseitigt und sie mit dem Urteil vom 19. Juni 2013 auch nicht wiederholt. Dieses Urteil stützt sich bezüglich der Aufrechnung allein auf den im vor­an­gegangenen Urteil nicht erör­terten und für die Ent­schei­dung uner­heblich geblie­be­nen Gesichts­punkt, dass dem Beschwer­de­­füh­­rer gegen die Klä­gerin aufrechenbare Ansprüche wegen (ver­­wei­ger­ten) Deckungs­schut­zes für das Ver­fah­­­ren der Nicht­­zu­­las­­sungsb­eschwerde nicht zuge­stan­­den hät­ten, weil die Klägerin ein Schadensab­wick­lungs­unt­er­nehmen beauf­­tragt habe.

 

Dem Beschwerdeführer war die Erhebung einer weiteren Anhö­rungs­­rüge auch zumutbar. Auch und gerade im Hinblick auf Gehörs­verstöße sind es in erster Linie die mit der ver­bind­li­chen Streit­ent­schei­­dung betrauten Fach­­gerichte, die effektiven Rechts­­­­­schutz durch sach- und zeit­nahe Abhilfe versprechen; bei ihnen war mit­­hin der ver­fas­sungs­­rechtlich gebotene Rechts­be­helf der Anhö­­­­rungs­­rüge zu eta­blie­ren (vgl. BVerfGE 107, 395, 410, 413). Von ihm müss­en die Verfahrensbeteiligten – ggf. auch wie­der­hol­­ten - Gebrauch machen, sofern dies zur Besei­tigung von Gehörs­­­­­­­­ver­let­zun­gen füh­ren kann. Das Ver­fas­sungs­ge­richt soll nicht mit einem Gehörs­verstoß befasst werden, mit dem sich nicht zuvor das Fach­gericht auseinandersetzen konnte; mit­hin müs­sen alle in der Verfassungsbeschwerde aufgezeigten Gehörs­­ver­­­letzungen Gegen­­­stand einer fachgerichtlichen Anhö­rungs­rüge gewesen sein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 2006 – 1 BvR 1470/07 -, NJW 2007, 3054, 3055).

 

Es war auch nicht deshalb unzumutbar, gegen das Urteil vom  19. Juni 2013 die Anhörungsrüge zu erheben, weil dies offen­sicht­lich aussichtslos gewesen wäre. Es erscheint nicht aus­ge­schlos­sen, dass das Amts­ge­richt im Urteil vom 19. Juni 2013 einen erneuten Gehörs­verstoß began­gen hat, indem es wesent­li­ches Vorbringen des Beschwer­de­füh­rers unberücksichtigt ließ. Es hat dessen Auf­rech­nung gegen die Kla­ge­for­­derung mit der Begrün­dung für erfolglos gehal­ten, dass die Klä­­­gerin ein Scha­­­­­­­dens­abwicklungsunternehmen beauf­tragt habe und etwaige Deck­­­­­­­ungs­schutz- bzw. Scha­dens­er­satz­­an­sprüche nach § 126 Abs. 2 VVG nur gegenüber die­sem Unternehmen gel­­tend gemacht werden könn­­­­ten. Dabei ist es auf den Vortrag des Beschwer­­deführers zu die­­sem für die Entscheidung erheb­­li­chen Gesichts­punkt aus dem Schriftsatz vom 3. Mai 2012 (vom Beschwerdeführer als vom 9. Mai 2012 datierend bezeichnet) nicht ein­­­­ge­gan­gen, dass ein Scha­­­dens­­ab­wick­lungs­unt­er­­neh­men nicht beauf­­­­tragt und dement­spre­­­ch­end auch nicht gemäß § 126 Abs. 1 Satz 2 VVG im Ver­si­che­­rungs­schein bezeichnet worden sei.

 

II.

Die unterbliebene Erhebung der statthaften Anhörungsrüge hat zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf eine etwaige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern - nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde – insgesamt unzu­lässig ist (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 24. Ja­nu­ar 2014 – VfGBbg 21/13 -, www.ver­­fassungsgericht.brandenburg.de).

 

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

Möller Dr. Becker
   
Dielitz Dresen
   
Dr. Fuchsloch Dr. Lammer
   
Nitsche Partikel
   
Schmidt