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VerfGBbg, Beschluss vom 21. März 2002 - VfGBbg 56/01 -

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde
Hauptsache
entscheidungserhebliche Vorschriften: - LV, Art. 9
- VerfGGBbg, § 48
Schlagworte: - Beschwerdegegenstand
- Prozeßkostenhilfe
- Strafvollstreckungsrecht
- Freiheit der Person
- Bundesrecht
Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 21. März 2002 - VfGBbg 56/01 -, https://verfassungsgericht.brandenburg.de

VERFASSUNGSGERICHT
DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 56/01



IM NAMEN DES VOLKES
B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

D.,

Beschwerdeführer,

gegen den Beschluß des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Oktober 2001

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg
durch die Verfassungsrichter Dr. Macke, Dr. Dombert,
Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel, Prof. Dr. Schröder, Weisberg-Schwarz und Prof. Dr. Will

am 21. März 2002

b e s c h l o s s e n :

1. Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen, soweit sie sich gegen die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg in dem Verfahren vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht wendet, im übrigen wird sie zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

I.

Der Beschwerdeführer verbüßt zur Zeit eine mehrjährige Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt B., die unter anderem auf einer Verurteilung zu 15 Jahren Freiheitsstrafe wegen Mordes beruht. In einem Bundeszentralregisterauszug vom 7. Februar 1996 war hinsichtlich der Freiheitsstrafe wegen Mordes die Eintragung „10 Jahre Freiheitsstrafe nach Neufestsetzung aufgrund Amnestie“ enthalten. Diese Eintragung wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft M. vom 19. Juni 1997 gelöscht. Nachdem der Beschwerdeführer in einem anderen Strafverfahren gegen ihn von der genannten Eintragung Kenntnis erhalten hatte, bat er um eine Neuberechnung der Strafzeiten, die auf der Grundlage der Freiheitsstrafe von 15 Jahren erfolgt war, und beantragte schließlich beim Landgericht eine gerichtliche Entscheidung.

Mit Beschluß vom 6. Juli 2001 lehnte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts die vom Beschwerdeführer beantragte Korrektur der Strafzeitberechnung ab. In dem Beschluß wurden die der Strafzeitberechnung zugrunde liegenden Zeiten und Daten im einzelnen dargelegt und ergänzend ausgeführt, daß sich der Beschwerdeführer nicht auf den Bundeszentralregisterauszug vom 7. Februar 1996 berufen könne, da die Eintragung nicht korrekt gewesen und zu Recht auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft gelöscht worden sei.

Die gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer erhobene Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluß vom 23. Oktober 2001 aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die das Beschwerdevorbringen nicht erschüttert habe.

Mit seiner am 8. November 2001 bei Gericht eingegangenen und durch am 13. Dezember 2001 eingegangenes Schreiben begründeten Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts vom 23. Oktober 2001: Das Oberlandesgericht habe es unterlassen, „die Verfahrensvorgaben sowie deren inkludierten Beweiserhebungen zu prüfen und zu werten“. Dies werfe verfassungsrechtliche Bedenken auf. Die Beschwerde richte sich auch gegen die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg, die von falschen Voraussetzungen ausgehe. Eine Eintragung in das Bundeszentralregister erfolge ausschließlich aufgrund eines Urteils oder eines richterlichen Beschlusses. Es müsse aufgeklärt werden, was mit der Entscheidung über die Strafzeitverkürzung geschehen sei. Zugleich beantragt der Beschwerdeführer die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

II.

1. Soweit sich der Beschwerdeführer auch gegen die gegenüber dem Oberlandesgericht abgegebene Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in dem dem angegriffenen Beschluß zugrundeliegenden Verfahren wendet, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil diese Stellungnahme nicht selbständig anfechtbar ist.

2. Im übrigen ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts und die die Beschwerde hiergegen zurückweisende Entscheidung des Oberlandesgerichts lassen keine Verletzung des Beschwerdeführers in Grundrechten der Verfassung des Landes Brandenburg erkennen. Die Strafzeitberechnung in der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Verkürzung der gegen den Beschwerdeführer durch Urteil des Bezirksgerichts M. vom 26. Oktober 1988 wegen Mordes verhängten Freiheitsstrafe von 15 Jahren auf 10 Jahre ist, wie die Strafvollstreckungskammer nachvollziehbar ausgeführt hat, ersichtlich nicht erfolgt. Eine entsprechende Gerichtsentscheidung wird von dem Beschwerdeführer nicht benannt. Eine Kommission bundesdeutscher Richter mit der Befugnis zur Neufestsetzung von Freiheitsstrafen, auf die er verweist, hat es nicht gegeben. Das Gesetz der Volkskammer der DDR vom 28. September 1990 (GVBl. DDR 1990 I, S. 1987), das nach seinem § 1 zeitliche Freiheitsstrafen, die vor dem 1. Juli 1990 durch ein Gericht der Deutschen Demokratischen Republik verhängt wurden, um ein Drittel ermäßigt, nimmt in seinem § 2 Nr. 2 Mord (Verbrechen gemäß § 112 des Strafgesetzbuchs [DDR]) von der Ermäßigung ausdrücklich aus. Das Bezirksgericht H. hat dem entsprechend durch Beschluß vom 28. Oktober 1991 den Kassationsantrag des Beschwerdeführers, mit dem er auf eine geringere Freiheitsstrafe abzielte, als offensichtlich unbegründet verworfen. Soweit in einem Bundeszentralregisterauszug vom 7. Februar 1996 für die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Bezirksgerichts M. vom 26. Oktober 1988 von einer „Neufestsetzung aufgrund Amnestie“ die Rede war, war dies offensichtlich unzutreffend. Dementsprechend ist diese falsche Eintragung, die als solche keinerlei Rechtswirkungen entfalten konnte, auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Magdeburg gestrichen worden. Auch daß das Landgericht Magdeburg in seinem Urteil vom 11. Juli 1996 davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer eine 10jährige Freiheitsstrafe wegen Mordes verbüße, ist unerheblich und war erkennbar aus dem fehlerhaften Auszug aus dem Bundeszentralregister übernommen. Außer in dem Strafregisterauszug ist im übrigen in der Strafsache 131-79-88 durchgehend von einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren die Rede. Daß die Eintragung im Bundeszentralregister „10 Jahre Freiheitsstrafe nach Neufestsetzung aufgrund Amnestie“ irrtümlich erfolgt war, bestätigt sich schließlich auch darin, daß in der Strafakte auf die Aufforderung des Generalbundesanwalts - Dienststelle Bundeszentralregister - vom 2. November 1990, für den Beschwerdeführer sowohl für die Verurteilung wegen Diebstahls als auch für die Verurteilung wegen Mordes die aufgrund der Amnestie vom 28. September 1990 neu festgesetzte Strafe mitzuteilen, nur für die Strafe wegen Diebstahls von 4 Jahren und 3 Monaten eine Reduzierung auf 2 Jahre und 10 Monate, bezüglich der Verurteilung wegen Mordes vom 26. Oktober 1988 aber - trotz „Strafermäßigung und 1/3“ - die Höhe der zu verbüßenden Freiheitsstrafe weiterhin mit 15 Jahren angegeben wird.

Der besondere Stellenwert des Grundrechts der Freiheit der Person (Art. 9 der Verfassung des Landes Brandenburg) erfordert zwar entsprechend herausgehobene Anforderungen an Entscheidungen, die die persönliche Freiheit betreffen. Das gilt im Straf- und Strafverfahrensrecht nicht nur für das Hauptsacheverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen. Es ist unverzichtbar, daß gerade Entscheidungen, die die persönliche Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine genügende tatsächliche Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 70, 297, 208 sowie BVerfGE 86, 288, 326 jeweils zu Art. 2 Abs. 2 GG). Aber auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die hier angegriffene Strafzeitberechnung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Strafvollstreckungskammer - und im Anschluß daran das Oberlandesgericht - hat sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers und insbesondere mit seinem Hinweis auf den Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 7. Februar 1996 sorgfältig und überzeugend auseinandergesetzt. An der Richtigkeit der Strafzeitberechnung der Strafvollstreckungskammer ergeben sich keine Zweifel. Daß in einem Auszug des Bundeszentralregisters einmal etwas Falsches vermerkt war, kann nicht zu einer Reduzierung der Freiheitsstrafe führen.

3. Prozeßkostenhilfe war zu versagen, nachdem die Verfassungsbeschwerde aus den vorgenannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 48 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg in Verbindung mit § 114 Zivilprozeßordnung).

Dr. Macke Dr. Dombert
Havemann Dr. Jegutidse
Dr. Knippel Prof. Dr. Schröder
Weisberg-SchwarzProf. Dr. Will